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Full text of "Agamemnon"

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III] | 


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BOTGHT WITH 


THE IXCOME FROM 


THE GIFT OF 


STEPHEN SALIBBURY, 


OF WORCESTER, MASS. 


(Class of 1817). 


Cie. /T, /$ 66. 


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AESCHYLOS 
AGAMENMNON. 


GRIECHISCH UND DEUTSCH 


MIT EINLEITUNG, 


EINER ABHANDLUNG ZUR AESCHYLISCHEN KRITIK 
UND 
COMMENTAR. 


ΤΟΝ ὩΣ : 


Det τ 5 ἃ; a 
KARL HEINRICH KECK. 


To μὲν καλῶς ἔχον 
Ὁ" ᾿ 4 [4 
ὅπως χρονέξον εὖ μένει βουλευτέον᾽ 
ὅτῳ δὲ καὶ δεῖ φαρμάκων παιωνίων, 
ἤτοι κέαντες ἢ τεμόντες εὐφρόνως 
πειρασόμεσϑα πῆμ᾽ ἀποστρέψαι νόσου. 





LEIPZIG, 
DRUCK UND VERLAG VON B.G. TEUBNER, 


.1863.- 


X P2306| 


ὅε 


/866, See: IR. 


οἰ ιν Sane, 













HARVARD 
UNIVERSITY 
LIBRARY 











DEM MEISTER 
FRIEDRICH RITSCHL 


GEWIDMET. 














WIDMUNG. 


Was kühnste Denkkraft, eisernem Fleiss gepaart, 
Auf lautren Herzens sicherem Grund vermag; 
Wie aus des Leibes Pein und Ohnmacht 
Siegend die Flamme des Geistes leuchtet: 


Des zeugen ewig deine gewaltigen 
Im Dienst der Wahrheit ringenden Taten uns. 
Ein Held der Forschung trugst du wieder 
Licht in die dunkelen Gräber Roma’s. 


Des Ruhmes Lorbeer, welcher dir dort erwuchs, 
Er spendet längst schon gastlichen Schatten rings: 
In seiner Kühlung ward es wohlig 


Allen, die je dir zu Füssen sassen. 


Auch mich erquickt’ er: köstlicher Same fiel 
Von deiner Milde tief in den Busen mir. 
Ich schied, und höher schwoll in Sehnsucht 
Künftigen Dankos ein treues Herz dir. 


% 


Die Jahre gingen. Keimte das Samenkorn ὃ 
Trug’s süsse Früchte? — Siehe, da bring’ ich dir, 
Was mir erblüht ist. Liebe pflegt’ es: 
Liebend empfange des Herzens Gabe. 











VORWORT. 


Die Arbeit, welche ich hier vorlege, bringt jedenfalls 
die Empfehlung mit, dass sie nicht eine in Hast übereilte 
ist. Schon vor siebzehn Jahren schrieb ich als junger Bonner 
Student eine Uebersetzung des Agamemnon und suchte für 
mein Bedürfniss den Text kritisch festzustellen und dunkle 
Stellen zu erklären: seitdem ist kein Jahr vergangen, in 
dem ich mich nicht eingehend mit dieser Tragödie beschäf- 
tigt hätte, und in den letzten zwei Jahren hab’ ich fast jede 
freie Stunde darauf verwandt. 

'So wär’ es denn niederschlagend für mich, wenn sich 
nicht herausstellen sollte dass mein Fleiss die Kritik und 
Erklärung des Aeschylos um ein wesentliches gefördert hätte. 
Vieler von mir gefundenen Emendationen Veröffentlichung 
ist mir zwar im Lauf der Jahre von Hermann, Enger, Weil 
und H. L. Ahrens vorweggenommen worden: doch eben 
diese Uebereinstimmung,; worin sich die Resultäte meiner 
Studien mit denjenigen so bedeutender Männer vielfach fin- 
den, lässt mich hoffen dass auch in denjenigen Entdeckungen, 
die ich allein gemacht zu haben glaube, manches sich als 
probehaltig erweisen wird. Denn allerdings begann ich die 
Uebersetzung zunächst als jugendlicher Dilettant, aber im 
langen Verlauf der Arbeit vertieften sich mehr und mehr 
meine Studien, und damit trat mir allmählich ein streng 
wissenschaftliches Ziel, die Wiederherstellung des schlimm 


VIII VORWORT. 


zerrütteten Textes, entschieden in den Vordergrund. Da 
jedoch die Kritik nie erfolgreich wirken kann ohne die in- 
nigste Verbindung mit der Hermeneutik, die Erklärung aber 
von einer Dichtung des Altertums uns erst dann für voll- 
endet zu erachten ist, wenn die deutsche Sprache sich ihrer 
in entsprechender Kunstform bemächtigt hat, so gestaltete 
sich mir hinwiederum die Uebersetzung zur Blüte meiner 
wissenschaftlichen Arbeiten. Viermal hat sie nach dem ersten 
Entwurf eine völlig neue Form gewonnen, sodass ich sie 
jetzt als künstlerisches Ergebniss sorgfältigster und ein- 
dringlichster Studien vorlegen darf. Ich möchte sie daher 
nicht als müssiges und entbehrliches Beiwerk gelehrter phi- 
lologischer Forschung betrachtet wissen: dies ganze Buch, 
worin sich künstlerische und wissenschaftliche Interessen 
durchdringen und verschlingen, ist das notwendige Resultat 
meiner Anlage und meiner geistigen Entwicklung. 

Was nun zunächst die künstlerische Seite des hier vor- 
liegenden Werkes betrifft, so ist mein Streben gewesen, der 
würdige Nachfolger W. v. Humboldts und Droysens, dieser 
beiden um die Erklärung des Aeschylos sp hochverdienten 


Uebersetzer, zu werden. Ihr Nachfolger, sage ich, möcht” 


ich sein: nicht als ob ich vermessen genug wäre mich die- 
sen genialen Männern an Können oder Wissen oder Ver- 
dienst auch nur auf diesem Gebiet zur Seite zu stellen, aber 
da ich mit ihres Geistes Milch mich habe nähren dürfen, 
so würde es unverzeihlich sein mit meiner Uebersetzung in 
die Oeffentlichkeit zu treten, wenn ich nicht glaubte dass 
sie in Erfassung und Wiedergebung äschylischer Eigen- 
heiten, vor allem seines plastischen und trotz aller Erhaben- 
heit nie schwülstigen und unklaren Stils, über Humboldts 
und Droysens Leistungen hinausgehe. Den Forderungen des 
Genius unserer Sprache mein’ ich überall gerecht geworden 
zu sein: aber unwesentliches ‘opfernd, wesentliches strenge 








VORWORT. IX 


festhaltend, hab’ ich die echte Uebersetzertreue zu wahren 
gesucht. Und um hier zwischen unwesentlichem und we- 
sentlichem eine wenn auch nicht unbedingt feste so doch 
meistens erkennbare Grenze zu ziehen: alles, was im Ori- 
ginal dem hellenischen Idiom als solchem angehörte, hab’ 
ich ins Deutsche übertragen, so z. B. sprüchwörtliche Re- 
densarten wie τρὶς ξξ oder βοῦς ἐπὶ γλώσσῃ μέγας βέβηκεν 
hab’ ich ohne Scheu mit solcher Freiheit übersetzt, dass 
der gebildete Deutsche sogleich ohne gelehrte Anmerkungen 
versteht, was gemeint ist; mit desto grösserer Strenge da- 
gegen hab’ ich alles, was dem grossen Dichter auf dem’ 
Boden seiner Nationalität individuell und eigentümlich zu 
sein schien, festzuhalten und wort- und stilgetreu wieder- 
zugeben mich bemüht. Wenn dieses Streben hin und wieder 
für deutsche Leser eine Unklarheit des Ausdrucks hervor- 
brachte, so hab’ ieh durch kurze und möglichst wenig ab- 
lenkende Scholien über den Zusammenhang zu orientieren 
gesucht. — In metrischen Dingen, z. B. in der Beschränkung 
der Anzahl doppelzeitiger Sylben, in der Verbindung des 
logischen Accents mit der metrischen Hauptarsis, in der 
Vermeidung des Hiatus u. s. w. hab’ ich mir strengere Ge- 
setze auferlegt als selbst Minckwitz: hat doch Platens Lehre 
und Beispiel gezeigt dass unsere Sprache, den seelenvollen 
Klang des Reimes mit ihren modernen Schwestern teilend, 
einzig vor allen im Stande ist auch in der Plastik des an- 
tiken Rhythmus mit der griechischen ebenbürtig zu wett- 
eifen. Ja, unsere Prosodie ist darin noch unendlich viel 
schöner als die griechische, dass bei uns mehrdie Seele 
des Wortes, der Accent, als seine Körperlichkeit die Länge 
einer Sylbe bestimmt; aber freilich ist damit identisch 
ein ausserordentlicher Vorzug der griechischen Rhythmik. 
Diese vermag nämlich dadurch dass sie eine betonte Länge 
in zwei Kürzen auflösen kann in Scenen gewaltigster Auf- 


x VORWORT. 


regung die fieberhafte Glut der Sprechenden auch im Ton- 
fall der Sylben darzustellen: sobald dagegen im Deutschen 
eine Sylbe körperlich und geistig stark genug ist den Vers- 
accent zu tragen, so wird sie eben dadurch unvermeidlich 
zu einer Länge. So treu ich also die äschylischen Rhyth- 
men nachzubilden gesucht habe, so musst’ ich doch in allen 
Fällen, wo dort eine betonte Länge in zwei Kürzen auf- 
gelöst war, in der Uebersetzung dafür &ine lange Sylbe 
gebrauchen. Wie weit in Folge dessen, namentlich in der 

vielgestaltigen Basis der Logaoeden (z. B. v. 666-67) 
oder in den aufgelösten Dochmien der Kassandrascene, 
meine Verse hinter den äschylischen an schöner Leiden- 
schaftlichkeit zurücksteher, fühlt niemand tiefer als ich: 
aber ich glaubte dem Wesen des antiken Rhythmus treuer 
zu bleiben, wenn ich z. B. den Dochmius v. 1049 μισόϑεον 
μὲν οὖν durch die reine Form „2... wiedergäbe, als 
wenn ich nach dem Beispiel andrer Uebersetzer den Rhyth- 
mus -_u_-.-, der im Deutschen nur logaoedisch sein 
könnte, anwendete. — Absichtlich hab’ ich hin und wieder 
im iambischen Trimeter die Cäsur vor der fünften Arsis 
bei vorausgehender langer Thesis zugelassen: das Ohr der 
Gebildeten mag entscheiden, ob ich darin dem Geist un- 
serer Prosodie gerecht geworden bin oder nicht. 

Ich komme zur wissenschaftlichen Seite meines Buches. 
Ueber die Grundsätze und die Methode meiner Kritik hab’ 
ich mich in der Abhandlung p. 195 —207 ausgesprochen. 
In der dort vertretenen Ueberzeugung, dass die codd. Ven. 
Flor. Farn. nicht aus dem Med. geflossen sind, hat mich 
auch der zweite Artikel, den W. Dindorf seitdem im Phi- 
lologus über die mediceische Handschrift des Aeschylos hat 
erscheinen lassen, nicht wankend machen können. Mehr 
Gewicht hat das Argument, welches R. Enger in der Vor- 
rede zur zweiten Auflage von Klausens Agamemnon p. VI 











VORWORT. ΧΙ 


aus den Worten τὸ δὲ προκλύειν v. 236 entnimmt, um zu 
beweisen dass auch der Flor. aus dem Med. stamme: allein 
zwingende Kraft wird man meinen Gründen gegenüber je- 
nem Argument nicht zugestehen können. Sicherlich freilich 
ist τὸ δὲ προκλύειν eine ursprünglich zur Erklärung über 
πρὸ χαιρέτω geschriebene Glosse, aber da der Med., bevor 
mit hellerer Tinte (nach Franz) τὸ δὲ xgoxAvsıv hinzugefügt 
ist, ganz sinnlos gelesen hat 

τὸ μέλλον 

ἐπιγένοιτ᾽ ὧν κλύοισπροχαιρέτω, 
so konnte zu diesem Texte unmöglich Jemand die fragliche 
Glosse aus sich selber geben, sondern wer sie später 
hinzuschrieb, hatte sie jedenfalls aus einer andern Hand- 
schrift entnommen: folglich können die Worte τὸ δὲ προ- 
κλύευν aus einer ganz anderen Quelle als aus dem Med. in 
den Flor. gekommen sein. 


In meinem Commentar hab’ ich keineswegs in der Art 
Klausens oder Schneidewins und Engers eine zusammen- 
hängende Erklärung der ganzen Tragödie geben wollen, 
diese giebt vielmehr meine Uebersetzung mit der Einleitung. 
Wer also den Agamemnon erst kennen lernen will, ge- 
brauche lieber die vortrefiliche, an Material aller Art fast 
überreiche Engersche Bearbeitung von Klausens Ausgabe 
(leider konnt’ ich diese nur noch während des Drucks hier 
und da benutzen): meine Bemerkungen beziehen sich we- 
sentlich nur auf solche Stellen, wo ich die Kritik und Er- 
klärung fördern zu können glaubte, während ich dasjenige, 
was mir bereits geordnet schien, nur kurz erwähnte. Wenn 
ich aber über manche schwierige Partien etwas ausführli- 
cher gesprochen habe, so wolle man das meinem Wunsche 
verzeihen, dass namentlich auch Studierende der Philologie 
dies Buch gebrauchen mögen: ich wage zu glauben dass die 


ΧΗ VORWORT. 


praktische Anleitung, die mein Commentar zur Kritik und 
Hermeneutik in ihrer innigen Durchdringung giebt, jungen 
Philologen nicht ohne Nutzen sein wird. — Verwirrenden 
Citatenprunk, der den Blick von dem eigentlichen Ziel ab- 
lenkt, hab’ ich sorgfältig vermieden als etwas schädliches 
und unwürdiges: dagegen wird man die nötige Beweisfüh- 
rung nicht leicht irgendwo vermissen. Mein Bedauern aber. 
muss ich hier aussprechen, dass ich einige notwendig hier- 
her gehörige Citate auf Treu und Glauben dem Thesaurus 
hab’ entnehmen müssen, ohne an die Quelle selbst gehen zu 
können: mein reizendes Plön hat an manchem Schönen 
Ueberfluss, aber nicht an seltenen und kostbaren Büchern. 
So hab’ ich auch um Entschuldigung zu bitten, wenn ich 
etwa hier oder da als mein Eigentum eine Emendation an- 
führen sollte, die bereits von anderen vorgebracht ist: ich: 
habe mich redlich bemüht jedem das Seine zu geben, aber 
es könnte mir doch leicht eine hier oder da versteckte Con- 
jectur, auf welche mich erst später eigenes Nachdenken ge- 
führt hätte, entgangen sein. 

Nachträglich hab’ ich zur Besserung und Erklärung des 
Textes hier .nichts hinzuzufügen: nur erwähn’ ich noch mit 
Dank dass der mir persönlich völlig unbekannte Herr Prof. 
Dr. Schwerdt in Münster kürzlich die Güte gehabt hat mir 
seine „Probe einer neuen Horazrecension‘‘ (Münster 1863), 
worin sich p. 97—99 mehrere sehr beachtenswerte Üon- 
jeceturen auch zu unserer Tragödie finden, zu übersenden. 
Brieflich teilt mir derselbe mit dass es v. 78 statt ἄρης δ᾽ 
οὐκ ἐνὶ χώρα heissen müsse dong δ᾽ οὐκ Evi πρώραᾳ oder 
πρώραις: „an die Stelle von χώρᾳ gehöre ein Wort, welches 
die Metapher, worauf der Dichter durch νεαρὸς μυελὸς 
ἀνάσσων geleitet werde, wirklich ausgesprochen enthalte, 
sonst würde das unvorbereitet nachrückende φυλλάδος ἤδη 
κατακαρφομένης in der Luft schweben; dies Wort sei πρώρα 


VORWORT. XII 


der junge Rebschössling“. Ich freue mich in der 
Auffassung der ganzen Stelle mit Herrn Schwerdt völlig 
übereinzustimmen, doch scheint mir dass dem geforderten 
Gedanken schöner entspricht die herrliche Emendation Weils 
"Aons δ᾽ οὐκ Evi yAwoo, zumal da sie die Corruptel so leicht 
erklärt. War nämlich aus Versehen ΧΩΡΩΙ geschrieben und 
zur Verbesserung ein A über das erste Ω gesetzt, so konnte 
dies leicht für ein A angesehen und dann als Correctur des 
zweiten 2 gedeutet werden, womit denn XNPAi gegeben war. 

Endlich noch einige Worte über die äussere Einrichtung 
meines Buches. Die Verszahlen sind im Text wie im 
Commentar immer die der Hermannschen Ausgabe, die als 
epochemachende vorläufig das Recht behält die Ziffern zu 
fixieren. Allerdings hab’ ich in der Reihenabteilung der 
Chorgesänge und in der Aufeinanderfolge der Verse häufig 
von Hermann abweichen müssen, aber ich sehe keinen 
Ruhm darin, meinerseits eine neue Zählung einzuführen und 
dadurch die jetzt schon im Citieren des Aeschylos herr- 
schende Verwirrung zu vermehren. — Die unter dem Text 
stehende Angabe der handschriftlichen Lesarten und ihrer 
Verbesserer will keineswegs einen kritischen- Apparat vor- 
stellen, sie soll nur in raschem Blicke über das Verhältniss 
meiner Recension zu den früheren und zu den codd. orien- 
tieren. Daher hab’ ich auch einfache Schreibfehler der codd., 
die jedes Kind verbessern könnte, nicht mit aufgeführt; 
ebenso wenig orthographische und dialektische Abweichun- 
"gen, deren Verbesserung wir meistens der Sorgfalt W. Din- 
dorfs verdanken. — Alle Stellen des Textes, die von eckigen 
Klammern umschlossen sind, ergänzen Lücken der Ueber- 
lieferung. — Dass ich die von Weil entdeckte Gliederung 
des Recitativ durch den Druck augenfällig gemacht habe, 
wird hoffentlich dazu beitragen, der Symmetrie in Aeschylos’ 
Redebau Anerkennung zu verschaffen. 


XIV VORWORT. 


Und damit wäre denn wohl meinem Buche der Ge- 
leitsbrief geschrieben. Ich schliesse mit dem Wunsche dass 
es sich mehr Freunde als Feinde erwerbe, vor allem aber 
dass es den Beifall des "hochverehrten Mannes gewinne, 
dem ich es in warmer Dankbarkeit gewidmet habe. Möge 
Friedrich Ritschl sich mit Freuden zu diesem Werk als 
einer Frucht seiner Schule bekennen! | 


Plön, den 20. Sept. 1863. 


Karl Heinrich Keck. 





Einleitung. 


Die Orestee des Aeschylos, aufgeführt Ol. 80, 2 oder 458 Auftährung 
v. Chr., höchst wahrscheinlich an den grossen Dionysien im März ἜΝ 
(vgl. zu V. 793), ist des Dichters letzte, aber auch wohl gross- - 
artigste Schöpfung. Als sechsundsechzigjähriger Greis gewann 
er damit den Sieg über seine jüngeren Nebenbuhler. 

Der Stoff ist dem epischen Sagenkreise der Pelopiden entnom- Homeri- 
men, dessen Grundzüge sich bereits in der Odyssee finden. Dort Gestaltung 
(IH, 256) erwidert der greise Nestor dem Telemach auf seine Frage, _ der 
wie denn Aegisthos den viel stärkeren Agamemnon habe erschlagen es 
können und wo Menelaos während dieser Tat gewesen sei, folgendes: 
| „du kannst dir selbst sagen, wie die Sache verlaufen wäre, wenn 
: Menelaos bei seiner Heimkehr von Troja den Aegisthos nur wenig- 
| stens noch lebendig vorgefunden hätte. Dann hätte man seiner 

Leiche nicht einmal einen Grabhügel aufgeschüttet, sondern sie 
wäre hingeworfen in das Feld fern von allem Menschenverkehr, und 
Hunde und Vögel hätten sie gefressen, und keine der Achäerinnen 
hätte ihr Todtenklage gewidmet: so scheusslich war die Tat des 
Aegisthos. Nämlich während wir dort vor Troja lagen und viele 
Kämpfe bestanden, sass er ruhig im traulichen Winkel der Heimat 
und suchte Agamemnons Wejb mit seinem Geschwätz zu betören. 
Anfangs wies die edle Klytämnestra das schmachvolle Ansinnen zu- 
rück : denn sie war gut und verständig, und ihr zur Seite stand ein 
Sänger, dem Agamemnon bei seiner Abfahrt nach Troja ans Herz 
gelegt hatte sein Weib zu behüten. Aber als die Schickung der Göt- 
| ter sie bestrickte, sodass sie der Verführung unterlag, da brachte 
Aegisthos jenen Sänger auf eine wüste Insel und liess ihn dort zur 


AESCHYL. AGAMEMNON. 1 














2 EINLEITUNG. 


Beute und zum Frass für die Raubvögel, jene aber führte er freudig 
— und sie folgte mit Freuden — in sein eigenes Haus. Und viele 
Schenkelstücke verbrannte er auf den heiligen Altären der Götter 
und vielen Schmuck hängte er in ihren Tempeln auf, sowohl Ge- 
wandung als Gold; hatte er doch einen grossen Erfolg errungen, den 
er nie hatte hoffen dürfen. — Wir segelten nun zugleich von Troja 
ab, Menelaos und ich, denn wir liebten einander. Aber als wir das 
heilige Sunion, die Spitze von Attika, erreicht hatten, da tödtete 
Phöbos Apollon mit seinen sanften Pfeilen herantretend den Steuer- 
mann des Menelaos, während er das Ruder des mitten in der Fahrt 
befindlichen Schiffes in Händen hielt (es war Phrontis, der Sohn des 
Onetor, ein Meister in der Kunst auch in brausenden Stürmen ein 
Schiff zu lenken). So musste Menelaos, wie sehr es ihn auch drängte 
zur Weiterreise, dort Halt machen, um den Gefährten zu begraben 
und ihm die. letzten Ehren zu erweisen. Aber als nun auch er auf 
seiner weiteren Fahrt das schroffe Vorgebirge Malea erreicht hatte, 
da verhängte ihm Zeus Widerwärtigkeiten und sandte ihm brau- 
sende Stürme und den Schwall von ungeheuren berghohen Wo- 
gen — — —. Fünf von seinen Schiffen trug Wind und Wassser 
nach Aegypten hin, und so irrte er dort viel Geld und Gut sammelnd 
in der Fremde umher. — Inzwischen aber vollbrachte Aegisthos zu 
Hause jene Schandtaten: er erschlug Agamemnon, unterjochte das 
Volk und regierte sieben Jahre über das reiche Mykene. Aber 
im achten Jahre kam sein Verderben: der edle Orestes kehrte 
wieder von Athen zurück (nach einer anderen Lesart, der die Tra- 
giker gefolgt sind: von Phokis) und erschlug den Vatermörder, den 
ränkevollen Aegisthos, der ihm den herrlichen Vater getödtet hatte. 
Und gerade an dem Tage, als er nach dem Morde den Argivern ei- 
nen Leichenschmaus gab bei der Bestattung seiner grässlichen Mut- 
ter und des feigen Aegisthos, kehrte der tapfere Menelaos mit Schä- 
tzen reich beladen zurück.“ 

So der treuherzige redselige Nestor; von der Ermordung Aga- 
memnons aber erzählt der Meergott Proteus dem Menelaos (IV, 512): 
„Dein Bruder entging mit Hülfe Heras dem Schiffbruch, in welchem 
Aias umkam. Aber als er nahe daran war das schroffe Vorgebirge 
Malea zu erreichen, riss ihn ein Sturm zurück und trug ihn zu sei- . 
nem Kummer wieder auf die hohe See, über die äusserste Spitze 
von Argos hinaus, wo früher Thyestes gewohnt hatte, damals aber 








EINLEITUNG. 3 


dessen Sohn Aegistlios. Aber als auch von dorther glückliche Rück- 
kehr ihm zuteilward, indem die Götter den.Wind drehten, und er 
nun nach Hause kam, da betrat er freudig den heimischen Boden 
und küsste ihn, und viele heisse Thränen vergoss er, da er sein 
Land so gern wieder sah. Ihn aber hatte von einer Warte aus ein 
Späher erblickt, vom ränkevollen Aegisthos bestellt unter dem Ver- 
sprechen eines Lohnes von zwei Talenten Goldes. Ein Jahr lang 
hielt er dort Wache, damit er nicht ihm unbemerkt vorüberkäme 
und seiner gewaltigen Kraft erst inne würde. Und er brachte die 
Botschaft in den Palast. Sogleich aber ersann Aegisthos eine tücki- 
sche List: zwanzig tapfere Männer las er im Volke aus und legte sie 
in einen Versteck; an der anderen Seite des Hauses befahl er ein 
Mahl anzurichten. Aber dann zog er mit Ross und Wagen dem Aga- 
memnon entgegen voll arger Pläne, geleitete den ahnungslosen von 
der Küste hinauf und setzte ihm ein Mahl vor und erschlug ihn, wie 
man einen Stier an der Krippe niederschlägt. Keiner von den Be- 
gleitern des Atriden blieb übrig, aber auch keiner von denen des 
Aegisthos: alle wurden im Hause getödtet.“ 

Und von der Rache des Orestes sagt Zeus (1, 33): „Von uns 
“meinen die Menschen dass die Leiden kommen, aber sie selber la- 
den sie sich auf noch über des Schicksals Bestimmung hinaus durch, 
ihre eigenen Torheiten. So hat nun auch Aegisthos wider die ewige 
Ordnung die Gattin des Atriden geheiratet und ihn bei seiner Rück- 
kehr getödtet. Und doch wusste er sein schnelles Verderben, denn 
wir hatten den Hermes abgesandt und ihm sagen lassen dass er we- 
. der den Mann tödten noch seine Gattin freien solle; denn vom Ore- 
stes werde die Rache für den Atriden kommen, sobald er herange- 
wachsen sein und Sehnsucht nach seiner Heimat fühlen werde. So 
sagte ihm Hermes, aber nicht überredete er mit seinen heilsamen 
Ratschlägen den Aegisthos. Nun hat er denn ja alles auf einmal 
büssen müssen.“ 

Anderswo (ΧΙ, 439) wird hinwiederum Kiytämnestra als die- 
jenige genannt, welche durch List ihrem Gemalıl den Tod bereitet 
habe, und so ziehen sich überhaupt durch die ganze Odyssee Er- 
wähnungen vom Schicksal Agamemnons als Gegenbild zu demjeni- 
gen des Odysseus, dessen in Treue und Ehren Penelope harrt. Aber 
das homerische Epos weiss noch nichts von den in Iphigenias Opfer- 
tod liegenden Motiven Klytämnestras, es kennt sie nur als verführte 

1* 





4 EINLEITUNG. 


Ehebrecherin, daher tritt hier bei der Ermordung Agamemnons viel 
mehr Aegisthos als Klytämnestra hervor, wenn auch jener bereits 
wegen seiner tückischen Hinterlist der „feige“ heisst (III, 310). 
Auch von den früheren Gräueln im Hause der Pelopiden weiss Ho- 
mer nichts: Il. II, 103 wird ausdrücklich dagegen erzählt dass 
Atreus bei seinem Tode das Scepter dem Thyestes hinterlassen und 
dieser hinwiederum es auf seinen Neffen Agamemnon vererbt habe. 
Ebenso wenig ist in jenen Gesängen von einer Verfolgung des Mör- 
ders Orestes durch die Erinyen die Rede: es wird zwar angedeutet 
(Od. III, 310) dass er seine Mutter erschlagen habe, aber seine Tat 

wird überall als eine ruhmvolle gepriesen. 
Nachhome- Bedeutend erweitert und vertieft erscheint dagegen die Ore- 
᾿ " bildung stessage bei Aeschylos: namentlich tritt hier die Büssung und 
der Sühnung des Muttermörders als Resultat des vertieften ethischen 
Sage. Bewusstseins neu hinzu. Freilich war der Stoff auch in nach- 
homerischen epischen Gedichten und von Lyrikern, namentlich von 
Stesichoros (630—550 v. Chr.), vielfach behandelt worden, und wir 
können nicht beurteilen, in wie weit er durch jene uns verlorenen 
Dichtungen den Tragikern zugebildet worden ist: aber wie sehr 
sich auch Aeschylos in Bezug auf die äusseren Umrisse der Sage 
auf die kühnen und weitgreifenden Neuerungen des Stesichoros be- 
ziehen mag (und aus der Art, wie er das Stoffliche überall mehr an- 
deutet als darlegt,.ist zu schliessen dass er den ganzen Körper der 
Sage bei seinen Zuhörern als bekannt voraussetzen durfte), so ist 
doch gewiss die ideelle Vertiefung, die Vergeistigung des Stoffes, 
und die Umbildung der episch-Iyrischen Fassung in die dramatische, 
namentlich auch das Hervortreten des Hauptcharacters Klytämne- 
stra und ihrer Motive, das Eigentum seiner grossartigen Welt- 
anschauung, die in Bezug auf sittliche und religiöse Ideen seine 
Zeit weit überragte, und seines unvergleichlichen künstlerischen 

Taktes. 

Aeschvli- Wir wollen nun zunächst die vom Dichter gesetzten materiel- 
Ε sche len Vorbedingungen seiner grossen trilogischen Composition in 
der Klaren Zügen hinstellen. Das ist die gegebene Basis, das von aussen- 
Sage. her gleichsam verhängte Schicksal, auf und aus welchem die tragi- 
sche Handlung sich in freier Geistestat der beteiligten Hauptperso- 
nen entwickelt. In Bezug auf diese Vorbedingungen setzt Aeschylos 
grosse Sagenkunde bei den Zuhörern voraus; namentlich in Kassan- 








EINLEITUNG. 5 


dras Visionen deutet er manche Züge nur dunkel an statt sie hell 
und deutlich zu zeichnen. Andere Umstände aber werden teils vom 
Chor teils von den handelnden Personen ausführlich dargestellt. 
Doch lassen wir alles, was der Dichter nicht selbst berührt, billig 
bei Seite, namentlich die Zusätze späterer Tragiker; nur so können 
wir für die Erkenntniss der von ihm verkörperten grossen Ideen den 
sicheren Standpunkt gewinnen. 

Tantalos also, setzt Aeschylos voraus, war ein mächtiger König 
in Asien. Sein Sohn Pelops kam mit reichen Schätzen nach Hellas 
und bemächtigte sich der Herrschaft in Elis, von wo aus er nach 
und nach ungefähr die ganze Peloponnesos, der er den Namen gab, 
eroberte. Seine Söhne waren Atreus und Thyestes: der erstere, der 
Haupterbe der väterlichen Macht (daher mit Beinamen Pleisthenes 
genannt !)), residierte in Argos und Mykene, dem jüngeren Bruder 


1) Die Genealogen des Altertums sind unter sich uneinig über die 
Stellung des Pleisthenes in der Stammtafel der Pelopiden, und auch 
noch in neuerer Zeit hat Klausen (zu Ag. 1485. Herm. 1536) die Ver- 
mutung aufgestellt dass Pleisthenes der Vater des Atreus, also der 
Grossvater des Agamemnon gewesen sei. Dennoch aber kann gar kein 
Zweifel darüber herrschen, wie Aeschylos, der hierin sicherlich dem 
Stesichoros folgt (denn er setzt die Genealogie als bekannt voraus), 
sich die Sache gedacht hat. Nach v. 1536, wo Klytämnestra den Dä- 
mon der Pleistheniden erwähnt, ist Pleisthenes jedenfalls ein Vorfahr 
des Agamemnon und seines Bruders Menelaos; nun aber sagt Aegisthos 
v. 1570 dass sein Vater Thyestes das ganze Geschlecht des Pleisthenes 
verflucht habe: also kann Pleisthenes, da Thyestes doch natürlich nicht 
sich und seine Nachkommenschaft in den Fluch mit einbegriffen hat, 
nicht ein Vorfahr des letzteren sein. Folglich ist Pleisthenes der Vater 
des Agamemnon und des Menelaos, und da diese v. 60 und anderswo 
ausdrücklich Söhne des Atreus heissen, so sind Pleisthenes und Atreus 
identisch. Auch passt für den letzteren, der eine soviel grössere Macht 
als sein Bruder Thyestes hatte, der Beiname vortrefflich. — Bestätigt 
wird diese Schlussfolgerung durch Apollodor, der III, 2, 2 erzählt dass 
Pleisthenes die Aörope geheiratet und mit ihr die Söhne Agamemnon 
und Menelaos gezeugt habe. Andere Forscher aber konnten sich in den 
doppelten Namen für dieselbe Person nicht finden: Eustath. zur IL II, 
249 meinte, Agamemnon und Menelaos seien in Wirklichkeit Söhne des 
Pleisthenes gewesen, da dieser jedoch jung verstorben sei, so habe 
Atreus sie erzogen und sie hätten für seine Söhne gegolten; noch an- 
dere Combinationen, die nicht minder schlau sind, aber ebenso die ein- 
fache Wahrheit verfehlen, geben die Scholiasten. 


6. EINLEITUNG. 


fiel nur ein Vasallenland im Süden von Argolis zu. Aber dieser 
trachtete nach grösserer Gewalt (Ag. 1551—54 sagt Aegisthos be- 
schönigend ‚er sei um den Tron mit Atreus entzweit gewesen‘) 
und gebrauchte als Mittel dahin zu gelangen einen ehebrecherischen 
Umgang mit seines Bruders Weib Aörope (Ag. 1152). Seine schänd- 
lichen Pläne werden jedoch entdeckt, er muss landflüchtig werden, 
und Aörope giebt sich durch den Strang den Tod (Ag. 1050, vgl. 
besonders Klausens Anmerkung zu dieser Stelle). Später kehrt 
Thyestes mit seinen beiden Söhnen aus dem Elend zurück: er setzt 
sich als Schutzflehender an des Atreus’ Herd, und dieser sichert dem 
bittenden zwar Straflosigket zu — denn Thyestes hat sich unter 
den Schutz der Götter gestellt —, aber nur um sich grauenvoll an 
ihm zu rächen. Heuchlerisch feiert er seines Bruders Rückkehr mit 
einem grossen Opferfest, aber dem scheinbar hoch ausgezeichneten 
und darum am Einzeltisch sitzenden Thyestes werden seine beiden 
Kinder geschlachtet zum Mahle vorgesetzt und ahnungslos isst der 
Vater den schauervollen Frass. Das ist die Urschuld, die πρώταρ- 
χος ἄτη, des Geschlechtes. Wie er aber erfährt, was geschehen, 
stürzt er hintenüber, wirft den vor ihm stehenden Tisch um und 
‘ weiht durch einen furchtbaren Fluch das ganze Geschlecht des 
Atreus oder Pleisthenes dem Untergange. Dieser Fluclı zieht zuerst 
die Erinyen und den Frevelgeist, den Alastor, ins Haus der Pelopi- 
den. Von nun an folgen Gräuel auf Gräuel. 

Tlıyestes scheint sich nun vorläufig auf sein Vasallengut zurück- 
gezogen zu haben. Hier wird ihm ein dritter Sohn, Aegisthos, ge- 
boren. Aber er rastet nicht, bis er seine Rache befriedigt hat. Er 
ermordet seinen Bruder Atreus (Ag. 1051, vgl. Klausens Anmerkung), 
kann sich aber den Söhnen desselben, Agamemnon und Menelaos, 
gegenüber nicht behaupten und wird zum zweiten Mal mit seinen 
Sohn landflüchtig. Er stirbt im Elend. 

Agamemnon aber und Menelaos, vielleicht um nicht die Tron- 
streitigkeiten und die Gräuel der vorhergehenden Generation zu er- 
neuern, teilen die ererbte Herrschaft (Ag. 43, 108 etc.): der ältere 
residiert in Mykene und Argos, der jüngere in Sparta. Sie heiraten 
zwei Schwestern, Töchter des Tyndareos und der Leda: Aga- 
memnon führt Klytämnestra, Menelaos Helena heim. Jeneın Paar 
werden Iphigenia, Elektra, Orestes geboren. 

Nun entbrennt wegen der Entführung Helenas durch Paris der 











EINLEITUNG. 7 


trojanische Krieg. Der gekränkte Menelaos entbietet das ganze 
Hellas zum Rachezug gegen die Priamiden: der mächtige, aber zu- 
gleich übermässig ehrgeizige Agamemnon übernimmt die Heerfüh- 
rerschaft. Aber schon vor der Abfahrt von Argos ereignet sich ein 
bedenkliches Zeichen: zwei Adler zerfleischen eine trächtige Häsin. 
Durch diesen ruchlosen, der tierschützenden Artemis gräulichen 
Frass wird symbolisch angedeutet dass auf Agamemnon vom Malıl 
des Thyestes her ein noch nicht völlig gesühntes Miasma lastet, dass 
also seine Heerführerschaft den Göttern nicht- angenehm ist: es liegt 
in seiner vom Vater ererbten rücksichtslosen Sinnesart begründet 
dass er um das Ziel seines Ehrgeizes zu erreichen Tausende von 
Seelen opfern und auch an der eroberten Stadt masslose und un- 
fromme Rache vollziehen wird. So weissagt denn Kalchas aus dem 
Adlerzeichen dass einst zwar Troja genommen und zerstört werden, 
dass aber vorher die reine und sirenge Artemis ein furchtbares 
Opfer von Agamemnon fordern wird zur Sühne für die Sünden 
seiner Väter und für seine eigenen in Asien zu begehenden 
Sünden. 

Und so geschieht es. In Aulis versammelır sich die Griechen, 
aber Artemis, die Hafengöttin dieser Stadt, schickt, zürnend über 
den Adlerfrass und die dadurch symbolisch bezeichnete Sinnesart 
der Atriden, unablässig stürmende widrige Winde, bis endlich Kal- 
chas den verzweifelnden Heerführern offenbart, nur durch die 
Opferung einer reinen Jungfrau, Iphigenias, der Tochter des Feld- 
herrn, könne der Zorn der strengen Göttin gesühnt werden. Aga- 
memnon schwankt zwischen Vaterliebe und Ehrgeiz : entweder muss 
er seine Tochter opfern oder die Führerschaft des versammelten 
Heeres aufgeben. Endlich siegt der Ehrgeiz: er lässt seine Tochter 
holen und angesichts des ganzen Heeres schlachten; das Ausspre- 
chen eines Fluches aber sucht er zu verhindern durch Knebelung 
des eigenen Kindes. Die Stürme legen sich nun, und die Flotte 
bricht gen Troja auf. 

Während der zehnjährigen Kämpfe aber, die hierauf vor den 
Mauern llions toben, kehrt der herangewachsene Sohn des Thy- 
estes, Aegisthos, aus dem Elend zurück, und die Reichsverweserin 
Kiytämnestra gestattet ihm trotz des Widerspruchs des ihr beige- 
ordneten Rates der Alten (Ag. 851) den Aufenthalt in Mykene und 
Argos. Bald werden beide durch ihre Rachegelüste zu einander 





Haudlung 
der 
Orestee. 


8 EINLEITUNG. 


hingeführt: Aegisthos fühlt sich berufen an Agamemnon Vergeltung 
zu üben, weil durch des Atreus Ermordung dem blutigen Satze 
„Auge um Auge, Zahn um Zahn‘ noch nicht genug getan ist, 
für die zwei Kinder des Thyestes ist ja erst einer gefallen; Kiytä- 
mnestra aber, ein sonst grosses und edles Weib, ist durch die 
schmähliche Hinopferung ihrer Tochter völlig umgewandelt, und 
mit der ganzen furchtbaren Energie ihres Wesens hat sie, eine 
antike Kriemhild, nur ein Ziel im Auge, Rache für ihr Kind. Beide 
vereinigen sich heimlich zur gemeinsamen Erreichung ihres Zweckes 
und geloben sich, zu gegenseitigem Beistande nach vollbrachter Tat, 
die Ehe: Klytämnestra bedarf des männlichen Schutzes (Ag. 1396), 
Aegisthos aber der im Palast aufgehäuften Schätze Agamemnons, 
um sich die Tyrannis zu sichern. Vorerst aber leben sie, um keinen 
Verdacht zu erregen, von einander getrennt (Ag. 1576), und Aegi- 
sthos ersinnt den tückischen Plan zur Ermordung Agamemnons, die 
listige Vollstreckung aber bleibt dem Weibe vorbehalten. 

Dies also sind die vom Dichter gesetzten Vorbedingungen, auf 
deren Grund sich die Handlung in der Trilogie vor unseren Augen 
entwickelt. Und zwar wird in der ersten Tragödie die Heimkehr 
des siegreichen Agamemnon und seine Ermordung durch die Köni- 
gin dargestellt. Mit rücksichtsloser Energie, die sogar die gleiss- 
nerische Hinterlist, das sonst ihrer stolzen Natur widerwärtigste, 
als zweckmässiges Mittel nicht verschmäht, bereitet und vollführt 
Kiytämnestra den Mord, von keinem andern Motiv als von der Lei- 
denschaft ihre Tochter zu rächen beseelt. In dieser Leidenschaft 
ist sie dämonisch gross: nach Befriedigung derselben tritt sie mit 
übermenschlichem Stolze hervor und rühmt sie sich ihrer Tat als 
einer aus eigenstem freiestem Entschlusse unternommenen. Wäre 
sie von ihrem Pathos nicht völlig hingerissen, so würde sie nach 
vollbrachtem Morde landflüchtig. werden und die Erinyen würden 
sie verfolgen, aber sie hat sich selbst in einen dauernden Wahnsinn 
hineingearbeitet, der die Gewissensbisse nicht aufkommen lässt, und 
so denkt sie gar nicht daran, das Land durch ihre Entfernung zu 
reinigen, sondern im Bunde mit Aegisthos prahlt sie die widerspen- 
stigen Bürger mit Gewalt zu knechten und die Tyrannis zu behaup- 
ten. — Die zweite Tragödie „die Choöphoren oder Grabesspen- 
derinnen “ stellt die an den Mördern vollzogene Blutrache dar. Der 
in Phokis bei einem väterlichen Gastfreund erzogene Orestes kehrt 











EINLEITUNG, 9 


herangewachsen in seine Heimat zurück, von Apollon gemahnt die 
heilige Pflicht der Rache an Kiytämnestra und Aegisthos zu voll- 
strecken. Ihn begleitet sein Freund Pylades, mehr um im Seelen- 
kampfe als im äusseren Streite ihn zu stärken. Sie kommen in dem 
Augenblick an, als Elektra mit einem Gefolge dienender Frauen am 
Grabe Agamemnons Trankopfer darbringt. Orestes und seine 
Schwester erkennen sich und verabreden den Racheplan: wie ihr 
Vater durch List gefallen ist, so sollen auch seine Mörder nach dem 
Gesetz der Wiedervergeltung durch: List umkommen. So bringt 
Orestes der Mutter die trügerische Kunde von seinem eigenen Tode: 
mit erheucheltem Schmerze vernimmt Klytämnestra die Botschaft, 
aber in der Art, wie sie den Boten freundlich in die Gastwolınung 
einlädt und schleunigst Aegisthos holen lässt um ihm die Nachricht 
mitzuteilen, zeigt sich deutlich, welche Sorge ihr durch die Kunde 
von Orestes’ Tode vom Herzen genommen ist. Zuerst ermordet 
nun der Fremdling den herbeigeeilten Aegisthos, dann seine eigene 

Mutter. Aber unmittelbar nach vollbrachter Tat erscheinen auch 
schon dem Geist des Mörders die hetzenden Erinyen: er hat im 
Dienst des Apollon eine heilige Pflicht vollzogen, aber andrerseits 
auch gegen das Naturrecht furchtbar gesündigt. — Diesen Conflikt 
löst die dritte Tragödie ‚‚die Eumeniden.‘“ Der Mörder Orestes hat 
sich in den Tempel des delphischen Apollon, seines Schutzgottes, 
geflüchtet, aber auch hier lassen die furchtbaren Erinyen, die aus 
der dunklen Erdtiefe stammenden Vertreterinnen des unerbittlichen 
Naturrechts, nicht von ihm. Der unglückliche muss weiter irren, 
nach Athen hin weist ihn Apollons Ausspruch. Hier setzt Athene, 
die Göttin der Weisheit, zur Beurteilung seines Falles einen Blut- 
gerichtshof, den Areopagos, ein: Apollon steht seinem Schützling 
als Anwalt zur Seite. Sechs Stimmen verurteilen Orestes, sechs 
sprechen ihn frei: das strenge Naturrecht und das geistig verklärte 
vernünftige Recht stehen sich feindlich gegenüber, einander die 
Wage haltend. Da lässt Athene in diesem Fall des Zweifels die 
Gnade walten: Orestes wird freigesprochen. Aber noch zürnen die 
Erinyen und klagen über ihr durch die Jüngeren Götter geschmäler- 
tes Recht. Doch auch sie weiss Athene durch kluge und edle Rede 
zu gewinnen: sie zeigt ihnen, wie auch sie in dem vernünftigen 
nicht nach blinder Notwendigkeit waltenden 'Zeusregiment ihren 
Ehrenplatz behaupten können, wenn sie im Dienste der politischen 





Politische 


Motive der 


Orestee. 


Der 
AÄreopagos. 


10 EINLEITUNG, 


Gerechtigkeit das Böse verfolgen und dadurch ein Segen für die 
Guten werden. Die Erinyen lassen sich überzeugen, und unter dem 
Namen der Eumeniden wird ihnen für ewig eine Cultusstätte in 
Athen angewiesen. — 

So knüpft. der Schluss der Trilogie geist- und gemütvoll an 
patriotische Institutionen und Vorgänge an, die gerade damals, als 
Aeschylos diese Dichtung aufführte, einen erbitterten Streit zwischen 
den beiden politischen Parteien Athens hervorgerufen hatten. Der 
Areopagos besass von Alters her nicht bloss die an den Eumeniden- 
cultus geknüpfte Blutgerichtsbarkeit, sondern da er, sich aus den 
abgelienden Archonten nach freier Wahl ergänzend, die ältesten er- 
fahrensten weisesten und besten Bürger in sich vereinigte, hatte er 
aus den Zeiten patriarchalischer Zustände her durch die ihm von 
allen Seiten entgegengetragene Ehrfurcht eine Art von unverant- 
wortlicher politischer Obergewalt gewonnen, die ihm, obgleich nicht 
durch bestimmte Gesetze umgrenzt, dennoch einen ungeheuren 
Einfluss auf die Gesetzgebung und die Verwaltung des Staates 
sicherte. Als aber die Demokratie unter Perikles sich immer 
mächtiger zu entwickeln begann und auf der einen Seite zwar alle 
Geisteskraft entfesselte, sodass jene einzige und wunderbare Blüte 
der griechischen Kunst sich entfaltete, andrerseits aber alle von 
den Vätern ererbten Bande zersprengte und im feurigen Wetteifer 
der einzelnen sich rasch verzeliren zu wollen schien, da ward der 
censorische Einfluss des Areopag in demselben Maasse, wie er sich 
mehr und mehr den demokratischen Neuerungen entgegenstemmte 
und nach dem Gesetz der Reaction auf die Seite der unbedingten 
Erhaltung des Bestehenden gedrängt ward, der Volkspartei mehr 
und mehr verhasst und verdächtig,' und man drohte die ganze Insti- 
tution als eine volks- und vaterlandsfeindliche zu vernichten. 
Während Kimon, der Vorfechter der aristokratischen Partei, auf 
einem Feldzuge abwesend war, kam der Kampf um den Areopag 
zum Ausbruch: Ephialtes, des Perikles -kluger und tatkräftiger Ge- 
nosse, brachte bei der Bürgerschaft ein Gesetz ein, wonach jene 
durch das Alter geheiligte Behörde: vermutlich ganz beseitigt wer- 
den sollte. Bei den sehr unbestimmten und sich widersprechenden 
Angaben der Alten über den Antrag des Ephialtes wissen wir nicht, 
wie weit die Forderungen der Volkspartei gingen; gewiss aber viel 
weiter als bis zu dem, was sie wirklich erreichte. Denn natürlich 


EINLEITUNG. 11 


trat der Areopag mit dem ganzen ihm noch durch Gesetz und Her- 
kommen zustehenden Einfluss gegen die Neuerung auf: er hätte sie 
gesetzlich annullieren können, aber es scheint dass die Wogen der 
Leidenschaft zu hoch gingen, als dass sie nicht im Fall eines Wider- 
standes alle Bollwerke der Legitimität zu vernichten gedroht hätten. 


Aber auf eine revolutionäre Krisis mochte die aristokratische Partei . 


es nicht ankommen lassen wollen, sei es im Gefühl ihrer Schwäche, 
sei es aus besonnener Vaterlandsliebe, und so kam ein Compromiss 
zwischen den streitenden Faktoren zustande, wonach der Areopag 
seine politischen Befugnisse verlor, aber diejenigen Gerechtsame 
behielt, auf welche er ein durch die Religion geheiligtes Recht be- 
sass, vor allem den mit dem Erinyencultus verbundenen Blutbann. 
Während dieser Kämpfe also dichtete Aeschylos seine Orestee, aber 
der Schluss der Trilogie zeigt dass vor der Aufführung der Friede 
zwischen den Parteien bereits geschlosssen war: die Verherrlichung 
des Areopag als eines von Athene selbst auf ewig eingesetzten Blut- 
gerichtshofes ist gleichsam das Siegel, das die patriotische Gesin- 
nung des edel gemässigten Aristokraten Aeschylos auf den abge- 
schlossenen Vertrag setzt 2). 

Dieselbe edie Masshaltung des grossen Dichters zeigt sich in 
der Art, wie er in der Schlusstragödie den Argiver Orestes einen 
ewigen Bund der Treue zwischen Athen und Argos verkünden lässt. 
Kurz vorher nämlich hatte Athen, von Sparta aufs schwerste ge- 
kränkt, auf Betreiben der demokratischen Partei den undankbarer 
Lakedämoniern das von den Aristokraten sonst eifrig gehegte Bünd- 
niss aufgekündigt und dafür einen Vertrag mit den bisherigen Fein- 
den Spartas, den Argivern, geschlossen. Indem der Dichter also 
diesem neuen Bunde durch die mythische Anknüpfung an des 
Orestes Freundschaft für Athen gleichsam die Weihe giebt und ihn 
poetisch verklärt, zeigt er. wiederum, mit welcher Strenge der 


2) O. Müller in den Eum. p. 116 hat die Angaben der Alten über 
die ‚ Verstümmelung‘‘ des Areopag zusammengestellt. Indem er davon 
ausgeht dass Ephialtes’ Massregeln ‚den hohen Rat von Richtern“ als 
solchen vernichtet haben, kommt er mit Recht zu dem Resultat dass 


zur Zeit der Aufführung der Orestee der Streit über den Areopag noch 


nicht beendet gewesen sei. Allein seine Prämisse ist falsch. Vgl. 
Curtius Griech. Gesch. II, p. 133 flg. 


Alhens 
Bund mit 
Argos. 


Idee der 
Trilogie. 


Die Moira. 


12 EINLEITUNG, 


Zucht er seine persönlichen aristokratischen Neigungen dem Willen 
der Gesamtheit unterzuordnen vermag. — 

Ueberhaupt schildert also, wie Köchly (Akadem. Reden und 
Vorträge I, p. 45) sagt, die Orestee Kampf und Versöhnung alter 
und neuer Zeit auch bei den Göttern im Himmel droben, wie sie 
Aeschylos unter seinen Athenern auf Erden selbst gesehen. Aber 
weın jener klare und entschiedene Gelehrte in diese politische Idee 
die ganze Trilogie aufgehen lässt und meint dass die Summe der 
grossartigen Dichtung nur darin bestehe, dass die Erinyen, die Ver- 
treterinnen der alten abstracten Familienblutrache, zwar als be- 
rechtigte Existenzen fortdauern, aber dem neuen rationellen Staats- 
blutgerichte sich unterordnen, so fehlt doch noch unendlich viel 
dass er damit den gewaltigen Ideengehalt der drei Tragödien er- 
schöpft hätte. Wohl zeigt sich in dem Schlussstück eine gewisse 
Himmelsspiegelung der irdischen Politik, wohl benutzt der Dichter 
hier wie anderswo die Gelegenheit seine Vaterstadt zu verherrlichen 
und dadurch zugleich seinen Mitbürgern die höchste politische Tu- 
gend, selbstlose Unterordnung des Individuums unter die Gesamt- 
heit, zu Gemüte zu führen, aber niemals hat Aeschylos seine Poesie 
zur Dienerin einer politischen Tendenz herabgewürdigt, sondern 
hier wie anderswo verklärt er die Begebenheiten und die Stimmung 
seiner Zeit nur insofern, als es unbeschadet der sittlich-religiösen 
ewigen Idee, die sich ihm in seiner Schöpfung verkörpert, ge- 
schehen kann. 

Wollen wir aber die Orestee recht begreifen, so haben wir uns 
vor allem jener unglückseligen Vorstellung von einem blind walten- 
den Schicksal, das den Menschen wider Willen in Schuld und Ver- 
derben stürze, zu entschlagen. Noch neuerdings hat Lehrs in be- 
redter Weise diese Vorstellung vertreten, aber wie ein solches 
Verhängniss jedes echte Drama, das seinem Wesen nach die aus 
dem innersten Lebensquell hervorgehende freie Geistestat darzu- 
stellen hat, unmöglich machen würde, so lässt sich auch glück- 
licher Weise dartun dass Aeschylos von der Vorstellung eines 
unbeugsamen alle individuelle Freiheit zermalmenden Fatums 
himmelweit entfernt gewesen ist. Ihm ist vielmehr die Moira, 
gleichsam als der seelische Gehalt des materiellen Urgrundes, aus 
dem alles hervorgegangen ist, der Allmutter Erde, das vor allen 
Göttern dagewesene ewig urwandelbare Weltgesetz oder Weltge- 











EINLEITUNG. 13 


schick, das, obgleich ohne Bewusstsein und Persönlichkeit, mit 
eiserner Notwendigkeit auf dem physischen wie auf dem ethischen 
Gebiete an bestimmte Ursachen bestimmte Wirkungen kettet und 
so dem göttlichen und menschlichen Individuum das Bereich und 
die Bedingungen seines Handelns und seiner Freiheit von Ewigkeit 
gesetzt hat. Aber nach der erhabenen Anschauung des Dichters ha- 
ben die selbstbewussten persönlichen Götter der neuen Ordnung, Zeus 
an der Spitze, sich mit diesem ihrem Jenseits aus freiem Willen 
zusammengeschlossen, und Zeus regiert nın den ewigen Satzungen 
der Moira gemäss, in williger Anerkennung der physischen und ethi- 
schen Notwendigkeit erhebt er sie zur ewigen Vernunft und Ge- 
rechtigkeit (Ag. 1503 wird geradezu Moto« für Stan gesetzt), und 
die Menschen erzieht er zu ihrer Verehrung, und wo sie in trotzi- 
gem Eigenwillen sündigen d. h. in törichter Ueberhebung ihr 
selbstisches Gelüste an die Stelle der ewigen Satzung bringen 
wollen, da sucht er sie entweder durch Leiden in die Bahnen der 
Moira oder, was nun dasselbe ist, der Dike, der Vernunft und Ge- 
rechtigkeit, zurückzuführen, oder er lässt, wo das nicht gelingt, 
der sittlichen Notwendigkeit ihren Lauf und zermalmt den Schul- 
digen zur Genugtuung und Sühne für das verletzte Recht). 


3) Diese Hauptglaubenssätze des Aeschylos habe ich ausführlicher 
dargestellt in der Abhandlung ‚‚Ueber den theologischen Charakter des 
Zeus in Aeschylos Prometheustrilogie ‘‘ (Glückstadt 1851) p. 14 — 16. 
Mit Recht bemerkt zwar mein unvergesslicher Lehrer G. W. Nitzsch 
„Sagenpoesie der Griechen‘‘ p. 535: „eine stoische εἰμαρμένη oder 
einen groben Fatalismus des Volksglaubens kennt das Griechentum in 
seinem echtnationalen Geistes- und Seelenleben und der ihm angehö- 
renden Poesie nicht“. Aber dennoch muss ich aufrecht halten, was 
ich in der angeführten Abhandlung erörtert habe: dass durch das ganze 
Griechentum hindurch die Moira, das notwendige Jenseits der geworde- 
nen Götter, immer dasselbe ist, nämlich das Gewebe der in ihrem Ur- 
sprung unergründlichen im notwendigen Zusammenhang von Ursache 
und Wirkung (auclı auf ethischem Gebiet) tätigen Naturgesetze, die 
jedem Geschöpf seine Lebensbedingung anweisen; aber weil die Moira 
vom Denken vielmehr als von der Phantasie erfasst wird, so tritt sie 
bei Homer und zum Theil auch bei den Tragikern ganz in den Hinter- 
grund gegen die lebendigen Persönlichkeiten, während sie bei Philoso- 
phen, welche die Frische des unmittelbaren Bewusstseins mit der Con- 
sequenz des abstrakten Denkens tödteten, sich zur eluagu&vn gestalten 
musste: denn das Bereich der menschlichen Freiheit ist für die sinnliche 


Selbst- 


bestimmung 


des 
Individu- 
ums. 


14 EINLEITUNG. 


So geniessen die Menschen wie die Götter einer vernünfti- 
gen Freiheit: innerhalb der Schranken, welche das ungeschaffene 
aber von Zeus freiwillig angenommene Weltgesetz ihnen hinstellt, 
können sie als freie Persönlichkeiten sich selbst ihr Loos bereiten. 
Aber die Menschen in ihrer unendlich viel geringeren Einsicht, in 
ihrer kindisch törichten Ueberhebung, verstossen oftmals gegen die 
ewigen Gesetze, zumal wenn sie vom Glücke verwöhnt sind: in 
ihrer Kurzsichtigkeit glauben sie oft ihr eigenwilliges Belieben auf 
Kosten der ewigen Vernunft und Gerechtigkeit geltend machen zu 
können. So ist jede Sünde Torheit, der Frevler ‚jagt wie ein Kind 
dem fliegenden Vogel nach “, aber eitle Ueberhebung ist seine ei- 
gene Schuld: er kennt die ewigen Gesetze und besitzt Freiheit des 
Tuns und Lassens, also hat er für seine Torheit und die mit Not- 
wendigkeit daraus folgende Strafe niemanden anzuklagen, als sich 
selbst, seine Sünde wird ihm zugerechnet. 


Vererbung . Aber wie die christliche Religion die grosse Idee der Erbsünde 


es 
Fluches. 


in sich aufgenommen hat, so konnte auch der erleuchtete Aeschylos 
sich der Wahrnehmung nicht entschlagen- dass oft durch ganze Ge- 
schlechter hindurch ein Geist des Fluches gehe und die einzelnen 
willenlos zur Sünde zü zwingen scheine, dass die böse und un- 
fromme Gesinnung vom Vater auf Sohn und Enkel sich weiter fort- 
zeuge und der Frevel der früheren Generation von vorn herein die 
spätere in eine Leidenschaft verstricke, die den Willen und die 
Vernunft gefangen nehme und den Sünder fast unzurechnungsfähig 
erscheinen lasse. Auch er hatte eine Ahnung von der furchtbaren 
Wahrheit in Jehovahs Wort (2. Mos. 20, 5) „Ich, der Herr, dein 
Gott, bin ein eifriger Gott, der da heimsuchet der Väter Missetat an 
den Kindern bis ins dritte und vierte Glied, die mich hassen “. 
Aber wenn es der ewigen Vernunft gemäss und durch die Erfahrung 
bestätigt ist dass die Kinder und Enkel für die Sünden ihrer Väter’ 
büssen, dass die Blutseinheit der Generationen sich in Fluch wie in 
Segen geltend macht, wie steht es dann mit der Zurechnungsfähigkeit 
d. h. mit der Schuld und Strafe der einzelnen? Wenn dem Enkel 
die unfromme Gesinnung schon angeboren und anerzogen ist, und 
das Verbrechen des Ahnen sich ihm von vornherein als eine Ver- 


Anschauung unendlich gross, für die Consequenz des die Motive auf- 
spürenden Verstandes unendlich klein. 











EINLEITUNG. 15 


suchung geltend macht, die ihn überwältigt und betört und zu einem 
willenlosen Werkzeug seiner Leidenschaft knechtet, wo ist dann 
seine Schuld? wie verträgt sich dann seine Bestrafung mit der 
göttlichen Gerechtigkeit? 

Das ist das grosse Probleın, welches Aeschylos in der Orestee 
zu lösen versucht. Vererbung des Fluches und eigene Schuld, 
Blutseinheit des Geschlechtes und freie Individualität — das sind 
die Pole, zwischen welchen sich die Dichtung bewegt. Sie führt 
uns vor Augen, wie die einzelnen, unter einem kaum entrinnbaren 
Verhängniss zu stehen scheinend, ihrer selbst kaum mächtig, den- 
noch verantwortlich gemacht werden für ihre Sünden; wie es der 
Fluch der bösen Tat ist ‚‚dass sie fortzeugend böses muss ge- 
bären‘““ und trotz dieser Notwendigkeit die sittliche Freiheit und 
Zurechnungsfähigkeit besteht; wie nach ewig unverbrüchlicher 
Satzung „der Täter leiden muss‘ und nach dem furchtbaren 
Geselze „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ jeder Mord einen neuen 
Mord zur Sühne verlangt und dennoch endlich der schwersten 
schrecklichsten Tat des Muttermordes Reinigung und Freispre- 
chung zuteilwird ?). 

Agamemnon steht unter dem Verhängniss von Thyestes Fluche. Die Haupt- 


personen 


Als Sohn des Frevlers Atreus ist er der Erbe seiner wilden rück- der Trilogie 
sichtsloseg Gesinnung, die dem erstrebten Ziele alles opfert. Die Tun und 
Götter haben daher mit Grollen seine . gewaltige Unternehmung 
gegen Troja gesehen: Paris zwar und die mitschuldigen Troer 
verdienen die Strafe, die des Gastrechts Hort Zeus ihnen zusendet, 
aber Agamemnon ist den Himmlischen als Werkzeug ihrer Rache ver- 
dächtig, sie suchen ihn zurückzuhalten von dem Zuge, der in Asien 
göttliches und menschliches Recht nicht scheuen wird. Daher lässt 
Zeus zu dass Artemis die widrigen Stürme in Aulis sendet, die Aga- 
memnon nur durch die Opferung seiner Tochter beschwichtigen 
kann. Er „lässt sich das Zaumgebiss der Notwendigkeit anlegen “ 
d.h. (vgl. Comm. zu V. 171 fig.) er fügt sich in das, was ihm unver- 
meidlich dünkt, er opfert sein Kind seinem Ehrgeize. Für diese 
Tat muss er büssen nach dem Gesetz der Wiedervergeltung. Der 


4) Man vergleiche besonders die kleine aber schwerwiegende Schrift 


von Naegelsbach: De religionibus Orestiam Aeschyli eontinentibus (Nürn- 
berg 1843). 


16 EINLEITUNG. 


schlaue Feigling Aegisthos und die fürchterliche Klytämnestra ver- 
einigen sich, jener um seiner Brüder, diese um ihrer Tochter 
willen, das Strafamt an dem im Siegesglanz zurückkehrenden Ero- 
berer zu vollziehen: es ist die Nemesis der Götter dass der grosse 
König, der seinem kriegerischen Glanz das heiligste geopfert hat, 
gerade den unwürdigsten schmählichsten Tod durch weibische 
Tücke und Hinterlist stirbt (Ag. 1248). Aber die Satzung „der 
Täter muss leiden“ bewährt sich auch im weiteren Fortgang. 
Aegisthos und Klytämnestra fallen beide durch List, wie sie durch 
List gemordet haben, und dennoch war die Strafe, die Agamemnon 
getroffen, eine gerechte gewesen, dennoch hatte Klytämnestra nicht 
ohne einen Schein von Recht gesagt ‚, was wir taten, musste sein “. 
Auch an Orestes hinwiederum bewährt sich, obwohl er ein von 
Apollon gebotenes heiliges Rächeramt vollzogen hat, der Spruch 
„der Täter muss leiden“: ruhelos wird er von den Erinyen lange 
Zeit umhergetrieben. Und dennoch findet gerade seine Tat, ob- 
wohl sie vom Standpunkt des Naturrechtes aus die grausigste 
scheusslichste ist, endlich unblutige Sühnung und Freispre- 


chung. 


Orestes im Ἵ . . _ 
Gegensatz Was ist es denn, warum Agamemnon Aegisthos und Kly 


ΤΎΡΟΝ tämnestra fallen müssen, aber’ Orestes Gnade erlangt? Sie alle 

Haupiper- sind Werkzeuge in den Händen der ewigen Gerechtigkeit, sie alle 

dienen nach Zeus’ Fügung (,‚denn was geschieht den Menschen ohne 

Zeus wohl?“ Ag. 1454) zur notwendigen Vergeltung der Frevel, 

die durch Paris Agamemnon Aegisthos und Kiytämnestra verübt 

sind, aber es ist der grosse Unterschied zwischen Orestes und den 

übrigen dass jener ein in reinem Bewusstsein mit furcht- 

barster Selbstüberwindung an die göttliche Gerechtig- 

keit sich hingebendes Werkzeug ist, während diese durch 

die Rache, die sie üben, nicht die verletzte ewige Weltordnung 

wiederherzustellen ‚sich bemühen, sondern nur ihr eigenes 

böses selbstisches Gelüste zu befriedigen trachten und 

dadurch betört eine Tat vollbringen, die zwar für den, welchen 

sie trifft, gerechte Vergeltung ist nach der Fügung der Gottheit, 

aber für den Urheber ein furchtbares zu neuer Vergeltung drän- 
gendes Verbrechen. 

Wäre Orestes von früh auf im elterlichen Hause geblieben, 

so wäre auch er vielleicht von dem Verderben seines Stammes mit 


EINLEITUNG. 17 


ergriffen worden: wie Elektra täglich mit dem Gift des Grolles und 
des Hasses gesättigt und durch die Gräuel seiner Ahnen versucht, 
hätte er vielleicht in schrecklicher Betörung der Leidenschaft, taub 
gegen die Stimme des Gewissens, sich selbst und nicht die ewige 
Weltordnung an seiner Mutter gerächt, und er selber wäre dann 
unvermeidlich wieder als Opfer der Gerechtigkeit gefallen. Aber 
durch eine gnädige Fügung des Zeus hat er schon früh seinen Fuss 
„ausserhalb des verderblichen Sumpfes “ ((ἢ. 682) gesetzt: Kly- 
tämnestra hat ihn aus Gewissensangst weggegeben, und ein väter- 
icher Gastfreund in Phokis hat ihn unmittelbar unter den Augen 
des reinen Apollon erzogen. Dagegen die anderen Hauptpersonen 
der Trilogie sind alle in jenem ‚‚Sumpf der Sünde“ geblieben, wo 
von jeher der Alastor, der düstere Unhold, ihnen winkte und sie 
zu verführen suchte nur dem eignen bösen Herzenstriebe trotz der 
Stimme des Gewissens zu folgen, bis er sie endlich bis zur völligen 
Willenlosigkeit betörte. 

Diesen Alastor, eine gespenstische koboldartige Ausgeburt der 
Volksphantasie, hat der Dichter in tiefsinniger Weise benutzt, um 
irrihm, dem Dämon des Atridengeschlechtes, die von Generation zu 
Generation weitergehende Versuchung zu neuem Frevel plastisch 
darzustellen. Er geht hervor aus der ersten Blutschuld, dem vom 
Atreus verübten Kindermorde. Wie die Erinyen ist er ein chthoni- 
sches höllisches Wesen, wie sie wird er ans Licht gerufen durch 
das auf die Erde fallende Blut, das zu einem Rachemal gerinnt. 
Aber während die Erinyen die Verletzung der sittlichen Weltord- 
nung repräsentieren, stellt jener gespenstische Alastor, ein böser 
Genius im eigentlichen Sinne, die gekränkte nach Rache schreiende 
Persönlichkeit oder die Personification des Geschlechtes dar. Er 
lockt und winkt dem gemordeten neue Opfer zu bringen: er mästet 
sich darin und plätschert unter bacchantischem Jubel in Strömen 
von Verwandtenblut, und je tiefer er sich einnistet in einem Hause, 
desto mächtiger äussert er seine Verführungskraft. Er ruht nicht 
den Wahnsinn des Wechselmordes anzufachen, als bis das ganze 
Geschlecht verkommen ist: nur wenn eine im Dienst der ewigen 
Weltordnung geschehene Vergeltung eintritt, sei es durch eine 
Person, wie Orestes, sei es durch den Staat, den Repräsentanten 
der göttlichen Ordnung auf Erden, da vergeht er spurlos und ver- 
schwindet wie ein Schatten. Zeus aber verwendet dies höllische 


AESCHYL. AGAMEMNON. - 2 


Der 


Alastor. 


18 _ EINLEITUNG. 


Wesen als Strafgeist in seinem Dienst: bis ins dritte und vierte 
Glied verfolgt er eben dadurch die Missetat der Ahnen dass die 
Kinder und Enkel den Versuchungen und Reizungen des Alastor 
ausgesetzt sind 5). 


5) Unzweifelhaft richtig sagt Nitzsch (Sagenpoesie p. 526): „dass 
ech u” eben die Dichter und etwa Aeschylos Begriff und Wort des Alastor erst 
a gebildet, kann nach dem ihm schon so geläufigen Gebrauch nicht glaub- 

lich erscheinen“. Allerdings ist uns aus der Zeit vor Aeschylos keine 
Erwähnung des Alastor erhalten, aber nicht nur spricht die Art, wie 
auch die anderen Tragiker dies Wesen als ein allbekanntes behandeln, 
gegen die Vorstellung dass es ein von unserem Dichter erst erfundenes 
sei, sondern auch bei ihm selbst ist die Gestalt jenes Dämons eine so pla- 
stisch und individuell geformte, dass man nicht zweifeln kann, dass sie 
der Volksvorstellung entlehnt sei. Wenn Ag. 1444 und 1480 der Dämon 
der gemästete und wassersüchtige heisst (auch Hik. 626 ist von seinem 
schweren Gewicht die Rede), wenn er nach Ag. 1477 in Blutströmen. 
plätschert und jubelt, wenn ihm nach V. 1632 sogar eine verwundende 
Kralle beigelegt wird und nach Hik, 626 unflätige Besudelung des Da- 
ches, auf welchem er lagert, so sind das alles so eigentümliche Züge, 
wie sie nur die in koboldartigen Gestalten so reiche Volksphantasie 
schafft. Um aber die eigentliche Natur des Dämons zu erkennen, mäs- 
sen wir auf die Etymologie von ἀλάστωρ eingehen. Gewiss und allge- 
mein anerkannt ist es dass die drei Wörter ἄλαστος, ἀλαστεῖν oder 
ἀλασταίνειν, ἀλάστωρ oder ἀλάστορος denselben Ursprung haben, aber 
dennoch ist man seit den Tagen der griechischen Grammatiker bis jetzt 
noch nicht ins reine gekommen über die Ableitung derselben. Her- 
mann betrachtet λάξω oder λάξυμαι, die Nebenform von λαμβάνω, als 
Etymon (so auch Etym. M. ἀλαστήσας" παρὰ τὸ λάξω, τὸ λαμβάνω, ὃ 
οὐκ ἂν τις ϑέλοι λαβεῖν), und darnach erklärt er ἄλαστος durch „un- 
erträglich‘, während er es vielmehr als ‚‚unfassbar‘‘ deuten müsste. 
Demnach könnte ἀλαστεῖν nur heissen ‚„‚unfassbar sein‘, von den Al- 
ten aber wird es umschrieben durch ἀγανακτεῖν und Övonadeiv, und 
dass diese Erklärung ungefähr die richtige ist, beweisen die Stellen, 
in denen das Wort erhalten ist. Auch ἀλάστωρ stimmt durchaus nicht 
zu dieser Etymologie, denn alle Subst. auf —rwg bezeichnen eine Tä- 
tigkeit, wie ἄκτωρ, πράκτωρ, ϑέλκτωρ, μιάστωρ, σημάντωρ etc. etc., 
es ist aber nicht abzusehen, wie dieser Begriff in ἀλάστωρ liegen könnte, 
wenn das Wort von λάξω abzuleiten wäre. — Dies wohlbegründete Po- 
stulat dass ἀλάστωρ den Begriff der Tätigkeit in sich schliesse, spricht 
entschieden auch gegen die Etymologie, die sich von den ältesten Zei- 
ten bis jetzt des meisten Beifalls zu erfreuen gehabt hat, wornach ἄλα- 
στος = ὥληστος sein soll. Hesych. z. B. erklärt ἄλαστα durch ἄτλητα, 
εανεπίληστα, so auch Etym. M., Eustath. und viele Scholien, und dieser 
Dentung dass ἄλαστος eigentlich „unvergesslich‘ sei, αλαστεῖν „so 


EINLEITUNG. 19 


- 


Aber wenn so der Unhold verführt und lockt Auge um Auge 
und Zahn um Zahn zu nelımen, und wenn er die Ate (die leiden- 


zürnen dass man nie vergisst‘‘, ἀλάστωρ ‚„„der der Missetat nicht ver- 
gessende Rachgeist‘‘, folgen in neuerer Zeit namentlich Wex (Beiträge 
zur Kritik des Soph. OC. Schwerin 1837) und Naegelsbach (de relig. Or. 
Aesch. continentibus p. 34). Wenn also Achilleus Il. g, 261 nach der 
Ermordung des Patroklos den ihm einen Vertrag anbietenden Hektor an- 
redet Ἕκτορ, μή μοι, ἄλαστε, συνημοσύνας ἀγόρευε, 80 erklärt man nach 
Eust. δεινὰ καὶ ἀνεπίληστα εἰργασμένε (ἀλάϑητα λυπήσας) und statuiert 
dabei eine dreifache Unmöglichkeit: erstlich soll für ἄληστος hier wie 
überall die dorische Form ἄλαστος sich durchgesetzt haben, zweitens 
soll der welcher unvergessliches getan hat selber unvergesslich heissen, 
drittens soll Achilleus in seinem furchtbaren Ingrimm den Hektor mit 
einem Wort angeredet haben, das fast wie ein milder Vorwurf des 
Schmerzes lauten würde. Und wenn Od, &, 174 der Sauhirt sagt „um 
Telemach ἄλαστον ὀδύρομαι", so lässt man völlig die Bedeutung ‚‚un- 
vergesslich‘‘ verschwinden und übersetzt „ich jammere schwer, gewal- 
tig‘‘, wie πένϑος ἄλαστον „‚luctus gravissimus‘‘ sein soll. Das ist aber 
ebenso unmöglich, wie dass ἀλαστεῖν, wenn ἄλαστος „unvergesslich “ 
wäre, heissen könnte „so zürnen dass man nie vergisst‘. Sicherlich 
ist also die Ableitung von λανϑάνομαι falsch: man hat sich in alter wie 
in neuer Zeit durch die Aehnlichkeit des Wortes ἄλαστος mit ἄληστος 
und ἀλάϑητος irre führen und zu allerlei philologischen Escamotagen 
verleiten-lassen. — So bleibt denn nur ἀλάομαι, ἀλαένω als einzig mög- 
liches Etymon übrig: wenn man aber bedenkt dass ἄλη und seine De- 
rivata sowohl das körperliche Umherirren als auch den Wahnsinn des 
Geistes bezeichnen, so erklären sich alle die verschiedenen Verwen- 
dungen der besprochenen Wortsippe sehr einfach. Und an Autoritäten 
fehlt es dieser Etymologie nicht. So sagt der Scholiast zu Eur. Hec. 
675 ἀλάστωρ .... ἀπὸ τοῦ ἀλῶ ro πλανῶμαι" ὁ γὰρ φονεύσας τινὰ κατὰ 
τὴν παλαιὰν συνήϑειαν ἐξήρχετο τοῦ τόπου αὐτοῦ, καὶ περιπατῶν κατὰ 
τόπους ἐπλωνᾶτο ἔνϑεν κἀκεῖθεν, ξητῶν τὴν ἴασιν τοῦ φόνου οὗ ἔπρα- 
Eev, ἕως οὗ ἔζη. Und zu Soph. Trach. 1235 ὅστις μὴ ᾿ξ ἀλαστόρων 
τοσοὶ bemerkt der Scholiast ἐκτὸς ὧν μανίας καὶ ϑεηλασίας. Auch Etym. 
M. hat in dem Wort ἀἐλαστῶ"' σημαίνει τὸ χαλεπαίνω᾽ οἵ γὰρ πλανώμε- 
vor χαλεπαίνουσιν ati. noch eine Ahnung der Wahrheit gerettet. In 
neuerer Zeit haben sich dieser Deutung Blomfield zu Aesch, Pers. 983, 
Tafel im Thesaurus 8. v. ἀλάστωρ, und Nitzsch (Sagenpoesie p. 525) 
angeschlossen. Dann bedeutet ἀλαστός (so würde zu betonen sein, nicht 
ἄλαστος, wie auch Etym. M. s. v. ἀλάστωρ zweimal ὁλαστά schreibt) 
den „sinnverwirrten, wahnsinnigen “‘, und gerade dieser Begriff passt 
einzig an der citierten Stelle der Ilias, wo Achilleus den Hektor an- 
redet. Jener kann es nicht fassen dass Hektor ihm noch von Verträgen 
spricht, und so sagt er natürlich: „Weahnwitziger, sprich mir nicht von 


2* 


Aga- 
mennons 
Schuld. 


50 EINLEITUNG. 


schaftliche Betörung) sendet, wo beginnt dann die Schuld des ver- 
führten Sünders? wie weit ist er zurechnungsfähig? Fassen wir 
— BB 


einer Uebereinkunft‘‘ (in milderer Form hättexer auch sagen können 
dauuovıe „duBesessener‘). Auch ἀλαστὸν ὀδύρεσθαι erklärt sich nun 
einfach als ‚in seinem Schmerz sich wie ein unsinniger geberden‘‘, und 
πένθος οἀλαστόν ist ein bis zur Sinnverwirrung gesteigerter Gram. Aesch. 
Pers. 961 sind ἀλαστὰ στυγνὰ πρόκακα nach Blomfields richtiger Deu- 
tung „die Leiden des Wahnsinns‘“, und Soph. OC. 1672 ist πατρὸς ἔμ- 
pvrov ἀλαστὸν αἷμα „das in Oedipus’ Wahnwitz gezeugte Blut“. Dem- 
nach heisst ἀλαστεῖν oder ἀλασταίνειν überall „vor Zorn oder Schmerz 
ausser sich sein“, ungefähr wie ἀλύειν. Der ἀλάστωρ aber ist in 
doppelter Bedeutung ‚‚der Treiber‘, der wegen begangener Blutschuld 
zugleich den Sinn verwirrt und den Mörder rastlos im Elend umherjagt. 
So konnte dieser Name sogar dem Zeus beigelegt werden, indem er als 
Bewahrer der Weltordnung dem Blutbefleckten keine äussere und innere 
Ruhe gönnt (vgl. Hesychs Glosse ἀλάστωρ, πικρὸς δαίμων, Ζεύς), spe- 
ciell aber bezeichnet er den nach dem Volksglauben infolge freventlich 
vergossenen Blutes oder verletzter Gastfreundschaft aus der Erde ent- 
standenen Rachgeist, einen Kobold von unförmlicher Gestalt, der den 
Verbrecher hetzt und verfolgt und mit Wahnsinn schlägt, aber an die 
Mutter Erde so gebunden ist, dass der Alastor Eriphyles dem flüchti- 
gen Mörder Alkmäon nicht auf die angeschwemmten Marschen des Ache- 
loos folgen kann (Paus. 8, 24, 4). Niemals aber wird ἀλάστωρ (was 
nach der Analogie auch wohl unmöglich wäre) passivisch gebraucht für 
den fiuchbeladenen Mann. Die Stellen, in denen man diese Bedeutung 
zu finden glaubte, sind nur missverstanden. Wenn Aesch. Eum. 235 
Orestes zur Athene fleht δέχου δὲ πρευμενῶς ἀλάστορα, so meint er da- 
mit nicht unmittelbar sich selbst, sondern den sich an seine Sohlen 
heftenden Rachgeist, der zugleich mit ihm vor der Göttin erscheint. 
Und wenn Soph. Aj. 374 der Held klagt ὃς χερὶ μὲν μεϑῆκα τοὺς ἀλά- 
στορας oder Trach. 1082 der nemeäische Löwe βουκόλων ἀλάστωρ heisst, 
oder wenn bei Athen. 12, 541 Dionysius der ἀλάστωρ Σικελίας genannt 
wird, oder wenn endlich die Redner einen Hochverräter einen ἀλάστωρ 
Ἑλλάδος schelten, so bezeichnet in allen diesen Beispielen das Wort 
nicht „den fluchbeladenen‘‘ sondern „den Treiber, den Peiniger‘“, und 
wir haben hier überall dieselbe rhetorische Metapher anzuerkennen, 
deren wir uns bedienen in Redensarten wie „ein Drache des Hauses‘“‘, 
„der Löwe des Nordens‘ u. dgl. — So scheint es festzustehen dass der 
Alastor nie etwas anderes ist als der durch ein schweres Verbrechen 
hervorgerufene Rachegeist, der dem Verbrecher keine Ruhe gönnt und 
ihn rastlos umhertreibt. Aber Aeschylos, dessen tiefsinnige Denkweise 
so gern die Verkettung der Generationen und den in ihnen sich fort- 
zeugenden Fluch in seinen Trilogien darstellt, benutzt jene Ausgeburt 
des Volksglaubens, um sie zum Träger der von Geschlecht zu Geschlecht 


EINLEITUNG. 21 


zunächst Agamemnon ins Auge. Er steht unter einem schweren 
Verhängniss, das in ihm noch die Schuld des Atreus heimsucht. 
Aber obgleich er von seinem Vater die Neigung zu rücksichtsloser 
Durchführung seines Willens geerbt hat; obgleich ihn der von Thy- 
estes über seines Vaters ganzen Stamm gesprochene Fluch peinigt 
und stachelt; obgleich ihn das Beispiel ruchloser Taten, das seine 
Ahnen gegeben haben, verführt; obgleich die kriegerische Ehre und 
die Mahnung der hellenischen Fürsten ihn zur Opferung Iphigenias 
drängt — er ist für immer in den Augen der Welt geschändet, 
wenn er von der Expedition nach Troja zurücktritt — : dennoch ist 
die Schuld, die er durch Hinschlachtung seiner Tochter auf sich 
lädt, ganz und gar seine eigene, und der Dichter hat in dem schö- 
nen Chorgesange V. 149 flg. wohl dafür gesorgt, dass wir erkennen, 
wie der König, mitten in allem inneren und äusseren Drang und 
Zwang, dennoch freiwillig und mit vollem Bewusstsein die Verant- 
wortung der schweren Tat auf sich nimmt. Da heisst es: ‚Zeus 
führt die Menschen zur Besonnenheit, indem er durch Leiden be- 
lehrt. Selbst in der Nacht ruht das Gewissen nicht und wehret 
dem Schlaf, und wider Willen kommt so der weise Sinn. So fügte 
sich auch Agamemnon still in das Unvermeidliche, als in Aulis die 
hemmenden Stürme eintraten; er erkannte darin die Fügung des. 
Zeus und war nahe daran sich seiner Leitung fromm hinzugeben ““. 
Und als dann der Seher Iphigenias Opferung verlangt, besteht Aga- 
memnon einen schweren Seelenkampf, in welchem die Stimme des 
Gewissens und das Bewusstsein von Recht und Unrecht deutlich er- 
kennbar ist; er sagt: „ein schweres Loos ist es, dem Seher nicht 
zu gehorchen, aher ein schweres auch, das eigne Kind, die Blume 
des Hauses, zu schlachten, die Vaterhand mit Strömen jungfräu- 
lichen Blutes befleckend. Wo zeigt sich ein Ausweg? Soll ich das 
Heer verlassen? Denn die verbündeten Fürsten verlangen ja das 


weiter reizenden Versuchung zu machen: denn eben darin liegt die 
schwerste Strafe des Frevlers dass auch seine Kinder und Enkel von 
der Verführung durch seine Sünde leiden (Nitzsch p. 526). Dass also 
der ἀλάστωρ mit dem δαίμων γέννας identisch ist, scheint eine dem 
Aeschylos eigentümliche Auffassung zu sein: die späteren Tragiker, mehr 
bei der Tat des Individuums verweilend und den trilogischen Zusammen- 
hang aufgebend, stellen den „Plagegeist‘‘ wieder als persönlichen Ver- 
folger des Verbrechers dar. 


Klytämne- 
stras 
Schuld. 


22 EINLEITUNG. 


Opfer; aber noch strenger verbietet esdasewige Recht“. 
Sobald aber der König trotz dieses besseren Bewusstseins sich dem 
Gebot der Umstände gefügt hat, ‚da kommt über ihn der Wahnsinn 
der Leidenschaft, die Versuchung hat gesiegt und verhärtet nun 
seinen Sinn, sodass er gelühllos die Schlachtung seiner Tochter mit 
ansieht“. — Das also ist das Verhängniss des Königs, dass er in 
einem Geschlecht geboren und auf einen Platz gestellt ist, wo die 
schwersten Versuchungen aller Art an ihn herantreten: aber dass 
er diesen unterliegt, ist einzig und allein seine Schuld, 
er hat die Züchtigung des Zeus wissentlich verachtet und die 
Befriedigung seines Ehrgeizes höher gestellt als das Gebot der 
Themis. 

Nicht anders ist es mit Klytämnestra. Eben die Grausamkeit, 
mit der Agamemnon „seine eigene Tochter, ihr die liebste Frucht 
ihrer Wehen, zur Besänftigung der Nordwinde geschlachtet hat, 
wie ein reicher Herdenbesitzer ein Laınm opfert‘“‘, giebt ihr ein ge- 
wisses Recht den Gemahl zur Verantwortung zu ziehen. Auch sie 
steht bis zu dem Grade unter dem Einfluss des Alastor, dass sie 
nach dem Morde mit einer gewissen Sophistik der Leidenschaft so- 
gar rühmt, sie sei nicht Agamemnons Weib, sondern der Dämon 
des Geschlechts habe ihre Gestalt angenommen, um den gereiften 
Mann nach den Kindern des Thyestes zu opfern: aber mit vollster 
Entschiedenheit und aus unserer Seele heraus ruft der Chor ihr zu 
„Keiner wird dir bezeugen dass du an diesem Morde schuldlos bist, 
wenn auch der Alastor dir geholfen haben mag‘. Als Weib und 
vollends als Gattin war sie ihrem Gemahl gegenüber zur Blut- 
rächerin und zur Vertreterin der ewigen Weltordnung nicht beru- 
fen: hätte sie aber mit Verleugnung ihres Geschlechtes und ilırer 
Stellung strenges Recht üben wollen, so hätte sie die Aeltesten des 
Landes zur Empörung gegen den König aufrufen, jedenfalls aber 
nach vollbrachter Rachetat landflüchtig die entweihten Altäre mei- 
den oder sich selbst den Tod geben müssen. Dass sie aber, um 
die Rache zu vollführen, heimlich mit Aegisthos ein ehebrecheri- 
sches Bündniss eingeht und nach verübtem Morde nicht nur ihrer 
Tat sich unerschütterlich rühmt, sondern auf die rohe Gewalt sich 
stützt, um im Lande zu bleiben und die Herrschaft zu behaupten, 
das stempelt sie auch nach den Begriffen des Altertums zum Scheu- 
sal, dessen grauenvolle Verstocktheit nur durch völlige Zerrüttung 





EINLEITUNG. 23 


des Denkvermögens erklärlich scheint. Aber in diesen Walınsiun 
hat sie sich selbst hineingearbeitet durch eigene Schuld: nicht aus 
reiner mütterlicher Liebe (das zeigt ihr Verliallen gegen Elektra 
und Orestes), nicht um die ewige Gerechtigkeit geltend zu machen 
(das zeigt ihr unfrommes Reden und ihre Heuchelei), sondern unı 
die ihr selbst widerfahrene Kränkung zu rächen, hat sie den Plan 
zur Ermordung ihres Gemahls entworfen, und seit sie, dem Ver- 
sucher freiwillig erliegend, diesen verbrecherischen Gedanken ge- 
fasst hat, ist ihr kühnes energisches stolzes Wesen von der Leiden- 
schaft der Rachsucht mehr und mehr erfüllt und vergiftet worden. 
Dass aber auch selbst inmitten ihrer rasenden Verblendung, in der 
sogar die Erinyen ilır nichts anhaben können, die Stimme ihres Ge- 
wissens nicht völlig verstummt ist, zeigt der Schluss der ersten 
Tragödie, wo sie, in ihrer Rache befriedigt, eine Art von Schauder 
vor weiterem Blutvergiessen zu haben scheint, zeigt namentlich 
auch die Stelle des zweiten Dramas (V. 520), wo von ihren ängst- 
lichen Träumen die Rede ist. Diese Andeutungen des Dichters 
machen es uns zur Gewissheit dass auch Klytämnestra anfangs noch 
in klarem Bewusstsein ihres Unrechtes den Wahnsinn über sich die 
Oberhand hat gewinnen lassen. 

Dass vollends der feige Aegisthos, ( der sophistische Ränke- 
schmied, nicht als willenlos von einer dämonischen Macht zu seiner 
Tat getrieben, sondern als aus eigner Herzensbosheit frei handelnd 
erscheint, dafür hat der Dichter zur Genüge gesorgt: ihn erfüllt 
keine grosse Leidenschaft, sondern niedrige Berechnung, seiner fri- 
volen Denkweise ist daher die Lockung des Alastor zur Blutrache 
fast nur ein Vorwand und eine Beschönigung seines Tuns, sein 
eigentlichstes Motiv zum Morde ist gemeine Herrschsucht. 


Aegisthos’ 
Schuld. 


Obgleich also ein düsteres Verhängniss von Geschlecht zu Ge- Sunıma der 


schlecht fortwirkt, obgleich die unfromme Gesinnung sich vererbt 
und der Frevel der Ahnen ein furchtbarer Versucher für die Enkel 
ist, obgleich die handelnden Personen im Affekt der Leidenschaft 
oft reden, als ob sie von einem unbegreiflichen Schicksal willenlos 
zur bösen Tat getrieben würden, so waltet dennoch in der Hand- 
lung der Trilogie vernünftige Freiheit und sittliche Selbstbestim- 
mung, im letzten Grunde entscheidet jeder selbst über sein Tun 
und sein Ergehen; denn dass die Stimme des Gewissens, die jedem 
sagt was Recht und was Unrecht ist, nie verstumme, dafür sorgen 


ilogie. 








24 - EINLEITUNG. 

‘ 

die ewigen Götter, vor allen der durch Leiden Lehre sendeude Zeus, 
der selbst die furchtbaren Höllenmächte, die nach starrer Naturnot- 
wendigkeit wirkenden Erinyen und den Alastor, in ihrer Berechti- 
gung zwar anerkennt, aber dem Regiment der lichten Vernunft 
dienstbar macht und so zu segensreichen Strafmächten verklärt. 
Das ist die grosse Idee, welche die Oresteia beseelt: sie beherrscht 
und durchdringt jeden Teil der Trilogie. — 

Composi- So geben wir denn eine Uebersicht über den Inhalt der ersten 

Tan ur Tragödie, des ‚ Agamemnon “, wie er durch jene Idee bestimmt ist. 

Aga- Das Ganze zerfällt nach Nägelsbachs lichtvoller Gruppierung in drei 

memnon. Akte, von denen der erste in drei grossen Schritten bis zur Kassan- 

drascene geht, indem zuerst die Feuerzeichen kommen, dann der 

Herold, endlich Agamemnon; der zweite Akt umfasst die Kassandra- 

scene, der dritte Agamemnons Ermordung und den Sieg Kiy- 
tämnestras und Aegisthos‘. 

ΠΝ Im Prologos (V. 1—39) richtet ein auf dem Dache des Atri- 
denpalastes lagernder Wächter (der Zuschauer hat sich vorzustel- 
len dass es Nacht ist) einen Stossseufzer an die Götter, er bittet um 
ein Ende seiner Mühen, da er bereits ein Jahr lang auf die tele- 
graphische Botschaft von Trojas Einnahme warte. Halb unter- 
drückte Aeusserungen seines Monologs deuten an dass es im Hause 
nicht so gut wie früher steht, mit der Rückkehr seines Herrn hofft 
er auch manchen Dingen im Palaste Wandel geschafft zu sehen. 
Seine Sprechweise ist die eines ehrlichen treuen Mannes aus dem 
Volke, der nicht ohne Humor und Mutterwitz das Leben auffasst; 
er lässt manche bedeutungsvolle Winke fallen, aber aus Vorsicht 
wagt er auch in der Einsamkeit nicht offen zu reden. Endlich 
flammt das ersehnte Feuerzeichen auf einem benachbarten Berge 
auf, der Wächter begiebt sich ins Innere des Hauses, um seiner 
Gebieterin Kiytämnestra die Nachricht von Trojas Eroberung zu 

bringen. 

Einzug des Zwischen dieser noch in der Nacht spielenden Scene und der 
folgenden Parodos des Chors ist eine Zeit von etlichen Stunden 
verflossen zu denken. So ist während des Chorgesanges V. 352 fig. 
eine noch viel längere Zeit verlaufen, die ganze Frist von der Ein- 
nahme Trojas bis zur Ankunft des Heeres in Argos. Auch in den 
„Eumeniden‘ wird ein gewaltiger Zeitraum übersprungen und zu- 
gleich die Scene geändert. Man hat dem Dichter im Altertum des- 

x 





EINLEITUNG. 25 


. wegen Vorwürfe gemacht, aber wir neueren, die wir daran gewöhnt 
sind zwischen den verschiedenen Akten eines Dramas oft ausseror- 
dentlich grosse Zeitabschnitte zu denken, können es nur bewundern, 
wenn bereits der Begründer der Tragödie mit genialem -Instinkt ein 
aus dem Wesen der Poesie resultierendes Gesetz, das heutzutage 
nur von den Franzosen noch nicht unbedingt anerkannt wird, ange- 
wandt hat, das Gesetz nämlich dass der dramatische Dichter wie den 
Raum so auch die Zeit für die Illusion der Zuschauer gleichsam 
perspektivisch zusammendrängen und die für die Handlung un- 
wesentlichen Abschnitte, die leeren Räume, überspringen muss. 

Am frühen Morgen also ziehen zwölf argivische Greise, die den 
Chor der Tragödie bilden, in die Orchestra ein®). Es ist der hohe 
Rat, den Agamemnon zum Beistand seiner Gemahlin, der Reichs- 
verweserin während seines Fernseins, zurückgelassen hat. Die 
Orchestra stellt den Marktplatz vor dem königlichen Palaste dar. 
Die Greise kommen um der Herrscherin ihre Morgenaufwartung zu 
machen (V. 243). Die Einzugsanapäste sind getragen von der Er- 
wartung dass nun im zehnten Jahre des Krieges die Entscheidung 
nahe sei: nach einer im Altertum allgemein bekannten Weissagung 
des Kalchas (Il. II, 311) sollte Troja im zehnten Jahre erobert wer- 
den. Während noch der Chor seinen Rundmarsch durch die 
Orchestra macht, tritt Klytämnestra mit Gefolge aus dem Palaste 
und zündet auf allen Altären Opfer an. Auf ihre Frage, um welcher 
Nachricht willen diese ungewöhnliche Feier stattfinde, erhalten die 
Greise von der scheinbar ganz in Andacht versunkenen Königin 
keine Antwort: diese geht schweigend nach rechts hin ab, um durch 
die Stadt ihr heiliges Geschäft fortzusetzen 7), der Chor aber stimmt 


6) Den bekannten Streit zwischen Hermann und O, Müller, ob im 
Agamemnon fünfzehn oder zwölf Choreuten aufgetreten seien, glaube 
ich zu Gunsten des letzteren durch den Commentar zur Parodos, zu der 
sogenannten Epodos (v. 454) und zu der Todtenklage (1411 flg.) end- 
gültig entschieden zu haben. Dann aber kann es weiter nach vv. 822, 
851, 1307 und 1353 keinem Zweifel unterliegen, dass O. Müller auch mit 
der Vermutung dass der Chor einen hohen Rat vorstelle, den der Fürst 
zur Verwaltung seines Reiches (unter der Führung Klytämnestras) zu- 


rückgelassen, das richtige getroffen hat. — Die interessante Geschichte 
des Streites findet man z. B. in Schneidewins Ausgabe des Agamemnon 
p. XLVIII. 


7) Das Auf- und Abtreten Klytämnestras hat den Gelehrten viele 


Die 
Choreuten. 





Opfer- 
gesang. 


26 EINLEITUNG, 


jenen wunderbar altertünlichen Opfergesang (V. 104—148) an, 
von dem Rossbach und Westphal sagen: ‚diese Strophen stehen 
hier wie die altersgrauen Säulen eines noch vom Nebel der Nacht 
umflossenen Tempels, über dem bereits ein geheimnissvolles Mor- 
genlicht zu dämmern beginnt und das Nahen des Tages verkündet, 
der beides, Heil und Unheil, bringen kaun. Doch die Fäden der 
Zukunft sind in der Vergangenheit geknüpft, und so lässt der Chor 
der Greise die Taten verflossener Zeiten vor seinem Geiste vorüber- 
ziehen und ahnt aus ihnen, immer mehr von düsterem Bangen er- 
griffen, die Nähe des Unheils. Die Gewalt der subjektiven Empfin- 
dung hält sich in den ruhigen Bahnen eines epischen Gesanges und 
erst am Ende jeder Strophe bricht sie in den verhängnissvollen Ruf 
aus αἵλινον, alAıvov εἰπέ, τὸ δ᾽ εὖ νικάτω “. 


Schwierigkeiten gemacht. Schönborn (Skene der Hellenen p. 162) denkt 
sich die Sache so: ‚‚die Königin tritt v. 83 aus dem Palaste und bleibt 
bis v. 592 ausserhalb desselben; sie ist während der Zeit mit Opfern 
beschäftigt und entfernt sich dabei zuerst nach links, später nach rechts 
hin. Sie kann, wenn sie in dieser Weise sich entfernte, mit dem spä- 
ter von links eintretenden Herolde nicht zusammentreffen; und da sie 
viel später als der in der Orchestra verbleibende Chor ins Gespräch 
mit ihm kommt, so muss sie erst viel später als der Herold auf die 
Bühne zurückkehren. Es leuchtet von selbst ein dass sie auf ihrem 
Gange zweimal in die Nähe des Chors kommt, und jedes Mal, wenn 
dies der Fall ist, redet der Chor sie an‘‘. — Das scheint auf den ersten 
Blick klar und verständlich zu sein, aber dennoch erheben sich gegen 
diese Auffassung zwei gewichtige Bedenken. Erstlich hat die Königin 
nach links hin gar nichts zu tun: nach feststehendem scenischem Ge- 
brauch ist links die Seite der Fremde, die Opfer aber werden natürlich 
nur in der Stadt dargebracht. Sodann warum antwortet Klytämnestra 
dem fragenden Chor nicht v. 83? Natürlich weil sie in ihrer Andacht 
sich durch keine Rede stören lassen will und darf. Wie käme sie 
dann aber dazu v. 249, wo nach Schönborns Meinung der Opfergang 
noch lange nicht beendigt ist, dem Chor zu antworten? — Die Sache 
liegt also viel einfacher. Nach v.83 geht die Königin nach rechts ab, 
um in der Stadt zu opfern. Nachdem diese Aufgabe vollführt ist, kommt 
sie v. 242 wieder und beginnt den Dialog mit dem Chor. Darauf aber 
begiebt sie sich natürlich v. 340 wieder in den Palast und kehrt, da sie 
durch ihren Wächter (vgl. zu v. 467) von der Ankunft des Heroldes und 
dem Herannahen des Heeres unterrichtet ist, v. 563 auf die Bühne zu- 
rück. — Die Verwirrungen in dieser ganzen Partie sind wesentlich da- 
durch hervorgerufen dass man v. 467 fälschlich der Königin in den 
Mund legte. 





- 


EINLEITUNG. 27 


Nicht der ganze Chor singt die drei Strophen, sondern nur die 
Führer der drei Abteilungen, die volle Zahl wiederholt nur den Re- 
frain. Der Grundton der bangen Besorgniss durchklingt den gan- 
zen Gesang, der das bei der Abfahrt aus Argos erschienene Zeichen 
der hasenverzehrenden Adler und dessen Deutung durch Kalchas 
feiert: zwar werden die Hellenen Troja erobern, aber auf dem 
Hause der Atriden lastet ein Fluch, der als Bedingung für die 
glückliche Abfahrt von Aulis ein furchtbares Opfer fordert. 

Mit unvergleichlicher Kunst hat es so der Dichter verstanden 
von vornherein die beiden Motive, Hoffnung auf glücklichen Aus- 
gang des Feldzugs gegen Troja (die eben jetzt den Greisen so natür- 
dich neu geweckt ist durch Kliytämnestras Opfer V. 101) und die 
bange Ahnung eines sich daran knüpfenden schrecklichen Unheils, 
mit einander zu verflechten. Beide Motive ringen gleichsam durch 
die ganze Tragödie mit einander. Je mehr die Zuversicht auf 
glückliche Heimkehr des siegreichen Herrschers wächst, desto be- 
klommener wird die Stimmung der ernsten Greise, die sich nicht 
durch den Schein betrügen lassen, sondern unter der glänzenden 
Aussenseite die faulen Geschwüre des Atridengeschlechtes kennen 
und daher einen jähen Sturz des stolzen Königs besorgen. 

So feiert der Chor im vollstimmigen Wechselgesang des er- Der Chor 


‚sten Stasimon (V. 149 — 242) die weise Vorsehung des Zeus, Iphigenias 


der durch Leiden Lehre aufzwinge und auch dem Agamemnon da- μὰ 
mals in Aulis durch Artemis die Stürme habe senden lassen, um ihn 
vom Zuge gegen Troja zurückzuhalten. Aber der König habe sich 
durch den Ehrgeiz verführen lassen lieber seine Tochter zur Sühne 
der Stürme zu opfern: daraus müsse ein schweres Verhängniss rei- 
fen. — Bei diesen düsteren Betrachtungen denkt jedoch der Chor 
nicht entfernt daran, dass Klytämnestra zur Rache für ihr Kind ein 
Verbrechen an ihrem Gemahl begehen könne: er deutet vielmehr 
des Kalchas Erwähnung „von dem im Hause lauernden Groll, der 
für die Kinder Blutrache dem Mörder gelobe“ auf den vom Thy- 
estesmahl her auf dem Geschlechte lastenden Fluch, den Agame- 
mnon durch seiner Tochter Opferung für sich zur Wahrheit gemacht 
hat, sodass er nach der Ueberzeugung der Greise durch eine der 
ewigen Weltordnung dienstbare Nemesis auf irgend eine Art büssen 
muss. Der Dichter will eben, wie Schneidewin richtig bemerkt, 
noch nicht lösen, sondern nur spannen. 


Aufireten 
er 
Königin. 


28 EINLEITUNG. 


Kiytämnestra kehrt nun von ihrem Gange durch die Stadt zu- 
rück, und im ersten Epeisodion (V. 243—339) entspinnt sich 
zwischen ihr und dem Chor ein Wechselgespräch, aus dem man 
alsbald herausfühlt, wie die Königin stolz und vornehm sich des Bei- 
rates der ihr vom Gemahl zugeordneten Gerusia zu entledigen und 
sich ihrer Stellung zu überheben sucht, die Greise aber trotz aller 
äusserlichen Reverenz Misstrauen und Verstimmung gegen die ei- 
genmächtige Herrin hegen. Sie schildert nun in prunkvoller Rede 
die ihr durch eine Reihe von Feuersignalen noch in derselben Nacht 
zugegangene Botschaft von der Einnahme Trojas: daran knüpft sie 
eine Betrachtung, wie die Griechen jetzt wohl in der eroberten 
Stadt hausen mögen, zugleich aber sucht sie recht geflissentlich je- 
den Gedanken, der die Siegesfreude herabzustimmen vermag, her- 
vor, So äussert sie ihre Bedenken, ob die Eroberer auch wohl di® 
Heiligtümer der Götter in Troja schonen, und, wenn das, ob nicht 
vielleicht die Manen der im Kriege erschlagenen noch Unheil brin- 
gen können, ja selbst ganz zufälliges Unglück stehe vielleicht noch 
auf der Heimfahrt bevor. — In diesen besorgten Reden hat man 
nicht mit manchen Erklärern raffinierte Heuchelei der Königin zu 
sehen, eine solche wäre an dieser Stelle ganz zwecklos: in der fie- 
berhaften Erregung ihrer ganz auf Rache gespannten Seele hegt sie 
wirklich die ausgesprochenen Besorgnisse, sie fürchtet dass sie sel- , 
ber, dem Ziel ihres Strebens jetzt so nahe, doch noch durch einen 
Unglücksfall um die Befriedigung ihrer Rache gebracht werden 
könne; denn käme Agamemnon auf der Heimkehr um, so wäre sie 
um ihre süsseste Hoffnung betrogen. Es ist eben festzuhalten dass 
sie nicht ihren Gemahl ermorden will, um das ehebrecherische 
Bündniss mit Aegisthos zu bewahren — in diesem Falle würde sie 
des Gatten Heimkehr fürchten — : der Bund mit Aegisthos ist viel- 
mehr nur Folge ihres Wunsches nach Rache, und dieser ihr heisse- 
ster Wunsch würde unerfüllt bleiben, wenn Agamemnon nicht zu- 
rückkäme. So sind ihre Besorgnisse in Betreff der Heimfahrt 
psychologisch motiviert: in der dramatischen Oekonomie dienen sie 
zugleich dazu, jene Spannung im Gemüte des Zuschauers, die durch 
die herrlichen Schilderungen vielleicht beschwichtigt sein könnte, 
von neuem anzuregen: es darf eben keine Scene der Tragödie 
schliessen, ohne den Grundton der ganzen Harmonie in immer 
stärkeren und stärkeren Schwingungen erklingen zu lassen. 





EINLEITUNG. 29 


So zeigt sich Klytämnestra, die Heldin des Dramas, schon in 
dieser Scene in sicheren und festen Umrissen: sie erscheint in ihrer 
Ueberhebung, in ihrer gnädigen Herablassung, in ihrem gespannten 
Verhältniss zu den Greisen, kraftvoll eigenmächtig und stolz, Heu- 
chelei verachtet sie, weil sie dem Stolzen und Starken nicht ge- 
ziemt, aber so energisch ist ihre Natur, dass sie dort, wo die Lüge 
ihrem Hauptzwecke dienen kann, beim Empfang Agamemnons, selbst 
dies ihr widerwärtigste Mittel nicht verschmäht, denn ‚wie könnte 
sonst man Feinden, welche Freunden gleich erscheinen, Feindschaft 
bieten und ein Jammernetz aufzäunen, höher als der kühnste Sprung 
sie trägt?“ , 

Während der den Zeus als Gastrechtshort preisenden Anapäste Der Chor 


ber d 
(V. 340—51) begiebt sich die Königin mit ihrem Gefolge in den Zustand der 

. . Troer und 
Palast, der Chor aber wendet sich wieder dem Theatron zu und über die 


feiert im zweiten Stasimon (V. 352—453) zunächst die ge- in Hellas. 
rechte Vergeltung des Zeus, die über den in kindischer Torheit fre- 
velnden Paris gekommen sei, dann aber wendet er sich zu den 
Leiden, welche Helenas Beginnen über des Menelaos Haus und über 
ganz Hellas gebracht. Denn um eines Weibes willen haben nun so 
viele Helden vor Troja ihr Leben lassen müssen, dass aus jeden: 
Haus in der Heimat die Trauer blickt: der Glanz der siegreichen 
Feldherrn ist also durch ungerechtfertigtes Blutvergiessen erkauft, 
die Bürger murren, und auch von dieser Seite her droht dem Kö- 
nig ein Schlag, der seinen schimmernden Glanz gar bald trüben 
kann. — So kommt der Chor unwillkürlich immer wieder auf seine 
Besorgnisse zurück, und es ist dadurch wie durch die hinter der 
Scene erschallenden Jubelrufe der-Weiber wohl motiviert dass die 
Greise in einer natürlichen Reaction gegen die erste durch Klytä- 
mnestras Botschaft geweckte Freude jetzt in dem kommatischen Des Chors 
Liede (V. 454 — 66), welches das zweite Epeisodion (V. 454 
—659) einleitet, Zweifeln Raum geben, ob nicht am Ende die 
ganze durch die Feuersignale übermittelte Nachricht auf Täuschung 
beruhe: der eine überbietet den andern, sodass die letzten unter 
den in rascher Folge wechselnden zwölf Choreuten mit offenem 
Spotte die Leichtgläubigkeit der Königin angreifen. Da gewahrt 
der Wächter, der auf dem Dach des Palastes seine Warte hat, in 
der Ferne einen Herold: er jubelt auf (V. 467—480) dass nun die 
Bestätigung der telegrapbischen Botschaft bevorstehe und geht 





30 EINLEJTUNG. 


hinunter um der Königin die bevorstehende Ankunft ihres Gemahls 

zu melden. 
Auftreten Von der Seite der Fremde her erscheint auf der Bühne der 
Herolds. Herold Talthybios, ein Kriegsmann, den Agamemnon mit dem Ehren- 
amt betraut hat seine unmittelbar bevorstehende Ankunft zu mel- 
den und im Namen des Heeres die Gottheiten des Landes 
zu begrüssen. Denn die eigentliche Bedeutung dieser Voraus- 
sendung des Herolds ist ohne Zweifel eine religiöse: die Götter und 
Heroen der Heimat sollen, wie sie gnädig das Heer entlassen haben, 
so es auch gnädig wieder empfangen. Daher ist es natürlich dass 
der eintretende Herold die in der Orchestra stehenden Greise nicht 
beachtet: er hat vor allem die Aufgabe ein frommes Begrüssungs- 
gebet im Namen der nachfolgenden an die himmlischen Schützer 
des Hauses und der Stadt zu richten. Dies Gebet ist schön und ἡ 
würdig gehalten: aber auch hierin schon tritt der Grundzug im 
Charakter des Herolds, stolze Ruhmredigkeit, deutlich hervor. 
Eben diese Ruhmredigkeit ist das dramatische Motiv, warum der 
Dichter ihn auftreten lässt: Agamemnons unvergleichlicher Glanz 
und seine rücksichtslose Tatkraft soll unmittelbar vor seinem Falle 
aufs hellste beleuchtet werden, das konnte aber schicklicher Weise 
nur von Seiten eines der Krieger geschehen, die unter ihm die 
Eroberung Trojas vollführt hatten. So giebt uns denn schon das 
Begrüssungsgebet den bedeutungsvollen Wink dass auch die Heilig- 
tümer in Troja nicht geschont sind: wir finden darin ein Zeugniss 
von jener unfrommen Eroberungsleidenschaft des Königs, um deren 
willen die Götter ihn von dem Zuge nach Troja haben zurückhalten 
wollen. Weiterhin im Dialog des Herolds mit dem Chor wird auch 
der überstandenen Leiden des Heers und der zahlreich gefallenen 
Krieger gedacht, aber „der Lebende hat Recht“, und so schildert 
denn Taltlıybios die Herrlichkeit seines Königs in so begeisterter 
Art, dass selbst die besorgten Greise auf einen Augenblick davon 
Die Königin hingerissen werden. — Jetzt tritt Klytämnestra, durch den Wächter 
den Herold. mittlerweile von der Ankunft des Herolds und des Heeres benach- 
richtigt, aus dem Palaste und begrüsst in der Art ihrer vornehmen 
Ueberhebung die Herannahenden: für Talthybios selbst hat sie kein 
freundliches Wort des Willkommens, er ist für sie nur das gleich- 
gültige Mittel, wodurch sie ihrem Gemahl den schuldigen Gruss 
übersendet. In diesem Grusse rühmt sie besonders ihre hingebende 





EINLEITUNG. 31 


Treue gegen den Gatten: hier beginnt also jene Heuchelei und Lüge, 
wodurch sie den König zu umstricken sucht. Dass aber sie, die 
des Ehebruchs verdächtige, gerade ihre Treue und ihren unbefleck- 
ten Ruf in den stärksten Ausdrücken hervorhebt, ist ein feiner 
psychologischer Zug: in ihrer Selbstentschuldigung liegt jene Selbst- 
anklage, zu welcher so gern die Betörung des bösen Gewissens ver- 
führt. — Ohne eine Antwort abzuwarten verlässt sie wieder die 
Bühne, um im Palaste die Vorbereitungen zum Empfange ihres Ge- 
mahls zu treffen; der Chor commentiert ihren stolzen Selbstruhm 
mit einigen spöttischen Worten, fragt dann aber den Herold, ob 
auch Menelaos mit den übrigen wieder zurückkomme. Zögernd 
rückt jener mit dem Geständniss heraus dass er von Menelaos’ Heim- 
kehr nichts sagen könne: durch einen furchtbaren Sturm sei das 
ganze Heer zerstreut worden, nur wie durch ein Wunder seien sie 
selbst der Gefahr entronnen, aber von Menelaos hätten sie keine 
Kunde; es sei nicht unwahrscheinlich dass er untergegangen sei, 
vielleicht aber lebe er ja noch und dann werde Zeus ihn wohl zu- 
rückführen. | 

Welche Bedeutung diese Schilderung des Sturms für die dra- 
matische Oekonomie habe, darüber kann man nicht zweifelhaft sein: 
beiläufig liegt darin eine Hindeutung auf das der Trilogie angehängte 
Satyrspiel-Proteus, worin der an die ägyptische Küste verschlagene 
Menelaos vorkam, aber das für die Trilogie bedeutsame Motiv ist 
dies, dass der Dichter erstlich zeigen will, wie der Zorn der Götter 
über die in Troja vollbrachten unfrommen Taten bereits wirksam 
gewesen ist, wie aber dem der Meerß&ut entgangenen Agamemnon 
noch eine andere Art der Vergeltung droht; sodann musste durch 
die vorläufige Beseitigung des Menelaos einfach motiviert werden, 
wie nicht nur Kiytämnestras Rachetat, sondern auch Aegisthos’ 
mehrjährige Tyrannis ins Leben treten konnte, denn wenigstens die 
letztere wäre nicht möglich gewesen, wenn des Königs Bruder 
gleichzeitig mit ihm heimgekehrt wäre. — Uebrigens spricht der 
Herold weder „barock “ noch „faselig““, wie Schneidewin und man- 
che in seltsamer Verkennung der Kunst unseres Dichters meinen: 
nur die Verdorbenheit der Ueberlieferung konnte zu solchen Miss- 
verständnissen führen. Seine Sprache ist vielmehr die eines gebil- 
deten Mannes, denn er ist ja ein Herold, also ein Edler, aber er ist 
der ruhmredige rücksichtslose Krieger, der lieber den Blick in die 


Bericht des 
Herulds 
über 
Menelaos. 


Der Chor 
über 
Helenas 
Wealten. 


Empfang 
Aga- 
imemnons, 


32 EINLEITUNG. 


sonnige Zukunft, als in die düstere Vergangenheit wendet, der aber 
dennoch durch die Fragen des Chors gezwungen wird ‚‚den Tag der 
Weihe durch Unglücksbotschaft zu entheiligen “. 

So schliesst denn auch diese Scene, welche die höchste Ver- 
herrlichung Agamemnons enthielt, mit jenem dumpfen Akkord der 
bangen Ahnung, der durch das ganze Drama immer mächtiger durch- 
klingt. Die Chorgreise aber, ihrer ganzen Art nach immer zu ern- 
sten und feierlichen Betrachtungen geneigt, leihen im dritten Sta- 
simon (V. 659— 748) den Gefühlen Worte, welche Helenas dämo- 
nisches Wesen ihnen erweckt: den Troern ist die holdselige eine 
von Zeus gesandte Erinys geworden, sie hat ihren Namen ‚, Verder- 
berin ““ schrecklich bewährt in dem über Troja gebrachten Unheil. 
Priamos ist einst so mächtig und glücklich gewesen, nun ist er mit 


. seinem ganzen Hause schmachvoll untergegangen. Hieran aber 


knüpft der Chor die allgemeine Betrachtung dass nicht, wie man 
gewöhnlich glaube, das Glück als solches infolge des Neides der 
Gottheit Jammer hervorbringe, sondern nur dann, wenn das Glück 
zum Uebermut und Frevel verführt habe, schlage es in Unsegen um: 
denn Dike ehre stets ein frommes Haus, einerlei ob es arm oder 
reich sei, aber wo aus dem Uebermut Frevel und Betörung hervor- 
gehe, da fliehe sie, und keine irdische Pracht vermöge sie zurückzu- 
halten. Ä 
Diese frommen im biblischen Stil gehaltenen Worte des Chors 
beziehen sich unmittelbar nur auf die Priamiden, aber sie sind ein 
zweischneidiges Schwert: sie richten des Paris Freveltat und be- 
ruhigen über die an Troja vollzogene furchtbare Rache, aber indem 
sie im Gemüt des Hörers lange nachklingen, müssen sie mit ihrer 
ewigen Wahrheit ihn wieder mächtig erschüttern, als nun in aller 
irdischen Pracht und Herrlichkeit Agamemnon seinen Einzug hält, 
Agamemnon, der durch einen unerhörten Frevel, den Lockungen 
des Alastor nicht widerstehend, diese Hoheit sich erkauft hat. Auch 
an ihm, so ahnen wir, müssen die Worte des Chors ihre Bestätigung 
finden. ᾿ 

Im dritten Epeisodion (V. 749—941) zieht der König mit 
reichem Gefolge ein: der Chor begrüsst ihn in Anapästen, die dem 
Herrn nicht verhehlen, wie er früher den Zug gegen Troja, die Hin- 
opferung so vieler Helden um eines Weibes willen, gemissbilligt 
habe; jetzt aber nehme er warmen Anteil an seinem Glücke. Nun 


EINLEITUNG. 33 


möge er prüfen, wer ein guter und wer ein schlechter Bürger sei. — 
In dieser offenen ehrenhaften Anrede liegt ein deutlicher Wink für - 
den König dass er vor diesem und jenem, der den Schein höher 
stelle als das Sein, sich hüten möge, aber er versteht diese Warnung 
nicht. Nachdem er zuerst die Götter seiner Heimat fromm begrüsst 
und ihnen für das an Troja vollzogene Strafgericht gedankt hat, 
geht er auf die Worte der Greise ein und belobt ihre Aufrichtigkeit, 
die nur aus arglosem und neidfreiem Herzen hervorgehen könne, 
während die meisten Menschen, je tiefer sie den Stachel des Neides 
fühlen, desto mehr geneigt seien den Mächtigen Weihrauch zu 
streuen. Schliesslich verheisst er ein gerechtes und vorsorgliches 
Regiment: in gemeinsamer Beratung mit den Aeltesten des Landes 
soll das Wohl der Stadt und des Reiches befestigt werden. Der 
stolze unumschränkte Heerführer ist weit entfernt sein Gewaltregi- 
ment auch in der Heimat fortsetzen zu wollen; freiwillig entäussert 
er sich seiner Machtfülle, um wieder der durch patriarchalische Sitte 
umschränkte Friedenskönig zu werden. 

So atmet seine ganze Rede die würdevollste Besonnenheit, die δὲ. , 
edelste Masshaltung, und wir sind überı ascht von dieser Bescheiden- Stimmung 
heit des rücksichtslosen Eroberers, der zur Befriedigung seines 
Ehrgeizes sogar die eigene Tochter geopfert hat: aber wie in den 
Worten über seine Menschenkenntniss, die mit der unmittelbar er- 
folgenden Täuschung durch sein heuchlerisches Weib im grellsten 
Widerspruch stehen, sich seine tragische Verblendung zeigt, so lässt 
der Dichter auch durch seine im Gegensatz zu des Herolds Ruhm- 
redigkeit merkwürdig gedrückten Worte sehr deutlich hindurchfüh- 
len dass nur Iphigenias Schatten ihnen die düstere Fär- 
bung und die gedämpfte Stimmung giebt. Zum ersten Mal 
betritt der grosse König die durch sein Verbrechen entweihte Hei- 
mat wieder: da ist psychologisch nichts natürlicher, als dass die hier 
unwiderstehlich erwachende Gewissensangst den durch irdisches 
Glück gesättigten Eroberer zu dem Vorsatze drängt fortan nur an 
dem Wesen der Dinge, an dem ewigen Recht, festzuhalten und in 
Selbstverleugnung sich ganz dem Glücke seines Volkes, dem er so 
viel Trauer bereitet hat, zu weihen. Aber zu spät! zu spät! Wie 
ängstlich auch er selbst und der Chor jede Erinnerung an Iphigenia 
fernhalten (vgl. zu V. 769), der Dichter hat durch die bisherige 


AESCHYL. AGAMEMNON. 3 


34 EINLEITUNG. 


Entwicklung genugsam dafür gesorgt, dass dem Zuschauer Iphi- 
genias Schatten immerfort vor Augen schwebt und sowohl die Be- 
sonnenheit und Masshaltung Agamemnons als eine Art von schwüler 
Beklommenheit erscheinen lässt als auch auf ein unvermeidlich dro- 
hendes Unheil hindeutet. 
Die Königin Jetzt tritt Klytämnestra zum Empfang ihres Gemahls hervor, und 
Gemahl wunderbar hebt sich in ihrer langen Rede die masslos übertreibende 
süße Rhetorik, die jeden, nur „den Menschenkenner “ Agamemnon nicht, 
ihre Bosheit ahnen lässt, gegen den schlichten und gemessenen Ton 
ihres Gatten ab. Sie schildert die Leiden, die sie, das arme treue 
Weib, in seiner Abwesenheit getragen habe, dann aber macht sie 
ihrer dämonischen Freude das Opfer ihrer Rache jetzt in ihrer Ge- 
walt zu haben durch ausgelassene Jubelrufe Luft: denn ihr Ent- 
zücken über das Wiedersehen ihres Gemahls ist insofern nicht er- 
heuchelt, als sie wirklich bisher gezittert hat in der Erwartung, 
Agamemnon könne durch’irgend ein Unglück ihrer Rache entzogen 
werden — in ihren Worten ist Lüge, aber ihre Stimmung ist wirk- 
lich die, welche sie zur Schau trägt. — Schliesslich lässt sie den 
Weg von des Königs Wagen bis in das geöffnete Tor des Palastes 
mit Purpurteppichen belegen, damit der Fuss, der Ilion zertreten 
habe, nicht den gemeinen Erdboden berühre. Sie will durch diese 
überschwängliche Huldigung zunächst ihren Gemahl täuschen und 
seine Gewissensangst in Sicherheit wiegen, zugleich aber geht ihr 
Streben sichtlich dahin, den Neid der Gottheit auf den König zu zie- 
hen, wenn er eine nur den Himmlischen zukommende Elıre an- 
nehme, und dadurch die Götter gewissermassen zu Bundesgenossen 
ihres verbrecherischen Planes zu machen. — Agamemnon lelınt 
ernst und fest die ihm zugedachten über menschliches Mass hinaus- 
gehenden Huldiguugen ab, aber in der folgenden Stichonythie zwi- 
schen ihm und seiner Gemahlin weiss diese durch Bitten und 
Schmeicheln ihn bei seiner schwächsten Seite zu fassen, und der 
König lässt sich endlich trotz seiner Grundsätze verführen den Pur- 
purpfad zu betreten. So lodert der Ehrgeiz, kaum durch die Er- 
innerung an Iphigenia gedämpft, mächtig wieder auf, und er schrei- 
tet über den Purpur in den Palast — für die den Ausgang ahnenden 
Zuschauer ein erschütterndes Beispiel, wie unmittelbar vor dem 
Falle der Hochmut kommt. Von der höchsten irdischen Herrlich- 
keit geht's in den jähen Tod. 





EINLEITUNG. 35 


Wohl ist es daher motiviert, wenn der Chor im vierten Sta- Des Choıs 

. Besorgnisse. 
simon (V. 942—993) gerade jetzt, wo der König auf der Höhe 
seines Glückes zu stehen scheint, mehr als jemals bange Sorge 
fühlt. Gerade die Uebertreibung in Klytämnestras Huldigung macht 
ihn misstrauisch, und der ruhmbedeckte König hat durch sein be- 
scheidenes und massvolles Auftreten sein ganzes Herz gewonnen. 
So singt er denn von den Schreckbildern, die immer ihm vor der 
Seele gaukeln, obwohl seit der Abfahrt von Aulis (d. h. seit Iphi- 
genias Opferung) schon so lange Zeit verstrichen sei und obwohl er 
jetzt mit eignem Auge die Rückkehr des Königs sehe. Gerade der 
üppig strotzenden Gesundheit drohe Wand an Wand die lauernde 
Krankheit, und ein fröhlich dahinsegelnder Mann stosse oft auf eine 
Sandbank.. Der letztere freilich könne den Schaden noch beilen, 
wenn er rasch entschlossen dieLadung lösche und so die Barke wie- 
der flott mache. Aber wenn ein Mord geschehe, so gebe es 
nirgends ein Heilmittel. — Zum ersten Male erwähnt hier der Chor 
eines blutigen Todes, der dem Agamemnon vielleicht drohe, aber 
nur in dunkler Andeutung und ohne anzugeben, von wem ihm ein 
solcher Tod kommen könne. Die schrecklichste Besorgniss, die 
sich ihm aus der Tiefe des Herzens heraufdrängt, wagt er sicli 
selbst nicht einzugestehen, schon deshalb nicht, damit er nicht ein 
böses Omen gegen den geliebten König heraufbeschwöre. Aber 
dem ganzen Zusammenhang nach kann er mit jenen dunklen Worten 
von den zur Erde fallenden Blutstropfen eines Mannes nichts anderes 
meinen als ein Verbrechen gegen Agamemnon, und nach der gan- 
zen Entwicklung des Dramas ist diese sich ihm aufdrängende Angst 
eine höchst natürliche. Damit ist es psychologisch sehr wohl ver- 
einbar «dass, als später Kassandra die Ermordung des Königs an- 
deutet und endlich offen ausspricht, der Chor sich davor entsetzt 
und den Weissagungen keinen Glauben schenken will (vgl. zu 
V. 986 flg.). 

Im vierten Epeisodion (V. 994—1030) tritt KlytämnestraDie Königin 
wieder hervor und redet die bis dahin noch unbeweglich auf Aga- gefangenen 
memnons Wagen sitzende Kassandra an: als künftige Hausgeuossin gegenüber. 
des Palastes möge sie sich beeilen hereinzukommeu, um an dem 
Gottesdienste, der zum Empfang des Königs stattfinden solle, teilzu- 
nehmen. Der Chor redet ihr gleichfalls zu sich in das unvermeid- 
liche zu schicken, aber Kassandra bleibt stumm und unbeweglich. 


3*F 


Kassandras 


Visionen. 


36 EINLEITUNG. 


Da ergrimmt die stolze Königin und geht unter harten Drohungen 
gegen die Gefangene in den Palast zurück, der Chor aber blickt mit 
tiefem Mitleid auf die unglückliche Königstochter, die, wie er glaubt, 
sich in das neue Sklavenjoch noch nicht zu finden weiss. 

Nun aber beginnt eine gewaltige in ihrer Art unvergleichliche 
Scene, der grosse Kommos zwischen Kassandra und dem 


“ Chor (V. 1031—1290). Die Seherin, die bis dahin völlig unbe- 


weglich gesessen hat, tief nach innen gekehrt und von dem was um 
sie vorgeht nichts bemerkend, wird plötzlich von prophetischer Be- 
geisterung ergriffen, und nachdem sie zuerst, gleichsam in den 
Wehen der sich ihr gestaltenden göttlichen Offenbarungen, nur 
Jammerlaute ausgestossen und ihren Schirmherrn Apollon angeru- 
fen hat, beschreibt sie mit namenloser Angst die Visionen, die sich 
ihrem hellsehenden Auge darbieten. Da zeigen -sich ihr zunächst 
die grauenvollen Bilder aus der Vergangenheit des Atridenhauses: 
da sieht sie den Strang, durch den Aörope ihrem Leben ein Ende 
machte, sie sieht die Ermordung des Atreus durch Thyestes, und 
endlich tritt aus dem Hintergrunde das scheussliche Bild von den 
geschlachteten Kindern des Thyestes und dem Mahle, das der un- 
glückliche Vater genossen. Mit Ausrufen des Entsetzens beschreibt 
sie diese Erscheinungen. Ihre Worte versteht endlich der Chor, 
aber wie ihr nun die Zukunft vor Jas Auge tritt, wie sich ihr Kly- 
tämnestras Gebahren allmählich enthüllt und sie in dunklen rätsel- 
haften Worten die in ihrer Vision geschaute Ermordung des Königs 
andeutet, wie sie endlich die Vorbereitungen zu ihrer eigenen Er- 
mordung darstellt, da bewährt sich an ihr der Fluch Apollons dass 
niemand ihren Offenbarungen Glauben schenkt, und der Chor, der 
noch eben in Bezug auf die Enthüllungen aus der Vergangenheit 
ihr die Wahrheit derselben unwillig bezeugt hat, hält sie für eine 
wahnsinnige, die nur Ausgeburten einer kranken Phantasie schaue. 
Aber dennoch wird auch er mehr und mehr, wie stark er sich auch 
gegen den Glauben streubt, in die fürchterlichste Angst gerissen, 
und in demselben Masse, wie die Seherin ruhiger wird, sodass sie 
zuletzt jedesmal die Beschreibung ihrer Visionen mit Trimetern be- 
schliesst, steigert sich die Aufregung der Choreuten, und sie, die 
zuerst immer in ruhig gehaltenen Trimetern gesprochen, werden 
allmählich zum stärksten Iyrischen Ausdruck ihrer Empfindungen 
gezwungen. Es ist bewunderungswürdig, wie der Dichter es in 





EINLEITUNG. 37 


dieser Scene verstanden hat die Visionen der scheinbar wahnsinni- 
gen Kassandra nach strengstem Plane zu ordnen, sodass ihre ein- 
zelnen Reden im Fortgange sich immer selbst erklären, und die 
leidenschaftlichste Aufregung der Sprechenden in eine so vollendet 
symmetrische und harmonische Form zu bannen, dass die bis ins 
Kleinste gehende Sorgfalt der Gestaltung mit der genialsten Phan- 
tasie einen unvergleichlichen Bund eingeht. 

Aber die dunklen Andeutungen der Seherin sollen heller ans Kerandes 
Licht treten: wie die Sonne allmählich den verhüllenden Nebel- se. 
schleier durchdringt, so ringen sich aus der von Visionen gequälten 
Seele Kassandras endlich klare und nur zu verständliche Weis- 
sagungen hervor. So schildert sie in Trimetern zuerst die vergan- 
genen Gräuel des Hauses und verlangt vom Chor eine eidliche Ver- 
sicherung dass sie Wahrheit rede: auf diese Weise will sie den 
Boden sich bereiten, auf dem ihre folgenden Weissagungen Glauben 
finden müssen, denn sie ist erfüllt von der Leidenschaft nicht als 
wahnsinnige Törin sondern als gottbegeisterte Prophetin betrachtet 
zu werden. Daher gewinnt sie es sogar über sich zu erklären, wo- 
her ihr die Prophetengabe gekommen sei. Dann aber, von neuem 
in Ekstase versetzt, knüpft sie an die Darstellung des Tlıyestes- 
Mahles die klare Weissagung vom Untergang Agamemnons. Noch 
immer jedoch streubt sich der Clıor an das entsetzlichste zu glau- 
ben: er fasst nicht, wie ein Verbrechen gegen den König physisch 
und moralisch möglich sei. Zum dritten Mal wird Kassandra von 
dem Feuer der prophetischen Begeisterung überströmt: sie weissagt 
jetzt ihren eigenen Tod, und mit herber Bitterkeit gegen Apollon, 
der ihr die früheren und die jetzigen Leiden bereitet habe, entklei- 
det sie sich der priesterlichen Insignien; dann aber, wie um sich zu 
trösten, wirft sie einen Blick in die ferne Zukunft und erwähnt des 
einstigen Rächers, der ihr und Agamemnon kommen werde, des 
Orestes, der nach denı Ratschluss der Götter dem Wahnsinn des 
Geschlechtes die Krone aufsetzen d. h. durch Muttermord die 
furchtbarste Tat begehen, aber zugleich die Gräuel des Hauses be- 
enden solle. So verlässt sie endlich den Wagen und schreitet auf 
die Bühne hinauf, um in den Palast zu gehen, aber entsetzt von dem 
ihr entgegenströmenden Modergeruch bebt sie zurück. Noch ein- 
mal fleht sie den Chor an ihr Glauben zu schenken und einst am 
Tage der Rache ihr zu bezeugen dass sie alles geweissagt habe: 





Bedeutung 
er 
Kassandra- 
scene. 


38 EINLEITUNG. 


halb ausweichend antwortet er dass er sie bedaure wegen ihres Pro- 
phetenlooses. Endlich schleudert sie den letzten- Fluch auf ihre 
Mörder und geht todesmutig in den Palast hinein, der Chor aber 
schliesst mit einer wehwmütigen Betrachtung über das Menschenloos 
die grosse Scene ab. 

‚ Auch dieser Akt beweist wieder, mit welcher Genialität der 
Dichter die dürftigen von der Tradition gegebenen Notizen zu be- 
seelen und der Oekonomie seines Kunstwerks dienstbar zu machen 
gewusst hat. Ueberliefert war dass Priamos’ Tochter Kassandra, 
von Apollon zur Prophetin gemacht, aber zugleich mit dem Fluche 
dass niemand ihr Glauben schenke behaftet, nach der Einnahme 
Trojas dem Agamemnon als Ehrengeschenk zugeteilt ward und ihm 
in seine Heimat folgte, wo sie zugleich mit ihrem geliebten Herrn 
von der eifersüchtigen Klytämnestra getödtet ward (Od. XI, 421). 
Aber welch ein lebensvolles ergreifendes Gemälde hat Aeschylos aus 
diesen wenigen Strichen geschaffen! und wie natürlich und einfach 
fügt sich dies Gemälde in die Entwicklung des ganzen Dramas ein! 
Gerade der armen schuldlosen Seherin Ermordung, deren Motiv 
bloss Eifersucht der ehebrecherischen Königin ist (V. 1403), wirft 
auf Kiytämnestras ganze Handlungsweise das hellste Licht und zeigt 
deutlich dass sie nicht als Vertreterin der ewigen Weltordnung Aga- 
memnon erschlägt, sondern in blinder Leidenschaft das ihr persön- 
lich widerfahrene Unrecht zu rächen. ‘© Kassandras Visionen und 
Weissagungen aber dienen nicht etwa dazu, die Spanne Zeit von 
Agamemnons Eintritt in den Palast bis zu seiner Ermordung auszu- ' 
füllen (dazu hätte der Dichter ebenso gut einen Chorgesang ver- 
wenden können, ja dafür war schon durch das vierte Stasimon ge- 
sorgl), sondern wie sie Offenbarungen der ewigen Moira sind, gleich 
allen Orakeln, so stellen sie den notwendigen Zusammenhang der 
drei Generationen von Atreus Agamemnon und Orestes und die not- 
wendige Vererbung des Fluches dar. Sie beleuchten also, wenn 
auch in geheimnissvoller Weise, den ideellen Zusammenhang der 
ganzen Trilogie. Zwar sind Vorherbestimmung der ewigen Moira 
und freier Wille des Individuums für ein sterbliches Auge nie scharf 
gegen einander abzugrenzen, ihr Verhältniss zu einander bleibt ein 
ewiges Geheimniss, aber in dieser Kassandrascene zieht der Dichter, 
selbst ein geweihter Prophet, auf einen Augenblick den Schleier vor 
dem unerforschlichen Schicksal hinweg und lässt uns einen Blick 











EINLEITUNG. 39 


tun in die unergründlichen Tiefen des Jenseits, die „dem liefen 
Herzen sich verkünden, doch fliehen vor dem Sonnenlicht“. Für 
dieses Jenseits giebt es keine Vergangenheit und keine Zukunft: als 
ewig offenbart sich die schaurige Satzung dass die Kinder für die 
Sünden der Väter zu büssen haben, weil durch die Einheit des Blu- 
tes die Generationen untrennbar verbunden sind. Während also 
der Dichter sonst im ganzen Drama den freien Willen und die 
Selbstbestimmung des Individuums in den Vordergrund stellt, mit 
erhabenem Rationalismus nachweisend, wie Agamemnon erst durch 
die aus eigenem Entschluss und auf eigene Verantwortung voll- 
zogene Opferung seiner Tochter den Fluch des Thyestes für sich 
lebendig macht, so feiert er in Kassandras Offenbarungen den Ge- 
genpol seiner sittlich-religiösen Anschauung, die unerbittliche ewige 
Notwendigkeit, natürlich aber so, dass der grübelnde Menschenver- 
stand die Identität dieser Notwendigkeit mit dem freien Willen des 
Menschen nicht sowohl begreift, als vielmehr nur dunkel ahnt. 

Auffallend ist es auf den ersten Anblick dass Kassandra gar Scheinbarer 
nicht der Opferung Iphigenias Erwähnung tut, um so auffallender, spruch zwi- 


Kas- 


als gerade dies Verbrechen Agamemnons von vornherein für den sandras und 
Chor das eigentliche Motiv der sich immer mehr steigernden Angst Auffassung 
vor kommendem Unheil ist. Wie mag es doch kommen dass vorher memnons 
und nachher der Dichter die Ermordung des Königs immer als 

Strafe für die Schlachtung seines Kindes darstellt, während er Kas- 

sandra von diesem Vorgang völlig schweigen und das Schicksal Aga- 
memnons auf Atreus Kindermord begründen lässt? — Dieser schein- 

bare Widerspruch ist als Tatsache von Schneidewin und Naegelsbach 
anerkannt, aber zur Lösung desselben haben sie nichts beigetragen. 

— Ein grober Irrtum wäre es zu glauben dass die Seherin aus Liebe 

zu Agamemnon sein Verbrechen verschweige: während ihrer Offen- 
barungen steht sie „in eines höheren Herren Pflicht“, sie selbst ist 
willenloses Organ, sodass von ihren Neigungen und Abneigungen 

dabei nicht die Rede sein kann. Aber der Widerspruch löst sich 

in demjenigen, was wir über die beiden Gegenpole in Aeschylos’ 
sittlich-religiöser Weltanschauung, die ewige Notwendigkeit des 
Weltgesetzes und den freien Willen des Individuums, gesagt haben. 

Die erstere vertritt Kassandra in ihren Offenbarungen und nach 

diesen heisst es nicht bloss ‚, der Täter muss leiden “, sondern auch, 

da Vater und Sohn eins sind, ‚„‚der Sohn muss für die Sünden der 


40 EINLEITUNG. 


Väter büssen“. Natürlich und folgerecht also ist es dass sie Aga- 
memnons Untergang auf des Atreus Misselat begründet: es ist ihre 
Mission die ewige Identität der auf einander folgenden Geschlechter 
‘zu betonen, und von diesem Standpunkt aus erscheint Iplıigenias 
Opferung als selbstverständliche, also nicht zu erwähnende, Folge 
von Atreus’ Verbrechen. Das Drama dagegen ist seinem Begriffe 
nach freie Geistestat: in der Entwicklung desselben wird also darge- 
legt, wie Agamemnon aus eigenem Entschlusse, wenn auch von dem 
Alastor des Geschlechtes gereizt, der Versuchung nachgiebt und 
durch die freiwillige Opferung seiner Tochter den Fluch des Thy- 
estes für sich zu einer Wahrheit macht. — Der Dichter also konnte 
die Seherin nicht anders reden lassen als wie sie tut: dass aber das 
Verhältniss ihrer Offenbarungen zu der Entwicklung des Dramas 
trotzdem noch immer etwas rätselhaftes behält, ist das des Aeschy- 
los Schuld? Wer löst uns heute den Widerspruch zwischen der 
freien Selbstbestimmung des Menschen und der allwissenden Vor- 
aussicht Gottes? — — 

Aber unmittelbar nach Kassandras Weissagungen steht der 
Chor noch unter dem fürchterlichen Eindrucke derselben: indem er 
also während der Anapäste (V. 1291 — 1302) sich auf die Bühne 
hinaufbegiebt 8), um auf alle Fälle dem König, wenn ihm Gefahr 


8) Schneidewin freilich p. XLIX bemerkt: „Natürlich konnte der 
Chor die Orchestra nicht verlassen“. Aber es ist nicht abzusehen, 
worauf diese Behauptung gegründet ist. Im Anfang der „Eumeniden‘ 
sehen wir den Chor auf der Bühne, ebenso im Beginn von Eurip..Hike- 
tiden. Kann aber, wie im letzteren Stück v. 365 —380 geschieht, der 
Chor während der Entwicklung des. Dramas in die Orchestra nieder- 
steigen, so hindert nichts anzunehmen dass er unter Umständen auch 
die Orchestra verlassen und sich aufs Logeion begeben kann. Dass 
dies aber im Agamemnon an der bezeichneten Stelle wirklich geschieht, 
dass also auch hier die Anapäste einen Marsch begleiten, geht aus fol- 
gender Betrachtung mit Notwendigkeit hervor. Dass die Leiche des 
Königs verhüllt auf die Bühne geschoben ist, kann nicht bezweifelt 
werden: der Schönheitssinn der Griechen und scenische Rücksichten 
machten dies durchaus nötig. Nun aber spricht der Chor v. 1418 flg., 
namentlich aber v. 1460 und v. 1484 flg. offenbar so, dass er der Leiche 
unmittelbar ins Gesicht schaut. Also muss in jenen Augenblicken das 
verhüllende Gewand aufgehoben sein und der Chor neben dem Sarge ste- 
hen. Sind demnach die Greise während der Todtenklage v. 1411—1544 
auf der Bühne (auch die Schlussscene würde sich lächerlich machen, 











EINLEITUNG. 41 


drohe, nahe zu sein, fasst er den durch drei Geschlechter sich ver- 
erbenden Fluch zusammen zu einer wehmütigen Betrachtung über 
das Menschenschicksal. Auch er begründet also jetzt den Fall 
Agamemnons auf die gemordeten Kinder des Thyestes (vgl. zu 
V. 1299). 


Es beginnt nun der dritte Akt. Man hört aus dem Inneren vie Ermor- 
dung. 


des Palastes den Weheschrei des tödtlich verwundeten Königs: die 
zwblf Greise treten zu einer förmlichen Beratung zusammen, in 
rascher Aufeinanderfolge geben die einzelnen ihre Stimmen ab und 
der Koryphäe fasst das Resultat zusammen. Sie wollen in den Pa- 
last dringen, da öffnen sich die Tore, man sieht in die Hausflur hin- 
ein, und hervor tritt die Königin, welche der aufihrer Stirn haftende 
Blutstropfe sogleich als Mörderin kennzeichnet. Verhüllt liegen die 
Leichen Agamemnons und Kassandras neben einander. 


In schauriger Grösse offenbart sich jetzt, Lady Macbeth ver- Die Königin 


ihren Gemahl getödtet zu haben, um Rache für ihre Tochter zu 
nehmen: mit satanischer Wollust beschreibt sie die Art, wie sie den 
Mord vollführt. Was der Rat der Alten dazu sage, sei ihr einerlei: 
sie habe ein gerechtes Werk vollbracht. — Der Chor begreift diese 
gottlose Raserei nicht: er meint, sie müsse ein sinnverwirrendes 
Gift genossen haben, um so zu lästern, aber wegen des ob auch im 
Wahnsinn verübten Verbrechens stellt er ihr des Volkes Fluch und 
die Verbannung in sichere Aussicht. — Doch Kiytämnestra über- 
zeugt die Greise von ihrer Zurechnungsfähigkeit. Sie vergleicht 
Agamemnons Tat mit der ihrigen: sie habe gerechte Vergeltung ge- 
übt, und so denke sie nicht an Flucht und Verbannung, mit Gewalt 
werde sie sich gegen das Volk behaupten. Und da der Chor in ge- 
steigertem Grimm mit blutiger Zahlung droht, erklärt die Königin 
trotzig dass nie ein Rächer ihr nahen werde, so lange ihr Freund 
Aegisthos ihres Herdes Feuer schüre. Denn dieser lebe ihr als ein 
mächtiger Schützer, ihre Feinde aber seien todt. 


Es beginnt: nun die grosse Todtenklage (V. 1411— 1544), Der Chor 


gegenüber 


indem von Zeit zu Zeit einzelne Abteilungen Jdes Chors an die Leiche 


wenn Aegisthos auf dem Logeior, dagegen die Choreuten in der Orchestra 
das Schwert zum Kampfe zückten), so können sie in keinem anderen Au- 
genblick dorthin gelangt sein, als während der Anapäste v. 1291—1302, 


nach dem 


gleichbar, Klytämnestras dämonisches Wesen. Sie erklärt offen Morde. 


Könikin, 


42 EINLEITUNG. 


Agamemnons herangehen, um die Züge des geliebten Herrschers 
noch einmal zu schauen. Dazwischen ertönen schmerzliche Klagen 
der Greise, und sie erheben Vorwürfe, zunächst gegen Helena, die 
nun auch für die Atriden eine Erinys geworden sei, dann gegen den 
„Unhold“, den Dämon des Geschlechtes, der die Gestalt beider 
Schwestern, Helenas und Klytämnestras, angenommen habe. Be- 
gierig fasst die.Mörderin diesen Gedanken auf, da er ihrer sophisti- 
schen Verteidigung dienen kann. Sie habe also, behauptet sie, 
nicht einen ruchlosen Mord begangen, denn sie sei gar nicht des er- 
mordeten Königs Gattin, sondern der alte Alastor des Atreus habe 
in deren Gestalt den Mann: jetzt zu den Knäblein hingeopfert. Der 
Chor aber lässt diese Ausrede nicht gelten: wohl möge der Alastor 
ihr geholfen haben, aber nur sie sei des schmählichen unwürdigen 
Mordes schuldig. Kiytämnestra jedoch entgegnet höhnisch, der Tod 
Agamemnons könne nicht ein unwürdiger heissen, da er ihm von 
& seiner Tochter Iphigenia komme: er habe gerade dasselbe gelitten, 
was er seinem Kinde getan. So schwankt sie in ihren sophistischen 
Entschuldigungen hin und her: bald glaubt sie zur Tat willenlos ge- 
trieben zu sein, bald nimmt sie dieselbe ganz auf ihre Verantwor- 
tung. — Und noch einmal flammt ihre Wut gegen den Todten aufs 
furchtbarste auf: wie der Chor wünscht gestorben zu sein und da- 
durch an das Begräbniss des Königs erinnert wird, erwidert sie mit 
grässlichem Hohn, das Begräbniss des von ihr erschlagenen sei ihre 
Sorge; keine feierliche Todtenklage werde um ihn erschallen, aber 
Iphigenia werde ja in der Unterwelt ihn liebend umfangen und her- 
zen. — Da erkennen die Greise endlich an dass Agamemnon nach 
einem Gesetz der ewigen Gerechtigkeit gefallen sei, aber diesselbige 
Gesetz werde auch weiter wirken; o könnte doch jemand, beten sie, ᾿ 
den furchtbaren Dämon aus dem Hause bannen! Diesen Gedanken 
ergreift die allmählich zur Ruhe kommende Klytämnestra mit Be- 
gierde: gern wolle sie, wenn sie auch fast sämmtliche Habe opfern 
müsse, mit dem Dämon des Geschlechtes sich abfinden, dass er. nur 
hinfort dies Haus verschone und ein anderes mit Wechselmord ver- 
heere. 
Bedeutung Die ganze überaus kunstvolle Scene ist in der Oekonomie des 
are, Dramas unentbehrlich. Es wird darin die Schuld Klytämnestras 
bestimmt und sicher abgegrenzt: ihr Recht hebt sie selber klar ge- 
nug hervor, auch die Versuchung durch den Alastor wird nicht ver- 











EINLEITUNG. 43 


schwiegen, aber die Gewissenlosigkeit, womit sie sich ihrer Tat be- 
rühmt und den Todten noch höhnt, beweist genugsam dass sie das, 
was geschehen musste, aus bösem Herzenstriebe unternommen hat, 
nicht um der ewigen Weltordnung willen. Das ist ihre unsühn- 
bare Schuld, und wenn sie auch selbst in sehr äusserlicher Weise 
sich mit dem Dämon des Geschlechtes abfinden zu können hofft, so 
muss dem Zuschauer doch wie dem Chor die Ueberzeugung fest- 
stehen dass auch für sie der Satz ‚‚der Täter muss leiden “ zur Gel- 
tung kommen wird. 


erscheint von der Seite der Stadt her, nun erst, weil Klytämnestra 
ihm über das Gelingen der Schandtat erst Nachricht hat senden 
müssen. Freudig begrüsst er diesen ersehnten Tag der Rache und 
inotiviert seinen Anteil am Morde durch des Atreus Verbrechen und 
‘durch das von Agamemnon an ihm selbst verübte Unrecht. Je fei- 
ger er ist, wo es auf die Tat ankommt, desto behender und sophi- 
stischer ist er als Zungenfechter: sein ganzes Auftreten ist das eines 
gewandten Advokaten, der eine Prozessrede hält und darin alles zu 
seinem Vorteil darzustellen weiss. Schon sein erstes Wort beweist 
dass er unendlich viel niedriger steht als die fürchterliche Kly- 
lämnestra: er ist ein gemeiner heimtückischer Bösewicht, der die 
. Rache für seine Brüder nur als Vorwand gebraucht, um in den Be- 
sitz von Agamemnons Macht zu gelangen. Der Chor behandelt ihn 
daher mit ingrimmigem Hohn als den Feigling, der wohl das Weib 
zu verführen, aber nicht den Mord zu vollbringen gewagt hat; er 
aber, nach seinen Vorbereitungen im sicheren Besitz der Tyrannis, 
antwortet mit strengen Drohungen. Endlich aber, da der Chor des 
Orestes erwälnt, verliert er in seiner Gewissensangst die ruhige 
Haltung. Er gebietet seinen Trabanten die Greise anzugreifen. 
Auch diese rüsten sich, und der Kampf zwischen beiden Parteien 
will eben entbrennen, da tritt Klytämnestra zwischen die streiten- 
den, und sie, die in ihrer Rache gesättigte, bittet mit wahrer Angst 
kein Blut zu vergiessen. Unter einigen weiter und weiter verhal- 
lenden Schlägen verteilt sich das Gewitter, das sich vor ihrem Ein- 
schreiten zusammengezogen hat, und das Drama gewinnt einen vor- 
läufigen Abschluss. — 


Zuletzt naht Aegisthos mit einer Schaar von Bewaffneten: er Aegisthos’ 


uftreten. 


AIEXTAOY 
ATAMEMNEN. 


AESCHYLOS 
AGAMEMNON. 





TA TOT APAMATO2 IIPOZERIIA. 


®TAAR. 

ΧΟΡΟΣ. 
ΚΛΥΤΑΙΜΝΗΣΤΡΑ. 
ΤΑΛΘΥΒΙΟΣ ΚΗΡΥΞ. 
ATAMEMNR®N. 
KAZANAPA. 
ΑἸΓΙΣΘΟΣ. 


ATAMEMNEN. 


De ey 


STAAR. 
(Θεοὺς μὲν αἰτῶ τῶνδ᾽ ἀπαλλαγὴν πόνων 
φρουρᾶς ἑτείας μῆκος. ἣν κοιμώμενος 
στέγης ᾿Δτρειδῶν ἄγκαϑεν, κυνὸς δίκην, 
ἄστρων. κάτοιδα νυκτέρων ὁμήγυριν, 
καὶ τοὺς φέροντας χεῖμα καὶ ϑέρος βροτοῖς. 5 
λαμπροὺς δυνάστας ἐμπρέποντας αἰϑέρι, 
ἀστέρας [ἀκμῆτας, οἵτε σημαίνουσ᾽ ἀεὶ 
μῆνάς 8᾽ ὅταν φϑίνωδιν ἀντολάς τ᾽ ἐτῶν. 


-“-Ό — .- 
1 


Καὶ νῦν φυλάσσω λαμπάδος τὸ σύμβολον, 

αὐγὴν πυρὸς φέρουσαν ἐκ Τροίας φάτιν 

ἁλώσιμόν τε βάξιν: ὧδε γὰρ κρατεῖ 10 
γυναικὸς ἀνδρόβουλον ἐλπίξον κέαρ. 

Ταύτην δὲ νυκτίπλαγκτον ἔνδροσόν τ᾽ ἔχω 

εὐνὴν. ὀνείροις οὐκ ἐπισκοπουμένην > 

ἐμοί: φόβος γὰρ ἀνθ᾽ ὕπνου παραστατεῖ, 

τὸ μὴ βεβαίως βλέφαρα συμβαλεῖν πόνον᾽ 15 
ὅταν δ᾽ ἀείδειν ἢ μινύρεσϑαι δοκῶ, | 


v. 2 ἐτείας" μῆκος δ᾽ ἦν Med. — v.3 codd. στέγαις, Schndw. bess. — 
v. 8 codd. ἀντολάς te τῶν. — v. 19 codd. sur ἂν δὲ. — v. 14 eodd. 
ἐμήν. — v. 15 codd. συμβαλεῖν ὕπνω. , 

Seite 49 v. 1—8 bilden den Eingang zu der in zwei correspondie- 





©. 


Personen des Dramas: 


Ein Wächter. 

Chor argivischer Greise. 
Kiytämnestra. 

Der Herold Talthybios. 
Agamemnon. 

Kassandra. 

Aegisthos. 


10 


15 


AGAMEMNON. 


Scene. Königspalast zu Argos, vor welchem mehrere Altäre sichtbar sind, nament- 
lich der des wegeleitenden Apollon an dem Haupitore. Auf einer turmartigen Warte des 
Palastes, aus der eine Treppe ins Innere führt, sieht man beim Sinken des Vorhangs 
einen Wächter liegen, . 


Wächter. 

Zum Himmel bet’ ich um Erlösung aus der Not 
Schon dieses lange Jahr der Wache, während ich 
Hoch auf des Atreus’ Dache lagre, gleich dem Hund, 
Dass mir vertraut ist diese nächt’ge Sternenschaar 
Und jene Frost und Sommerglut uns bringenden, 
Als lichte Fürsten hoch im Aether stralenden 
Gestirne, deren ew’gem Laufe stets gehorcht 
Der Monde Schwinden und der Jahre Neubeginn. 

(Er steht auf und späht nach der Seite der Fremde.) 
Auch jetzo wart’ ich emsig hier des Fackelscheins, 
Des Feuerstrales, der von Troja Kunde bringt 
Und Siegesmeldung: so regiert der Königin 
Mannbhafte Denkart, auch indem sie freudig hofft. 


Dies nachtzerpeitschte taubenetzte Lager ist 

Mein Bett, von Träumen nie besucht wie andere, 

Ach! denn daneben steht die Furcht anstatt des Schlafs, 
Dass mir Ermüdung nie die Wimper fest verschliesst. 
Und wenn ich einmal singen oder trällern will, 


rende Gruppen von 4, 8, 2 Versen zerfallenden Rede; die. letzten vier 
Verse bilden den Schluss. — v. 2. Ein Jahr lang hat er nächtlich ge- 
wacht, weil Kalchas erst für das zehnte Jahr des Krieges die Erobe- 
rung Trojas prophezeit hatte, 


AESCHYL. AGAMEMNON. 4 


50 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


ὕπνου τόδ᾽ ἀντίμολπον ἐκτέμνων ἄκος, 
κλάω τότ᾽ οἴκου τοῦδε συμφορὰν στένων 
οὐχ ὡς τὰ πρόσϑ᾽ ἄριστα δεσποτουμένου. 


Νῦν δ᾽ εὐτυχὴς γένοιτ᾽ ἀπαλλαγὴ πόνων 
εὐαγγέλου φανέντος ὀρφναίου πυρός. 


ἰοῦ, ἐοῦ. 

Ὦ, χαῖρε λαμπτὴρ νυκτὸς, ἡμερήσιον 
φάος πιφαύσκων καὶ χορῶν κατάστασιν 
πολλῶν ἐν "Ἄργει" τῆσδε συμφορᾶς χάριν 
[παιᾶν᾽ ἰακχεῖν δεῖ τάχιστ᾽ ἰὼ io.) 


᾿Δγαμέμνονος γυναικὶ σημαίνω τορῶς 
εὐνῆς ἐπαντείλασαν ὡς τάχος δόμοις 
ὀλολυγμὸν εὐφημοῦντα τῇδε λαμπάδι 
ἐπορϑιάξειν, εἴπερ Ἰλίου πόλις 

ἑάλωκεν, ὡς ὁ φρυκτὸς ἀγγέλλων πρέπει" 
αὐτός τ᾽ ἔγωγε φροίμιον χορεύσομαι. 

τὰ δεσποτῶν γὰρ εὖ πεσόντ᾽ αἰσϑήσομαι, 
τρὶς ἕξ βαλούσης τῆσδ᾽ ἐμοὶ φρυκτωρίας. 


Γένοιτο δ᾽ οὖν μολόντος εὐφιλῇ χέρα 
ἄνακτος οἴκων τῇδε βαστάσαι χερί. 


Τὰ δ᾽ ἄλλα σιγῶ" βοῦς ἐπὶ γλώσσῃ μέγας 
βέβηκεν. οἶκος δ᾽ αὐτὸς, εἰ φϑογγὴν λάβοι, 
σαφέστατ᾽ ἂν λέξειεν. ὡς ἑκὼν ἐγὼ 
μαϑοῦσιν αὐδῶν οὐ μαϑοῦσι λήϑομαι. 


v. 17 Ven. Flor. ἐκτέμνων, relig. ἐντέμνων. — v. 19 codd. δια- 
'πονουμένου, Dübner bess. — v. 22 codd. ἰοὺ lov nicht hier, sondern 
hinter v. 25, Hermann bess. — v. 24 Ven. Flor. Farn. νῦν φῶς. — v. 27 


Bess. Ven. Flor. Farn. σημανῶ. — v. 30 Med. Flor. ἀγγέλων. — v. 32 


20 


25 


30 


AESCHYLOS AGAMEMNON. δ] 


Zum Gegengifte für des Schlafs Bezauberung, 
Sieh, dann bewein’ ich seufzend dieses Hauses Loos, 
Denn nicht wie früher wird es trefflich jetzt regiert. 


20 Erschiene jetzt doch glückverkündend aus der Nacht 


Die Flamm’ und brächte mir Erlösung aus der Not! 
(Kurze Pause.) 


Triumph! Triumph! 

Willkommen, o Nachtleuchte, die du sonnigen 

Lichtschein verkündest und der Reigentänze Lust , 
25 Ringsum in Argos: diesem Glück zu Ehren soll 

Alsbald ein Festlied froh ertömen, o Triumph! 


Agamemnons Gattin künd’ ich lauten Rufes an, 
Vom Bette schleunigst diesem Hause zu erstehn 
Und fromme Jubelklänge jenem Fackellicht 
Hell anzustimmen, falls die Burg von Ilion 
30 Genommen ist, wie jene Flamme deutlich sagt; 
Ich selber werde bei dem Fest Vortänzer sein. 
Denn meine Herrschaft zog ja wohl ein schönes Loos, 
Da mir den Glückswurf diese Feuerwache tat. 


Erlebte denn doch meine Hand, dem lieben Herrn 


35 Die Hand zu schütteln, wenn er aus der Fremde kommt! 
(Er geht an die Treppe.) 


Vom andren stille! trag’ ich auf der Zunge doch 
Den Knebel. — Ja, die Wände selber, hätten sie 
Nur Stimme, sprächen deutlich. — Eingeweihten zwar 


Erzähl’ ich wohl: uneingeweihten — bin ich dumm. 
(Er verschwindet im Inneren des Turmes.) 
(Der Chor, aus zwölf argivischen Greisen bestehend, zieht von rechts her in die 
Orchestra ein und umwandelt dieselbe.) 


codd. πεσόντα ϑήσομαι. — v. 33 codd. τῆσδέ μοι. — v. 39 Bess, 
αὐδῶν οὐ, rell. αὐδῶ κού. 

v.36. Mit schlauer Miene deutet der Wächter geheimnissvoll auf 
das ehebrecherische Verhältniss zwischen der Königin und Aegisthos 
hin: dass er das schlimmste ahnt oder weiss, zeigt v. 19. 


4 Ἐ 


52 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


ΧΟΡΟΣ. 
σύστ. α΄. 
ΖΔέκατον μὲν ἔτος τόδ᾽ ἐπεὶ Πριάμῳ 
μέγας ἀντίδικος 
Μενέλαος ἄναξ ἠδ᾽ ᾿“γαμέμνων 
[σύνδικος ἀρχὸς μεγαλαλκής,] 
σύστ. β΄. 
Ado0vov Aiodev καὶ δισκήπτρου 
τιμῆς ὀχυρὸν ξεῦγος Argsidcıv, 
στόλον Agyeiov χιλιοναύτην" 
τῇσδ᾽ ἀπὸ χώρας 
NERV, στρατιῶτιν ἀρωγήν, 
σύστ. γ΄. 
Μέγαν ἐκ ϑυμοῦ κλάξοντες Ζρη 
τρόπον αἰγυπιῶν, 
οὔτ᾽ ἐκπατίοις ἄλγεσι παίδων 
ὕπατοι λεχέων στροφοδινοῦνται 
πτερύγων ἐρετμοῖσιν ἐρεσσόμενοι, 
δεμνιοτήρη 
πόνον ὀρταλίχων ὀλέσαντες" 
σύστ. δ΄. 
τις ᾿“πόλλων . 


„ 


Ὕπατος δ᾽ ἀΐων ἤ 
ἢ Πὰν n Ζεὺς 
οἰωνόϑροον γόον ὀξὺ βοᾷ, 
τῶν δὲ μετοίκων ὑστερόποινον 
πέμπει παραβᾶσιν Ἐρινύν. 


σύστ. ε΄. 
Οὕτω δ᾽ ᾿ἀτρέως παῖδας 6 κρείσσων 


v. 40 Med. Πριάμω. Ven. Flor. Πριάμου. --- v.44 codd. Ἀτρειδᾶν. 
Dind. bess. — v.45 codd. γχιλιοναύταν. — v.46 codd. ἀρωγάν. --- v. 48 
Flor. Farn. κλάγξαντες, vielleicht richtig. — v. 57 codd. ὀξυβόαν. 

Seite 53 v.40. Der Chor zieht in drei Reihen von je vier Mann ein. 
Während die Greise der ersten Reihe sprechen, wendet sich der Chor 
mehr nach dem Theatron, in entsprechender Bewegung während der 


40 


45 


50 


55 


60 


—_— um ————— im -- ——— 00 





40 


50 


55 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 53 


Erste Reihe des Chores. 
- Erster Greis. 
Zehn Jahre nun sind’s, seit wider den Feind 
Der beleidigte Fürst 
Menelaos, der Held, und der Bruder mit ihm, 
Der in Kraft hochmögende Helfer, 
Zweiter Greis,. 
Dies feste Gespann der Atriden, von Zeus 
Mit doppeltem Scepter begnadet und Tron, 
Der argivischen Masten gedrängeten Wald 
Vom heimischen Strand 
Wegführten, den rächenden Heerbann. 
Dritter Greis. 
Ihr Zornschrei gellte des Kriegsgotts Hall, 
Wie der Geier Gekreisch, 
Die in Felseinöden, der Jungen beraubt, 
Aus schwindelnder Höh’ umkreisen den Horst — 
Mit dem Ruder der Fittige rudern sie hin. 
Was hilft’s nun, ach! 
Dass die Brut sie so treulich gehütet ὃ 
Vierter Greis. 
Doch droben vernimmt, ob Apollon es ist, 
Ob Pan, ob Zeus, 

Den verklagenden Schrei — und es gellet und schallt! 
Und die Schützlinge rächend, ereilet der Gott 
Mit der Strafe den räubrischen Frevler. 

Zweite Reihe des Chors. 
Fünfter Greis,. 
So schickt die Atriden der stärkere Zeus, 


Marschrhythmen der dritten Reihe nach der Bühne hin, in der mitt- 
leren Partie umwandelt er den Altar. — νυ, 55. Aus der Vorstellungswelt 
eines arkadischen Hirtenvolkes: die jungen Geier stehen unter dem 
Schutze der Berggötter Zeus Pan und Apollon; wer die Geiernester 
frevlerisch berührt, dem kommt zur Strafe ein panischer Schrecken, 


der ihn ausgleiten und in der Tiefe zerschmettert werden lässt. 


54 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


ἐπ᾽ ᾿4λεξάνδρῳ πέμπει ξένιος 
Ζεὺς πολυάνορος ἀμφὶ γυναικὸς 
πολλὰ παλαίσματα καὶ γυιοβαρή 
γόνατος κονέαισιν ἐρειπομένου 
διακναιομένης τ᾽ ἐν προτελείοις 
κάμακος ϑήσων Δαναοῖσιν 


σύστ. ς΄. 
Τρωσί 9 ὁμοίως. ἔστι δ᾽ ὅπη νῦν 
ἔστι" τελεῖται δ᾽ ἐς τὸ πεπρωμένον. 
οὔθ᾽ ὑποκάων οὔϑ᾽ ὑπολείβων 
[Πάρις] Ἡραίων ἀπύρων ἱερῶν 
ὀργὰς ἀτενεῖς παραϑέλξει. 


ἄντισ. ς΄. 
Ἡμεῖς δ᾽ ἀτίται σαρκὶ παλαιᾷ 
τῆς τότ᾽ ἀρωγῆς ὑπολειφϑέντες 
μέμνομεν [ἐλθεῖν νῦν ἀγγελίαν 
τῶν μαρναμένων, αὐτοὶ] σκήπτροις 
ἰσχὺν ἰσόπαιδα νέμοντες. 


ἄντισ. ε΄. 
Ὃ τε γὰρ νεαρὸς μυελὸς ἐρνῶν 
ἐντὸς ἀνάσσων [τῶν ἀρτικόμων] 
ἰσόπρεσβυς. "Aons δ᾽ οὐκ ἔνι χλωρῷ, 
τί 9 ὑπέργηρως; φυλλάδος ἤδη 
κατακαρφομένης τρίποδας μὲν ὁδοὺς 
στείχει, παιδὸς δ᾽ οὐδὲν ἀρείων 
ὄναρ ἡμερόφαντον ἀλαίνει. 





v. 64 die meisten codd. ἐρειδομένου. Flor. Farn. geben das rich- 
tige. — v. 69 codd. οὔϑ᾽ ὑποκλαέων 099 ὑπολείβων οὔτε δακρύων 
ἀπύρων ἱερῶν. Casaub. verm. ὑποκαίων. — Nach v. 73 codd. μέμνομεν 


ἰσχὺν ἰσόπαιδα νέμοντες ἐπὶ σκήπτροις. — v. 76 codd. στέρνων. --- 


v. 77 codd. ἀνάσσων. Herm. 0988, — v. 78 codd. ἔνι χώρᾳ. Weil bess. — 
v. 79 Med. τέϑιπεργήρως. Flor. τόϑιπερ γήρως. Prien bes». 
Seite 55 v. 70 d.h. den Grimm der durch seine Ehe mit Helena be- 


70 


75 





65 


70 


75 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 


Gastfreundschaftshort, auf Paris daher: 

Sein Ratschluss wird um ein buhlerisch Weib 

Vielfältigen gliederermattenden Kampf, 

Wo gelähmet das Knie in den Staub hinsinkt 

Und die Lanze verschleisst in des Kampfs Vorspiel, 
Zuteilen dem Danaervolke — 


Sechster Greis. 


Und den Troern zugleich! Nun steht’s, wie es steht, 
Doch erfüllet es sich nach Schicksalsschluss : 
Durch späteres Opfern und Spenden beschwört 
Nie Paris den Grimm, der starr sich erwies 
In der Hochzeitopfer Verwerfung. 


Siebenter Greis, 


Wir aber, in unsrem ergraueten Haar- 
Heerbannsunfähig, wir blieben zurück 
Und harren daheim auf Botschaft jetzt 
Vom Schlachtfeld her, am stützenden Stab 
Hinlenkend die kindische Schwäche. 


Achter Greis. 


Denn jugendlich Mark, im schwellenden Trieb 

Mit dem sprossenden Laub aufschiessend, es ist 

Greisähnlich: es fehlt noch männliche Kraft. 

Und der überbejahrte? — sobald sein Laub 

Hinwelket, so schleicht dreifüssigen Gangs 

Er am Stabe dahin, und schwach wie ein Kind 
Hinwankt er, ein lebendes Traumbild. 


leidigten Hera. — v. 82. Als Aeschylos, der alte Marathonkämpfer, die 
Orestee dichtete, war er 66 Jahre alt, nicht mehr zu physischem Kam- 
pfe fähig, aber doch zum herrlichsten Kunstwettstreite (vgl. v. 105). — 
Während v. 76 -82 ist Klytämnestra mit Gefolge aus dem Palaste ge- 
treten: die Altäre vor demselben flammen und die Königin bedient sie 
andächtig mit Opferfladen und Specereien aus den von ihrem Gefolge 


getragenen Schalen. 


56 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


avrıo. β΄. 
Σὺ δὲ, Τυνδαρέα ϑύγατερ, [κοινὸν 
πρέσβος] βασίλεια Κλυταιμνήστρα, 
τί χρέος; τί νέον τόδ᾽ ἐπαισϑομένη, 
τένος ἀγγελίας 
πευϑοῖ περίπεμπτα ϑυοσκνεῖς; 

ἀντισ. α΄. 
Πάντων δὲ ϑεῶν τῶν ἀστυνόμων, 
ὑπάτων, χϑονίων, 
τῶν τε ϑυραίων τῶν τ᾽ ἀγοραίων, 
βωμοὶ δώροισι φλέγονται" 

‚dvrio. δ΄. 
'λλη δ᾽ ἄλλοϑεν οὐρανομήκης 
λαμπὰς ἀνίσχει, 
φαρμαδσδομένη χρέματος ἁγνοῦ 
μαλακαῖς ἀδόλοισι παρηγορέαις 
πελάνῳ μυχόϑεν βασιλείῳ. 

ἄντισ. γ΄. 
Τούτων λέξασ᾽ ὃ τι καὶ δυνατὸν 
καὶ ϑέμις αἰνεῖν, 
παιὼν γίγνου τῆσδε μερίμνης, 
n νῦν τοτὲ μὲν κακόφρων τελέϑει, 
τοτὲ δ᾽ ἐκ ϑυσιῶν ἀγλαοφεγγὴς 
ἐλπὶς ἀμύνει 
ϑυμοβόραν φροντίδ᾽ ἄπληστον. 

στο. : 

Κύριός εἰμι ϑροεῖν ὅδιον κράτος αἴσιον ἀνδρῶν 





v. 88 codd. Τυνδάρεω. Dind. bess. — v.85 codd. νέον; τί δ᾽. Karsten 
bess. — v. 87 Flor. πυϑοῖ, rell. πειϑοῖ. Scaliger bess. — codd. Pvo- 
σκινεῖς. Ahrens bess. — v. 90 codd. τῶν τ᾽ οὐρανέων. Enger bess. — 
v. 98 Flor. Farn. ϑέμιες εἰπεῖν. — v. 99 codd. παιῶών τε γενοῦ. — v. 101 
Med. dyava φαίνεις. Flor. Farn. ἀγανὰ φαένουσ᾽. Dann codd. ἐλπὶς ἀμύ- 
νει φροντίδ᾽ ἄπληστον τὴν ϑυμοφϑόρον (Flor. ϑυμοβόρον) λύπης φρένα. 


95 


100 


᾿ 
-ι απ ς κῶς μοὶ ,υδδιρψρολαιο. “δ 








nn .... 


Ψ΄- 


95 


100 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 57 


Dritte Reihe des Chores. 
Neunter Greis. 
Doch, Königin du, ehrwürdiges Haupt, 
Klytämnestra, du Tochter von Tyndaros’ Stamm, 
Was giebt’s? was erfuhrest du neues nach uns? 
Auf wessen Bericht 
Weihräucherst du hier in der Runde? 
Zehnter Greis. 
Denn sämmtlichen Stadtgottheiten zumal, 
In der Erden, im Licht, | 
Wie den Wächtern des Tors, so den Schützern des Markts, 
Flammt hell für Opfer der Altar. 
Elfter Greis. 
In die Wolken hinein schiesst hier, schiesst dort 
Aufflackernde Glut, 
Weich flammend und mild von des heiligen Oels 
Wohltätigem Schmeicheln und sanfter Gewalt, 
Zu empfahen die köstlichen Myrrhen. 
Zwölfter Greis. 
Des sage soviel wie gewähren du kannst 
Nach frommem Gebrauch, | 
Und heile mir dies zwiespältige Herz, 
Das nun bald Trübes und Düsteres ahnt, 
Bald leuchtet im Opfer ein Hoffnungsstral 
Glanzfunkelnd und wehrt 
Unersättlichem Nagen der Sorge. 
Führer der ersten Chorreihe. 
Preisend verkünd’ ich die zeichengesegnete kriegrische Leitung 


v. 103. Die Königin bedeutet dem Chor durch ernst abwehrende 
Zeichen dass sie in ihrer Andacht nicht gestört werden dürfe, und 
geht die Altäre bedienend langsam nach rechts hin ab, um in der Stadt 
die Opfer fortzusetzen. Die drei Reihen des Chors stellen sich nun 
symmetrisch gegen die Bühne gekehrt auf und stimmen andächtig den 
Opfergesang an. 


58 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


ἐκτελέων᾽ ἔτι γὰρ ϑεόϑεν καταπνεύει πειϑὼ 
μολπᾶν ἀλκὰν σύμφυτος αἰών" 
ὕπως ’Ayaıav δίϑρονον κράτος, Ελλάδος ἀκμὰν 
ξύμφρονα ταγοῖν, 
πέμπει σὺν δορὶ καὶ χερὶ πράκτορι ϑούριος ὄρνις 
Τευκρίδ᾽ ἐπ᾽ αἶαν, [zıv ἀργᾷς, 
οἰωνῶν βασιλεῖς βασιλεῦσι νεῶν, ὁ κελαινὸς, ὅ τ᾽ ἐξό- 
φανέντες ἴκταρ μελάϑρων χερὸς ἐκ δοριπάλτου 
παμπρέπτοις ἐν ἔδραισιν, 
βοσκόμενοι λαγίναν. ἐρικύμονα φέρματι γέντα, 
βλαβέντα λοισϑίων πόνων. 
alkıvov, αἴλινον εἰπὲ, τὸ δ᾽ εὖ νικάτω. 

ZTTOZ A, 
[eiAıvov, αἵλινον αὖτε, τὸ δ᾽ εὖ νικάτω. 

Kvriore. 
Κεδνὸς δὲ στρατόμαντις ἰδὼν ὑποβλέμμασι δισσοὺς 
‚Arosidag μαχίμους ἐδάη λαγοδαίτας πομποὺς 
σπερχνούς᾽ οὕτω δ᾽ εἶπε τεράξων᾽ 
ηχρόνῳ μὲν ἀγρεῖ Πριάμου πόλιν ἅδε κέλευϑος, 
πάντα δὲ πύργων 
πρόσϑεν κτήνεα δημιοπληϑέα Μοῖρ᾽ ἀλαπάξει 
πρὸς τὸ βίαιον" [Τροίας 
οἷον μή τις ἄγα ϑεόϑεν κνεφάσῃ πρότυπον στόμιον μέγα 
σαρωϑέν. ὀγκοῖ γὰρ ἐπέφϑονος, "ἄρτεμις ἁγνά, 
πτανοῖσιν κυσὶ πατρὸς 
αὐτότοκον πρὸ λόχου μογερὰν πτάκα ϑυομένοισιν᾽ 


ν. 106. codd. μολπὰν. — v. 107 und 108 codd. Ἡ λλάδος βαν ξύμ- 
φρονα ταγάν (Med. τὰν γᾶν). — v. 110 codd. σὺν δορὶ δέκας πράκτορι. 
Das richtige giebt Arist. Ran. 1821. — v. 112 codd. οἰωνῶν βασιλεὺς. 
Karsten bess, — v. 115 Med. ἐρικύματα φέρματι γένναν. Flor. ἐρικύ- 
μονα φέρβοντο γένναν. — v. 116 codd. λοισϑέων δρόμων. — v. 118 
codd. ἐδὼν δύο Anuacı (Flor. λήμμασι) δισσούς. — v. 120 für σπερ- 
qvovg Med. τ᾽ ἀρχάς. Flor. τ᾽ ἀρχούς. — v. 124 codd. κτήνη προσϑετὰ 
δημιοπληϑῆ. — v. 126 codd. ἄτα. Herm. bess. — Ferner zgorv- 
rev. Ahrens bess. — v. 127 codd. στρατωϑὲν" οἴκῳ. 


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AESCHYLOS AGAMEMNON. 59 


Rüstigen Volks (mit der Macht des Gesanges, dem W ohllautssäu- 
Schmückt noch Gottheitsgnade den Greis auch), [seln, 
Wie unsrem zwietronigen Haupt, der geeinigten Tatkraft 
Griechischer Feldherrn, 
Fort zum Zuge der Rache gen Troja das sausende Wunder 
Einst das Geleit gab — [andere lichthell; 
Ja, Heerkönigen Fürsten der Lüfte, der vordere dunkel, der 
Der Königsburg sassen sie nah an der glücklichen Seite, 
Ringsum weit zu erschauen, 
Zehrend am Hasengeweide, dem trächtig geschwellten Gekröse, 
Das um die letzten Wehn gebracht. 
Jammer, o Jammer erschalle! doch Heil sei siegreich! 
Erste Chorreihe. 

Jammer, o Jammer von neuem! doch Heil sei siegreich. 

Führer der zweiten Chorreihe. 
Aber bedenklich gewahrt’ es der sorgliche Seher: die Kampflust 
Beider Atriden erschien in geleitender Wildbrutfänger 
Frassgier. Also sprach er die Deutung: 
„Im Lauf der Zeit stürmet des Priamos Veste die Heerfahrt; 
Sämtliche Heerden 
Rings um Troja, das Gut der Gemeinde, zerstiebet der Schiekung 
Jäher Hereinbruch. [der Troer erblinde 
Nur dass nicht die im Wunder bedeutete schimmernde Fessel 
Von Götterzorn! — Artemis, reine, du siehest mit Abscheu 
Jene geflügelten Leuen, [fleischen: 
Welche das schüchterne Wild mit der Brut vorm Wurfe zer- 


he en mn nn ng -͵.-".ς͵ς-ς. 


v. 105. Vgl. zu v. 82. — v. 107. Bei der Abfahrt von Argos er- 
schienen den beiden Atriden zwei Adler, welche eine träehtige Häsin 
zerfleischten. Das Vorzeichen war günstig, insofern die Adler Sieg 
verkündeten, aber bedenklich, insofern sie durch ihren Frrass auf einen 
grauenhaften Sieg hindeuteten. — v. 119 d. h. der Seher erkannte dass 
der scheussliche Frass der königlichen Adler ein Symbol für die Atri- 
den sei: in die Vergangenheit zurückdeutend auf des Thyestes Mahl, 
in die Zukunft vorwärts auf die in Troja später stattfindenden Gräuel 
der Verwüstung. — v.126 „die schimmernde Fessel der Troer‘‘ sind 
die Atriden, 


60 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


στυγεῖς δὲ δεῖπνον ἀετῶν." 
αἵλινον αἵλινον εἰπὲ, τὸ δ᾽ εὖ νικάτω. 
| ZITOEB. 

[eiAıvov, αἴλινον αὖτε, τὸ δ᾽ εὖ νικάτω. 
ἐπῳδός. 

‚„ Τόσον περ εὔφρον, ὦ καλά, 

δρόσοις ἀδέρκτοις μαλερῶν λειόντων, 

πάντων τ᾽ ἀγρονόμων φιλομάστοις 

ϑηρῶν ὀβρικάλοισιν, 

τερπνά γ᾽ ἀητῶν ξύμβολα κρᾶναι 

δεξιὰ μὲν, κατάμομφα δὲ φάσματι νοσσῶν. 

intov δ᾽ ἐκκαλέω Παιᾶνα, 

μή τινας ἀντιπνόους Aavaois χρονίας ἐχενῇδας 

τεύξῃς, δπευδομένα ϑυσίαν ἑτέραν ἄνομόν τιν᾽ 

u ἄδαιτον 

νεικέων τέχτονα σύμφυτον οὐ δεισήνορα [δαῖσαι.Ἶ 

μίμνει γὰρ φοβερὰ παλένορτος 

οἰκονόμος δολία μνάμων μῆνις τεκνόποινος.““ 

τοιάδε Κάλχας ξὺν μεγάλοις ἀγαϑοῖς ἀπέκλαγξεν 

μόρσιμ᾽ ἀπ᾽ ὀρνέϑων ὁδίων οἴκοις βασιλείοις. 

τοῖς δ᾽ ὁμόφωνον 

αἴλινον αἵλινον εἰπὲ, τὸ δ᾽ εὖ νικάτω. 

ZTTOZT. 
[αἵλινον αἵλινον αὖτε, τὸ δ᾽ εὖ νικάτω. 


στρ. α΄. 


Ζεὺς, ὅστις ποτ᾽ ἐστὶν. εἰ τόδ᾽ αὐ- 
τῷ φίλον κεκλημένῳ. 


v. 180 codd. στυγεῖ. --- v.132 Med. τόσσων. Codd. εὔφρων καλὰ, 


Flor. & καλὰ. Weil bess. — ν. 138 codd. δρόσοισιν ἀέλπτοις (Flor. ἐέ- 
zog) μαλερῶν ὄντων. Ahrens λειόντων. — v. 136 codd. τερπνὰ τούτων 
αἰτεῖ ξύμβολα κρᾶναι. — v. 137 codd. φάσματα στρουϑῶν (Flor. τῶν 


στρουϑώῶν). --- v. 138 codd. δὲ καλέω. — ν. 1389 nach ἐχενηΐδας codd. 
noch ἀπλοΐας. — ν. 140 codd. τεύξῃ. Weil bess. — v. 142 γὰρ fehlt 
im Flor. 


130 


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Δ u τ -- 


130 


135 


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145 


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AESCHYLOS AGAMEMNON. 61 


Dir grauet vor der Adler Frass‘“*. 
Jammer, o Jammer erschalle! doch Heil sei siegreich! 
Zweite Chorreihe. 
Jammer, o Jammer von neuem! doch Heil sei siegreich! 
Führer der dritten Chorreihe. 
„Ob so du auch, o Holde, liebst 
Die blinde Brut grimmiger Leu’n und jedes 
Felddurchschweifenden ängstlichen Wildes 
Eutergeletzete Kälblein, 
Segnend erfülle die Adlerverkündung, 
Deren Verheissung gestört das Erscheinen der Wildbrut. 
Den Gott des Heils fleh’.ich um gnädigen Beistand: 
Schaffe den Danaern keine von Stürmen bereitete, lange 
Schiffsrast, eifrig bemüht dass ein anderes grausiges scheussliches 
Opfer | 
Mäste den erblichen Streitanstifter zum Manneserwürger. 
Lauert doch, schaurig von neuem erstanden, 
Tückisch im Hause der Groll, Blutrache dem Mörder gelobend“. — 
Solches Verhängniss, im Wunder der leitenden Vögel geweissagt, 
Kündete Kalchas zugleich mit dem herrlichen Segen den Fürsten. 
Diesem in Einklang | 
Jammer, o Jammer erschalle! doch Heil sei siegreich! 
Dritte Chorreihe. 
Jammer, o Jammer von neuem! doch Heil sei siegreich! 
Wechselgesang des Chors. 
Erster Halbchor. 
Zeus, Zeus — wer er immer möge sein: 
ist er dieses Namens froh, 


v. 140 Iphigenias Opferung in Aulis: das erste grausige Opfer wa- 
ren die Kinder des Thyestes gewesen. Der erbliche Streitanstifter ist 
der Alastor des Geschlechtes. — v. 142 der „im Hause lauernde Groll“ 
lebt im Haushüter Aegisthos, der an Agamemnon den Frevel des Atreus 
rächen wird. — v. 149 zum Wechselgesange kehrt sich der Chor 
dem Theatron zu und gruppiert sich um den Altar in zwei Halb- 
chöre, 


62 - +  ‚AESCHYLOS AGAMEMNON. 


τοῦτό νιν προσεννέπω. 
οὐκ ἔχω προσεικάσαι πάντ᾽ ἐπισταϑμώμενος" 
πλὴν Ζιὸς ἄλλο μάταν ὅτε φροντίδος ἄχϑος 
χρὴ βαλεῖν ἐτητύμως. 
ἀντ. α΄. 
Οὐδ᾽ ὅστις πάροιϑεν ἦν μέγας, 
παμμάχῳ ϑοάσει βρύων, 
οὐδὲν ἀσχαλᾷ πίτνων. 
ὃς δ᾽ ἔπειτ᾽ ἔφυ, τριαχτῆρος οἴχεται τυχών. 
Ζῆνα δέ τις προφρόνως ἐπινίκια κλάξων 
τεύξεται φρενῶν τὸ πᾶν' 
στο. β΄. 
Τὸν φρονεῖν βροτοὺς ὁδώ- 
σαντα, τὸν πάϑει μάϑος 
ϑέντα κυρίως ἔχειν. 
ἀντάδει δ᾽ ὕπνῳ πρὸ καρδίας 
μνησιπήμων πόνος" καὶ παρ᾽ ἄ- 
κοντας ἦλϑε σωφρονεῖν. 
δαιμόνων δ᾽ ἐπούρισεν βιαίως 
σέλμα σεμνὸν ἡμένων. 
ἄντ. β΄. 
Kal τόϑ᾽ ἡγεμὼν 6 πρέσ- 
βυς νεών [χαμαὶ βλέπεν,] 
μάντιν οὔτινα ψέγων, 
ἐμπαίοις τύχαισι συμπνέων, 
εὖτ᾽’ ἀπλοίᾳ κεναγγεῖ βαρύ- 
vovr’ ᾿Αχαιϊκὸς λεώς. 
Χαλκέδος πέραν ἔχων παλιρρό- 
χϑοις ἐν Αὐλίδος τόποις. 


---.-.---... 


ν. 164 codd. πλὴν Διὸς, εἰ τόδε μάταν ἀπὸ φροντέδος ἄχϑος. — 


v. 159 codd. οὐδὲν λέξαι πρὶν ὦν. — v. 164 codd. τῷ πάϑει. Schütz 
bess. — v. 166 codd. στάξει δ᾽ ἔν 9°’ ὕπνῳ. --- v.169 codd. δαιμόνων 
δέ που χάρις βιαίως. --- v. 171 codd. νεῶν Ayaıinov. — v. 176 codd. 
παλιρρύϑοις. Ahrens bess, | 

Seite 63 v. 156 gemeint sind die Titanen, welche nach Aeschylos’ 


155 


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AESCHYLOS AGAMEMNON. 63 


Ruf ich im Gebete so. 
Kein Vergleichen giebt es hier, wäg’ ich alles auch genau: 
Eitel ist andres denn Er, so die lastende Sorge 
Wirklich hin du werfen sollst. 
Zweiter Halbchor. 
Ja, selbst jene, die zuvor so gross 
trotzten kampfbereit dem All, 
Zürnen nicht um ihren Fall. 
Der darauf erwuchs, er fand seinen Meister, ist dahin. 
Aber den Zeus im Gesang’ zu verherrlichen willig, 
Wirst du weisen Sinn empfahn. 
Erster Halbchor. 
Ihn, der uns zur Sinnigkeit 
leitet, ihn, der fest den Satz 
Stellet „Lehre durch das Leid“. 
Schlafabwehrend hält am Herzen Wacht 
Herber Not Sinnesqual: trotz’ger Mut 
lernet so Bescheidenheit. 
Ja, der Götter Ruder lenkt in Obmacht, 
denn sie tronen oben hehr. 
Zweiter Halbchor. 
Also sah der ältre Fürst 
unsrer Flotte vor sich hin, 
Keinen Seher fuhr er an; 
Nein! hielt jenen Götterschlägen still, 
Als der Fahrthemmung Kostmangel schwer 
lastet’ auf Achaja’s Volk, 
Das genüber Chalkis dort in Aulis’ 
stetem Flutenwechsel lag. 


und Pindars Darstellung nach ihrer Besiegung in den Tartaros gesperrt 
wurden, dann aber, als die neue sittliche Ordnung der Dinge fest- 
begründet war, sich mit Zeus versöhnten und unter Kronos auf den 
Inseln der Seligen ihren Aufenthalt angewiesen bekamen. Dagegen 
Typhon, der v. 160 berührt wird, musste dauernd gebändigt werden: 
er liegt hingestreckt unter dem Aetna. 


64 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


cToe. γ. 
Πνοαὶ δ᾽ ἀπὸ Στρυμόνος μολοῦδαι 
κακόσχολοι. νήστιδες. δύσορμοι, 
ῥοῶν σάλᾳ νεῶν τε καὶ 
πεισμάτων ἀφειδεῖς, 
παλιμμήκη πόρον τιϑεῖσαι 
τρίβῳ κατέξαινον ἄνϑος Ἄργους. 
ἐπεὶ δὲ καὶ πικροῦ 
χείματος ἄλλο μῆχαρ 
βριϑύτερον πρόμοισιν 
μάντις ἔκλαγξεν προφέρων 
"Ἄρτεμιν, ὥστε χϑόνα βάκ- 
τροις ἐπικρούσαντας ᾿Ατρεί- 
δας δάκρυ μὴ κατασχεῖν" 
ἶντ. γ΄. 
"᾿Αναξ δ᾽ 6 πρέσβυς τόδ᾽ εἶπε φωνῶν" 
»»βαρεῖα μὲν κὴρ τὸ μὴ πιϑέσϑαι, 
βαρεῖα δ᾽, εἰ τέκνον δαΐ- 
ξω, δόμων ἄγαλμα, 
μιαίνων παρϑενοσφάγοισιν 
ῥοαῖς πατρῴους χέρας πρὸ βωμοῦ. 
τί τῶνδ᾽ ἄνευ κακῶν; 
πῶς; λιπόναυς νέωμαι 
ξυμμαχίας ἁμαρτών; 
παυδσανέμου γὰρ ϑυσίας 
παρϑενέου 9° αἵματος ὀρ-- 
γᾷ" περιόργως δέ γ᾽ ἀπαυ-- ' 
δᾷ Θέμις. εὖ γὰρ εἴη.“ 
στο. δ΄. 
Ἐπεὶ δ᾽ ἀνάγκας ἔδυ λέπαδνον 


v. 181 codd. βροτῶν ἄλαι ναῶν καὶ. Porson νεῶν te καὶ. — ν. 188 
codd. χρόνον τιϑεῖσαι. --- v. 184 codd. Ἀργείων. Herm. bess, — v. 197 
codd. ῥεέϑροις πατρῴους χέρας βωμοῦ πέλας. Schömann bess, — 
v. 199 codd. τέ πῶς λιπόναυς τε γένωμαι. — v. 204 codd. περιόργως 
ἐπιϑυμεῖν ϑέμις. 

Seite 65 ν. 179 --- 188, Der Euripus ist ein sehr schlimmes Fahr- 


180 


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190 


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200 


205 


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195 


200 


205 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 


Erster Halbchor. 
Vom Strymon her bliesen schlimme Stürme, 
Verzögernd, aushungernd, landverwehrend, 
Auf Schaukelfluten Kiel und Mast- 
taue wild zerschlagend, 
Des Vorteils Spanne stets vereitelnd: 
So morschte träg hin des Landes Kleinod. 
Doch als des schlimmen Sturms 
Schwerere Sühn’ und Abwehr 
Nannte der Seher unsren 
Obersten Herrn, Artemis’ Groll 
kündend, dass zornvoll mit dem Reichs- 
scepter sie aufstampften und nicht 
länger die Tränen hemmten: 
| Zweiter Halbchor. 
Da sprach der Heerfürst, der ältre, klangvoll: 
„Ein schweres Loos, wahrlich, nicht zu folgen! 
Ein schweres auch, die Tochter hin- 
schlachten, unser Kleinod, 
Mit Jungfraunblute frech besudelnd 
Die Vaterhand vor der Götter Antlitz. 
Auf beiden Seiten Fluch! — 
Lass’ ich die Flotte heimlich, 
Meines Gefolgs verlustig? 
Heischen sie doch Opfer den Sturm- 
winden, das jungfräuliche Blut, 
dringenden Rufs: dringender wehrt’s 


Themis. Ο Gott, behüt’ uns!“ 
Erster Halbchor. 
Doch als dem Zwangsjoch er sich bequemte — 


65 


wasser: drei- bis achtmal binnen 24 Stunden setzt die Strömung um, 
sodass ein beständiger Kampf zwischen Flut und Wind stattfindet. 
Waren die Schiffe also mit der Strömung einmal ein wenig nordwärts 
vorgerückt, so trieb sie der Nordwind im Bund mit der umsetzenden 
Flut sogleich wieder zurück und ‚vereitelte des Vorteils Spanne‘. — 


v. 186 Iphigenias Opferung. — v. 192 Agamemnon., 


AESCHYL. AGAMEMNON. 


66 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 


φρενὸς πνέων δυσσεβὴ τροπαίαν 
ἄναγνον. ἀνίερον, τόϑεν 
τὸ παντότολμον φρονεῖν μετέγνω. 
βοοτοὺς ϑρασύνει γὰρ αἰσχρόμητις 
τάλαινα παρακοπὰ 
πρωτοπήμων. ἔτλα δ᾽ οὖν 
ϑυτὴρ γενέσϑαι ϑυγατρὸς., γυναικοποί- 
νῶν πολέμων ἀρωγὰν 

καὶ προτέλεια ναῶν. 

ἀντ. δ΄. 
Διτὰς δὲ καὶ κληδόνας πατρῴους 
παρ᾽ οὐδὲν αἰῶ τε παρϑένειον 
ἔϑεντο φιλόμαχοι βραβῆς. 
φράσεν δ᾽ ἀόξοις πατὴρ μετ᾽ εὐχὰν 
δίκαν χιμαίρας ὕπερϑε βωμοῦ 
πέπλοισι περιπετῆ 
παντὶ ϑυμῷ προνωπῆ 
λαβεῖν ἀέρδην, στόματός τὲ καλλιπρῴ- 

ρου φύλακας κατασχεῖν 

φϑόγγον ἀραῖον οἴκοις" 

στο. ε΄. 
Bio χαλινῶν τ᾽ ἀναύδῳ μένει. 
κρόκον βαφᾶς δ᾽ ἐς πέδον ῥεούδας 


ἔβαλλ᾽ ἕκαστον ϑυτήρων ἀπ᾽ ὄμματος βέλει 
φιλοίκτῳ, πρέπουσά ϑ'᾽ ὡς ἐν γραφαῖς, προσεννέπειν 


ϑέλουσ᾽, ἐπεὶ πολλάκις 
πατρὸς κατ᾽ ἀνδρῶνας εὐτραπέζους 


ἔμελψεν. ἁγνᾷ δ᾽ ἀταύρωτος αὐδὰ πατρὸς 


φίλου τριτόσπονδον εὔ- 
ποτμον παιᾶνα φίλως ἐτίμα. 





v. 209 codd. βροτοῖς. Schütz bess. — v. 215 codd. αἰῶνα. Ο. Müller 
bess. — v. 221 codd. φυλακὰν κατασχεῖν. — v. 224 codd. βαφὰς δ᾽ ἐς 
πέδον χέουσα, — v. 231 codd. εὔποτμον αἰῶνα. Hartung bess. 


Seite 67 v. 228—231. Ipbigenia, welche der grausame Vater jetzt 


210 


215 


220 


225 


230 


en nn nn nn _ 


210 


215 


220 


225 


230 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 67 


Des Herzens Sturm braust’ in schnöder Wandlung 
Verrucht, verflucht — ja, da gewann 
Er neuen Mut, frech zu jedem Wagniss. — 
Mit argen Ratschlägen macht der Irrwahn 
Der ersten Schuld den Mann 
Dreister stets, — Nicht erbebt’ er 
Des eignen Kinds Opfrer zu sein, dem Rachezug 

(ha! für ein Weib!) zur Fördrung, - 
Schiffen zur Hafterlösung. 

Zweiter Halbchor. 

Ihr Flehen nicht, nicht der Vateranruf 
Noch auch der Maid holde Blüte rührte 
Der Fürsten kampfbegier’gen Mut. 
Ein Dankgebet — dann befahl den Knechten 
Der Vater, hoch ob dem Herd dem Lamm gleich 
Sie vom Gewand umstrickt 
Vorgebeugt aufzuheben 
Mit aller Kraft, aber den wundersüssen Mund 

hütend den Laut zu hemmen, 
Welcher das Haus verfluche. 

Erster Halbchor. 

Mit rohem Zwang, stummer Mundknebelung! — 
Doch als herab floss der Strom von Purpur, 
Da traf ein Pfeil ihres Blicks jeden aus der Schlächterschaar 
Mit Inbrunst: ein stummes Bild, dem das Wort im Auge lebt, 
So stand sie da! — Hatte doch 
Sie oft im gastreichen Saal des Vaters 
Gesungen, jungfräulich rein frommen Lauts Dankgebet, 
Des froben Mahls Segensschluss 

mit Andacht feiernd dem lieben Vater! 


knebeln lässt, damit sie nicht das Haus verfluche, hatte ehedem bei 
den festlichen Mahlzeiten des Königs, wenn die dritte Spende dem Ret- 
ter Zeus dargebracht war, den Päan gesungen: ein ergreifender Con- 
trast zwischen der frommen kindlichen Liebe und der Gefühllosigkeit 
des Vaters, 


H%* 


68 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


ἄντ. ε΄. 
Ta δ᾽ ἔνϑεν οὔτ᾽ εἶδον οὔτ᾽ ἐννέπω" 

’ \ 4 3 Bi 
τέχναι δὲ Κάλχαντος οὐκ ἄκραντοι. 

Δίκα δὲ τοῖς μὲν παϑοῦσιν μαϑεῖν ἐπιρρέπει᾽ 

\ [4 2 3 x [4 93 a [4 \ [4 
τὸ μέλλον δ᾽ ἐπεὶ γένοιτ ἂν κλύοις" πρὸ χαιρέτω" 
ἴσον δὲ τῷ προστένειν. 
τορὸν γὰρ ἥξει μάταις σύνωρον. 

, 9 3 ER \ ’ 7, - ec 
πέλοιτο δ᾽ οὖν τἀπὶ τούτοισιν EV πρᾶξις, ὡς 
ϑέλει τόδ᾽ ἄγχιστον ᾽2- 

πίας γαίας μονόφρουρον ἕρκος. 


Ἥκω σεβίξων σὸν, Κλυταιμνήστρα, κράτος" 
δίκη γάρ ἐστι φωτὸς ἀρχηγοῦ τίξιν 
᾿ψυναῖκ᾽ ἐρημωϑέντος ἄρσενος ϑρόνου. 
Σὺ δ᾽ εἴ τι κεδνὸν elite μὴ πεπυσμένη 
εὐαγγέλοισιν ἐλπίσιν ϑυηπολεῖς, 
κλύοιμ᾽ ἂν εὔφρων" οὐδὲ σιγώσῃ φϑόνος. 
ΚΛΥΤΑΙΜΝΗΣΤΡΑ. 
Εὐάγγελος μὲν, ὥσπερ ἡ παροιμία, 
ξως γένοιτο μητρὸς εὐφρόνης πάρα. 
πεύσει δὲ χάρμα μεῖξον ἐλπίδος κλύειν" 
Πριάμου γὰρ ἡρήκασιν ᾿Αργεῖοι πόλιν. 
ΧΟΡΟΣ, 
Πῶς φής; πέφευγε τοὔπος ἐξ ἀπιστίας. 
ΚΛΥΤΑΙΜΝΗΣΤΡΑ. 
Τροίαν ᾿“χαιῶν οὖσαν ἢ τορῶς λέγω; 
ΧΟΡΟΣ. 
Χαρά u’ ὑφέρπει δάκρυον ἐκκαλουμένη. 


ν. 286 codd. τὸ μέλλον" τὸ δὲ προκλύειν ἐπιγένοιτ᾽ ἂν κλύοις προ- 
χαιρέτω (Flor. ἐπεὶ γένοιτ᾽ ἂν κλύοις). Im Farn. fehlt τὸ δὲ προκλύειν. 
Ahrens bess. — v. 238 codd. ἥξει συνορϑὸν αὐταῖς (Flor. σύναρϑρον). 
Ahrens σύνωρον ἅταις. — ν. 240 codd. εὐὔπραξις. Herm. bess. — 
v.243 teilen die codd. einem Boten zu. — v.246 codd. εἴτε κεδνὸν. 
Aurat. bess. — v. 248 teilen manche codd. der Klytämnestra zu, da- 


240 


245 


250 


255 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 69 


Zweiter Halbchor. 
Was dann geschehn, sah ich nicht, sag’ ich nicht, 
Doch unerfüllt bleibt des Sehers Wort nicht. — 

235 Das ew’ge Recht wäget stets Lehre durch das Leiden zu; 
Die Zukunft vernimmst du einst: aber vorvernehmen? nein! 
Es wäre vorseufzen bloss. 

Sie kommet hell, stets dem Fehl entsprechend. 

240 Jedoch des Heers Rachezug kröne Heil nach dem Wunsch 

Des nahen Burghofes dort, 

den jetzt bloss eine dem Land behütet! 

| Chorführer. 
Ich nah’ in Ehrfurcht deiner Hoheit, Königin. 
Denn wohl gebühret Huldigung des Landesherrn 

245 Gemahlin, wenn des Manns verwaist der Königstron. 
Doch ob du werter Kunde wegen oder bloss 
Auf frohe Botschaft hoffend dort die Opfer bringst, 
Vernähm’ ich gerne; schweigst du — nicht verarg’.ich dir's. 

Kiytämnestra. 
Mit froher Botschaft — heist’s im Sprüchwort — hebe sich 

250 Empor das Frührot aus dem Schooss der milden Nacht! 
Ein Glück erfährst du — über alles Hoffen gross: 

Die Feste Priams ist erstürmt vom Griechenheer. 
Chorführer. 
Wie sagst du? hab’ ich recht gehört? unglaublich klang’s. 
- Klytämnestra. 
Dass Troja Griechenbeute sei. Verstehst du nun? 
Chorführer. 
255 Mich tiberrieselt's. Wonne weckt die Träne mir. 





her im Flor. σιγῶντι. — v. 249 gehört in einigen codd. wieder dem 
Boten. | j 

v. 243 wendet sich der Chorführer achtungsvoll nach der Königin, die 
während der letzten Strophe des Chors mit ihrem Gefolge von ihrem 
Gange durch die Stadt zurückgekehrt ist. Klytämnestra steht in der “Ὁ 
Mitte der Bühne. 


70 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


KATTAIMNHZETPA,. 
Ed γὰρ φρονοῦντος ὄμμα σοῦ κατηγορεῖ. 
ΧΟΡΟΣ. 
Τί γὰρ τὸ πιστόν; ἔστι τῶνδέ σοι τέχμαρ; 
ΚΛΥΤΑΙΜΝΗΣΤΡΑ. 
Ἔστιν τί δ᾽ οὐχί; μὴ δολώσαντος ϑεοῦ. 
ΧΟΡΟΣ. 
Πότερα δ᾽ ὀνείρων φάσματ᾽ εὐπευιϑῆ σέβεις; 
ΚΛΥΤΑΙΜΝΗΣΤΡΑ. 
Οὐ δόξαν ἂν λάβοιμι βριξούσης φρενός. 260 
ΧΟΡΟΣ. 
AR ἦ σ᾽ ἐπίανέν τις ὄρνις ἄπτερος; 
ΚΛΥΤΑΙΜΝΗΣΤΡΑ. 
Παιδὸς νέας ὡς κάρτ᾽ ἐμωμήσω φρένας. 
ΧΟΡΟΣ. 
Ποίου χρόνου ὃὲ καὶ πεπόρϑηται πόλις; 
ΚΛΥΤΑΙΜΝΗΣΤΡΑ. 
Τῆς νῦν τεκούσης φῶς τόδ᾽ εὐφρόνης λέγω. 
ΧΟΡΟΣ. 
Καὶ τίς τόδ᾽ ἐξίκοιτ᾽ ἂν ἀγγέλων τάχος; 265 
ΚΛΥΤΑΙΜΝΉΣΤΡΑ. 


Ἥφαιστος Ἴδης λαμπρὸν ἐκπέμπων σέλας. 


Φρυκτὸς δὲ φρυκτὸν δεῦρ᾽ ἀπ’ ἀγγάρου πυρὸς 

ἔπεμπεν. Ἴδη μὲν πρὸς Ἑρμαῖον λέπας 

Anuvov' μέγαν δὲ πανὸν ἐκ νήσον τρίτον 

άϑφον αἷπος Ζηνὸς ἐξεδέξατο᾽ 270 
[ὕλης δ᾽ ὀρείας δὰς ἐσήμηνεν πρόσω 

πεύκῃ προσανϑρίξουσα πόμπιμον φλόγα] 

ὑπερτελής TE, πόντον ὥστε νωτίσαι., 271 


v. 261 codd. τις ὄπτδρος φάτις. — Die Lücke nach v. 270 haben 
Thiersch und Schneidew. angezeigt. 

Seite 71 v. 258 gemeint ist Hephästos, der die telegraphische Bot- 
schaft gesandt hat; natürlich versteht das aber der Chor noch nicht. — 


260 


265 


270 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 11 


Klytämnestra. 
Ja, dass du’s wohlmeinst, das bezeugt dein Auge klar. 
Chorführer. 
Was denn verbürgt dir's? Hast du des ein Unterpfand? 
Kiytämnestra. 
Gewiss! wie anders? — falls ein Gott mich nicht betrügt. 
j Chorführer. 
Dich überzeuget frommen Wahns ein Traumgesicht? 
Kliytämnestra. 
Ich sollte greifen nach dem Trug schlaftrunknen Sinns? 
Chorführer. 
So höht’ ein Zufallszeichen dir den frohen Mut? 
| Kiytämnestra. 
Als wär’ ich kindisch, so verhöhnst du meinen Sinn. 
Chorführer. 
Seit welcher Frist denn ist genommen Ilion? 
Kilytämnestra. 
Seit dieser Nacht, so dieses Tageslicht gebar. 
Chorführer. 
Und welcher Bote käm’ in solcher Eile her? 
Kilytämnestra. 


Hephästos. Hellen Glanz vom Ida sandt’ er uns. 


Die eine Fackel schickte stets im Postenlauf 

Die andre weiter. Ida nach dem Hermesfels 

Auf Lemnos; doch die Leuchte von der Insel her 
Nahm drittens Athos’ zeusgeweihter Gipfel auf. 
Und weiter trug die Kunde Glut des Waldgebirgs, 
Vom Kien der Föhre schlug die Lohe himmelan; 


Und nun des Meeres Rücken nahm im Riesensprung 


v. 261 z. B. ein auf die Erwähnung von Trojas Einnahme erfolgtes 
Niesen oder dgl. — v. 267. Der Monolog der Königin zerfällt in zwei 
correspondierende Gruppen von je 10 Versen, dann folgen drei Gruppen 
von 5, 7,5 V. 


12 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


ἰσχὺς πορευτοῦ λαμπάδος πρὸς ἡδονὴν 
ἐπέσυτο χρυσδοφεγγὲς ὥς τις ἥλιος 
σέλας παραγγείλασα Meaxiorov σκοπάς. 


Ὁ δ᾽ οὔτι μέλλων οὐδ᾽ ἀφρασμόνως ὕπνῳ 
νικώμενος προῆκεν ἀγγέλου μένος" 

ἑκὰς δὲ φρυκτοῦ φῶς ἐπ’ Εὐρίπου ῥοὰς 
Μεσσαπίου φύλαξι σημαίνει μολόν 

οὗ δ᾽ ἀντέλαμψαν καὶ παρήγγειλαν πρόσω 
γραίας ἐρείκης ϑωμὸν ἅψαντες πυρί. 
σϑένουσα λαμπὰς δ᾽ οὐδέπω μαυρουμένη, 
ὑπερϑοροῦσα πεδίον ᾿ἀσωποῦ, δίκην 
φαιδρᾶς σελήνης, πρὸς Κιϑαιρῶνος λέπας 
ἤγειρεν ἄλλην ἐκδοχὴν πομποῦ πυρός. 


Φέγγος δὲ τηλέπρεπτον οὐκ ἠναένετο 
φρουρὰ πλέον κάουσα τῶν εἰρημένων" 
λίμνην δ᾽ ὑπὲρ Γοργῶπιν ἔσκηψεν φάος᾽ 
οὔρους τ᾽ ἐπ’ Αἰγίπλαγκτον ἐξικνούμενον 
ὥὦτρυνε ϑεσμὸν un χαρίξεσϑαι βραχύν. 


Πέμπουσι δ᾽ ἀνδαίοντες ἀφϑόνῳ μένει 
φλογὸς μέγαν πώγωνα, καὶ Σαρωνικοῦ 
πορϑμοῦ κάτοπτον πρῶν᾽ ὑπερβάλλων πρόσω 

[ἢ . $ » 9, Σ 
φέγγουσαν αἴγλην ξεν. ἔστ᾽ ἀφίκετο 
᾿ἀραχναῖον ainog, ἀστυγείτονας σκοπάς. 
κἄπειτ᾽ Argsıdov ἐς τόδε σκήπτει στέγος 
φάος τόδ᾽ οὐκ ἄπαππον Ἰδαίου πυρός. 


v.273 codd. πεύκη τὸ χγρυσοφεγγὲς. — v. 276 codd. παρῆκεν ἀγγέλου 
μέρος. — v.282 Med. παιδέον ὠποῦ. — v. 285 codd. φάος δὲ τηλέπομ- 
πον. — v.288 codd. ὄρος. — v. 289 codd. γαρέξεσϑαι πυρός. — v. 292 
codd. κατοπτρον πρῶν᾽ ὑπερβάλλειν. Canter und Scaliger bess.. — 
v. 293 codd. φλέγουσαν᾽ εἶτ᾽ ἔσκηψεν, εἶτ᾽ ἀφίκετο. Hartung αἴγλην. 

Seite 73 v. 274 Makistos ein Berg auf Euböa. — v. 278 der Mes- 
sapios im östlichen Böotien. Der Berg muss unbewaldet gewesen sein, 
denn der Dichter spricht offenbar aus topographischer Kenntniss, wenn 


275 


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AESCHYLOS AGAMEMNON. 13 


Die Kraft der Wanderflamme, ja! mit voller Lust 
Flog sie, den Goldglanz einer Tagessonne gleich 
Schnell weiter tragend, nach Makistos’ Warten hin. 


Doch dieser, ohne Säumen, nicht in Lässigkeit 
Von Schlaf besiegt, entsandte nun des Boten Kraft; 
Und hingelangt zur Furt von Chakis, trug die Post 
Der Fackelstral den Wächtern vom Messapios. 

Die gaben Antwort, schickten Kunde fürder hin, 
Anzündend ganze Berge grauen Haidekrauts. 

Noch nicht erbleichend, überspringt die rüstige 
Nachtleuchte weithin jetzt Asopos’ Ebene, 

Wie klares Mondlicht, gen Kithärons Felsenstirn, 
Und wecket andre Wechselpost dem Wanderschein. 


Des Lichtes ferngeschauten Stral verweigert nicht 
Die Wache, mehr verbrennend als geboten war. 

Und ob dem See Gorgopis blitzt die Flamme hin. 
Dann treibt sie, auf dem Aegiplankton angelangt, 
Nicht kargen Holzstoss herzuleihn die Späher an. 


Die senden schürend nach der reichsten Herzenslust 
Des Feuer-Haarsterns Bogen, und des saronischen 
Meerbusens Steilhang überspannend, strömt er aus 
Taghellen Schimmer, bis er endlich dann berührt 
Arachnäons Höhen, unsre nächste Warte hier. 

Von dorten aber blitzt auf dies Atridendach 

Dies Licht, von Ida’s Mutterflamme fortgezeugt. 


er die Wächter vom Messapios Haidekraut anzünden lässt. — v. 286. 
Dass die Wache mehr verbrannte als geboten war, konnte die Königin 
freilich nicht wissen; aber hier wie überall, namentlich auch v. 289, 
schildert sie in ihrer freudigen Aufregung die ganze Post, als ob sie 
alle Massregeln der Wächter selbst gesehen hätte. — v. 287. Der 
See Gorgopis an der Grenze von Megaris. Aegiplankton in Megaris, 
Arachnäon bei Argos. — v. 291. Die mächtige Flamme wird einem 
Kometenschweife verglichen. 


14 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 


Τοιοίδε τοί μοι λαμπαδηφόρων νόμοι, 
αλλος παρ᾽ ἄλλου διαδοχαῖς τηρούμενοι" 
νικᾷ δ᾽ ὃ πρῶτος καὶ τελευταῖος δραμών. 
τέχμαρ τοιοῦτο σύμβολόν τε σοὶ λέγω 800 
ἀνδρὸς παραγγείλαντος ἐκ Τροίας ἕμοί. 
ΧΟΡΟΣ. 
Θεοῖς μὲν αὖϑις, ὦ γύναι, προσεύξομαι. 
λόγους δ᾽ ἀκοῦσαι τούσδε κἀποθαυμάσαι 
διανεκῶς ϑέλοιμ᾽ ἂν, ὡς λέγεις, πάλιν. 
Τροίαν ’Aycıol τῇδ᾽ ἔχουσ᾽ ἐν ἡμέρας 305 
KATTAIMNHZTPA. 
Οἶμαι βοὴν ἄμικτον ἐν πόλει πρέπειν. 
ὕξος τ᾽ ἄλειφά τ᾽ ἐγχέας ταὐτῷ κύτει 
διχοστατοῦντ᾽ ἂν οὐ φίλως προσεννέποις. 
καὶ τῶν ἁλόντων καὶ κρατησάντων δίχα 
φϑογγὰς ἀκούειν ἔστι συμφορᾶς διπλῆς. 810 


Οἱ μὲν γὰρ ἀμφὶ σώμασιν πεπτωκότες 
ἀνδρῶν κασιγνήτων τε καὶ φυταλμίων 
[πατέρων γυναῖχες, νυμφίων νεάνιδες. 
παῖδες γερόντων, οὐκέτ᾽ ἐξ ἐλευϑέρου 
δέρης ἀποιμώξουσι φιλτάτων μόρον. 


Τοὺς δ᾽ αὖτε νυχτίπλαγκτος ἐκ μάχης πόνος 315 
νήστεις πρὸς ἀρίστοισιν ὧν ἔχει πόλις 

τάσσει, πρὸς οὐδὲν ἐν μέρει τεκμήριον, 

ἀλλ᾽ ὡς ἕκαστος ἔσπασεν τύχης πάλον. 


Ἐν δ᾽ αἰχμαλώτοις Τρωϊκοῖς οἰκήμασιν 
ναίουσιν ἤδη τῶν ὑπαιϑρίων πάγων 820 


v. 298 codd. πληρούμενοι. — v. 305 wird gewöhnlich der Klytämne- 


stra schon zugeteilt: die codd. haben in der Bezeichnung der Redenden 
grosse Verwirrung, — v. 307 codd. ἐκχέας. Canter bess. — v. 316 Flor. 
νῆστις. Bess. νήστισι. Das richtige giebt Farn. — ν. 319 codd. ἐν 
αἰχμαλώτοιρ. Weil bess. 


300 


305 


310 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 75 


Ja, so geordnet steht der Fackelläufer Reih, 

Vom nächsten jeder wohlerspäht und abgelöst. 

Sieg jenem, der als letzter Läufer erster war! 

Solch Unterpfand nun, solches Zeugniss nenn’ ich dir, 

Da mir von Troja mein Gemahl es meldete. 

Chorführer. 

Den Göttern bring’ ich später Dank, o Herrscherin. 

Doch diese Botschaft hört’ ich gerne wiederum, 

So recht mit Andacht staunend ob der Schilderung. 

So sind in Troja wirklich heut die Griechen Herrn? 
Kiytämnestra. 

Es gellen, denk’ ich, unvermischte Laute dort. 

Wie, wenn man Oel und Essig giesst in din Gefäss, 

Man beide feindlich von einander fliehen sieht, 

So hallt der Unterlegnen und der Sieger Ruf 

Zwiespältig, denn die Töne weckt zwiefaches Loos. 


Die einen, hingesunken bei Erschlagenen, 


315 


320 


Hier Weiber neben Gatten, Brüdern, oder gar 
Ehrwürd’gen Vätern, bei Verlobten Bräute dort, 
Dort neben Greisen Kinder — nicht mehr ächzen sie 
Aus freier Brust um ihrer Liebsten Untergang. 


Die andern, nüchtern, drängt des nächt’gen Strassenkampfs 
Mühsal zum Imbiss, wie die Stadt ihn eben beut, 

Nicht nach der Marke, welche Reih um Reih bestimmt, 
Nein! ganz wie jeder sich ein Loos zufällig zog. ’ 


Sie wohnen nunmehr in den kriegseroberten 
Palästen Trojas: ledig jetzt des Reifs und Taus 


v. 299. Hephästos. — v. 311. In Troja, als in einer eroberten 
Stadt, sind alle Männer erschlagen, nur Weiber und Kinder ächzen 
noch um ihre Liebsten, aber auch sie sind Gefangene. 


16 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


δρόσων τ᾽ ἀπαλλαγέντες, ὡς αὐτόχϑονες 
ἀφύλακτον εὑδήσουσι πᾶσαν εὐφρόνην. 


Εἰ δ᾽ εὖ σέβουσι τοὺς πολισσούχους ϑεοὺς 
τοὺς τῆς ἁλούσης γῆς ϑεῶν 9° ἰδρύματα, 
οὐχ ἁνελόντες αὖϑις ἀνθαλοῖεν ἄν. 

ἔρως δὲ μή τις πρότερον ἐμπίπτοι στρατῷ 
πορϑεῖν ἃ μὴ χρὴ. κέρδεσιν νικωμένους᾽ 
πολλῶν γὰρ ἐσθλῶν τὴν ὄνησιν εἷλον ἄν. 


Δεῖ γὰρ πρὸς οἴκους νοστίμου σωτηρίας 
κάμψαι διαύλου ϑάτερον κῶλον πάλιν" 
ϑεοῖς δ᾽ ἀναμπλάκητος εἰ μόλοι στρατός, 
ἐγρήγορον τὸ πῆμα τῶν ὀλωλότων 
γένοιτ᾽ ἂν [αὖϑις ὀλέϑριον νικηφόροις 
πρόμοισι. κεί πρόσπαια μὴ τύχοι κακά. 
τοιαῦτά τοι γυναικὸς ἐξ ἐμοῦ κλύεις" 

τὸ δ᾽ εὖ κρατοίη, μὴ διχορρόπως ἰδεῖν. 

. ΧΟΡΟΣ... 
Γύναι, κατ᾽ ἄνδρα σώφρον᾽ εὐφρόνως λέγεις. 
ἐγὼ δ᾽ ἀκούσας πιστά σου τεκμήρια 
ϑεοὺς προσειπεῖν εὖ παρασκευάζξομαι. 
χάρις γὰρ οὐκ ἄτιμος εἴργασται πόνων. 


Ὦ Ζεῦ βασιλεῦ καὶ νὺξ φιλία 
μεγάλων κόσμων κτεάτειρα, 





v. 321 codd. ὡς δυσδαίμονες. — v. 325 Bess. οὐκ ὠνελόντες. Flor. 
Farn, οὐκ &v γ᾽ ἑλόντες. Dann αὖϑις αὖ ϑάνοιεν av (Bess. ἂν Bu- 
voıev ἀν). Aurat. bess.. — v.326 Bess. ἐμπέπτει, — v. 327 Flor. πο- 
ϑεῖν (Ὁ). — v. 335 haben die codd. in der Form πολλῶν γὰρ ἐσϑλῶν 
τὴν ὄνησιν εἴλόμην am Ende der Rede. — v. 332 codd. γένοιτ᾽ ἂν, εἰ 
πρόσπαια μὴ τύχοι nand. — v. 333 Flor. Farn. κλύοις. 

Seite 77 v. 326. Was Klytämnestra hier als Befürchtung ausspricht, 
geht in Erfüllung. Der Herold rühmt eben v. 505 dass die Altäre und 


325 


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AESCHYLOS AGAMEMNON. 1 


Auf freiem Felde, werden jede Nacht sie wohl 
Wie Landeskinder schlafen, ohne Wachenschutz. 


Ja! wenn sie fromm nur jener unterworfnen Stadt 
Schutzgötter ehren samt der Tempel Heiligtum, 
Erliegen, hoff’ ich, nicht die Sieger wiederum. — 
Nur wandle jetzt nicht schlimme Lust die unsern an, 
In schnöder Habsucht anzutasten, was geweiht! 
Vernichtet, fürcht’ ich, würde vieles Segens Frucht. 


Gilt’s doch den andern Schenkel noch der Doppelbahn 
Zurückzulegen, Wiederkehr ins Vaterland. — 
Ja, kämen heim sie ohne Zorn der Himmlischen, 
Kann noch der Umgekommnen nimmer schlummerndes 
Wehsal den Siegern wiederum Verderben dräun, 
Wenn auch der Zufall sie mit Leid verschonete. — 
In banger Ahnung sprech’ ich dies, ein blosses Weib, 
Doch ohne Schwanken überwiege jetzt das Heil! 
| Chorführer. 
Dem ernsten Mann gleich sprichst du, Frau, bescheidnen Sinns. 
Weil sichre Bürgschaft aber du mir jetzt genannt, 
Bereit’ ich mich den Göttern frommen Danks zu nahn. 
Denn Gnade ward uns, welche reich die Mühen lohnt. 
(Klytämnestra mit Gefolge geht in den Palast.) | 
Chor. 
Erster Reihenführer. 
OÖ waltender Zeus! o freundliche Nacht, 
Du Erwerberin köstlichen Schmuckes! 


die Heiligtümer in Troja verschwunden sind. — v. 328. Die Fahrt nach 
Troja ist der eine Schenkel, die Rückfahrt der andere des Diaulos, 
dieser eigentümlichen Rennbahn, welche die Achäer zu durchlaufen 
haben. — v. 331. Vor Troja sind um eines blossen Weibes willen so viele 
gefallen, und „den Zorn der Todten bändigt nicht des Feuers Zahn“, — 
v. 340. Während der folgenden Anapäste schreitet die Königin feierlich 
in den Palast hinein und die Choreuten ziehen sich wieder nach dem 
Theatron hin sich zum Wechselgesange um den Altar zu gruppieren. 


18 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


Ἥτ᾽ ἐπὶ Τροίας πύργοις ἔβαλες 
στεγανὸν δέκτυον, ὡς μήτε μέγαν 
μήτ᾽ οὖν νεαρόν τιν᾽ ὑπερτελέσαι 
λίνα δουλείας, [ἐκδυσάμενον] 
γάγγαμον ἄτης παναλώτου. 


Aia τοι ξένιον μέγαν αἰδοῦμαι 

τὸν τάδε πράξαντ᾽., ἐπ᾽ ᾿4λεξάνδρῳ 
τείνοντα πάλαι τόξον. ὅπως ἂν 
μήτε πρὸ καιροῦ μήϑ᾽ ὑπεραῖρον 
βέλος ἡλίϑιον σκήψειεν. 


στρ. α΄. 

Διὸς πλαγὰν ἔχοις ἂν εἰπεῖν" 
πάρεστιν τοῦτο δ᾽ ἐξιχνεῦσαι, 
ἔπραξεν ὡς ἔκρανεν. οὐκ ἔφα τις 
ϑεοὺς βροτῶν ἀξιοῦσϑαι μέλειν 
ὅσοις ἄϑικτον. γέρας 
πατοῖϑ᾽ " ὁ δ᾽ οὐκ εὐσεβής. 
πέφανται δὴ ᾿᾽χτενεῖς 
ἀτολμήτῳ ϑράσει 
πνεόντων μεῖξον ἢ δικαίως, 
φλεόντων δωμάτων ὑπέρφευ, 
ὑπὲρ τὸ βέλτιστον, ἐστοῦν ἀπή- 

μαντον ὥστε καταρκεῖν 
εὖ πραπίδων λαχόντα. 
οὐ γὰρ ἔστιν ἔπαλξις 
πλούτου πρὸς κόρον ἀνδρὶ 


-v. 344 codd. νεαρῶν. — v. 345 codd. μέγα δουλείας. — v. 350 codd. 
ὑπὲρ ἄστρων. Enger bess. — v. 352 Flor. ἔχουσαν, Farn. ἔχουσιν. 
Ahrens bess. — v. 353 Flor. πάρεστι τοῦτ᾽ ἐξιχνεῦσαι. Farn. τοῦτό γ᾽ 
ἐξιχνεῦσαι. — v.354 codd. ὡς ἔπραξεν, ὡς ἔκρανεν. — v. 356 codd. 
ἀϑθίκτων χάρις. — v. 368 codd. πέφανται δ᾽ ἐγγόνους (ἐκγόνους). — 


345 


350 


350 


360 


365 


345 


350 


355 


365 


AESCHYLOS AGAMEMNON.. 79 


Zweiter Reihenführer. 
Die über die Zinnen von Troja du warfst 
Dein deckendes Netz, dass weder ein Mann 
Noch ein Jüngling auch sich dem Knechtschaftsgarn 
Durch Fliehen entzog, ob auch er entkam 
Der vernichtenden Reuse des Todes! 
Dritter Reihenführer. 
Ja! Ehre dem grossen, dem gastlichen Zeus, 
Der solches gewirkt! längst hielt er ja schon 
Auf Paris den Bogen gespannt, dass nicht 
Vorzeitig noch auch zu spät das Geschoss 
Umsonst in die Luft hinsause. 
Wechselgesang des Chors. 
Erster Halbchor. 
Wie Zeus trifft, kann die Welt nun sagen, 
Und leicht spürt jeder diese Wahrheit 
„Den Lohn gebiert die Tat sich“. Mancher denkt wohl, 
Es achte nicht Götterhoheit des Manns, 
Der heil’ge Vorrechte dreist 
Zertrete —: gottloser Wahn! 
Erfuhr nicht ihren Grimm 
Die rücksichtslose Gier 
Der Frechheit, die so heftig trotzte, 
Da Reichtumsfülle mächtig strotzte 
Im Ueberschwang, über harmlosen Seins 
Mass, mit welchem des Weisen 
Sinniges Streben ausreicht? 
Nie ja findet den Schutzwall, 
Wer in Fülle des Wohlseins 


v. 359 codd. ἀτολμήτων den. Weil bess. — v. 362 codd. ἔστω δ᾽ ἀπή- 
μαντον ὥστ᾽ ἀπαρκεῖν (Farn, ὥστε καἀπαρκεῖν). 

v. 356 wie Paris das Vorrecht des gastlichen Zeus und der Ehegöttin 
Hera durch die Entführung Helenas entweiht hat. — v. 360 es ist hier 
nur an Paris und die reichen Priamiden zu denken, 


80 - ARSCHYLOS AGAMEMNON. 


λακτίσαντι μάταν Ainus 

βωμὸν εἰς ἀφάνειαν. 

ἄντ. α΄. 

Βιᾶται δὴ τάλαινα πειϑὼ, 
προβούλου παῖς ἄφερτος ἄτας. 
ἄκος δὲ πᾶν μάταιον. οὐκ ἐκρύφϑη. 
πρέπει δὲ φὼς, αἰνολαμπὲς σέλας" 
κακοῦ δὲ χαλκοῦ τρόπον 
τρίβῳ τε καὶ προσβολαῖς 
μελαμπαγὴς πέλει 
δικαιωϑεὶς, ἐπεὶ 
διώκει παῖς ποτανὸν ὄρνιν. 
πόλει πρόστριμμ᾽ ἄφερτον ἐνϑ είς. 
λιτὰν δ᾽ ἀκούει μὲν οὔτις ϑεῶν᾽" 

τῶν δ᾽ ἐπίστροφον οἶδμα 
φῶτ᾽ ἄδικον καϑαιρεῖ. 
οἷος καὶ Πάρις ἐλϑὼν 
ἐς δόμον τὸν ᾿Δτρειδᾶν 
ἤσχυνε ξενίαν τράπε- 

ξαν κλοπαῖσι γυναικός. 

στρ. β΄. 

Διποῦσα δ᾽ ἀστοῖσιν ἀσπίστορας 
κλόνους τε καὶ λογχίμους ναυβάτας 9’ ὁπλισμούς. 
ἄγουσά τ᾽ ἀντίφερνον Ἰλίῳ φϑορὰν | 
βεβάκει ῥίμφα διὰ πυλᾶν 
ἄτλητα τλᾶσα" πολὺ δ᾽ ἀνέστενον 
τόδ᾽ ἐννέποντες δόμων προφῆται" 
„io τέγος καὶ πρόμοι [γυναιμανεῖς 9] 


v. 367 codd. μεγάλα für μάταν. — v. 869 codd. βιᾶται δ᾽ ἃ. — 
v. 370 codd. προβουλόπαις. Hartung bess. — v. 371 codd. παμμάταιον. 
Musgrave bess. — ν᾿ 372 codd. φῶς αἰνολαμπὲς olvos. — v. 374 codd. 
προβολαῖς. Pearson bess. — v. 378 Flor. ἄφερτον ϑεές. — v. 380 codd. 
τὸν δ᾽ ἐπίστροφον τῶνδε. Weil bess. — v. 383 Farn. eig οἶκον. — v. 387 
codd. κλόνους λογχίμους τε καὶ ναυβάτας ὁπλισμοὺς. Ahrens bess. — 
ν. 389 Flor. βέβακε. Farn. βέβακεν. --- v. 390 Farn. πολλὰ δ᾽ ἔστενον. --- 
v. 392 Flor. ἰὼ δῶμα καὶ πρόμοι. Farn. lo ἰὼ δῶμα δῶμα καὶ πρόμοι. 


370 


375 


330 


390 


370 Des Wahnsinns dreistes Kind, des Spruchherrn. 


375 


385 


390 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 


Eitlen Sinnes des Rechts Altar 
Frech ins dunkele hinstiess. 
Zweiter Halbchor. 
Es drängt unsel’ge Zuversicht ihn, 


Vergeblich alle Mittel! — Nicht verbirgt sich, 


Es prahlt der Mann, zwar in graunvollem Licht; 


Doch falschem Goldstücke gleich 
Verliert er bald, angepackt 
Vom Faustgriff schwerer Not, 
Den Scheinglanz: greift er doch, 
Verurteilt, kindisch nach dem Monde, 
Des Unheils Pest dem Lande bringend. 
Der Reue Flehn höret kein Götterohr: 
ihres rächenden Rückschlags 
Woge verschlingt den Frevler. — 
Gleichwie Paris, des Atreus 
Haus betretend, entweihte 
Seines gastlichen Freundes Dach 
durch des Weibes Entführung. 
Erster Halbchor. 
Sie liess den Mitbürgern Schildträgerklang 


8 


Und Speergeklirr samt dem Lärm hast’ger Schiffsbemannung -- 


Als Morgengabe trug sie Tod gen Ilion: 
So flog durch’s Tor sie leichten Tritts, 
Verwegnes wagend. Ja, da seufzten wohl 
Aus tiefer Brust ihres Hauses Seher: 

„O Säle, weh euren liebekranken Herrn! 


v. 370 des Spruchherrn, der in seinen Gedanken gleichsam den Vor- 
sitz führt. — Der Chor spricht zwar allgemein, hat aber immer Paris 
im Auge. — v. 392 der Dichter führt die Seher des Hauses hiex als kla- 
gend ein, weil niemand den Menelaos gesehen hat, wie er sich im 
Thalamos seinem Schmerze unmännlich hingiebt. Indirekt wird ausser 
Menelaos auch Agamemnon getadelt, weil er sich betören lässt um eines 


Weibes willen den trojanischen Krieg zu unternehmen, 


AESCHYL. AGAMEMNON. 


82 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


io λέχος καὶ στίβοι φιλάνορες. 
πάρεστι σιγαῖς ἀμώμοις ἀλοιδόροισιν 
ἄδιστος ἐφεμένων ἰδεῖν. 
πόϑῳ δ᾽ ὑπερποντίας 

φάσμα δόξει δόμων ἀνάσσειν. 
εὐμόρφων δὲ κολοσσῶν 
ἔχϑεται χάρις ἀνδρί: 
στρωμάτων δ᾽ ἐν ἀχηνίαις 

ἔρρει πᾶσ᾽ ᾿ἀφροδίέτα. 

ἀντ. β΄. 

Ὀνειρόφαντοι δὲ πενϑήμασιν 
πάρεισι δόξαι φέρουσαι χάριν ματαίαν. 
μάταν γὰρ εἶτ᾽ ἂν ἐσϑλά τις δοκῶν ὁρᾶν" 
παραλλάξασα διὰ χερῶν, 
βέβακεν ὄψις ὄνομ᾽ ἔϑ᾽ ὕστερον ᾿ 
πτεροῖς ὀπαδοῖς ὕπνου κελεύϑῳ."“ 
τὰ μὲν κατ᾽ οἴκους Ep’ ἕστίας ἄχη" 
τὰ δ᾽ ἐστὶ καὶ τῶὦνδ᾽ ὑπερβατὸν πέρας. 
τὸ πᾶν ἀφ᾽ Ἕλλανος αἴας συνορμένοισιν 
πένϑεια ταμεσικάρδιος 
δόμων ἑκάστου πρέπει. 

πολλὰ γοῦν oldavsi ποϑ᾽ ἧπαρ᾽ 
οὗς μὲν γάρ τις ἔπεμψεν 
οἶδεν, ἀντὶ δὲ φωτῶν 
τεύχη καὶ σποδὸς εἰς ἐχκά- 

στου δόμους ἀφικνεῖται. 

ὅτρ. γ΄. 

Ὁ χρυσαμοιβὸς δ᾽ "Aons σωμάτων 

καὶ ταλαντοῦχος ἐν μάχῃ δορὸς 
πυρωϑὲν ἐξ Ἰλίου 


-- -----ς-ς-----Ξ.Ξ.--.-.---.-.----- ---- --- ----- ...:-. oo. 


v. 394. 95 codd. πάρεστι σιγᾶς ἄτιμος ἀλοίδορος ἄδιστος ἀφεμένων 
ἰδεῖν. — ν, 404 codd. μάταν γὰρ εὐτ᾽ av. — v.406 codd. ὄψις οὐ με- 
ϑύστερον. — v. 407 codd. κελεύϑοις. --- v. 409 codd. ὑπερβατώτερα. --- 
v. 410 codd. &p’ Ἑλλάδος αἴας. Franz bess. --- ν. 411 codd. τλησικάρ- 


395 


400 


405 


410 


415 


420 


395 


400 


405 


410 


415 


420 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 83 


O Bette, weh deiner Ehebrecherspur! 
Da seht in klaglosem zornlosem düstrem Schweigen 
Den weichsten Mann des_Liebesgrams. 
Ein bleich Gespenst herrschet bald 

hier im Haus — o der kranken Sehnsucht! — 
Anmutatmender Bilder 
Schönheit widert dem Gatten: 
Ach! des Lagers Verlassenheit 

wird zum Grabe der Lust ihm. 

Zweiter Halbchor. 

Zuletzt im 'Traum schweben Scheinbilder zwar 
Dem Gram heran, aber, ach! bringen eitle Freude. 
Vergeblich hascht man nach dem schönen Bild des Wahns; 
Ein Griff bloss — schon zerronnen ist 
Das Traumgesicht, nachher ein Name nur, 
Des Schlummers Bahn leisen Flugs begleitend“. — 
Das ist das Wehsal am Herd der Königsburg, 
Doch grössres giebt’s, über jenes weit hinaus: 
Dem ganzen Heerbann, der einst Griechenland verlassen, 
Blickt aus des Vaterhauses Tür 
Der Trauer herzschneidend Weh. 

Freilich schwillt mächtig auch der Unmut. — 
Denn wen jeder dahingab, 
Weiss er, aber zurückkehrt 
Statt der Mannen in jedes Haus 

bloss Gewaffen und Asche. 

Erster Halbchor. 

Der Leichen-Bankhalter, Gott Ares, er, 

dem der Speerschaft im Kampf zur Wage dient — 
Von Troja her schickt er heim 





-.».-.--.. . 


διος. — v. 413 codd. ϑιγγάνει πρὸς ἧπαρ. — v.414 τις hat Porson 
eingesetzt. 

v.418. Der Kriegsgott, ein absonderlicher Wechsler, tauscht Lei- 
chen gegen Leichen aus und schickt endlich in Urnen die Asche der 
verbrannten Gebeine in die Heimat der gefallenen. 


6* 


84 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


φίλοισι πέμπει βραχὺ 
ψῆγμα δυσδάκρυτον ἀν- 
τήνορος σποδοῦ γεμί- 
ξων λέβητας εὐϑέτους. 
στένουσι δ᾽ εὖ λέγοντες ἄν- 
dpa τὸν μὲν „ag μάχης ἴδοις" 
τὸ δ᾽ ἐν φοναῖς καλῶς πεσεῖν 
ἀλλοτρίας διαὶ γυναικός" “’ 
τάδε oiya τις βαύὔξει. 
φϑονερὸν δ᾽ ὑπ᾽ ἄλγος ἕρπει 
προδέχοις ’Arosidaıs. 
οἵ δ᾽ αὐτοῦ περὶ τεῖχος 
ϑήκας Ἰλιάδος γᾶς 
εὕμορτοι κατέχουσιν ἐχ- 
ϑρὰ δ᾽ ἔχοντας ἔκρυψεν. 
ἄντ. γ΄. 
Βαρεῖα δ᾽ ἀστῶν φάτις δυσκχότῳ᾽ 
δημαράτου δ᾽ ἀρᾶς τίνει χρέος. 
μένει δ᾽ ἀκούσαί τί μοι 
μέριμνα νυκτηρεφεξς. 
τῶν πολυκτόνων γὰρ οὐκ 
ἄσκοποι ϑεοί. κελαι- 
ναὶ δ᾽ ᾿Ερινύες χρόνῳ 
τυχηρὸν ὄντ᾽ ἄνευ δίκας 
παλιντριβεῖ τύχᾳ βέου 
τιϑεῖσ᾽ ἀμαυρόν. ἐν δ᾽ di- 
στοις τελέϑοντος οὔτις ἀλκά" 
τὸ δ᾽ ὑπερκόπως κλύειν εὖ 
βαρύ: βάλλεταί γ᾽ ὀρόγκοις 
ΖΔιόϑεν κεραυνός. — 


v.421 codd. βαρὺ. Schütz bess. — v.423 codd. εὐϑέτου. Auratus 
bess, — v.427 codd. τὸν δ᾽ ἐν φοναῖς καλῶς πεσόντ᾽, --- ν. 428 codd. 
διὰ. Herm. bess. --- v. 434 codd, εὔμορφοι oder εὐμόρφως. Ahrens 
bess, — v. 436 codd. σὺν κότῳ. — v. 437 codd. δημοκράτου. — v. 438 
codd, τί μου. — v. 444 codd. παλιντυχῆ τριβᾷ βίου. — ν. 447 codd. 


425 


430 


435 


440 


445 








AESCHYLOS AGAMEMNON. 85 


Den Freunden ach! leichten Staub, 
Schwerer Tränen Quell, und füllt 
mit dem Rest der Männerkraft, 
Asche, seiner Krüge Reihn. 
425 Und preisend klagen sie um den: 
„wie kampferfahren war der Mann!“ 
Und: „ha! ein schöner Tod im hin- 
metzelnden Kampf des Weibes wegen!‘ 
So verstohlen murrt es leise; 
430 Und es schleicht der Kummer giftig 
. An den Tron der Herrscher. — 
Andre haben ein Grabmal 
Dort an Ilions Mauer, 
Erbgrundpächter in Feindesland, 
455 „nur — es deckt die Besitzer. 
Zweiter Halbchor. 
Verhasste trifft böse Nachrede schwer: 
ja, des Volksfluches Vehme büssen sie. 
So banget stets meine Brust * 
Ein finstres Unheil zu schaun. 
440 Denn die Götter geben wohl 
auf die Menschenwürger Acht: 
wen der F'revel glücklich macht, 
Dem trübt der Rachegeister Nacht 
Den stolzen Glanz, ein jäh Geschick 
445 Verwischet ihn: es giebt ja nicht 
wider die dunkle Macht ein Bollwerk. 
Dem erhabnen Ruhm sogar dräut 
Die Gefahr: die Bergeshöhn trifft ᾿ 
Mit dem Blitz die Gottheit. — 


ὑπερκότως. Heath bess, — νυ. 448 codd. βάλλεται γὰρ ὄσσοις. Ahrens’ 
bess. 

v. 436 flg. deuten auf den Menschenwürger Agamemnon. — ν. 446 
die dunkle Nacht der Erinyen, die durch die Gefallenen wach ge- 
rufen sind. 








36 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


κρένω δ᾽ ἄφϑονον ὄλβον. 450 
μήτ᾽ εἴην πτολιπόρϑης. 
μήτ᾽ οὖν αὐτὸς ἁλοὺς ἀπ᾽ ἄλ- 

λῶν βίον κατέδοιμι. 


ΧΟΡΟΣ. 
ὁ α΄. 
Πυρὸς δ᾽ ὑπ᾽ εὐαγγέλου 
ὁ β΄. 
πόλιν διήκει ϑοὰ [πρὸς Ἰλίου] | 455 
βάξις" εἰ δ᾽ ἐτήτυμος 








e [4 


ὁ γ΄. 
τίς οἶδεν εἴ τι ϑεῖόν ἐστι μὴ ψύϑος:; 


ὁ δ΄. 
Τίς ὧδε παιδνὸς ἢ φρενῶν κεκομμένος, 
ὁ ε΄. 
φλογὸς παραγγέλμασιν 
ὁ ς΄. 
νέοις πυρωϑέντα καρδίαν, ἔπειτ᾽ 460 


ἀλλαγᾷ λόγου καμεῖν; 


ὁ ξ΄ 
Γυναικὸς αἰχμᾷ πρέπει [γ᾽ ὑπηκόους 
ὁ η΄. 
κενοφρόνων δι᾽ ἐλπίδων] 

ὁ ϑ΄. 
πρὸ τοῦ φανέντος εὔχαρι ξυναινέσαι. 





ν. 452 codd. ὑπ᾽ ἄλλων. --- v. 453 codd. κατέδοιμι. Valckenaer 
bess. — v.457 codd. τίς oldev‘ ἢ τοι. Herm. bess. — v. 462 codd. ἐν 
γυναικὸς. Porson bess. — v. 463 codd. χάριν ξυναινέσαι. 


Seite 87 v. 454. Hinter der Scene erschallen die Jubelrufe der Wei- 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 87 


450 Glück, das keiner mir neide, 


455 


Möcht’ ich: weder Erobrer, 
Noch auch selber Gefangner sein, 
Brod von anderen essend. — 
(Man hört hinter der Scene laut jubelnde Weiberstimmen.) 
Chor. 
Erste Reihe. 
Erster Greis, 
Vom Feuerstral angesagt, 
Zweiter Greis. 
Durcheilt die Stadt blitzesschnell die frohe Siegs- 
kunde, doch ob wahr sie ist —? 
Dritter Greis. 
Wer weiss es, ob sie nicht ein Trug der Götter ist? 
Zweite Reihe. 
Vierter Greis. 
Wer ist so kindisch und so wahnbetörten Sinns, 


Fünfter Greis. 
Von dieses Lichts Wundermähr 
Sechster Greis. 
In Herzenslust aufzuflackern, dass hernach 
ihn des Wechsels Frost verstimmt? 
Dritte Reihe, 
Siebenter Greis. 
Des Weibertrons Untertanen mögen wohl 
Achter Greis, 
In eitles Hoffens leerem Wahn 
Neunter Greis. 
Das angenehme preisen vor dem wirklichen. 


ber, von denen Klytämnestra v. 573 spricht: aber dieser vorzeitige Ju- 


- bel über eine noch unverbürgte Tatsache empört die bedächtigen 


Greise, deren Worte zunächst Zweifel und Unglauben, dann Bitterkeit 
ausdrücken. . 








88 AESCHYLOS AGAMENMNON. 


€ ’ eo 


Ol. 

Πιϑανὸς ἄγαν ὁ ϑῆλυς ἔρος ἐπινέμεται 

ὁ ια΄. 

ταχύπορος" ἀλλὰ ταχύμορον 4θὅ 
ὁ ιβ΄. 


γυναικογάρυτον ὕλλυται κλέος. 


ΦΥΔΑΙ͂Ι. 
Τάχ᾽ εἰσόμεσϑα λαμπάδων φαεσφόρων 
φρυκτωριῶν τε καὶ πυρὸς παραλλαγᾶς, 
εἶτ᾽ οὖν ἀληϑεῖς εἴτ᾽ ὀνειράτων δίκην 
τερπνὸν τόδ᾽ ἐλϑὸν φῶς ἐφήλωσεν φρένας. 470 


Κήρυκ᾽ ἀπ᾽ ἀκτῆς τόνδ᾽ δρῶ κατάσκιον 

κλάδοις ἐλάας" μαρτυρεῖ δέ μοι κάσις 

πηλοῦ ξύνωρος διψέα κόνις τάδε" 

[αὐτοῦ στίβοισιν ἕψεται πλῆϑος στρατοῦ. . 


Ὁ δ᾽ οὔτ᾽ ἄναυδος οὔτε σοι δαίων φλόγα 

ὕλης ὀρείας σημανεῖ καπνῷ πυρὸς, 475 
ἀλλ᾽ ἢ τὸ χαίρειν μᾶλλον ἐκβάξει λέγων" 

τὸν ἀντίον δὲ τοῖσδ᾽ ἀποστέργω λόγον. ' 


Εὖ γὰρ πρὸς εὖ φανεῖσι προσϑήκη πέλοι. 


ΧΟΡΟΣ. 
Ὅστις τάδ᾽ ἄλλως τῇδ᾽ ἐπεύχεται πόλει, 
αὐτὸς φρενῶν καρποῖτο τὴν ἁμαρτίαν. ᾿ 480 
| KHPTE. 
Ἰὼ πατρῷον οὖδας ᾿Δ4ργείας χϑονὸς, 


v. 464 codd. ὁ ϑῆλυς ὅρος. Blomfield bess. --- v.467 8ᾳ. geben die 
codd. der Klytämnestra. — v. 473 codd. ξύνουρος. Karsten bess. — 
v. 474 codd. ὡς (ὥς) οὔτ᾽ ἄναυδος. 

Seite 89 v. 481, Der Herold, mit Oelzweigen als einem Friedens- 








AESCHYLOS AGAMEMNON. . 89 


Vierte Reihe. 
Zehnter Greis.. 
Zu leichten Glaubens steckt Gefühl der Frauen an 
Elfter ΟἽ 618. 
465 In wilder Hast: doch ohne Rast 
Zwölfter Greis. 
Erlischt Gerücht, welches Weiber ausgestreut. 
Wächter. 
(auf dem Dach des Palastes,) 
Bald offenbart sich’s, ob der Fackeln Wanderlicht 
Und dieser Wachen und des Feuers Wechselpost 
Wahrheit verkündet, oder ob in Traumesart 
470 Mit holder Täuschung dieses Licht den Sinn berückt. — 


Dort naht ein Herold, seh’ ich, vom Gestade her, 
Oelzweigbeschattet; und es zeigt aufwirbelnd auch 
Des Schlammes Zwillingsbruder mir, der durst’ge Staub, 
Dass seinen Schritten bald die Heeresmasse folgt. 


“ Der Bote wahrlich meldet nicht sprachlos wie Staub, 

475 Noch, Waldgebirgsfanale zündend, durch den Rauch: 

Nein! er bestätigt klaren Worts noch -mehr die Lust, 
Ach! oder — doch das Gegenteil sei fern von uns! 


Denn Segen ward uns: Segen heisse, was da kommt! 


(Er steigt ins Innere des Palastes hinab.) 


Chorführer. 
Wer dieses Schlusswort anders betet für die Stadt, 
480 Der ernte selber seines Herzens Sündenfrucht ! 
Herold. 
Ο süsse Heimat, Argos, meiner Väter Land! 


symbol. beschattet, tritt von der linken Seite her als Vorläufer des heim- 
kehrenden Königs auf. Seine Aufgabe ist die religiöse, im Namen des 
nachfolgenden Heeres die Landesgottheiten zu begrüssen: es ist also 
natürlich dass er zunächst nicht den Chor beachtet. 


90 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


δεκάτου GE φέγγει τῷδ᾽ ἀφικόμην ἔτους. 

πολλῶν ῥαγεισῶν ἐλπίδων μιᾶς τυχών. 

οὐ γάρ ποτ᾽ ηὔχουν τῇδ᾽ ἐν ᾿Αργείᾳ χϑονὶ 

ϑανὼν μεϑέξειν φιλτάτου τάφου μέρος. 485 


Νῦν χαῖρε μὲν χϑὼν, χαῖρε δ᾽ ἡλίου φάος, 

ὕπατός τε χώρας Ζεὺς. ὁ Πύϑιός τ᾽ ἄναξ, 

τόξοις ἰάπτων μηκέτ᾽ εἰς ἡμᾶς βέλη" 

ἅλις παρὰ Σκάμανδρον NAD ἀναρσίως᾽ 

νῦν δ᾽ αὖτε σωτὴρ ἴσϑι καὶ παιώνιος, 490 


”Avo& ”AmoAlov. τούς τ᾽ ἀγωνίους ϑεοὺς 

πάντας προσαυδῶ, τόν τ᾽ ἐμὸν τιμάορον 

Ἑρμῆν, φίλον κήρυκα κηρύκων σέβας, 

ἥρως τε τοὺς πέμψαντας, εὐμενεῖς πάλιν 

στρατὸν δέχεσϑαι τὸν λελειμμένον δορός. 495 


Ἰὼ μέλαϑρα βασιλέων, φίλαι στέγαι, 


'σεμνοί τε ϑᾶκοι, δαίμονές τ᾽ ἀντήλιοι, 497 
δέξασϑε κόσμῳ βασιλέα πολλῷ χρόνῳ. 499 
ἥκει γὰρ ὑμῖν φῶς ἐν εὐφρόνῃ φέρων 500 


καὶ τοῖσδ᾽ ἅπασι κοινὸν ’Ayausuvav ἄναξ. 


AAN εὖ νιν ἀσπάσασϑε, καὶ γὰρ οὖν πρέπει, 

Τροίαν κατασκάψαντα τοῦ δικηφόρου 

Διὸς μακέλλῃ, τῇ κατείργασται πέδον. 

βωμοὶ δ᾽ ἄϊστοι καὶ ϑεῶν ἱδρύματα, 505 
καὶ σπέρμα πάδης ἐξαπόλλυται χϑονός. 


nn  ..-.-.-.--.-....ὦ . 


v. 482 codd. δεκάτῳ. — v. 489 codd, ἦλϑες (Ἶλ9᾽) ἀνάρσιος, — 
v. 490 codd. καὶ παγώνιος (Farn. κἀπαγώνιος). Dobr. bess. — Nach 
v. 497 haben die codd. noch: ἥπου πάλαι (Flor. πύλαι) φαιδροῖσι τοισίδ᾽ 
ὄμμασιν. — v. 500 Flor. ἡμῖν. 





485 


490 


495 


500 


905 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 91 


In des zehnten Jahres heut’gem Licht begrüss’ ich dich, 
Froh @iner Hoffnung, da so mancher Anker brach. | 
Denn nimmer wähnt’ ich dass in Argos’ Flur dereinst 
An liebster Stätte mir das Grab beschieden sei. 


Nun sei gegrüsst mir, traute Flur! du, Sonnenlicht! 

Du, höchster Hort des Landes, Zeus! du, Pythofürst, 
Der nicht an uns mehr dein Geschoss du prüfen willst — 
Ach! am Skamandros kam es mördrisch uns genug! — 
Nun sei der Retter wieder, sei der Gott des Heils, 


O Fürst Apollon! Auch die marktbeschirmenden 

Gottheiten grüss’ ich alle, meinen Schützer auch, 

Den Götterherold, jedes Herolds Preis und Zier; 

Auch euch, Heroen, einst Geleiter: gnädiglich 

Empfangt das Heer nun wieder, das der Speer verschont. — 


(Er wendet sich nach dem Palaste.) 


OÖ stolze Säle, meiner Fürsten trautes Dach, 

Ihr heil’gen Bänke, Götter ihr im Sonnenlicht, 

Empfangt im Festschmuck meinen Herrn nach langer Zeit. 
Denn. euch und diesen Häusern allen Nacht in Licht 
Verwandelnd, kommt er, Agamemnon, euer Herr. 


Wohlan, bewillkommt freundlich ihn, wohl ziemt es sich: 
Er untergrub ja Troja mit des rächenden 

Kroniden Grabscheit, das den Boden aufgewühlt. 

Wo sind die Tempel, wo die Hochaltäre jetzt? 

Sogar der Same welkt dahin des ganzen Lands. 


----.--ὄ .-.ς.... 


v. 492 „meinen Schützer‘‘ Hermes. — v. 497. Die „heil’gen Bänke‘ 
sind Sitze aus Marmor, auf denen die Könige zu Gericht sassen und 
die Volksversammlung leiteten. — v. 505 blickt zurück auf v. 327. — 
v. 506 in der Gefangenschaft, 








77 AESCHYLOS AGAMENMNON. 


Towvös Τρωσὶ περιβαλὼν ζευκτήριον 

ἄναξ ’Argeidns πρέσβυς εὐδαίμων ἀνὴρ 

ἤχει. τέεσϑαί γ᾽ ἀξιώτατος βροτῶν 

τῶν νῦν" Πάρις γὰρ οὔτε συντελὴς πόλις 510 
ἐξεύχεται τὸ δρᾶμα τοῦ πάϑους πλέον. 


Ὀφλὼν γὰρ ἁρπαγῆς τε καὶ κλοπῆς δίκην 
τοῦ ῥυσίου 9’ ἥμαρτε καὶ πανώλεϑρον 
αὐτόχϑονον πατρῷον ἔϑρισεν δόμον. 


διπλὰ δ᾽ ἔτισαν Πριαμέίδαι ϑάμάρτια. 515 
ΧΟΡΟΣ. 
Κῆρυξ ᾿Αχαιῶν χαῖρε τῶν ἀπὸ στρατοῦ. 
ΚΗΡΥΞ. 
Χαίρω yes‘ τεϑνάναι δ᾽ οὐκέτ᾽ ἀντερῶ ϑεοῖς. 
ΧΟΡΟΣ. 
Ἔρως πατρῴας τῆσδε γῆς σ᾽ ἐγύμνασεν; 
ΚΗΡΥΞ. 
Nor’ ἐνδακρύειν γ᾽ ὄμμα νῦν χαρᾶς ὕπο. 
ΧΟΡΟΣ. 
Τερπνῆς ἄρ᾽ ἦτε τῆσδ᾽ ἐπήβολοι νόσου — 520 
᾿ KHPT:. 
Πῶς δή; διδαχϑεὶς τοῦδε δεσπόσω λόγου. 
ΧΟΡΟΣ. 
Τῶν ἀντερώντων ἱμέρῳ πεπληγμένοι. 
. ΚΗΡΥΞ. 
Ποϑεῖν ποθοῦντα τήνδε γῆν στρατὸν λέγεις; 
. ΧΟΡΟΣ. 
Ns πόλλ᾽ ἀμαυρᾶς ἐκ φρενός μ᾽ ἀναστένειν. 
KHPT=. 
Πόϑεν τὸ δύσφρον τοῦτ᾽ ἐπὴν σοί γ᾽ ὡς στρατῷ; 525 


v. 507 codd. Τροέᾳ. — v. 509 codd. τέεσϑαι δ᾽. — v. 517 codd. 
χαίρω. τεϑνᾶναι. Enger bess. — v. 519 codd. ὄμμασιν. Farn. ἐκδα- 
κρύειν. — v. 520 Flor. ἄφ᾽ ἴστε. — v. 522 codd. πεπληγμένος. Schütz 








AESCHYLOS AGAMEMNON. 93 


Ja! solch ein Zwangsjoch schirrt’ er diesen 'Troern auf, 
Des stolzen Atreus ältrer Sohn, der Mann des Glücks; 
Nun ist er da, der Ehre wert, wie keiner sonst, 

510 Der lebt: es rühmt ja weder Paris noch die Stadt 
In ihrer Mitschuld grössrer Tat als Busse sich. — 


(Er wendet sich zum Chor.) 


Denn er, zugleich des Raubes schuldig und des Trugs, 
Ging seines Fangs verlustig, und er weihete 
Der Todessense mit dem Land sein Ahnenhaus. 

515 Ja, doppelt büsste Priams Stamm die Sündenschuld. 


Chorführer. Ä 
Heil dir, o Herold unsres Volks, des Heers im Feld. 
Herold. 
Ja Heil! zu sterben bin ich gottergeben jetzt. 
Chorführer. 
So quälte Sehnsucht nach der Heimat dein Gemüt? 
Herold. 
Sodass der Blick mir jetzt in Freudentränen schwimmt. 
Chorführer. 
520 O liebe Krankheit, deren Weh euch dort betraf! 
| Herold. 
Wie das? belehrt erst werd’ ich dieses Wort verstehn. 
Chorführer. | 
Ein Sehnen fasst’ euch — nach den wiederliebenden. 
Herold. 
Das Volk verlangte, sagst du, sein verlangend Heer? 
Chorführer. 
Sodass ich oft aus düstrer Schwermut aufgeseufzt. 
Herold. 


525 Wie kam des Trübsinns Wolke dir wie dort dem Heer? 


bess. — v. 524 codd. ἐκ φρενὸς ἀναστένειν. Scaliger bess. — v. 525 
codd. ἐπῆν στύγος στρατῷ. 





94 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


ΧΟΡΟΣ. 

Πάλαι τὸ σιγᾶν φάρμακον βλάβης ἔχω. 
ΚΗΡΥ ΞΕ. 

Καὶ πῶς; ἀπόντων κοιράνων ἔτρεις τινάς; 
ΧΟΡΟΣ. 

Ὧι νῦν. τὸ σὸν δὴ, καὶ ϑανεῖν πολλὴ χάρις. 
KHPTE. 

Εὖ γὰρ κέκρανται. ταῦτα δ᾽ ἐν πολλῷ χρόνῳ 

τὰ μέν τις ἂν λέξειεν εὐπετῶς ἔχειν, 

τὰ δ᾽ αὖτε κἀπίμομφα. τίς δὲ πλὴν ϑεῶν 

ἅπαντ᾽ ἀπήμων τὸν δι᾽ αἰῶνος χρόνον: 

μόχϑους γὰρ εἰ λέγοιμί 001 ναυκληρίας 

σπαρνάς τε ῥέγξεις καὶ κακοστρώτους, τί δ᾽ οὔ; 

εὐναὶ γὰρ ἦσαν νηΐων πρὸς Poayudıov' 

στενὸν τόδ᾽ οὐ χάδοι γ᾽ ἂν ἤματος μέρος. 


Τὰ δ᾽ αὖτε χέρσῳ ᾿πόρισε καὶ πλέον στύγος" 
ἐξ οὐρανοῦ γὰρ κἀπὸ γῆς λειμωνίας 

βρεγμοὶ κατεψάκαξον, ἔμπεδον σίνος, 
ἐκϑυμάτων τιϑέντες ἀνθηρὸν χρόα. 

χειμῶνα δ᾽ εἰ λέγοι τις οἰωνοκτόνον, 

οἷον παρεῖχ᾽ ᾿ἄφερτον ἸἸδαία χιὼν, 

ἢ ϑάλπος, εὖτε πόντος ἐν μεσημβριναῖς 
κοίταις ἀκύμων νηνέμοις εὔδοι πεσών" 


Τί ταῦτα πενϑεῖν δεῖ; παροίχεται πόνος" 
παροέχεται δὴ, τοῖσι μὲν τεϑνηκόσιν 
τὸ μήποτ᾽ avdıg μηδ᾽ ἀναστῆναι μέλειν. 


v. 527 Flor. τυράννων für κοιράνων. — ν. ὅ28 codd. ὧν νῦν. Ahrens 
bess. — v. 529 codd. εὖ γὰρ πέπρακται. — v. 530 codd. εὖ λέξειεν. 
Porson bess, — v. 533 codd. λέγοιμι καὶ δυσαυλίας. — v. 534 codd. 
σπαρνὰς παρήξεις. — v. 537 haben die codd. in der Form εὐναὲ γὰρ 
ἤσαν δηΐων πρὸς τείχεσιν hinter v. 536. — v. 535 codd. στένοντες οὐ 
λαχόντες ἤματος μέρος. — v. 536 codd. καὶ προσῆν πλέον στύγος. — 


990 


534 
937 
939 


936 
538 


540 


945 





930 


9539 


940 


945 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 


Chorführer. 
Längst gilt mir Schweigen als des Schadens Linderung. 
Herold. 
Wie? hegtest Furcht du, weil die Fürsten euch so fern? 
Chorführer. 
Ο jetzt, wie du sagst, scheint zu sterben Wonne mir. 
Herold. 
Ja, Preis dem Ausgang! Freilich dies in langer Frist 
Erlebte heisst ein glücklich Loos zum Teile nur, 
Zum Teile wenig günstig. Doch in Ewigkeit 
Von allem Gram frei sind ja nur die Himmlischen. 
Denn wollt’ ich reden von den Mühn der Ruderfahrt, 
Dem seltnen Vollschlaf auf den harten Bohlen — ja! 


War doch die Ruhstatt auf dem Deck am obern Bord! — 


Zu eng für solche Klagen wär’ des Tages Frist. 


Jedoch das Festland bot noch mehr der Scheusslichkeit: 
Vom Himmel Regen, feuchter Dampf des Wiesengrunds 
Durchnässte rastlos, dass der Schade dauernd blieb, 
Die Haut, in Aussatzblüte wandelnd ihren Glanz. 

Wer dann den Winter, diesen Vogeltödter, gar 
Beschriebe‘, seine Strenge dort im Idaschnee — 

Die Sommergluten, wenn die See so wellenlos 

Auf stillem Mittagslager hingesunken schlief — 


Nein! weg die Klage! Ist die Not vorüber doch! 
Vorüber ist sie: erstlich unsern Todten dort, 
Dass selbst das Aufstehn ihnen keine Sorge macht; 


95 


v. 538 codd. λειμωνέαι. Schütz bess. — v. 539 codd. δρόσοι κατεψέκα- 
ξον. — v.540 codd. ἐσθημάτων τιϑέντες ἔνϑηοον τρίχα. Weil bess. — 


v. 546 codd. παροίχεται δὲ. Rauchenstein bess. 


v. 526. Der Chorführer deutet wie der Wächter v. 19 an dass es im 
königlichen Palaste nicht so gut wie früher steht. — v. 540. Es ist 
eine bekannte Erfahrung dass das Lagerleben Hautkrankheiten erzeugt. 


96 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


ἡμῖν δὲ τοῖς λοιποῖσιν ᾿Δργείων στρατοῦ 551 
νικᾷ τὸ κέρδος, πῆμα δ᾽ οὐκ ἀντιρρέπει. 552 
ti τοὺς ἀναλωϑέντας Ev ψήφῳ λέγειν. 548 
τὸν ξῶντα δ᾽ ἄλγους χρὴ τυχεῖν παλιγκότου;" 

καὶ πολλὰ χαίρειν συμφορὰς καταξιῶ. 5506 
Ὡς κομπάσαι τόδ᾽ εἰκὸς ἡλίου φάει 553 
ὑπὲρ ϑαλάσσης καὶ χϑονὸς ποτωμένοις" 

. Τροίαν ἑλόντες δή ποτ᾽ ’Agysiov στόλος | 555 


ϑεοῖς λάφυρα ταῦτα τοῖς nad” Ἑλλάδα 
δόμων ἐπασσάλευσαν ἀρχαίων γάνος." 
τοιαῦτα χρὴ κλύοντας εὐλογεῖν πόλιν 
καὶ τοὺς στρατηγούς" καὶ χάρις τιμήσεται 
«Ἱιὸς τόδ᾽ ἐκπράξασα. πάντ᾽ ἔχεις λόγον. 560 
ΧΟΡΟΣ. 
Νικώμενος λόγοισιν οὐκ ἀναίνομαι. 
ἀεὶ γὰρ ἡβᾷ νοῦς γέρουσιν εὖ μαϑεῖν. 
δόμοις δὲ ταῦτα καὶ Κλυταιμνήστρα μέλειν 
εἰκὸς μάλιστα, σὺν δὲ πλουτίξειν ἐμέ. 
ΚΛΥΤΑΙΜΧΗΣΤΡΑ. | 
᾿ἀνωλόλυξα μὲν πάλαι χαρᾶς ὕπο, 565 
ὅτ᾽ 79” ὁ πρῶτος νύχιος ἄγγελος πυρὸς. 
φράξων ἅλωσιν Ἰλίου τ᾽ ἀνάστασιν. 
καί τίς u’ ἐνίπτων εἶπε, ..υ φρυκτωρῶν Öle 
πεισϑεῖσα Τροίαν νῦν πεπορϑῆσϑαι δοκεῖς; 
ἦ κάρτα πρὸς γυναικὸς αἴρεσϑαι κέαρ." 570 
λόγοις τοιούτοις πλαγκτὸς οὐσ᾽ ἐφαινόμην. 
ὕμως δ᾽ ἔϑυον, καὶ γυναικείῳ νόμῳ 


Dass v. 551 und 552 vor v. 548 gehören hat zuerst Elberling er- 
kannnt. — v. 549 codd. δ᾽ ἀλγεῖν χρὴ τύχης. Ahrens bess. — v. 550 
codd. συμφοραῖς. Blomf.bess. — v.553 codd. τῷδ᾽. --- v.557 codd. δόμοις --- 
ἀρχαῖον. Hartung bess. — v. 562 codd. ἡβᾷ τοῖς γέρουσιν. Enger bess. 

Seite 97 v. 548. Wie ganz anders klang das bange Wort des Chors 





AESCHYLOS AGAMEMNON. 97 


551 Uns andern aber, uns, dem Rest des Griechenheers, 
552 Wiegt schwer der Segen, schnellt des Leides Schal’ empor. 
548 Was draufgegangen, sollte das der Lebende 
Noch rechnen? wiederfühlen neu erwachten Schmerz? 
550 Nein! allem Unglück, denk’ ich, dreimal Lebewohl! ἡ 


Denn wem dahinfliegt über Land und Meer der Ruhm, 
Dem ziemt des Denkmals stolze Schrift vor aller Welt: 
555 „Troja’s Erobrer, einst von Argos ausgesandt, 
Sie weihten Hellas’ Göttern diesen Siegesraub, 
Dass neuverjüngt die alten Tempel prangeten “. 
Wer solches lieset, muss ja segnen diese Stadt 
Und ihre Feldherrn, und er preist die Huld des Zeus 
560 Ob solches Strafamts. — Meinen Sinn nun kennest du. 
(Klytämnestra mit Gefolge tritt aus dem Palast.) 
Chorführer. 

Mich überzeuget dieses Wort, ich leugn’ es nicht; 
Denn für Belehrung bleibt der Geist auch Greisen jung. 
Doch deine Nachricht gilt ja diesem Haus zunächst 
Und unsrer Fürstin, ob sie mich auch miterfreut. 

Klytämnestra. 

565 Schon lange jauchzt’ ich freudig auf in heller Lust, 
Als mir des Feuers erster Bote nächtlich kam, 
Einnahm’ und Umsturz Dions verkündigend. 

Und mancher sagte spottend: „auf die Feuerpost 
Vertrauend glaubst du, Troja sei nunmehr zerstört ? 

570 Recht Weiberart ist's, aufgeregten Herzens sein!“ — 
Ja, solchen Reden schien ich freilich geistesschwach: 
Ich brachte dennoch Opfer, und nach Frauenbrauch 


v.440. — v. 555. Der ruhmredige Krieger versetzt sich in die Zeit, wo. 
einstmals die Enkel die sie gleichsam anredende Inschrift des Denkmals 
lesen. — v. 565. Klytämnestra weiss durch den Wächter bereits von der 
Ankunft des Heeres, daher verschmäht sie es den Herold zu begrüssen 
und sich von ihm erzählen zu lassen. 


AESCHYL. AGAMEMNON. 7 


98 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


ὀλολυγμὸς ἄλλος ἄλλοϑεν κατὰ πτόλιν 

ἔλασκον εὐφημοῦντες ἐν ϑεῶν ἕδραις, 

ϑυηφάγον κοιμῶντες εὐώδη φλόγα. 575 
καὶ νῦν τὰ μάσσω μὲν τί δεῖ σ᾽ ἐμοὶ λέγειν; 

ἄνακτος αὐτοῦ πάντα πεύσομαι λόγον. 


Ὅπως δ᾽ ἄριστα τὸν ἐμὸν αἰδοῖον πόσιν 

σπεύσω πάλιν μολόντα δέξασϑαι. τί γὰρ 

γυναικὶ τούτου φέγγος ἥδιον δρακεῖν; 580 
ἀπὸ στρατείας ἄνδρα σώσαντος ϑεοῦ | 
πύλας ἀνοίξω᾽' τάδε δ᾽ ἀπάγγειλον πόσει" 

ἥκειν ὕπως τάχιστ᾽ ἐράσμιον πόλει" 

γυναῖκα πιστὴν δ᾽ ἐν δόμοις εὕροι μολὼν 

οἵανπερ οὖν ἔλειπε, δωμάτων κύνα 585 
ἐσθϑλὴν ἐκείνῳ, πολεμίαν τοῖς δύσφροσιν, 

καὶ τἄλλ᾽ ὁμοίαν πάντα, σημαντήριον 

οὐδὲν διαφϑείρασαν Ev μήκει χρόνου. 

οὐδ᾽ οἶδα τέρψιν οὐδ᾽ ἐπίψογον φάτιν 

ἄλλου πρὸς ἀνδρὸς μᾶλλον ἢ χαλκοῦ βαφᾶς. 590 


Τοιόσδ᾽ 6 κόμπος πᾶς ἀληϑείας γέμων . 
οὐκ αἰσχρὸς ὡς γυναικὶ γενναίᾳ λακεῖν. 


ΧΟΡΟΣ. 
ΑἽὍὅτη μὲν οὕτως εἶπε μανϑάνοντι σοὶ 
τοροῖσιν ἑρμηνεῦσιν εὐπρεπῶς λόγον 
[τὸν ἀμφ᾽ ἑαυτῆς καὶ γυναικείων νόμων. 
σὺ δ᾽ εἰπὲ, κῆρυξ, Μενέλεων δὲ πεύϑομαι, 595 
el νόστιμός γε καὶ σεσωσμένος πάλιν 
ἥξει σὺν ὑμῖν, τῆσδε γῆς φέλῳ στρατῷ. 


v. 573 codd. ὀλολυγμὸν. — v. 582 codd. πύλας ἀνοῖξαι; ταῦτ᾽ ἀπάγ- 
ysılov. — v. 591 und 92 geben die codd. dem Herold. Herm. bess. — 
v. 591 codd. τῆς ἀληϑείας. Meineke 0688. — v. 597 codd. τῆσδε γῆς 
φίλον κράτος. 








575 


_ 580 


985 


590 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 99 


Ertönte hüben drüben, durch die ganze Stadt, 

An Göttersitzen hellen Jauchzens Feierklang, 

Der duft’gen Weihrauchflamme Gier besänftigend. — 
Auch nun das weitre brauchest du nicht kundzutun: 
Bald hör’ ich alles aus des Fürsten eignem Mund. 


Doch dass ich eile, bestens meinen trauten Herrn 

Bei seiner Heimkehr zu empfangen (ist ja doch 

Des Gatten Anblick seinem Weib das liebste Licht), 
Oeffn ich die Tore jenem, den vom Kriegeszug 

Ein Gott gerettet. Melde meinem Ehgemahl: 

„Zu kommen mög’ er eilen, seiner Stadt ersehnt. — 
Treu fänd’ er wieder seine Gattin hier im Haus, 

Wie einst er sie verlassen, als die Hüterin, 

Die ihm ergeben, bösgesinnten aber feind, 

Auch sonst sich gleich in allem; nimmer habe sie 

Ein Siegel ihm erbrochen trotz der langen Zeit. — 
Auch kenn’ ich Freuden (ja! der Freuden bösen Ruf) 
Vom fremden Mann so wenig als die schwarze Kunst“. — 


Ein solcher Selbstruhm, den die Wahrheit ganz erfüllt, 
Steht wohl dem Weibe, das von echtem Adel ist. 


(Sie geht mit Gefolge in den Talast: die Tore desselben werden weit aufgetan.) 


Chorführer. 
Soweit die Fürstin: dich belehrend sagte sie 
Mit aller Klarheit, welche Schriftauslegern ziemt, 
Das Wort von ihrer Tugend, ihrem Frauenbrauch., — 
Du aber, Herold, sage: wissen möcht’ ich gern, 
Ob auch Menelaos, wohlbehalten heimgekehrt, * 
Mit euch, dem lieben Heere dieses Lands, erscheint. 


v. 574. Das ist das Jauchzen, das den Chor v. 454 so empört hat. — 
v. 575. Dem Jauchzen oder Aufkreischen ward eine magische Einwir- 
kung auf die jäh aufflammende Glut beigelegt. — v. 593. Natürlich - 


spricht der Chor dies ironisch. 


TF 





100 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 


KHPTE. 

Οὐκ 209” ὅπως λέξαιμι τὰ ψευδῆ καλὰ 

ἐς τὸν πολὺν φίλοισι καρποῦσϑαι χρόνον. 
ΧΟΡΟΣ. 


Πῶς δῆτ᾽ ἂν εἰπὼν κεδνὰ τἀληϑῆ τύχοις; 


σχισϑέντα δ᾽ οὐκ εὔκρυπτα γίγνεται τάδε. 
ΚΗΡΥΈ. 


“Δνὴρ ἄφαντος ἐξ ’Ayaılnod στρατοῦ, 


αὐτός τε καὶ τὸ πλοῖον. οὐ ψευδῆ λέγω. 
ΧΟΡΟΣ. 
Πότερον ἀναχϑεὶς ἐμφανῶς ἐξ Ἰλίου, 


ἡ χεῖμα, κοινὸν ἄχϑος, ἥρπασε στρατοῦ; 
KHPTE. 


Ἔχυρσας ὥστε τοξότης ἄκρος σκοποῦ" 


μακρὸν δὲ πῆμα συντόμως ἐφημίσω. 
ΧΟΡΟΣ. 

Πότερα γὰρ αὐτοῦ ξῶντος ἢ τεϑνηκότος 

φάτις πρὸς ἄλλων ναυτίλων ἐκλήξετο; 
KHPT=. 

Οὐκ οἶδεν οὐδεὶς ὥστ᾽ ἀπαγγεῖλαι τορῶς. 

πλὴν τοῦ τρέφοντος Ἡλίου χϑονὸς φύσιν. 
ΧΟΡΟΣ. 

Πώς γὰρ λέγεις χειμῶνα ναυτικῷ στρατῷ 

ἐλϑεῖν τελευτῆσαί τε δαιμόνων κότῳ; 
KHPT.E. 

Πῶς κεδνὰ τοῖς κακοῖσι συμμίξω, λέγων 

χειμῶν᾽ ἀραῖον, οὐκ ἀμήνιτον ϑεοῖς:; 


Σωτηρίων γε πραγμάτων εὐάγγελον 
ἥκοντα πρὸς χαίρουσαν εὐεστοῖ πόλιν 
εὔφημον ἦμαρ οὐ πρέπει κακαγγέλῳ 
γλώσσῃ μιαένειν" χωρὶς ἀξία ϑεῶν.. 





600 


605 


610 


624 
625 


614 
615 


v. 613. Die vier V., womit der Herold seine Rede beginnt, haben 
sich in den codd. hinter v. 623 verirrt, v. 627 mit der Corruptel χει- 








AESCHYLOS AGAMEMNON. 101 


Herold. 
Nicht darf ich wähnen dass die Lüge Freunden je 
Zum Segen dienet, auf die Dauer förderlich. 
Chorführer. 
600 Wie sprächst du Wahrheit denn zugleich und liebe Mähr? 
Gar bald enthüllt sich’s, wenn die beiden nicht vereint. 


, Herold. 
Der Fürst — verschwunden ist er aus dem Griechenheer, 
Er selber samt dem Schiffe. Wahrheit sag’ ich dir. 
Chorführer. 


Wie? schifft’ er offen denn sich ein von Ilion? 
605 Entführt’ ein Sturm ihn, alle geisselnd, eurem Heer? 
Herold. 
Getroffen hast du wie ein scharfer Schütz das Ziel: 
Ein grosses Unglück sprachst du aus in kurzem Wort. 
Chorführer. 
Ward denn von andern Schiffern keine Sage kund, 
Ob jener lebet, ob er schon gestorben ist? 
Herold. 
610 Nein, keiner weiss es, dass er klar es meldete, 
Nur er, der Nährer dieser Schöpfung, Helios. 
Chorführer. 
Wie aber kam denn, sprich, vom Götterzorn gesandt, 
613 Der Sturm der Flotte? welches Ende nahm er drauf? 
Herold. 
626 Wie soll ich Leid mit Jubel mischen, dieses Sturms 
627 Fluch schildernd, den uns wahrlich schuf der Götter Zorn? 


624 Nein! wer die frohe Kunde bringt von Sieg und, Heil 

625 Der Vaterstadt, die ihres Segens sich erfreut, 

614 Der darf die Andacht nimmermehr entheiligen 

615 Durch schlimme Botschaft. Andres heischt der Götter Dienst. — 


μῶν᾽ ἀχαιῶν, v. 624 mit σωτηρίων δὲ. — v.615 codd. γωρὶς ἡ τιμὴ 
ϑεῶν. 


102 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


ὕταν δ᾽ ἀπευκτὰ πήματ᾽ ἄγγελος πόλει 
στυγνῷ προσώπῳ πτωσίμου στρατοῦ φέρῃ, 
πόλει μὲν ἕλκος ἕν τι, δήμιον τύχην, 
πολλοὺς δὲ πολλῶν ἐξαγισϑέντας δόμων 
ἄνδρας διπλῇ μάστιγι, τὴν ΄άρης φιλεῖ, 
δίλογχον ἄτην, φοινίαν ξυνωρέδα᾽ 
τοιῶνδε μέντοι πημάτων σεσαγμένον 
πρέπει λέγειν παιᾶνα τόνδ᾽ ᾿Ερινύων. 


Ξυνώμοσαν γὰρ, ὄντες ἔχϑιστοι τὸ πρὶν, 
πῦρ καὶ ϑάλασσα, καὶ τὰ πίστ᾽ ἐδειξάτην 
φϑείροντε τὸν δύστηνον ’Apyeiov στρατόν. 
[ἅπας δ᾽ ἐμυκᾶτ᾽ οὐρανὸς βροντήμασιν, 
στεροπαῖς τε λαμπραῖς καὶ κεραυνίας φλογὸς 
ῥιπαῖς ἰδεῖν ἦν φέγγος ἡμερήσιον] 

ἐν νυκτί. δυσκύμαντα δ᾽ ὀρώρει κακὰ - 
στρατοῦ καμόντος καὶ κακῶς σποδουμένου 
χειμῶνι τυφῶ σὺν ξάλαις ὀμβροκτύπῳ. 

ναῦς γὰρ πρὸς ἀλλήλαισι Θρήκιαι πνοαὶ 
ἤρεικον" αἱ δὲ κεροτυπούμεναι βίᾳ 

ὥχοντ᾽ ἄφαντοι ποιμένος κακοῦ στρόβῳ. 


Ἐπεὶ δ᾽ ἀνῆλϑε λαμπρὸν ἡλίου φάος, 
ὁρῶμεν ἀνθοῦν πέλαγος Αἰγαῖον νεκροῖς 
ἀνδρῶν ᾿Δχαιὼν ναυτικῷ τ᾽ ἐρειπίῳ. 

ἡμᾶς γε μὲν δὴ ναῦν τ᾽ ἀκήρατον σκάφος- 
σκήπτων τις ἐξέκλεψεν ἢ ᾿ξηγήσατο 

ϑεύς τις, οὐκ ἄνϑρωπος, οἴακος ϑιγῶν. 


v. 618 codd. ἕν τὸ δήμιον τυχεῖν. — v. 622 codd. σεσαγμένων. Schütz 
bess. — Die zu v. 631 gehörigen v. 648 und 634 sind in den codd. ver- 
sprengt: sie nehmen dort den durch die Ziffer bezeichneten Platz ein, 
v. 634 in der Form χειμῶνι τυφῶ σὺν ξάλῃ τ᾽ ὀμβροκτύπῳ. — v. 633 
Farn. nesızov. — v. 638 codd. ναυτικῶν τ᾽ ἐριπέων. — v. 640 codd. 
ἦτοι τις. Sodann ἢ ᾿ξῃτήσατο. Schütz bess. 


620 


691 
648 
634 
632 
633 
635 


640 








620 


623 


628 


630 


631 
648 


634 
632 


633 
635 


640 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 103 


Doch wenn ein Bote seiner Stadt mit finstrem Blick 
Ein schaurig Unglück überbringt vom Fall des Heers, 
Dem Staat die &ine Wunde, die der Bürgerschaft, 
Und dass so manchen aus so manchem Hause traf 
Der Fluch der Doppelgeissel, die im Kriege haust — 
Zweischneidig Unheil meldend, blut’'ge Doppelpost — 
Ja freilich, wer von solchen Leiden voll bepackt, 
Dem ziemet dieser Höllengeister-Lobgesang. 


Verschworen nämlich zeigten, schlimmste Feinde sonst, 
Sich Flut und Feuer und bewährten ihren Bund 

Ach! zum Verderben jenes armen Griechenheers. 

Am Himmel brüllte rings des Donners Widerhall; 

Die Blitze lohten, dass von ihres Feuerscheins 
Aufleuchten grelles Tageslicht zu schauen war 

Im Finstern. Schlimmer Wogendrang umtobte schon 
Die arme Mannschaft, wild zerzaust und durchgepeitscht ® 
Vom Sturm der Windsbraut, der mit Hagel prasselte. 
Denn malmend drängte Schiff an Schiff der schnaubende 
Nordwind, sodass sie, berstend durch der Hörner Stoss, 
Spurlos verschwanden vor des schlimmen Hirten Braus. 


Als drauf in Klarheit sich der Sonne Licht erhob, 
Da sehn wir rings des Meeres weite Fläche blühn 
Von Griechenleichen und der Flotte Trümmerwerk. 
Uns zwar entführte samt dem unverletzten Schiff 

Am Kiele schiebend einer, oder lenkt ein Gott — 
Ein Mensch gewiss nicht — steuerkundig uns hinaus? 


v. 620. Die Doppelgeissel des Kriegsgottes ist Schwert und Pest. — 
v. 633 der Hörner d. ἢ. der starken Schiffsschnäbel. Denn der Dichter 
führt das Bild korrekt durch, indem er den Wind einen Hirten nennt, 
der seine Heerden, die Schiffe, auf die Weide des Meeres treibt, zu- 
weilen aber auch sie gegen einander hetzt und verdirbt. — v. 640 „am 
Kiele schiebend‘‘ etwa Triton oder die Nereiden. 


104 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


Τύχη δὲ. σωτὴρ ναυστολοῦσ᾽ ἐφέξετο, 
ὡς μήτ᾽ ἀνόρμου κύματος ξάλην ἔχειν 
unt’ ἐξοκεῖλαι πρὸς κραταίλεων χϑόνα. 


ἔπεῖτα δ᾽ ἄδην πόντιον πεφευγότες, 645 
λευκὸν Kar’ ἦμαρ, οὐ πεποιϑότες τύχῃ. 

ἐβουκολοῦμεν φροντίσιν νέον πάϑος. 647 
Καὶ νῦν ἐχείνων εἴ τις ἐστὶν ἐμπνέων. 649 
λέγουσιν ἡμᾶς ὡς ὀλωλότας, τί μή; 650 


ἡμεῖς γ᾽ ἐκείνους ταῦτ᾽ ἔχειν δοξάξομεν. 
γένοιτο δ᾽ ὡς ἄριστα. Μενέλεώ γε ναῦν 
πρῶτόν τὲ καὶ μάλιστα προσβολὴν μολεῖν. 


Εἰ δ᾽ οὖν τις ἀκτὶς ἡλίου νιν ἱστορεῖ 

χλωρόν τε καὶ βλέποντα, μηχαναῖς Διὸς 655 
οὔπω ϑέλοντος ἐξαναλῶσαι γένος, 

ἐλπίς τις αὐτὸν πρὸς δόμους ἥξειν πάλιν. 

τοσαῦτ᾽ ἀκούσας ἴσϑι τἀληϑὴῆ κλύων. 


ΧΟΡΟΣ. 
στρ. α΄. 
Τίς nor’ ὠνόμαξεν ὧδ᾽ | 
ἐς τὸ πᾶν ἐτητύμως — 660 
un τις ὄντιν᾽ οὐχ ὁρῶμεν προνοί- 
αιόι τοῦ πεπρωμένου 
γλῶσσαν EV τύχα νέμων; — 
τὰν δορίγαμβρον ἀμφινει-- . 
un 9° Ἑλέναν; ἐπείπερ ὄν-- 665 
τῶς ἑλέναυς, ἕλανδρος, EAE- 
πτολις ἐκ τῶν ἁβροπήνων 





v. 642 codd. ναῦν ϑέλουσ᾽. Casaub. bess. — v. 643 codd. ἐν ogum. — 
v. 651 codd. ἡμεῖς τ΄. Ahrens bess. — v. 652 codd. Μενέλεων γὰρ οὖν. — 
v. 653 codd. προσδόκα μολεῖν. — v. 655 codd. καὶ ξώντα καὶ βλέποντα. 
Toup. bess. nach Hesych. — v. 659 codd. ὠνόμαξεν. Herm, bess. — 








645 


647 


649 


655 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 


Und rettend, hülfreich, sass am Bord das gute Glück, 
Dass keine Sturzflut hohler See uns kentern liess, 
Noch an des Festlands scharfem Riff wir scheiterten. 
Dann aber, zwar der Hölle quitt im Meeresschooss, 
Misstrauten wir dem Glücke selbst am heitren Tag, 
Und reiche Weide fand der Gram am frischen Leid. 


Auch jetzo, wenn von jenen einer Odem hat, 
Gedenkt er unser als gestorbner — muss er nicht? 
Denn wir ja schätzen, jenen sei es so geschehn. 
Das beste wünsch’ ich: hätte nur Menelaos’ Schiff 
Vor allen und am liebsten sichern Port erreicht! 


Erforschet also diesen nur ein Sonnenstral 

Als unverwest und lebend durch die Huld des Zeus ‚ 
Der seinem Stammbaum später erst ein Ziel gesetzt, 
So darfst du hoffen dass er einst nach Hause kehrt. 
Das ist die Wahrheit, alles, was du jetzt vernahmst. 


(Der Herold geht nach links hin ab.) 


Wechselgesang des Chors. 
Erster Halbchor. 
Wer erfand, so völlig wahr- 
sagend, jenen Namen doch 
(Wär’ es einer, den der Blick nimmer schaut, 
der gemäss verhängtem Loos 
Klarbewusst die Zunge lenkt?) 
Ihr, der umstrittnen Lanzenbraut : 


Helena? denn ein Höllengeist 
Schiffen und Mannen, Städten sogar, 
fuhr sie hin und vertauschte 
v. 665 codd. ἐπεὶ πρεπόντως. Schwerdt bess. — v. 666 codd, ἑλένας. 


Blomf. bess. — v. 667 codd. ἀβροτέμων. Salmas. bess. 


v. 665. Zwischen Namen und Person ist ein mystischer Zusammen- 


hang. Helena kann gedeutet werden als „Schiffsvernichterin“. 


106 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


προκαλυμμάτων ἔπλευσεν 
ξεφύρου πιπράντος αὔρα, 
πολύυανδροί τε φεράσπιδες 
κυνάγουν κατ᾽ ἴχνος πλατᾶν ἄφαντον 
κελσάντων Σιμόεντος ἀ- 

κτὰς ἐπ᾽ ἀεξιφύλλους 
δι᾿ ἔριν αἰματόεσσαν. 


3 [2 


αντ. α. 
Ἰλίῳ δὲ κῆδος ὀρ- 
ϑώνυμον τελεσσίφρων 
μῆνις ἥλασεν, τραπέξας ἀτί- 
μῶσιν ὑστέρῳ χρόνῳ 
καὶ ξυνεστίου Διὸς 
πρασσομένα, τὸ νυμφότι- 
μον μέλος ἐκφάτως τιόν- 
τῶν ὑμέναιον, ὃς τότ᾽ ἐπέρ- 
gene γαμβροῖσιν ἀείδειν. 
μεταμανθϑάνουσα δ᾽ ὕμνον 
Πριάμου πόλις γεραιὰ 
πολύδειρος μέγα που στένει, 
κικλήσκουσα Πάριν τὸν αἰνόλεκτρον, 
παμπορϑῆ πολύϑρηνον αἰ- ᾿ 
ὥν᾽ ἔτι πρὸς πολιτᾶν 
μέλεον αἷμ᾽ ἀνατλᾶσα. 
στρ. β΄. 
Ἔϑρεψεν δὲ λέοντος ἷἴ-- 
νιν δόμοις ἀγάλακτον ἀρ- 
νῶν ἀνὴρ φιλόμαστον, 
ἐν βιότου προτελείοις 


v. 669 codd. ξεφύρου γίγαντος. — v. 671 codd. κυναγοὶ. --- v. 673 
Flor. ἐπ᾽ ἀξιφύλλους. — v. 678 Flor. ἀτίμως ἕν᾽. Canter bess. — v. 681 
codd. τέοντας. --- v.686 codd. πολύϑρηνον μέγα. --- ν. 688 codd. παμπρόσϑη. 
Seidler bess. — v. 689 codd. αὐῶν᾽ ἀμφὶ πολίταν. ---- v. 691 codd. λέοντα 
σένιν. Conington bess. — v.692 codd. ἀγάλακτον οὗτος ἀνὴρ (Farn. οὕτως). 

Seite 107 v.674. Der Simoisstrand war gedüngt durch den Krieg, den 
Herakles hier gegen den eidbrüchigen Laomedon geführt hatte. — v. 675. 


670 


675 


680 


685 


690 


AESCHYLOS AGAMEMNON, 107 


Die Behaglichkeit des Brautbetts 
Mit des Westes scharfem Sturmhauch. 
670 Schaaren aber von Waffenvolk 
Folgten stöbernd verschwomm’ner Ruderfährte; 
Doch — schon nahm der Simoisstrand 
schützend sie auf, der grüne, 
Grün von blutigem Streite. 
Zweiter Halbchor. 

675 Aber wirklich Ehewehn 
sandt’ ein Rachegeist, der fest 

Hielt am Ziel, den Troern hin: jenen Schimpf 
frechentweihter Gastlichkeit, 
Jene Schmach des höchsten Zeus, 

680 Rächt’ er sofort, indess das Volk 
jubelnd erhob des stolzen Braut- 
liedes geweihte Klänge, so da- 
mals den Schwähern beschieden. 

Doch es lernt noch um die Sangart 

685 Die ergraute Veste Priams: 

Laut wohl seufzet da manche Brust, 

Paris immer den Wehegatten rufend: 

Ja! wohl tragen sie dort ein weh- 
volles verstörtes Dasein 

690 Um die Leichen der Bürger. 

Erster Halbchor. 
Es zieht einer im Haus sich auf 
wohl ein saugendes Löwenkalb, 
legt's zum Lamm an die Euter: 
Erst, im Beginne des Lebens, 


— -----  μ.-. un 


Unter Cornelius’ Deckenbildern in der Glyptothek zu München befindet 
sich eines, worin Paris und Helena zu Schiffe fliehend dargestellt werden: 
die Segel sind vom Winde geschwellt, Eros sitzt am Steuerruder, aber 
an seiner Fackel zünden die ungesehen folgenden Erinyen die ihrige 
an. — v. 680. Die unmittelbare Rache bestand eben in der Sendung 
Helena’s, die unter schöner Gestalt eine Erinys barg. — v. 686 deutet 
zurück auf v. 311. 





108 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


ἅμερον, εὐφιλόπαιδα, | 695 
. καὶ γεραροῖς ἐπίχαρτον. 
πολέα δ᾽ ἔσχ᾽ ἐν ἀγκάλαις 
νεοτρόφου τέκνου δίκαν, 
φαιδρωπὸς ποτὶ χεῖρα σαί- 
νῶν τὲ γαστρὸς ἀνάγκαις. 700 
u ἄντ. β΄. 
Χρονισϑεὶς δ᾽ ἀπέδειξεν ἧ- 
Dog τὸ πρὸς τοκέων᾽ χάριν 
γὰρ τροφεῦσιν ἀμείβων 
μηλοφόνοισιν ἀυταῖς --- 
αἵματι δ᾽ οἶκος ἐφύρϑη -- | 706 
δαῖτ᾽ ἀκέλευστος Erevkev, 205 
ἄμαχον ἄλγος οἰκέταις 
μέγα σίνος πολύκτονον. 
ἐκ ϑεοῦ δ᾽ ἱερεύς τις ἄ- 
τας δόμοις προδεϑρέφϑη. ο 110 
στρ. γ΄. 
Παρ᾽ αὖ τάδ᾽ ἐλϑεῖν ἐς Ἰ- 
λίου πόλιν λέγοιμ᾽ ἂν 
φοόνημα μὲν νηνέμου γαλάνας, 
ἀκασκαῖον στάλαγμα πλούτου, 
μαλϑακὸν ὀμμάτων βέλος, 
δηξέϑυμον Ἔρωτος ἄνϑος. | 715 
παρακλίνασ᾽ ἐπέκρανεν 
δὲ γάμου πικρὰς τελευτὰς. 
δύσεδρος καὶ δυσόμιλος 
συμένα Πριαμίδαισιν, 
πομπᾷ Διὸς Eeviov, | 720 
νυμφόκλαυτος Ἐρινύς. 


--......οΘ..-.. -.- .-- 


v. 701 codd. ἔϑος. Conington bess. --- Flor. τοκήων und τροφάς. --- 
v. 704 codd. ἅταις (ἄταισιν). Ahrens bess. — v.706 und 705 haben in 
den codd. ihren Platz vertauscht. — v. 710 codd. προσετράφη. Heath 
bess. — v. 711 codd. w&guvre. Wieseler bess. — v. 713 codd. ἄγαλμα. — 
v. 716 Farn. παρακλίνουσ᾽, 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 109 


695 Spielet es zahm mit den Kindern, 
Selber den Alten ein Liebling; 
Hängt in ihren Armen oft 
Gleich dem zarten Kind und schaut, 
Weil es Hunger bezwingt, zur Hand 
700 auf mit freundlichem Wedeln. 
Zweiter Halbchor. 
Gereift aber erweist er bald 
als sein Erbe der Eltern Art: 
seinen Pflegern vergeltend ‚ 
Schafft in der Lämmer Erwürgung 
706 (Ha! wie der Boden in Blut schwimmt) 
705 Ohne Geheiss er ein Mahl sich, 
Unbekämpfbar allem Volk, 
Schwelgend, ach! in wüstem Mord. 
Das heisst Schickung! dem Haus erwuchs 
710 wohl ein Opfrer der Hölle. 
Erster Halbchor. 
In gleicher Art kam zuerst 
in ihr gen Troja gleichsam 
Der Meeresruh wunderstilles Weben, 
Der Feldfrucht leises Maigeträufel, 
Wonniger Augenstralenblitz, 
715 Herzverwundende Rosenblüte. 
Doch im Umschlagen erschuf dann 
sie den bittren Schluss der Hochzeit, 
Da mit Elend und Verwüstung 
in des Tros Haus sie hineinfuhr, 
720 Auf Zeus’ des Gastlichen Wink, 
Brautbeweinet, ein Fluchgeist. 


v. 711 flg. führen aus, wie die holdselige Helena eine Erinys in 
sich getragen und diese zunächst den Priamiden offenbart hat (später 
auch den Atriden v. 1418). 


110 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


ἄντ. γ΄. 

Παλαίφατος δ᾽ ἐν βροτοῖς 

γέρων λόγος τέτυκται, 
„ueyav τελεσϑέντα φωτὸς ὄλβον 
τεκνοῦσϑαι μηδ᾽ ἄπαιδα ϑνήσκειν, . 
κ δ᾽ ἀγαϑᾶς τύχας γένει 
βλαστάνειν ἀκόρεστον οἰξύν."“ 
δίχα δ᾽ ἄλλων μονόφρων εἰ- 

ul. τὸ δυσσεβὲς γὰρ ξργον 
μετὰ μὲν πλείονα τίκτει, 

σφετέρᾳ δ᾽ εἰκότα γέννα. 
οἴκων γὰρ εὐθυδίκων 
καλλίπαις πότμος ἀεί. 


στρ. δ΄. 

Φιλεὶ δὲ τίκτειν ὕβρις 

μὲν παλαιὰ νεά- ' 

ξουσαν ἐν κακοῖς βροτῶν ὕβριν 
τότ᾽ ἢ τότ᾽ ἔστε κύριον μολεῖν ἔαρ 
φαξδκότον. δαίμονα τεκεῖν 

ἄμαχον, ἀπόλεμον, ἀνίερον 
ϑράδος μελαίνας μελάϑροισιν "Aras, 
εἰδομέναν τοκεῦσιν. 


ἂντ. δ΄. 
Δίκα δὲ λάμπει μὲν ἐν 
δυσκάπνοις δώμασιν, 
τῶν δ᾽ ἐναισίμων τίει βίον. 
τὰ χρυσόπαστα δ᾽ ἄϑλα σὺν πίνῳ χερῶν 
παλιντρόποις ὄμμασι λιποῦσ᾽ 
ἀνόσι᾽ ἀπόσυτο., δύναμιν οὐ 


v. 728 codd. τὸ γὰρ δυσσεβὲς. Pauw bess. -- ν. 736 codd. τότ᾽ ἢ 
τόϑ᾽ ὅταν τὸ κύριον μόλῃ νεαρὰ φάους" κότον δαίμονά τε τὸν ἅμα- 


190 


135 


740 


745 


— 


Uno 


720 


730 


735 


740 


745 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 111 


Zweiter Halbchor. 


Es steht ein uraltes Wort 
noch immer fest der Menschheit: 
„Es zeuge zwar Erben sich das Vollmass 
Des Reichtums, nimmer sterb’ er kindlos, 
Aber der Gunst des Glücks entkeim’ 
Unersättliches Weh der Enkel“. 
Ο des Irrtums, dem die Welt fröhnt! 
die verruchte Tat, behaupt’ ich, 
Sie gebiert stets des Gezüchts mehr, 
in der Art gleich der Erzeugrin. 
Rechtschaffnem Stamme ja blüht 
Heil und Segen der Enkel. 


Erster Halbchor. 


Der Uebermut alter Zeit 

zeuget gern wieder neu, 

wo das Herz verdorben, Uebermut, 
So heut wie morgen, bis des Frühlings Kreisen naht, 
Zu zeugen jenen finstern Geist, 

den keiner zwingt und niederringt, 
Des dunklen Wahnwitzes verruchte Frechheit, 
Gleichend den einst’gen Zeugern. 


Zweiter Halbchor. 


Doch Dike’s Blick stralt in russ- 

schwarzen Lehmhütten auch, 

denn der Frommen Wandel ehrt sie hoch. 
Doch güldnen Preisen, dran der Schmutz von Fingern klebt, 
Versagt sie sich mit Zornesblick, 

unreines schauend stürmt sie fort: 


χον. Schneidew. fand φαεσκότον. — v. 743 codd. τὸν δ᾽ ἐναίσιμον. --- 
v. 744 codd. ἐσϑλὰ statt ἀϑλα. — v. 746 codd. ὅσια προσέβα τοῦ. 


112 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


σέβουσα πλούτου παράσημον αἴνῳ" 
᾿ πάντ᾽ ἐπὶ τέρμα νωμᾷ. | 


"Aye δὴ, βασιλεῦ, Τροίας πτολίπορϑ᾽, 
Arosws γένεϑλον, 750 
nos de προσείπω; πῶς de σεβίξω:; 
un® ὑπεράρας μήϑ᾽ ὑποκάμψας 
καιρὸν χάριτος [πολυτίμου ;} 


Πολλοὶ δὲ βροτῶν τὸ δοκοῦν ὄντος 
προτίουσι δίκην παραβάντες, 


Καὶ νῦν χαίρουσιν ὁμοιοπρεπεῖς 158 
ἀγέλαστα πρόσωπα βιαζόμενοι. 759 
τῷ δυσπραγοῦντι δ᾽ ἐπιστενάχειν 755 
πᾶς τις ἕτοιμος, δῆγμα δὲ λύπης 756 

οὐδὲν ἐφ᾽ ἧπαρ προσικνεῖται. 757 


Ὅστις δ᾽ ἀγαϑὸς προβατογνώμων, 
οὐκ ἔστι λαϑεῖν ὄμματα φωτὸς, 
τὰ δοκοῦντ᾽ εὔφρονος ἐκ διανοίας 
ὑδαρεῖ σαίνει φιλότητι. 


Σὺ δέ μοι τότε μὲν στέλλων στρατιὰν 
Ἑλένης ἕνεκ᾽, οὐκ ἐπικεύσω, - 


“«Ϊ᾿ 
je) 
Or 


Κάρτ᾽ ἀπομούσως ἦσϑα γεγραμμένος 
οὐδ᾽ εὖ πραπίδων οἴχκα νέμων 


v. 148 codd. πᾶν δ᾽ ἐπὶ. — v. 751 Farn, σεβίξω. --- v. 754 codd. τὸ 
δοκεῖν εἶναι. — v.758 und 59 haben sich in den codd. an den durch 
die Ziffern bezeichneten Platz verirrt, v. 758 in der Form καὶ ξυγχαί- 








750 


158 
759 
755 


765 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 113 


Sie hasst die falschgleissende Macht des Mammons. — 
Segen und Fluch verteilt sie. 


(Von links her kommt der Siegeszug Agamemnons in die Orchestra herein; voran 
Herolde und Lanzenträger, dann der Wagen, worauf der König und neben ihın die ge- 
fangene Kassandra sitzt. Der Chor tritt ihm ehrerbietig entgegen.) 


Chor. 
Die drei Reihenführer. 
Mein König und Herr, der du Troja bezwangst, 
Atreus’ Nachfahr, 
Wie begrüss’ ich dich recht? wie verehr’ ich dich echt? 
Nicht spendend zu viel, doch erreichend das Ziel 
Ehrfürchtigen Dankes und Preises? 
Erster Reihenführer. 
Gar viele ja stellen den Schein vors Sein, 
Nicht achtend der Grenze des Rechtes: 
Zweiter Reihenführer. 
Auch jetzt wohl ähnlich den Fröhlichen hier, 
Die gerunzelte Stirne bezwingend in Lust; 
Mit Traurigen aber zu seufzen bereit 
Allmänniglich, sollt’ auch nimmer ans Herz 
Hindringen der Stachel des Grames. 
Dritter Reihenführer. 
Doch ‘wer als Kenner des Volks sich bewährt, 
Den teuscht unmöglich das Auge des Manns, 
Das, scheinbar zwar wohlmeinenden Sinns, 
Schöntut in geschminkter Verehrung. 
Erster Reihenführer. 
Damals zwar, als in den Krieg du zogst 
Um Helena — nimmer verhehl’ ich's — 
Dritter Reihenführer. 
Da stand es mir fest, du steurest verkehrt 
Und nicht zum Segen des Willens Entschluss, 


ρουσιν. — v. 756 Flor. δεῖγμα. — v. 764 codd. σαένειν. Casaub. bess. — 
v. 766 codd. οὐ γὰρ ἐπικεύσω. Herm. bess. 


ABSCHYL. AGAMEMNON. 8 


114 


bess. — v. 772 codd. εὔφρων πόνος (Farn. τὶς πόνορ). — v. 777 codd. 
δίκη προσειπεῖν. Heimsoeth bess. — v. 784 codd. ἐλπὶς προσήει χει- 
ρὸς, — v. 786 codd. ovvdvnonovon. Enger bess. — v. 788 codd. γάριν 
τένειν. — v.789 codd. καὶ πάγας ὑπερκότους. Ahrens bess. — v. 792 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 


χϑονὸς ἔγκληρον [πῖαρ δήας] 
ἀνδράσι ϑνήσκουσι κομίζων. 


Νῦν δ᾽ οὐκ ἀπ᾿ ἄκρας φρενὸς οἶδα φίλ᾽ ὡς 


εὔφρων ὄντως εὖ τελέσασιν. 

γνώσει δὲ χρόνῳ διαπευϑόμενος 

τόν τε δικαίως καὶ τὸν ἀκαίρως . 
πόλιν οἰκουροῦντα πολιτῶν. 


ATAMEMNRN. 
Πρῶτον utv”Aoyos καὶ ϑεοὺς ἐγχωρίους 
ϑέμις προσειπεῖν, τοὺς ἐμοὶ μεταιτίους 
νόστου δικαίων 9 ὧν ἐπραξάμην πόλιν 


Πριάμου" δίκας γὰρ οὐκ ἀπὸ γλώσσης ϑεοὶ 
χλύοντες, ἀνδροϑνῆτας Ἰλίου φϑορὰς, 

εἰς αἱματηρὸν τεῦχος οὐ διχορρόπως 
ψήφους ἔϑεντο" τῷ δ᾽ ἐναντίῳ κύτει 

ἐλπὶς προσῆστ᾽ ἀχρεῖος οὐ πληρουμένῳ. 
καπνῷ δ᾽ ἁλοῦσα νῦν ἔτ᾽ εὔσημος πόλις. 
ἄτης ϑύελλαι ξῶσι" δυσϑνήσκουσα δὲ 
σποδὸς προπέμπει πίονας πλούτου πνοάς. 


Τούτων ϑεοῖσι χρὴ πολύμνηστον τίνειν 
χάριν γ᾽, ἐπείπερ κἀλλαγὰς ὑπερκόπους 
ἐπραξάμεσϑα καὶ γυναικὸς οὔνεκα 
πόλιν διημάϑυνεν ’Agyslov δάκος, 
ἵππου «νεοσσὸς ἀσπιδηκρότος, λάβρον 


v. 769 codd, ϑράσος ἑκούσιον. — v. 771 οοἀᾷ. οὐδ᾽ ὠφίλως. Ahrens 


codd. ἀσπιδηστρόφος λεώς. 


770 


775 


780 


7185 


790 








770 


775 


780 


785 


790 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 115 


Da du Bodenbesitz im feindlichen Land 

Nur sterbenden Männern gewannest. 

Zweiter Reihenführer. 

Doch nun weiss Dank ich im tiefsten Gemüt, 
Der geretteten Schaar wohlwollend im Ernst. 
Dir aber erkennet der forschende Blick 
Mit der Zeit, wer recht und wer heillos 

Als Bürger im Staate dir waltet. 


Agamemnon 
‚(sich im Wagen zum Gebet erhebend), 
Zuerst gebührt sich’s, Argos und die heimischen 
Gottheiten fromm zu grüssen, sie, Mithelfer mir 
Zur Wiederkunft wie zum gerechten Rachewerk 


An Troja. — Denn die Götter, nicht aus Rednermund 
Den Streit vernehmend (sahn sie doch die mördrischen 
Verliste Trojas), legten ohne Schwanken hin 

Das Todesurteil: bei dem andren Stimmgefäss 

Sass nur die Hoffnung krank und matt — so blieb es leer. 
Am Rauch erkennt man heute noch die früh’re Stadt: 

Der Rache Stürme schnauben, und die Asche haucht 
Langsam ersterbend noch des Reichtums fetten Qualm. 


Darob gebührt den Göttern ewig Huldigung 

Und Dank, zumal da wir Ersatz im Uebermass 
Errungen haben: eines Weibes halber ist 

Die Stadt zertreten durch ein griechisch Ungetüm, 
Des Rosses stahlbeklirrte Brut, die auf den Raub 


v. 769 das Grab; vgl. v. 440. — v.780—82. Die Götter sind die 
Richter in diesem eigentümlichen Prozesse, der nicht in Advokaten- 
reden, sondern in Feldschlachten sein Plaidoyer hat. — νυ. 791. In 
Griechenland gab es sonst keine reissenden Tiere mehr, aber das höl- 
zerne Pferd gebar einen furchtbaren Löwen. 


8*+ 





116 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


πήδημ᾽ ὀρούσας ἀμφὶ Πλειάδων δύσιν. 
ὑπερϑορὼν δὲ Πέργαμ᾽ ὠμηστὴς λέων 
ἄδην ἔλειξεν αἵματος τυραννικοῦ. 795 


Θεοῖς μὲν ἐξέτεινα φροίμιον Todes‘ 
τὰ δ᾽ ἐς τὸ σὸν φρόνημα μέμνημαι κλύων 
καὶ φημὶ ταὐτὰ καὶ συνήγορόν μ᾽ ἔχεις. 


Παύροις γὰρ ἀνδρῶν ἐστι συγγενὲς τόδε, 

φέλον τὸν εὐτυχοῦντ᾽ ἄνευ φϑόνων σέβειν. 800 
δύσφρων γὰρ ἰὸς καρδία προσήμενος 

ἄχϑος διπλοίξει τῷ πεπαμένῳ νόσον" 

τοῖς τ᾽ αὐτὸς αὑτοῦ πήμασιν βαρύνεται 

καὶ τὸν ϑυραῖον ὄλβον εἰσορῶν στένει. 


Εἰδὼς λέγοιμ᾽ ἂν, εὖ γὰρ ἐξεπίσταμαι 805 
ὁμιλίας κάτοπτρον, εἰδώλων σκιὰς 

δοκοῦντας εἶναι κάρτα πρευμενεῖς ἐμοί. 

μόνος δ᾽ Ὀδυσσεὺς, ὅσπερ οὐχ ἑκὼν ἔπλει, 

ξευχϑεὶς ἕτοιμος ἦν ἐμοὶ σειραφόρος" 

εἴτ᾽ οὖν ϑανόντος εἴτε καὶ ξῶντος λέγω. 810 


Τὰ δ᾽ ἄλλα, ταῦτα πρὸς πόλιν Te καὶ ϑεοὺς, 

κοινοὺς ἀγῶνας ϑέντες ἐν πανηγύρει 

βουλευσόμεσϑα. καὶ τὸ μὲν καλῶς ἔχον 

ὅπως χρονίζον εὖ μενεῖ βουλευτέον" 

ὅτῳ δὲ καὶ δεῖ φαρμάκων παιωνίων, 815 
ἦτοι κέαντες ἢ τεμόντες εὐφρόνως 

πειρασόμεσϑα πῆμ᾽ ἀποστρέψαι νόσου. 


v. 794 codd. πύργον. — v. 800 Farn. φϑόνου. — v. 801 codd. καρ- 
δίαν. Casaub. bess. — v. 806 codd. εἴδωλον σκιᾶς. — v. 810 und 11 
codd. ξῶντος πέρι | λέγω" τὰ δ᾽ ἄλλα πρὸς πόλιν. — v.817 codd. πή- 
ματος τρέψαι νόσον. Porson bess. 


795 


800 


805 


810 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 117 


Mordgierig ansprang bei der nahen Mitternacht; 
Dann auf die Burg sich schnellend, ward’s ein reissender 
Leu, welcher satt sich lecken durft’ in Fürstenblut. — 


(Er wendet sich an den Chor.) 


Den Göttern weiht’ ich dies Gebet als ersten Gruss. 
Doch deine Stimmung sprachst du aus — ich hör’ es noch —: 
Dasselbe sag’ ich und vertrete ganz das Wort. 


Nur seltnen Menschen ist die Sinnesart verliehn, 

Neidlos zu ehren einen hochbeglückten Freund. 

Denn Gift der Missgunst frisst sich leicht ins Herz hinein 
Und macht die Qualen doppelt schwer dem krankenden: 

Gedrückt von seinen eignen Leiden ächzet er, 

Und seufzen muss er, wenn er schaut aufs fremde Glück. 


Ach! aus Erfahrung — denn die Probe kenn’ ich wohl 
Des längren Umgangs — nenn’ ich manchen, welcher mir 
Viel Liebe zeigte, Schatten eines Schattens nur. 

Ja, bloss Odysseus, folgt‘ er auch ungern dem Zug, 

Trug unverdrossen, wann es galt, das Joch mit mir -— 
Ob nun er todt ist oder noch im Leben weilt. 


Das andre, was die Götter, was den Staat betrifft, 
Das soll gemeinsam vor berufnem Volkesthing 
Beraten werden: und wie dann das tüchtige 

Auch dauernd sich erhalte, das erwägen wir; 


815 Wenn aber nottun Ärzenein heilsamer Art — 


Nun wohl! so braucht man Feuer auch und Messerschnitt 
Und suchet schonsam abzutun den schlimmen Krebs. 


v. 808. Gerade Odysseus ist wohl hier genannt, um Agamemnon in 
Bezug auf das ihm von seinem Weibe bevorstehende Schicksal in einen 
rührenden Contrast zu seinem Freunde zu stellen: auch bei Homer bil- 
den Penelope und Klytämnestra den stärksten Gegensatz. 


118 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


νῦν δ᾽ ἐς μέλαϑρα καὶ δόμους ἐφεστίους 

ἐλθὼν ϑεοῖσι πρῶτα δεξιώσομαι, 

οἴπερ πρόσω πέμψαντες nyayov πάλιν. 820 
νίκη δ᾽ ἐπείπερ Eoner', ἐμπέδως μένοι. 


ΚΛΥΤΑΙΜΝΉΣΤΡΑ. 
"Avdoss πολῖται, πρέσβος ’Aoyeiov τόδε, 
οὐκ αἰσχυνοῦμαι τοὺς φιλάνορας τρόπους 
λέξαι πρὸς ὑμᾶς" ἐν χρόνῳ δ᾽ ἀποφϑίνει 
τὸ τάρβος ἀνθρώποισιν. οὐκ ἄλλων πάρα 825 
μαϑοῦσ᾽, ἐμαυτῆς δύσφορον λέξω βίον 
τοσόνδ᾽, ὅσονπερ οὗτος ἦν ὑπ᾽ Ἰλίῳ. 


Τὸ μὲν γυναῖκα πρῶτον ἄρσενος δίχα 
€ [4 2 ΄ 
ησϑαι δόμοις ἔρημον ἔκπαγλον κακόν" 


καὶ τοῦ μὲν ἥκειν, τοῦ δ᾽ ἐπιρρέπειν κακοῦ 831 
κάκιον ἄλλο πῆμα λάσκοντος δόμοις, 832 
πολλὰς κλύοις ἂν κληδόνας παλιγκότους. 880 


καὶ τραυμάτων μὲν εἰ τόσων ἐτύγχανεν 
ἁνήρ. ὅσων πρὸς οἶκον ὠχετεύετο 
φάτις, τέτρηται δικτύου πλέω λέγειν. 835 


Εἰ δ᾽ ἦν τεϑνηκὼς, ὡς ἐπλήϑυον λόγοι, 

τρισώματός τἂν Γηρυὼν ὃ δεύτερος 

πολλὴν ἄνωϑεν, τὴν κάτω γὰρ οὐ λέγω, 

χϑονὸς τρίμοιρον χλαῖναν ἐξηύχει λαβὼν, 

ἅπαξ ἑκάστῳ κατϑανὼν μορφώματι. 840 
τοιῶνδ᾽ ἕκατι κληδόνων παλιγκότων 

πολλὰς ἕωϑεν ἀρτάνας ἐμῆς δέρης 

ἔλυσαν or, πρὸς βίαν δεδμημένης. 


v. 831, 32, 30 lauten in den codd. πολλὰς κλύουσαν ἡδονὰς (Auratus 
κληδόνας) παλιγκότους. καὶ τὸν μὲν ἤκειν, τὸν δ᾽ ἐπεισφέρειν κακοῦ 
κώμον ἄλλο πῆμα, λάσκοντας δόμοις. — v. 884 codd. ἀνὴρ 06°, ὡς. 
Meineke bess. --- v. 835 codd. τέτρωται. Ahrens bess. — v. 842 codd. 
πολλὰς ἄνωϑεν. — v. 843 codd. ἔλυσαν ἄλλοι — λελημμένης. 








AESCHYLOS AGAMEMNON. 119 


Doch nun hinein an meines Herdes Heiligtum, 

Um allererst den Göttern meinen Kuss zu weihn, 
820 Die, einst Geleiter, jetzo mich zurückgeführt! 

Mein ist der Sieg bis heute, bleib’ er’s wandellos! 


Kilytämnestra. 
(aus dem Tor des Palastes tretend und sich an den Chor wendend). 


Ihr werten Bürger, edle Väter dieser Stadt, 

Was soll ich schamhaft meiner Liebe Zärtlichkeit 

Vor euch verbergen? schwindet doch im Lauf der Zeit 
825 Die blöde Scheu den Menschen. — Nicht gehörtes bloss, 

Nein, eigne Trübsal künd’ ich, wenn ich schildere 

Mein Leben, während mein Gemahl vor Troja lag. 


Schon dies zuvörderst, wenn ein Weib des Manns verwaist 
Einsam im Hause sitzet, ist unsäglich hart. 
831° Und bringt der eine nun die Mähr „schon sei es da“, 
832 Der andre „schlimmres als das schlimme dräue noch“, 
830 Da hört man endlos neuer Sagen Wechselflut. 
Ja, wenn der Mann hier Wunden jedesmal empfing, 
Wenn nach der Heimat sich davon die Kunde sacht 
835 Hinschlich, so muss er gleich dem Netz durchlöchert sein. 


Und war er todt gar nach der Schreckensposten Zahl — 
Er rühmt’, ein neuer dreigestalter Geryon, 
Gar mancher Rasendecke (denn die Lagerstatt 
Ist nicht gerechnet), dreier Grabesmäntel sich, 
840 Einmal in jedem seiner Leiber hingerafft. 
Um solcher Sagen Wechselflut erlebt’ ich oft, 
Dass früh am Morgen Mägde mir die Todesschnur 


Vom Halse lösten, wenn der Zwang ihn schon gelähmt. 
(Sie wendet sich an Agamemnon.) 


v. 838. 89. Der etwas spitzfindige Ausdruck beruht auf der An- 
schauung dass alle im Erdreich gebetteten Todten ein grosses gemein- ἢ 
sames Lager haben, jeder einzelne aber seine besondere Decke. 


120 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


Ἐκ τῶνδέ τοι παῖς ἐνθάδ᾽ οὐ παραστατεῖ, 

ἐμῶν TE καὶ σῶν κύριος πιστευμάτων. 845 
ὡς χρῆν, Ὀρέστης" μηδὲ ϑαυμάσῃς τόδε. 

τρέφει γὰρ αὐτὸν εὐμενὴς δορύξενος 

Στρόφιος ὁ Φωκεὺς, ἀμφίέλεκτα πήματα 

ἐμοὶ προφωνῶν, τὸν 9° ὑπ’ Ἰλίῳ σέϑεν 

κίνδυνον, εἴ τε δημόϑρους ἀναρχία ᾿ 850 
βουλὴν καταρρίψειεν, ὡς τὸ σύγγονον 

βοοτοῖσι τὸν πεσόντα λακτίσαι πλέον. 


Τοιάδε μέντοι σκῆψις οὐ δόλον φέρει. 

ἔμοιγε μὲν δὴ κλαυμάτων ἐπίσσυτοι 

πηγαὶ κατεσβήκασιν. οὐδ᾽ ἔνι σταγών. 855 
ἐν ὀψικοίτοις δ᾽ ὄμμασιν βλάβας ἔχω 

τὰς ἀμφί σοι κάουδσα λαμπτηρουχίας 

ἀτημελήτους αἰέν. ἐν δ᾽ ὀνείρασιν 

λεπταῖς ὑπαὶ κώνωπος ἐξηγειρόμην 

ῥιπαῖσι ϑωύσσοντος, ἀμφί δοι πάϑη 860 
ὁρῶσα πλείω τοῦ ξυνάδοντος χρόνου. 


Νῦν ταῦτα πάντα τλᾶσ᾽, ἀπενθϑήτῳ φρενί — 862 
τερπνὸν δὲ τἀναγκχαῖον ἐκφυγεῖν ἅπαν — 869 
λέγοιμ᾽ ἂν ἄνδρα τόνδε τὸν σταϑμῶν κύνα 863 
σωτῆρα ναὸς πρότονον, ὑψηλῆς στέγης | 
στῦλον ποδήρη, μονογενὲς τέκνον πατρὶ, 865 
καὶ γῆν φανεῖσαν ναυτίλοις παρ᾽ ἐλπίδα, 868 
κάλλιστον ἦμαρ εἰσιδεῖν ἐπ χείματος. 867 
ὁδουιπόρῳ διψῶντι πηγαῖον ῥέος. | 866 
τοιοῖσδέ τοί νιν ἀξιῶ προσφϑέγμασιν. 870 


Φϑόνος δ᾽ ἀπέστω" πολλὰ γὰρ τὰ πρὶν κακὰ 


v. 861 codd. ὥστε σύγγονον. — v. 857 codd. κλαίουσα. Hartung 
bess. — v. 861 codd. ξυνεύδοντος. Karsten bess. — v. 869, der sich in 
den codd. verirrt hat, setzt Enger richtig hinter v. 862. — v. 863 codd. 





nn — — 


845 


80 


860 


862 
869 
868 


865 


870 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 121 


Sieh, drum erblickst du nicht den Sohn zur Seite mir, 
Orestes, unsres Liebesbundes Unterpfand, 

Wie sich’s geziemte: schaue nicht verwundert drein. 
Denn ihn erzieht in Treuen dein verbündeter 
Gastfreund in Phokis, Strophios, der mir doppelte 
Gefahren vorhielt: deine dort vor Ilion, 

Und, falls des herrscherlosen Pöbels Wutgeschrei 

Den Rat der Alten stürze, 8618 der Menschen Art, 
Dem hingesunknen manchen Fusstritt noch zu weihn. 


Nicht List versteckt sich, glaub’s, in der Entschuldigung. 
Mir selber, sieh nur, ist der tränenströmende 

Urquell versieget, nicht ein Tropfen blieb darin. 

Das Auge krankt mir, denn ich suchte spät den Schlaf, 
Für dich den Kienspan schürend, ach! das traute Licht, 
Das nie dich anzog. Und im Traume ward ich dann 
Vom leisen Summen einer Mücke selbst erweckt, 

Die mich umschwirrte; denn ich sah mehr Ungemach 

Um dich gehäufet, als die gleiche Spanne Zeit. — 


Nun, weil ich dies getragen, bin ich frohen Sinns 
(Wie wonnig allem Drang der Not entflohn zu sein!) 
Und nenne diesen Helden als des Hauses Hort 

Des Schiffes sichres Ankertau, des hohen Dachs 
Grundfeste Säule, greisen Vaters einzig Kind; 

Nenn’ ihn den Schiffern unverhofft gezeigtes Land, 
Dem Auge wundervollen Tag nach Sturmesbraus, 
Dem durstgequälten Wandrer frischen Sprudelquell. 


Ja, solches Willkomms acht’ ich würdig diesen Mann. 
(Sie tritt an den Rand der Bühnentreppe.) ΄ 


Fern bleibe Missgunst! war die Not doch reich bisher 


τῶν σταϑμῶν. — v. 868—66 hat Hermann, wie die Ziffern angeben, 
umgestellt; aber die Ueberlieferung ist richtig. — v. 870 codd. τοίνυν. 
Schütz bess. 





122° AESCHYLOS AGAMEMNON. 


᾿ ἠνειχόμεσϑα. νῦν δέ μοι, φίλον κάρα, 
ἔχβαιν᾽ ἀπήνης τῆσδε, μὴ χαμαὶ τιϑεὶς. 
τὸν σὸν πόδ᾽, ὦναξ Ἰλίου πορϑήτορα. 
Auwel, τί μέλλεϑ᾽, αἷς ἐπέσταλται τέλος 875 
πέδον κελεύϑου στορνύναι πετάσμασιν; 
εὐϑὺς γενέσϑω πορφυρόστρωτος πόρος 
ἐς δῶμ᾽ ἄελπτον ὡς ἂν ἡγῆται δίκη. 
Τὰ δ᾽ ἄλλα φροντὶς οὖχ ὕπνῳ νικωμένη 
᾿ϑήσει δικαίως σὺν ϑεοῖς εἱμαρμένα. 880 


ΑΠΑΜΕΜΝΩΝ. 


Andas γένεϑλον, δωμάτων ἐμῶν φύλαξ, 
ἀπουσίᾳ μὲν εἶπας εἰκότως Eu’ 
μακρὰν γὰρ ἐξέτεινας" ἀλλ᾽ ἐναισίμως 


3. ν 


αἰνεῖν, παρ᾽ ἄλλων χρὴ τόδ᾽ ἔρχεσϑαι γέρας. 


Καὶ τἄλλα μὴ γυναικὸς ἐν τρόποις ἐμὲ 885 
&ßovvs, μηδὲ βαρβάρου φωτὸς δίκην 

χαμαιπετὲς βόαμα προσχάνῃς ἐμοὶ, 

μηδ᾽ siuacı στρώσασ᾽ ἐπίφϑονον πόρον 

τίέϑει" ϑεούς τοι τοῖσδε τιμαλφεῖν χρεών" 

ἐν ποικίλοις δὲ ϑνητὸν ὄντα κάλλεσιν 800 
βαίνειν ἐμοὶ μὲν οὐδαμῶς ἄνευ φόβου. 

λέγω κατ᾽ ἄνδρα, μὴ Beov, σέβειν ἐμέ. 


Χωρὶς ποδοψήστρων τε καὶ τῶν ποικίλων 

κληδὼν ἀστεῖ" καὶ τὸ μὴ κακῶς φρονεῖν 

ϑεοῦ μέγιστον δῶρον. ὀλβίδαι δὲ χρὴ 895 
βίον τελευτήσαντ᾽ Ev εὐεστοῖ φίλῃ. 


Εἶπον τάδ᾽ ὡς πράσσοιμ᾽ ἂν εὐθαρσὴς ἐγώ. 


v. 874 Flor. ἄναξ. --- v. 875 Farn. ἐπέσταλται τάδε. — v. 897 codd. 
εἰ πάντα δ᾽ ὡς πράσσοιμ᾽ ἂν. Weil bess.| 


875- 


880 


885 


890 


895 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 123 


Uns zugemessen. Aber jetzt, du teures Haupt, 
Verlass den Wagen, ohne dass den Staub berührt 
Dein Fuss, o Herrscher, welcher Troja niedertrat. — 


"Was, Mägde, säumt ihr, denen ich das Amt vertraut, 


Die Wegesbahn zu decken mit den Teppichen ? 
Sogleich in Purpurhülle kleide sich der Pfad: 
Ihn führ’ ins unverhoffte Haus das heil’ge Recht! — 
Das andre fügt dann Sorge, die kein Schlaf besiegt, - 
Mit Götterhülfe recht und gut, wie’s kommen muss. 

(Mägde breiten Purpurteppiche von des Königs Wagen bis in die Tore des Palastes 
hinein.) 

Agamemnon. 

O Tochter Leda’s, meines Hauses Hüterin, 
Nach meinem Fernsein war bemessen, was du sprachst; 
Denn lange Fäden spannst du. Aber mässige 
Dein Lob, von andren wünsch’ ich solchen Ehrenlohn. 


Auch sonst gebahre nicht dem Weiberbrauch gemäss, 
Mich hätschelnd: stammle nicht nach Art des Morgenlands 
Den Boden küssend Huldigung zu mir empor, 
Noch durch den Purpur wecke meinem Pfad mit Fleiss 
Den Neid. Der Gottheit ziemet solch ein Ehrenpreis: 
Doch auf dem bunten Prachtgeweb als Sterblicher 
Zu schreiten — ich vermöcht’ es nimmer ohne Graun. 
Als Menschen, sag’ .ich, ehre mich, nicht Göttern gleich. — 
(Mit andächtigem Aufblick.) 

Nein, ohne Purpurlappen, jene Teppiche, 
Hallt laut der Kriegsruhm;. und ein unberückter Sinn 
Ist Gottes schönste Gabe. — Selig preise man, 
Wer recht in Wohlfahrt seinen Lebenslauf beschloss. 

(Er wendet sich wieder zu Klytämnestra.) 


Um mein Ergehen sorg’ ich nicht bei diesem Wort. 


v. 878 „ins unverhoffte Haus‘ d. ἢ. in den Hades. — ν᾿ 897. Der 
Hochmut kommt vor dem Falle. 


124 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


KATTAIMNHZTPA. 
Καὶ μὴν τόδ᾽ εἰπὲ un παρὰ γνώμην ἐμοί. 
ΑΠΑΜΕΜΝΩΝ. 
Γνώμην μὲν ἴσϑι μὴ διαφϑεροῦντ᾽ ἐμέ. 
ΚΛΥΤΑΙΜΝΗΣΤΡΑ, 
Ηὔξω ϑεοῖς πταίσας ἂν ὧδ᾽ ἔρδειν τάδε. 900 
| ATAMEMNR®N. 
Εἴπερ τις εἰδώς γ᾽ εὖ τόδ᾽ ἐξειπεῖν τέλος. 
KATTAIMNHZTPA. 
Ti δ᾽ ἂν δοκεῖ σοι Πρίαμος, εἰ τάδ᾽ ἤνυσεν: 
ΑΓΑΜΕΜΝΩΝ. 
Ev ποικίλοις dv κάρτα μοι βῆναι δοκεῖ. 
ΚΛΥΤΑΙΜΝΗΣΤΡΑ. 
Mn νύν τιν᾽ ἀνθρώπειον αἰδεσϑῇς ψόγον. 
ATAMEMNRN. 
Φήμη ye μέντοι δημόϑρους μέγα σϑένει. 905 
KATTAIMNHZITPA. 
Ὁ δ᾽ ἀφϑόνητός γ᾽ οὐκ ἐπίζηλος πέλει. 
ATAMEMNRN. 
Οὔτοι γυναικός ἐστιν ἱμείρειν μάχης. 
ΚΛΥΤΑΙΜΝΗΣΤΡΑ. 
Τοῖς δ᾽ ὀλβίοις γε καὶ. τὸ νικᾶσϑαι πρέπει. 
ATAMEMNRN. 
Ei καὶ σὺ vianv τήνδε δήριος riaıs; 
KATTAIMNHZTPA. 
Πιϑοῦ" κρατεῖς τοι τόδε παρεὶς ἑκών YE μοι. 910 
ATAMEMNRN. 


AA εἰ δοκεῖ σοι ταῦϑ', ὑπαί τις ἀρβύλας 
λύοι τάχος πρὸς οἶμον, ἔμβασιν ποδός. 


ν. 900 codd. δείσας ὧν. — v. 901 codd. ἐξεῖπον τέλος. — v. 902 
codd. δοκῇ. Stanl. bess. — v. 904 codd. νυν τὸν. — Sodann αἐδεσϑεὶς 
(Farn. αἰδεσϑῆς). Auratus bess. — v. 909 codd. 7 καὶ σὺ. — v. 910 
codd. κράτος μέντοι πάρες γ᾽ ἑκὼν ἐμοί. Weil κρατεῖς und zageis. — 
v. 912 codd. πρόδουλον ἔμβασιν ποδός. 


905 


910 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 125 


Kilytämnestra. 

Sprich nur das Wort nicht wider meinen Herzenswunsch. 
Agamemnon. 

Der Herzenswarnung tret’ ich wahrlich nicht zu nah. 
Kiytämnestra. 

In Not gelobt man Göttern solch ein Opfer doch. 
Agamemnon. 

Gewiss, nur gilt es frommen Sinns den Dank zu weihn. 
Kilytämnestra. 

Was täte, meinst du, Priamos nach solchem Sieg? 
Agamemnon. | 

Der schritte freilich, denk’ ich, auf den Teppichen. 
Klytämnestra. 

Dann scheue doch nicht Tadel aus der Menschen Mund. 

- Agamemnon. 

Des Volkes Stimme, wahrlich, hat ein schwer Gewicht. 
Kiytämnestra. 

Wer unbeneidet, hiesse der beneidenswert? 
Agamemnon. 

Fürwahr, dem Weibe ziemet nicht die Streitbegier. 
Kiytämnestra. 

Doch hochbeglückte kleidet wohl Nachgiebigkeit. 
Agamemnon. 

Wenn auch du selber diesen Sieg des Streits begehrst? 
Kiytämnestra. 

Gieb nach: du siegst ja, wenn du hier freiwillig weichst. 
Agamemnon. 

Wohlan! du willst es. Löse man denn eilig mir 

Zum Gang die Sohle, meines Fusses Reisekleid, 


v. 905. Damit spricht der König unwissentlich selbst sein Urteil, 
vgl. ν. 486 ΠΡ. — v. 909. Er sagt spottend: ‚‚du bist ja selbst eine 
hochbeglückte, so müsste auch dir Nachgiebigkeit wohl anstehen“. — 
v. 911. Der stolze König lässt sich fangen durch seinen Ehrgeiz. 


126 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


καὶ τοῖσδέ u’ ἐμβαίνονθ᾽ ἁλουργέσιν ϑεῶν 

μή τις πρόσωϑεν ὄμματος βάλοι φϑόνῳ. 

πολλὴ γὰρ αἰδὼς δωματοφϑορεῖν ποσὶν 915 
τρύχοντα πλοῦτον ἀργυρωνήτους 9° ὑφας. 


Τοὐμὸν μὲν οὕτω" τὴν ξένην δὲ πρευμενῶς 
τήνδ᾽ ἐσκόμιξε- τὸν κρατοῦντα μαλϑακῶς . 
“ϑεὸς πρόσωϑεν εὐμενῶς προσδέρκεται. 
ἑκὼν γὰρ οὐδεὶς δουλέῳ χρῆται ξυγῷ. 920 
αὕτη δὲ πολλῶν χρημάτων ἐξαίρετον 
&vdog, στρατοῦ δώρημ᾽, ἐμοὶ ξυνέσπετο.. 


Ἐπεὶ δ᾽ ἀκούειν σοῦ κατέστραμμαι τάδε, 
εἶμ᾽ ἐς δόμων μέλαϑρα πορφύρας πατῶν. 


ΚΛΥΤΑΙΜΝΗΣΤΡΑ. 
Ἔστιν ϑάλασσα, τίς δέ νιν κατασβέδει; | 925 
τρέφουσα πολλῆς πορφύρας ἰσάργυρον | 
κηκῖδα παγκλέϊστον εὐγμάτων σέβας. 
oixog δ᾽ ὑπάρχει τῶνδε σὺν ϑεοῖς, ἄναξ, 
ἔχων" πένεσϑαι δ᾽ οὐκ ἐπίσταται δόμος. 


Πολλῶν πατησμὸν δ᾽ εἱμάτων ἂν ηὔξανον 980 
πολλοῖσι. προὐνεχϑέντος ἐν χρηστηρίοις, 

ψυχῆς κόμιστρα τῆσδε μηχανωμέξνῃ. 

ῥίζης γὰρ οὔσης φυλλὰς ἵκετ᾽ ἐς δόμους. 

σκιὰν ὑπερτείνασα δειρίον σκέπην. 


Καὶ 600 μολόντος δωματῖτιν ἑστίαν, 935 
ϑάλπος μὲν ἐν χειμῶνι σημαίνει μολόν" 





---.-ττ-Ρῦ ὁ Un 


v. 918 Farn. σὺν ταῖσδέ μ᾽. — v. 914 codd. φϑόνος. — v. 915 codd. 


σωματοφϑορεῖν πόσιν, Schütz "6885. — v. 916 codd. φϑείροντα πλοῦ- 
τον. — v. 917 codd. τούτων μὲν οὕτω. Emper. bess. — v. 923 Farn. 
κατέσταμαι. — v.926 codd. εἰς ἄργυρον. Salmas. bess. — v. 927 codd. 


παγκαίνιστον εἴμάτων Papas. — v. 929 codd. ἔχειν. Weil bess. — 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 127 


Und treffe dann nur, schreit’ ich auf die Decken hier, 
Mich keine Gottheit aus der Höh’ mit scheelem Blick. 


915 Denn Scham erfasst mich zu vergeuden Hab’ und Gut, 


Die Pracht zertretend golderkaufter Teppiche. 


Von mir genug denn! Führe nun die Fremde hier 
Hinein mit Hulden: wer sich zeigt als milden Herrn, 
Den blickt die Gottheit aus der Höh’ in Gnaden an. 


920 Freiwillig trägt ja keiner je das Sklavenjoch. 


925 


Und diese folgt mir, auserkorne Blüte sie 
Des Beutereichtums, Ehrengabe meines Heers. — 
(Er steigt vom Wagen.) | 
Wobhlan, gehorsam neig’ ich deinem Wunsche mich. 
Auf zum Palaste, geht es über Purpur auch! 
Klytämnestra 

(zu ihrem auf die Bühne heranschreitenden Gemahl). 
Es giebt ein Weltmeer — wer erschöpfte dessen Flut? — 
Das zeugt in Fülle silberwerten Purpursaft, 
Den gern Gelübde weihen als Jas köstlichste. [Fürst, 
Dort steht die Wohnung, welche — Dank den Göttern! — 
Noch hat: zu darben lernten diese Räume nicht. 


(Zum Chor, während der König die Treppe heraufschreitet.) 


930 Wie gern vermehrt’ ich diese vielen Teppiche 


935 


Um viele, käme mir ein Wink durch Seherspruch; 
Denn für die Rettung dieses Lebens gilt es Dank. 
Da bloss die Wurzel lebte, rankte Laub ins Haus, 
Uns Schatten breitend vor dem heissen Sirius. 

(Ihren Gemahl umarmend.) 
Nun, da du wirklich heimgekehrt an deinen Herd, 
Giebt sich mir Frühlingswärme kund in Winterfrost, 


v. 930 codd. ἂν εὐξάμην. — v. 931 codd. δόμοισι für πολλοῖσι. — v. 932 
codd. μηχανωμένης. Franz bess. — v. 934 codd. σειρέου κυνός. — 
v. 936 codd. σημαίνεις μολών. 

v. 988 ἃ. h. schon da Agamemnon vor Troja kämpfte, reichte seine 
segensvolle Wirkung bis hierher. 





128 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


ὅταν δὲ τεύχῃ Ζεὺς ἀπ᾿ ὄμφακος πικρᾶς 
oivov, τότ᾽ ἤδη ψῦχος ἐν δόμοις πέλει, 
ἀνδρὸς τελείου δῶμ᾽ ἐπιστρωφωμένου. 


Ζεῦ Ζεῦ telsıe, τὰς ἐμὰς εὐχὰς τέλει" 
μέλοι δέ τοι σοὶ τῶώνπερ ἂν μέλλῃς τελεῖν. 


ΧΟΡΟΣ. 
στο. α΄. 
Τίπτε μοι τόδ᾽ ἐμπέδως 
δέργμα προστατήριον 
καρδίας τερασκόπου ποτᾶται, 
μαντιπολεῖ δ᾽ ἀκέλευστος ἄμισϑος ἀοιδά, 
οὐδ᾽ ἀποπτύσας δίκαν 
δυσκρίτων ὀνειράτων 
ϑάρσος εὐπειϑὲς ἴσχει φίλων φρενῶν ϑρόνος: 
χρόνος δ᾽ ἐπεὶ πρυμνησίων ξὺν ἐμβόλοις 
ψαμμίας ἁφὰς παρέκ--: 
λυσεν, εὖτε ναυβάτας 
ὦρϑ᾽ ὑπ᾽’ Ἴλιον, στρατός. 
ὦντ. α΄. 
Πεύϑομαι δ᾽ ἀπ᾽’ ὀμμάτων 
 Ψόστον, αὐτόμαρτυς ὦν. 
τὸν δ᾽ ἄνευ λύρας ὅμως ὑμνφῳδεῖ 
ϑρῆνον ’Egivvog αὐτοδίδακτος ἔσωϑεν 
ϑυμός, οὐ τὸ πᾶν ἔχων 
ἐλπίδος φίλον ϑράσος. 
σπλάγχνα δ᾽ οὔτοι ματάξει πρὸς ἐνδίκοις φρεσίν᾽ 
τελεσφόροις δίναις κυκλοῦτ᾽ ἐμὸν κέαρ. 


γ. 937 codd. Ζεύς τ᾽ απ΄. Auratus bess. — v. 948 Flor. δεῖγμα. 
Farn. δεῖμα. — v. 946 Farn. ἀποπτύσαι. — v. 949 codd. εὐπιϑὲς. Ross- 
bach bess, Dann ἔξει (Farn. ἔξει) φρενὸς φίλον ϑρόνον. — v. 951 
codd. ψαμμίας andre παρήβησεν εὖϑ᾽ ὑπ᾽ Ἴλιον ὥρτο ναυβάτας στρα- 
τός. — v.957 codd. ὅπως. Stanl. bess. --- v. 958 codd. ἐριννύς. Herm. 
bess. — v. 962 codd. κυκλούμενον κέαρ. 


940 


985 . 


950 


955 


960 





AESCHYLOS AGAMEMNON. 129 


Und wieder, wenn aus herber Traube süssen Wein 
Zeus reift, so wehet frühe Kühlung durch das Haus, 
Weil nun des Fürsten hohes Haupt daheim verweilt. 
(Während Agamemnon in den Palast tritt.) 
940 Zeus, Himmelsfürst du! führe mein Gebet hinaus! 
Dir sei befohlen, was hinauszuführen ist! 
(Klytämnestra mit Gefolge geht in den Palast hinein.) 
Wechselgesang des Chors. 
Erster Halbchor. 
Wehe! wehe! wandellos 
Gaukelt dieses Schattenbild 
Vor des ahnungsschwangern Geistes Hellblick, 
945 Singet Orakel, und keiner begehret und dingt sie! 
Ach! und nimmer scheucht es fort Ä 
Wüsten Traumgebilden gleich 
Mein Verstand, auf den Tron hebend feste Zuversicht! 
“950 Und doch — wie lange löste schon am Dünenstrand 
Unser Heer die Kraft der Halt- 
taue von den Pflöcken ab, 
eingeschifft gen Ilion! 
Zweiter Halbchor. 
955 Selber Zeuge schau’ ich nun 
Eignen Blicks die Wiederkehr: 
Aber dennoch singt in dumpfer Tonart 
Grabesgesang, der aus innerster Seele hervorquillt, 
Mein Gemüt — es fehlet ganz. . . - 
960 Holde Glaubenszuversicht. ες | 
Nimmer ist’s leerer Wahn: mein Gewissen kennt das Recht. 
In’s Schwarze zielt der Wirbel meiner Herzensangst. 


v. 943 Iphigenias Schatten. — v. 950 d. h. und doch — wie lange 
Zeit ist schon seit Iphigenias Opferung verflossen. — Der Dünenstrand 
ist der von Aulis: die Abfahrt von dort ward erst durch das Opfer 
möglich. — v. 961 ἃ, h. der Frevel Agamemnons fordert Sühne. 
Auch v. 968 flg. denkt der Chor nur’ an Agamemnon und sein stolzes 
Glück. ᾿ - 

9 


AESCHYL. AGAMEMNON. 


130 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


εὔχομαι δέ γ᾽ ἐξ ἐμᾶς 
ἐλπέδος ψύϑη πεσεῖν 
ἐς τὸ μὴ τελεσφόρον. 
στο. β΄. 
Μάλα γέ τοι [περιβρυοῦς] ἀκρότατον 
δώμας τέρμα [κακόν "] νόσος ἀρτεμί- 
αν ὁμότοιχος ἐρείδει. 
καὶ πότμος εὐθυπορῶν 
ἀνδρὸς [ἀγαλλομένου πλῷ 
κάρτ᾽] ἔπαισ᾽ ἄφαντον ἕρμα. 
κἀϑ᾽ ὃ μὲν πρὸ χρημάτων 
κτησίων ὄκνος βαλὼν 
σφενδόνας ἀπ᾽ εὐμέτρου 
σῶν ἐπόντισε σχάφος: 
κοὺκ ἔδυ πρόπας δόμος 
πημονᾶς γέμων ἄγαν. 
πολλά τοι δόσις ἐκ Διὸς ἀμφιλα- 
φής τε καὶ ἐξ ἀλόκων ἐπετειᾶν 
νῆστιν ὥλεσεν νόσον. 
᾿ς ἐἦντ, β΄. 
Τὸ δ᾽ ἐπὶ γᾶν πεσὸν ἅπαξ ϑανάσιμον 
πῶς ἀνδρὸς μέλαν αἷμά τις dv πάλιν 
ἀγκαλέσαιτ᾽ ἐπαείδων; 
οὐδὲ τὸν Ὀρϑοδαῆ 
τῶν φϑιμένων ἀνάγειν Ζεὺς 
αὖτ᾽ ἔπαυσ᾽ ἔτ᾽ ἀβλαβῆ γε. 
εἰ δὲ μὴ τεταγμένα 
μοῖρα μοῖραν ἐκ ϑεῶν 
εἶργε μὴ πλέον φέρειν, 


v. 965 Flor. δ᾽ ἐξ ἐμᾶς. Farn. δ᾽ ἀπ᾽ ἐμᾶς τοι. — v. 966 codd. 
ψύδη. H. Stephan. bess. — v. 968—70 Flor. μάλα γάρ τοι τᾶς πολλᾶς 
ὑγιείας. Farn. μάλα γέ τοι δὴ τὰς πολλᾶς ὑγιείας. Dann beide &xo- 
ρέστον τέρμα" νόσος γὰρ γείτων ὁμότοιχος ἐρείδει. — v. 918 codd. καὶ 
τὸ μὲν πρὸ χρημάτων». — v. 918 hat Schwerdt richtig vor 976 gerückt, 
aber noch in der fehlerhaften Ueberlieferung οὐδ᾽ ἐπόντισε σκάφος. — 


965 


970 


976 
978 
976 
977 


980 


985 


965 


970 


975 


980 


985 


AESCHYLOS AGAMEMNON. | 131 


Zwar ich bete: meine Furcht 
möge hohle Blasen nur 
schleudern, zielverfehlende. 
Erster Halbchor. 
Höchstes Mass stolzer Kraft, die zu reich 
Strotzt, ist nimmer ein Segen: es lauert die 
Seuche zu nah der Gesundheit. 
Oder: in glücklicher Fahrt 
Schwimmet die Habe des Manns hin — 
Sieh! da trifft sie auf die Sandbank. — 
Fasst die Angst um Hab und Gut 
Dann zu löschen nur den Mut, 
Macht sie bald die Barke flott 
Durch die weise Leichterung; 
Nicht versinkt das ganze Haus, 
Allzusehr von Weh gedrückt: 
Nein! denn reichliche Gabe von Zeus, die der 
jährige Segen der Furchen verleihet, 
Bannt des Hungers schwere Not. 
Zweiter Halbchor. 
Aber floss Mannesblut dunklen Stroms 
Einmal sterbend zu Boden, erwecket es 
nimmer ein Zauber zum Leben. 
Selbst den Asklepios einst 
Hemmete wenig gelind Zeus 
Todte wieder aufzuwecken. — 
Schränkte nicht nach Gottes Rat 
Stand den Stand für ewig ein 
Auf das ihm beschiedne Teil: 


v. 976 codd. οὐκ ἔδυ. — v. 981 codd. πεσόνϑ᾽ ἅπαξ. Pauw bess. — 
v. 982 Flor. πρόπαρ ἀνδρὸς. Farn. προπάροιϑ᾽ ἀνδρὸς. — v. 985 Flor. 
ἔπαυσ᾽ ἐπ᾽ εὐλαβεία. Farn. ἔπαυσ᾽ ἐπ᾽ ἀβλαβείᾳ γε. 


v. 983 Zeus erschlug den Asklepios (Orthodaes ἃ. h. „den empor- 
flammenden‘‘) mit dem Blitze, weil er Todte auferweckte. 


ρὲ 


132 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


προφϑάσασα καρδία 

γλῶσσαν ἂν τάδ᾽ ἐξέχει. 

νῦν δ᾽ ὑπὸ σκότῳ βρέμει 
ϑυμαλγής τε καὶ οὐδὲν ἐπελπομέ- 
"va ποτὲ καίριον ἐκτολυπεύσειν 
ξωπυρουμένας φρενός. 


ΚΛΥΤΑΙΜΝΉΣΤΡΑ. 
Εἴσω κομίξου καὶ σὺ, Κασάνδραν λέγω. 
ἐπεί σ᾽ ἔϑηκε Ζεὺς ἀμηνίτοις δόμος. 
κοινωνὸν εἶναι χερνίβων, πολλῶν μετὰ 
δούλων σταϑεῖσαν χτησίου βωμοῦ πέλας" 
ἔχβαιν᾽ ἀπήνης τῆσδε. μηδ᾽ ὑπερφρόνει. 


Καὶ παῖδα γάρ τοι φασὶν ’Alnunvns ποτὲ 
πραϑέντα τλῆναι δουλίας μάξης ϑιγεῖν. 


Εἰ δ᾽ οὖν ἀνάγκη τῆσδ᾽ ἐπιρρέποι τύχης, 
ἀρχαιοπλούτων δεσποτῶν πολλὴ χάρις. 
οὗ δ᾽ οὔποτ᾽ ἐλπίσαντες ἤμησαν καλῶς. 


ὦμοί τε δούλοις πάντα καὶ παρὰ στάϑμην. 


ἔχεις, παρ᾽ ἡμῶν οἷάπερ νομίζεται. 


ΧΟΡΟΣ. 


Σοί τοι λέγουσα παύεται σαφῆ λόγον. 
ἐντὸς δ᾽ ἁλοῦσα μορσίμων ἀγρευμάτων 


πείϑοι᾽ ἂν, εἰ πείϑοι᾽ " ἀπειϑοίης δ᾽ ἴσως. 


KATTAIMNHZTPA. 
AAN εἴπερ ἐστὶ μὴ χελιδόνος δίκην 


---... 


v. 995 codd. ἐμηνέτως. Auratus bess. — v. 1000 Flor. πραϑέντα 
τλῆναι δουλείας μάξης βία. Farn. τλῆναι καὶ ξυγῶν θίγειν βίᾳ. — 


v. 1007 codd. ἐντὸς δ᾽ ἂν οὖσα. Haupt bess. 


Seite 133 v. 990 ἃ. h. wenn nicht die Ehrfurcht gegen Agamemnon 


: 995 


1000 


1005 


AESCHYLOS AGAMEMNON. ὁ 133 


Ach! so hätt’ in Sturmesdrang 
990 Alles offenbart das Herz. 
Jetzo stöhnt’s in dunklem Schmerz, 
Schwermutbrütend und zagend, ob je sich der 
Knäul des Geschickes zum Segen entwirre: 
Mich verzehrt die Glut der Angst. 


Kilytämnestra 
(in das Tor des Palastes tretend, zu Kassandra). 
Komm du herein auch, du, Kassandra, bist gemeint, 
995 Denn keinem unheilvollen Hause machte Zeus 
Dich zur Genossin heiliger Weihen: trittst du doch 
Mit vielen Sklaven an den Hausaltar heran. 
Komm, steig herab vom Wagen; weg mit allem Stolz! 
(Pause.) 
Traun! selbst der Sohn Alkmenens, sagt man, trug es einst 
1000 Als Knecht mit Elendsbrode sich zu sättigen. 
(Pause.) 
Trifft wen denn einmal dieser Schickung herber Zwang, 
So beut das Stammgut reicher Herrn willkommnen Trost. 
Denn wem des Segens Ernte wider Hoffen kam, 
Der ist den Sklaven immer streng und nach der Schnur. 
1005 Nun weist du, was von unsrer Seite bräuchlich ist. 
Chor (erster Greis). 
(Zu Kassandra.) 
Dir hat gegolten dieses klar gesprochne Wort. 
Im Garn des Schicksals rings verstrickt, gehorche nun, 
Wenn du gehorsam; Ungehorsam fördert nichts. 
Klytämnestra 
(bis in die Mitte der Bühne vortretend). 


Nein, wenn sie anders nicht in schwalbenartigen 


mich abhielte mich in seine heiligsten Verhältnisse zu mischen, so hätte 
ich ihn vor Klytämnestra gewarnt. --- v. 998 Kassandra, als Seherin in 
weissem Gewande, mit roter Inful am Halse und einem Lorbeer in der 
Rechten, sitzt während der ganzen Scene unbeweglich auf dem Wagen 
in der. Orchestra. I. 


134 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


ἀγνῶτα φωνὴν βάρβαρον κεκτημένη. 1010 

ἔσω φρενῶν βαλοῦσα πείϑοιτ᾽ ἂν λόγω. 1011 

εἰ δ᾽ ἀξυνήμων οὖσα μὴ δέχοιτ᾽ ἔπος, 1019 

σὺ δ᾽ ἀντὶ φωνῆς φράξε καρβάνῳ χερί. 1090 
ΧΟΡΟΣ. 

Ἕπου. τὰ λῷστα τῶν παρεστώτων λέγει. 1012 


πιϑοῦ λιποῦσα τόνδ᾽ ἁμαξήρη ϑοόνον. 


KATTAIMNHZTPA. 
Οὔτοι ϑυραίαν τήνδ᾽ ἐμοὶ σχολὴ πάρα 
τρίβειν" τὰ μὲν γὰρ ἑστίας μεσομφάλου 1015 
[φλογωπὰ κῆλα δάπτεται γνάϑῳ)] πυρός" 
ἔστηκε δ᾽ ἤδη μῆλα πρὸς σφαγὰς κόροις 
ὡς οὔποτ᾽ ἐλπίσασι τήνδ᾽ ἕξειν χάριν. 


σὺ δ᾽ εἴ τι δράσεις τῶνδε, μὴ σχολὴν ride. 1018 
ΧΟΡΟΣ. 
Ἑ ρμηνέως ἔοικεν ἡ ξένη τοροῦ 1021 


δεῖσϑαι" τρόπος δὲ ϑηρὸς ὡς νεαιρέτου. 


ΚΛΥΤΑΙΜΝΗΣΤΡΑ. 


Ἦ μαίνεταί ys καὶ κακῶν κλύει φρενῶν, 
ἥτις λιποῦσα μὲν πόλιν νεαέρετον 
ἥκει, χαλινὸν δ᾽ οὐκ ἐπίσταται φέρειν, 1025. 
πρὶν αἱματηρὸν ἐξαφρέξεσϑαι μένος. 
οὐ μὴν πλέω ῥίψασ᾽ ἀτιμασϑήσομαι. 
ΧΟΡΟΣ. 
Ἐγὼ δ᾽, ἐποικτείρω γὰρ, οὐ ϑυμώσομαι. 
ἴϑ᾽, ὦ τάλαινα, τόνδ᾽ ἐρημώσασ᾽ ὄχον, 
εἴκουσ᾽ ἀνάγκῃ τῇδε καίνισον ξυγόν. 1030 


v. 1011 codd. λέγουσα πείϑω νιν λόγῳ. Enger πεέϑοιτ᾽ ἂν λόγῳ. — 
Die beiden folgenden V. waren verirrt (mit der Corruptel οὖσα μὴ δέχῃ 
λόγον). Ludwig hat ihnen den richtigen Platz angewiesen. — v. 1013 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 135 


1010 Barbarenlauten heimisch, die kein Mensch versteht, 

Nimmt sie zu Herzen, was ich sag’, und folgt dem Wort. 

Doch wenn sie Reden taub und unempfänglich ist, 

Bedeut’ der Wälschen statt in Lauten mit der Hand. 
Chor (zweiter Greis). | 

Gieb nach, sie rät das Beste, wie die Sachen stehn. 

Gehorche, sag’ ich, und verlass den Wagensitz. 

| Kiytämnestra 


(bis an den Rand der Bühne vortretend). 
Ich habe wahrlich keine Zeit hier draussen so 
1015 Zu säumen: auf des Hauses Hochaltar bereits 
Zehrt an den trocknen Scheitern gierig Feuersglut; 
Schon stehn die Lämmer für die Opferknechte da, 
Die nimmer hofften auf ein solches Freudenfest. 
1018 Du, willst du Anteil an dem Dienst, dann säume nicht: 
Chor (dritter Greis). 
1021 Ein klarer Dolmetsch tut der armen Fremden not: 
So scheint’s. Sie ähnelt einem neugefangnen Reh. 
Kiytämnestra 
(in die Mitte der Bühne zurücktretend). 
Nein! nein! sie raset und gehorcht dem Unverstand. 
Geradesweges aus der neugefangnen Stadt 
1025 Hierher geführet, trägt sie nicht des Zügels Zwang, 
Bevor des Trotzes Geifer blutig ausgeschäumt. 
Nein! nicht verschwend’ ich Worte mehr zum eignen Schimpf. 
Chor (vierter Greis). 
Mich aber fasst Erbarmen: ferne sei der Zom! 
Nun, arme Jungfrau, lasse diesen Wagen jetzt, 
1030 Gieb nach dem Zwange deine Knechtschaft einzuweihn. 


(Klytämnestra geht in den Palast zurück.) 
(Pause.) 


codd. πεέϑου. Blomf. bess., — v. 1015 codd. μεσομφαάλου ἕστηκεν ἤδη 
μῆλα πρὸς σφαγὰς πυρὸς ὡς οὕποτ᾽ ἐλπίσασι κτλ. — v. 1030 codd. 
ἑκοῦσ᾽ ἀνάγκῃ. Robort. 8688. ᾿ 


136 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


KAZANAPA. 
Ν στρ. α΄. 
Ὀτοτοτοτοῖ πόποι δὰ. 
ὦπολλον ὦπολλον. 
ΧΟΡΟΣ. 
Τί ταῦτ᾽ ἀνωτότυξας ἀμφὶ Aobiov; 
οὐ γὰρ τοιοῦτος ὥστε ϑρηνητοῦ τυχεῖν. 


ΚΑΣΑΝΔΡΑ. 
ἀντ. α΄. 
 Ὀτοτοτοτοῖ πόποι δᾶ. . 1035 
ὥπολλον ὦπολλον." 
ΧΟΡΟΣ. 


Ἡ δ᾽ αὖτε δυσφημοῦσα τὸν ϑεὸν καλεῖ 
οὐδὲν προσήκοντ᾽ ἐν γόοις παραστατεῖν. 
ΝΝ KAZANAPA, 
| στο. β΄. 
4πολλον "AnoAlov 
ἀγυιᾶτ᾽ ἀπόλλων ἐμός. " 1040 
ἀπώλεσας γὰρ οὐ μόλις τὸ δεύτερον. 
ΧΟΡΟΣ. 
Χρήσειν ἔοικεν ἀμφὶ τῶν αὑτῆς κακῶν. 
μένει τὸ ϑεῖον δουλίᾳ. περ ἐν φρενί.᾿ 
ΚΑΣΑΝΔΡΑ. 
ὧντ. β΄. 
Ἄπολλον "AnoAkov 
ἀγυιᾶτ᾽ ἀπόλλων ἐμός. | 1045 
ὦ ποῖ nor’ ἤγαγές we; πρὸς ποίαν στέγην; 
u ΧΟΡΟΣ: .. 
Πρὸς τὴν ᾿Δ4τρειδῶν" εἰ σὺ μὴ τόδ᾽ ἐννοεῖς, 
ἐγὼ λέγω 001: καὶ τάδ᾽ οὐκ. ἐρεῖς ψύϑη. 
j KAZANAPA,. 
ὅτρο. γ. 
Μισόϑεον μὲν οὖν, πολλὰ συνίστορ᾽ ἃ. 


ν, 1082 Med. ὦπολλον ὥπολλον.. Flor. ἴάπολλον ”Anollov. Beide 
ebenso v. 1086. — v. 1043 Med, παρ᾽ ἕν φρενί, Flor. παρὲν φρ. Farn. 





AESCHYLOS AGAMEMNON. 137 


Kassandra 
(starr auf das vor dem Palast stehende Bild Apollons blickend) 
Ο Gott! o Gott! o Schicksal! 


Apollon! Apollon! 
Chor. 


Was rufst du diesen Wehelaut zum Loxias? 
Er ist der Gott nicht, welchem Klageruf gebührt. 


Kassandra, 
1065 Ο Gott! o Gott! o Schicksal! 
Apollon! Apollon! 
Chor. 


Entweihend ruft sie wieder jenen reinen Gott 
Dem nicht es zukommt Klagerufen nah zu sein 


Kassandra. 


Apollon! Apollon! 
Du Pfadführer! Wehbringer mir! 
Denn schweres Wehe brachtest du zum zweiten Mal 
Chor. 
Weissagen will sie, also scheint's, von eignem Leid 


Die Gottesgabe wirket noch im Sklavensinn. 


1040 


Kassandra. 


Apollon! Apollon! 
Du Pfadführer! Wehbringer mir! 
Ha! sieh! wohin denn führst du mich? in welches Haus? 


Chor. 
Wenn du nicht es weisst, 


1045 


In das der Atreussöhne. 
Vernimm von mir es: keiner Lüge zeihst du mich 


Kassandra. 


Ein ruchloses Haus! ein schuldvolles, ha! 


παρὸν po. Schütz bess. — Vor 1049 hat Med. ὦ ὦ. — v. 1049 codd. 


ξυνέστορα (Flor. Farn. συνίστορα). 


138 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


αὐτοφόνα κάκ᾽ ἔδρακ᾽ dordva 1050 
κἀνδροσφαγ᾽ ἰὸν γαπέδου ῥαντήριον. 
ΧΟΡΟΣ. 
Ἔοικεν εὕρις ἡ ξένη κυνὸς δίκην 
εἷναι, ματεύει δ᾽ ὧν ἀνευρήσει φόνον. 
ΚΑΣΑΝΔΡΑ. 
ντ. γ΄. 
ΜΜαρτυρίοισι γὰρ τοῖσδ᾽ ἐπιπείϑομαι" 
κλαόμενά τ᾽’ ἰδὲ βρέφη σφαγὰς ᾿ 1055 
ὐπτάς TE σάρκας πρὸς πατρὸς βεβρωμένας. 
ΧΟΡΟΣ. 
Ἦμεν κλέος σοῦ μαντικὸν πεπυσμένοι" 
τούτων προφήτας δ᾽ οὔτινας ματεύομεν. 
ΚΑΣΑΝΔΡΑ, 
στρ. δ΄. 
Ἰὼ πόποι, τί ποτε μήδεται; 
τί τόδε νέον βάρος μέγα, 1060 
μέγ᾽ ἐν δόμοισι τοῖσδε. μήδεται κακῶν; 
ἄφερτον φίλοισιν, δυσίατον; ἀλ- 
κὰ δ᾽ ἑκὰς ἀποστατεῖ. 
ΧΟΡΟΣ. 
Τούτων ἄϊδρίς εἰμι τῶν μαντευμάτων. 
ἐκεῖνα δ᾽ ἔγνων" πᾶσα γὰρ πόλις βοᾷ. 1065 
| KABZANAPA. 
ἦντ, δ΄. 
Ἰὼ τάλαν, τί τόδε γὰρ τελεῖς: 
τί τὸν ὁμοδέμνιον πόσιν 
λουτροῖσι φαιδρύνασ᾽ ; ἁπλῶς φράσω τέλος" 


v. 1060 codd. αὐτοφόνα κακὰ καρτάναι (Farn. κάρτάναρ). — v. 1051 
codd. ὠνδρὸς σφάγιον καὶ πέδον δαντήριον. Ahrens bess. — v. 1053 
Med. ὧν ἂν edonon. Flor. ὧν ἐφευρήσει. Porson bess. — v. 1054 Med. 
μαρτυρίοις γὰρ. Flor. μαρτυρίοις μὲν γὰρ. Pauw bess. — v. 1055 Med. 
τάδε βρέφη. Flor. τὰ βρέφη. — v. 1068 codd. ἦμεν προφήτας. Weil 
bess. — v. 1060 codd. νέον ἄχϑος μέγα. — v. 1061 codd. κακόν. — 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 139 


1050 Ἐπ᾿ zeugt von Tod durch eignen Strang, 
Von Blut des Männermordes, das die Flur besprützt. 
Chor. 
Scharfwitternd seheint die Fremde gleich dem Jägerhund: 
Mordtaten, die sich finden lassen, spürt sie nach: 


Kassandra. 


Ja, den Zeugen dort gebührt Glauben doch: 
1055 Die Kleinen sieh! sie schreien Mord! 
Sıeh dort den Braten, den der Vater kostete! 
Chor. 
Wir kannten zur Genüge deinen Seherruf: 
Für solche Dinge suchen wir Propheten nicht. 


Kassandra. 


O Götter, weh! was sinnt jetzt sie nur? 
1060 O welche neue Sündenlast, 
Für dies Geschlecht noch riesig gross, ersinnet sie? 
Das Haus trägt sie nicht! heilt sie nicht! ach! der Stern 
seines Glücks weilt so fern! 
Chor. 
Was jetzt sie weissagt, ist mir völlig. rätselhaft. 
1065 Das andre kannt’ ich; denn die ganze Stadt erfüllt’s. 


Kassandra. 


O freches Weib! was führst dort du aus? 
Was willst du, deinen Eheherrn 
Im Bad erquickend? — Kurz verkünd’ ich was da kommt: 


-------.--.-............ nn 


v. 1065 Flor. βοᾷ πόλις, vielleicht richtig. — v. 1066 codd. τάλαινα 
τόδε. — v. 1067 τί fehlt in den codd. — v. 1068 codd. φαιδρύνασα; πῶς. 

-v.1050 muss auf Aörope’s Selbstmord, v. 1051 auf Atreus’ Ermor- 
dung durch Thyestes deuten. — v. 1061 „für dies Geschlecht‘, das 
sonst der Sündenlast gewohnt ist. — v. 1062 „der Stern seines Glücks“ 
ist Orestes. 


140 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


τάχος γὰρ τόδ᾽ ἔσται" προτείνει δὲ χεὶρ 

ἐκ χερὸς ὀρεγμένα. | 1070 

ΧΟΡΟΣ. 
Οὔπω ξυνῆκα’ νῦν γὰρ ἐξ αἰνιγμάτων 
ἐπαργέμοισι ϑεσφάτοις ἀμηχανῶ. 
ΚΑΣΑΝΔΡΑ. 
στο. ε΄. 
EE 
παπαῖ παπαῖ, τί Tods φαίνεται; 
ἡ δίκτυόν τι Διδου; 
ἀλλ’ ἀρκύς" ἡ ξύνευνος εἶσιν αἰτία 1075 
φόνου. Στάσις δ᾽ ἀκόρετος γένει ἢ 
κατολολυξάτω ϑύματος κλαυσίμου. 
ΧΟΡΟΣ. 

Ποέαν Ἐρινὺν τήνδε δώμασιν κέλει 
ἐπορϑιάξειν; οὔ μὲ φαιδρύνει λόγος. 
ἐπὶ δὲ καρδίαν κροκοβαφὴς ἐμοὶ 1080 
σταγὼν ᾿χάξεται" ϑριὰ πτώσιμος 
ξυνανύτει βίου δύντος αὐγαῖς. 
ταχεῖα δ᾽ ἄτα πέλει. 


ΚΑΣΑΝΔΡΑ. 
: jr αντ. εξ. 
4 α. 
᾿ ἐδοὺ ἰδού" ἄπεχε τᾶς βοός" 
τὸν ταῦρον ἐν πεπλώδει 1085 


᾿μελάγκερων λαβοῦσα μηχανήματι 
ϑένει" πίτνει δ᾽ ἐν ἐνύδρῳ κύτει, 
δολοφόνου λέβητος τυχών σοι λέγω. 


v.1070 Med. χεῖρ᾽ ἐκ χειρὸς ὀρεγομένα. — v. 1074 codd. δίκτυόν 
τί γ᾽ “Διδου. Dindorf bess. — v. 1075 codd. ἡ ξύνευνος ἡ ξυναιτέα. — 
v. 1076 codd. ἀκόρεστος, Bothe bess. — v. 1077 codd. ϑύματος λευσί- 
μου. — v.1080 codd.: ἐπὶ δὲ καρδέαν ἔδραμε κροκοβαφὴς. — v. 1081 
codd. σταγὼν ἅτε καὶ δορία (Flor. δωρία). πτώσιμος. — v. 1085 codd. 
ἐν πέπλοισιν.. — ν΄. 1086 Variante μελαγκέρῳ. — v. 1087 codd. τύπτει" 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 141 


Zu bald tritt es ein. Hand um Hand streckt sie dienst- 
1070 eifrig mordgierig aus. 
Chor. 
Ich fass’ es nimmer: sprach sie erst in Rätseln bloss, 
So schwindelt jetzt mir bei dem dunklen Seherspruch. 


Kassandra. 
ΟἹ οἱ! | 
OÖ Graun! o Graun! Was tritt dort hervor? 
Ist das ein höllisch Fangnetz? 
1075 Ein Löwengarn! da naht die Gattin, Stifterin 
Des Mords. — O du, des Stamms Hadergeist, 
Ο jauchz’ auf: es fällt heut ein Hochedelwild! 
Chor. 
Welch einen Rachgeist rufest du, um diesem Haus 
Laut aufzujubeln? Nicht erbaut mich, was du sagst. 
1080 Zur Herzkammer schiesst des Bluts roter Strom: 
‚Denn ach! gern erfüllt den Weissagerspruch 
Des lichthellen Seins düstrer Hingang. 
Es schreitet Unglück so schnell. 


Kassandra. . 
Ha! ha! 
O sieh! o sieh! der Kuh bleibe fern! 
10865 Des starken Stieres Hornwehr 
Verhüllt sie listig mit des Mantels schlauem Trug — 
Sie trifft! — Er fällt ins Badwasser hin; 
Zur Mordgrube ward, traun! die Erzwanne dort. 


πίτνει δ᾽ ἐν ἐνύδρῳ τεύχει. Herm. ϑένει. Blomf. κύτει. — v. 1088 
codd. τύχαν. | ΕΣ 

v. 1074 deutet auf das künstliche Netz, womit Kiytämnestra ihren 
Gemahl umstrickt, um ihn wehrlos zu machen (vgl. v. 1342). — v. 1076. 
Sie ruft den Alastor an, mit Beziehung auf die Sitte, beim Fall eines 
Opfertiers laut aufzujauchzen. — v. 1081 d.h. einer Weissagung pflegt 
Tod zu folgen. — v. 1084. Sie redet in ihrer Vision Agamemnon an. 


® 


142 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


ΧΟΡΟΣ. 
Οὐ κομπάσαιμ᾽ ἂν ϑεσφάτων γνώμων ἄκρος 
εἶναι, κακῷ δέ τῷ προσεικάξω τάδε. 1090 


ἀπὸ δὲ ϑεσφάτων τίς ἀγαϑὰ φάτις 
βροτοῖς τέλλεται; κακῶν γὰρ λίαν 
πολυεπεῖς τέχναι ϑεσπιῳδοί. 
μαϑεῖν φέρουσιν φόβον. 
ΚΑΣΑΝΔΡΑ, 
στρ. ς΄. 
Ἰὼ ἰὼ ταλαίνας κακόποτμοι τύχαι" 1095 
τὸ γὰρ ἐμὸν μόρῳ πάϑος ἐπεγχέας 
ποῖ δή μὲ δεῦρο τὴν τάλαιναν ἤγαγες; 
οὐδέν ποτ᾽ εἰ μὴ ξυνϑανουμένην. τί γάρ; 
ΧΟΡΟΣ. 
Φρενομανής τις εἶ ϑεοφόρητος, ἀμ-- 
pl δ᾽ αὑτᾶς ϑροεῖς 1100 
νόμον ἄνομον, οἷά τις ξουϑὰ 
ἀκόρετος βοᾶς εὐφιλοίκτοις φρεσὶν ϑρηνεῖ 
Ἴτυν Ἴτυν στένουσ᾽ ἀμφιϑαλὴῆ κακοῖς 
ἀηδὼν βίον. 
ΚΑΣΑΝΔΡΑ. 
ἄντ. ς΄. 
Ἰὼ ἰὼ λιγείας μόρον ἀηδόνος" ᾿110ὅ 
περίβαλόν TE σοι πτεροφόρον ϑεοὶ 
δέμας γλυκύν τ᾽ ἀγῶνα καυμάτων ἄτερ᾽ 
ἐμοὶ δὲ μίμνει σχισμὸς ἀμφήκει δορί. 
] ΧΟΡΟΣ: 
Πόϑεν ἐπισσύτους ϑεοφόρους ἔχεις 
ματαίους δύας. 1110 


v. 1092 codd. στέλλεται. Emper. 688. — Dann Med. γὰρ διὰ, Flor. 
δὴ al. — v. 1093 codd. ϑεσπιῳδόν. Herm. bess. — v. 1094 codd. φόβον 
φέρουσι μαϑεῖν. — v.1096 codd. ϑροῶ πάϑος ἐπεγχέασα (Flor. ἐπαγ- 
χέασα). — v. 1102 codd. ἀκόρεστος. Dann Med. φεῦ ταλαίνας φρεσὶν. 
Flor. φιλοέίκτοις ταλαίν φρεσίν. Schol. ϑρηνεῖ, — v. 1106 codd. εηδό- 
vog μόρον, Schütz bess. — ν, 1106 Med. περεβάλοντο γάρ οἵ. Flor, 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 143 


Chor. 
Ich rübme nicht mich Göttersprüche scharfen Blicks 
1090 Zu deuten, hiernach aber ahnt mir Grausiges. 
Im Weissagerlaut ertönt nimmermehr 
Der Welt Segensklang: des Wehs übervoll 
Verströmt Seherkunst ihre W ortflut. 
Dem Frager bringt Angst sie nur. 


Kassandra. 


1085 ΟἹ οἱ ich arme! weh mir! O0 graunvolles Loos! 
Den Kelch meiner Not zum Mord fügest du. 
Wohin mich arme führtest du nach diesem Haus’? 
Mich, der bestimmt ist mitzusterben deinen Tod. 
Chor. 
Verzückt seh’ ich dich in Wahnsinnes Nacht: 
1100 du singst selber dir 
Dumpfe Leidlieder vor, mahnst mich 
Des Singvögeleins, welches nie klagesatt wehvoll 
Den Sohn jammernd ruft, so lang gramumblüht 
des Seins Spanne währt. 


Kassandra. 


1105 ΟἹ! o! du Sängervöglein! wie süss dein Geschick! 
Die Gottheit verlieh ja dir schnellen Flug 
Des Fittigs und im Schatten süssen Wettgesang: 
Doch meiner harret grauser Tod von scharfer Axt! 


Chor. 
Woher strömet dir in gottvollem Drang 
1110 des Wahnsinnes Qual? 


περιβαλόντες γάρ οἷ. — Dann codd. δέμας Heol. Heimsoeth bess. — 
v. 1107 codd. κλαυμάτων. — v. 1109 codd. ϑεοφόρους τ᾽ ἔχεις. Herm. 
bess. 

v. 1095 beginnen die Prophezeihungen über ihren eigenen Tod, sie 
redet Agamemnon an. — v, 1102 der Nachtigall, die um ihren Sohn 
Itys klagt. 


144 AESCHYLOS AGAMEMNON, 


τὰ δ᾽ ἐπίφοβα δυσφάτῳ κλαγγᾷ 
μελοτυπεῖς ὁμοῦ τ᾽ ὀρϑίοις ἐν νόμοις [οἰμᾷς ;} 
πόϑεν ὅρους ἔχεις ϑεσπεσίας ὁδοῦ 


κακορρήμονας; 
ΚΑΣΑΝΔΡΑ. 
ὅτο. ζ΄. 
Ἰὼ γάμοι γάμοι Πάριδος ὀλέϑριοι 1115 


φίλων. ἰὼ Σκαμάνδρου πάτριον ποτόν. 
τότε μὲν ἀμφὶ σὰς ἀϊόνας τάλαιν᾽ 
ἠνυτόμαν τροφαῖς" 
νῦν δ᾽ ἀμφὶ Κωκυτόν τε κἀχερουσίους 
ὄχϑους ἔοικα ϑεσπιῳδήσειν τάχα. 1120 


ΧΟΡΟΣ. 
Τί τόδε τορὸν ἄγαν ἔπος ἐφημίσω. 
βλαστὸς veoyovog ἂν μάϑοι. 
πέπληγμαι δ᾽ ἐγὼ δήγματι φοινίῳ, 
δυσαυγεῖ τύχα μινυρὰ ϑρεομένας, 
ϑραύματ᾽ ἐμοὶ κλύειν. 1125 
KAZANAPA. 
ἀντ. ζ΄. 
Ἰὼ πόνοι πόνοι πόλεος ὀλομένας 
τὸ πᾶν᾽ ἰὼ πρόπυργοι ϑυσίαι πατρός. 
πολυκανεῖς βοτῶν ποιονόμων ἄκεσμ᾽ 
οὐδὲν ἐπήρκεσαν, | 
τὸ μὴ πόλιν μὲν ὥσπερ οὖν ἔχει παϑεῖν, | 1130 
ἐγὼ δὲ ϑερμὸν ῥοῦν πεδοῖ βαλῶ τάχα. 


ΧΟΡΟΣ. 
Ἑπόμενα προτέροις τάδ᾽ ἐπεφημίσω᾽ 


v.1111 Med. τὰ δ᾽ ἐπὶ φόβῳ. — v. 1122 codd. νεογνὸς ἀνθρώπων 
μάϑοι. — v. 1123 codd. πέπληγμαι δ᾽ ὑπὸ (Ε τη. ὑπαὶ). — v. 1194 codd. 
δυσαγγεῖ. — v. 1125 Farn. ϑαύματ᾽. — v. 1128 codd. ἄκος δ᾽ οὐδὲν. — 
v.1131 codd. ἐγὼ δὲ ϑερμόνους τάχ᾽ ἐμπέδῳ βαλῶ. Musgrave ϑερμὸν ῥοῦν. 
Burgard πεδοῖ βαλῶ τάχα. — v. 1182 codd, rad’ ἐφημίσω. Weil bess. 








AESCHYLOS AGAMEMNON. 145 


Wilden Sturm braust des Lieds Tonart 

In graunvollem Klang, doch zugleich voller Kunsthoheit. 
Woher dieses Mass des gottsel’gen Sangs, 

“ die wehvolle Bahn? 


Kassandra. 


1115 O Paris’ Ehebund, du schufst Untergang 
Dem Haus! Skamander, 0! du ehrwürd’ger Strom! 
O damals erblüht” ich unsel’ge froh 
am Ranft deines Betts: 
Nun aber, scheint es, werd’ ich bald am Acheron 
1120 Und an Kokytos’ Ufern als Prophetin stehn. 


Chor. 
Ja, dies allzuklar geweissagte Wort 
Verstünd’ ein zarter Sprössling selbst. . 
Doch mir packt das Herz des Mitleides Weh, 
Da gramvoll du stöhnst in nachtdüstrer Qual: 
1125 Es dröhnt meinem Ohr. 


Kassandra. 
OÖ Troja’s nichtig Mühn, da ganz unterging 
Die Stadt! o Vater, weh dem Reichsopferfest! 
Wie viel Heerdenblut die Schlachtbank benetzt — 
es schuf keinen Schutz: 
1130 Die Stadt, sie musste leiden, was ihr nun geschehn, 
Und mir —? zu Boden rinnet bald mein Lebensstrom! 


Chor. 


Du weissagest dies dir selbst immer gleich: 


v. 1127. Das Reichsopferfest des Priamos, bei welchem den Göttern 
zahllose Rinder geschlachtet wurden für die Stadt, hat weder Trojas 
noch Kassandras Untergang verhindert. 


AESCHYL. AGAMEMNON. 10 


146 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


[τές καί σε φρενοκλοπεῖ ϑεός; 

βιᾶται δ᾽ ὑπὲρ βριϑὺς ἐπεμπίτνων 

μελίξειν πάϑη [δνοφερὰ Hosousvav]; 

τέρμα δ᾽ ἀμηχανῶ. ᾿ 


ΚΑΣΑΝΔΡΑ. 
Καὶ μὴν 6 χρησμὸς οὐκέτ᾽ ἐκ καλυμμάτων 
ἔσται δεδορκὼς νεογάμου νύμφης δίκην" 
λαμπρὸς δ᾽ ἔοικεν ἡλίου πρὸς ἀντολὰς 
πνέων ἐσάξειν, ὥστε κύματος ξάλην 
κλύξειν πρὸς ἀγὰς, τοῦδε πήματος πολὺς 
χειμών" φρενώσω δ᾽ οὐκέτ᾽ ἐξ αἰνιγμάτων. 
καὶ μαρτυρεῖτε συνδρόμως ἴχνος κακῶν 
ῥινηλατούδσῃ τῶν πάλαι πεπραγμένων. 


Τὴν γὰρ στέγην τήνδ᾽ οὔποτ᾽ ἐκλείπει χορὸς 
σύμφϑογγος οὐκ εὔφωνος" οὐ γὰρ εὖ λέγει. 
καὶ μὴν πεπωκώς γ᾽, ὡς ϑρασύνεσϑαι πλέον, 
βρότειον αἷμα κῶμος ἐν δόμοις μένει, 
δύσπεμπτος ἔξω, συγγόνων Ἐρινύων. 
ὑμνοῦσι δ᾽ ὕμνον σώμασιν προσήμεναι 
πρώταρχον ἄτην' Ev μέρει δ᾽ ἀπέπτυσαν 
εὐνὰς ἀδελφοῦ τῷ πατοῦντι δυσμενεῖς. 


Ἤμαρτον, ἢ κυρῶ τι τοξότης τις ὥς; 
5 , ‚ , [N 
ἡ ψευδόμαντίς εἰμι ϑυροκόπος φλέδων ; 
ἐκμαρτύρηδον προὐμόσας τό μ᾽ εἰδέναι 
νόῳ παλαιὰς τῶνδ᾽ ἁμαρτίας δόμων. 


v. 1133—35 Flor. καὶ τίς σε κακοφρονεῖν τέϑησι δαίμων ὑπερβαρὴς 
ἐμπίτνων μελίξειν πάϑη γοερὰ ϑανατοφόρα. Farn. τίς σὲ καὶ κακο- 
φρονεῖν δαίμων ποιεὶ ὑπερβαρὺς ἐμπιτνῶν μελίξειν πάϑη γοερὰ ϑανα- 
τηφόρα. Meineke ἐπεμπέτνων. — ν. 1140 codd. ἐς ἥξειν. Bothe bess. 
Dann κύματος δίκην. — v. 1141 codd. κλύειν πρὸς αὐγὰς. Schütz κλύ- 


1185 


1140 


1145 


1150 


1155 











AESCHYLOS AGAMEMNON. 147 


O was verstört nur deinen Geist? 

Und stürmt wuchtig ein und zwingt deinen Mund 
1135 Ein solch Grabeslied zu weihn deinem Weh? 

Wie soll's enden doch? 


Kassandra 
(sich aufrichtend, gegen den Chor). 

Doch nein! der Wahrspruch schauet fürder nicht hervor 
Aus Schleierbülle gleich der neuvermählten Maid: 
Hellsausend, fühl’ ich, raset bald in wildem Braus 

1140 Gen Sonnenaufgang, dass der Woge Schaum und Gischt 
An’s Ufer brandet, dieses Unheils wütender 
Orkan. — Ich lehre nicht in Rätselworten mehr, 
Und ihr — bezeugt mir dass ich nun der Frevel Spur, 
Der längst verübten, Schritt für Schritt auswittere, 

(Nach dem Palast sich wendend.) 

1145 Denn nie verlässet dieses Haus ein Geisterchor, 
Der auch im Einklang schaurig tönt: er tönt ja Fluch. 
Vollends berauschet, noch zu grössrer Frevellust, 
In Menschenblute, bleibt im Haus das Festgelag, 
Nicht mehr verjagbar, stammverwandter Furien. 

1150 Bei Leichen sitzend feiern sie mit Festgesang 
Die erste Blutschuld: wechselnd spei’n sie grimmig aus, 
Unhold dem Schänder, der des Bruders Bett betrat. 

(Zum Chor.) 

Nun, fehlt’ ich? oder traf der Schuss den schwarzen Fleck ? 
Bin ich die Lugprophetin oder Gauklerin ? 

1155 Gieb mir ein eidlich Zeugniss, dass durch Geisteskraft 
Mir wohl bekannt ist dieses Hauses alte Schuld. 


£sıv. Ahrens dyag. — Dann τοῦδε πήματος πολὺ | μεῖζον. Karsten bess, 
— v.1150 codd. δώμασι. — v. 1151 Flor. πρώταργος. — v. 1153 codd. 
τηρῶ τι. Ahrens bess. — v. 1156 codd. λόγῳ παλαιὰς. 
ν.. 1146 der Chor der Erinyen. — v. 1150. Bei den Leichen der Kin- 
der des Thyestes; deren Schlachtung ist die erste Blutschuld, 
10* 


148 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


ΧΟΡΟΣ. 
Καὶ πῶς ἂν ὅρκοις πῆμα γενναίως παγὲν 
παιώνιον γένοιτο; ϑαυμάξω δέ σου, 
πόντου πέραν τραφεῖσαν ἀλλόϑρῳ ᾽ν πόλει 


κυρεῖν λέγουσαν, ὥσπερ εἰ παρεστάτεις. 1160 
ΚΑΣΑΝΔΡΑ. 
Μάντις μ᾽ ᾿“πόλλων τῷδ᾽ ἐπέστησεν τέλει. 1161 
ΧΟΡΟΣ. 
[Πῶς γὰρ παρέσχεν τόδε γέρας ϑνητῇ κόρῃ; 
ΚΑΣΑΝΔΡΑ. 
Προτοῦ μὲν αἰδὼς ἦν ἐμοὶ λέγειν τάδε. 1168 
ΧΟΡΟΣ. 
"Μῶν καὶ ϑεός περ ἱμέρῳ πεπληγμένος; 1162 
KAZANAPA. 
[Ἔγωγε δαρὸν ἀντίπνους ἦν Aokie.) 
ΧΟΡΟΣ. 
«βρύνεται γὰρ πᾶς τις εὖ πράσσων πλέον. 1164 
| KAZANAPA. 
AM ἦν παλαιστὴς κάρτ᾽ ἐμοὶ πνέων χάριν. 1165 
ΧΟΡΟΣ. 
Ἦ καὶ τέκνων εἰς ἔργον ἠλϑέτην νόμῳ: 
ΚΑΣΑΝΔΡΑ. 
ἐπξυναινέσδασα Μοξίαν ἐψευσάμην. 
ΧΟΡΟΣ. 
Ἤδη τέχναισιν ἐνθέοις ἠρημένη; 
: KAZANAPA. 
Ἤδη πολίταις πάντ᾽ ἐθέσπιξον πάϑη. 
| ΧΟΡΟΣ. 
Πῶς δῆτ᾽; ἄνατος ἦσϑα Ao&lov κότῳ; 1170 
ΚΑΣΑΝΔΡΑ. 


», 


Ἔπειϑον οὐδέν᾽ οὐδὲν, ὡς τάδ᾽ ἤμπλακον. 





v. 1157 codd. ὅρκος. Weil bess. — v. 1169 codd. ἀλλόϑρουν»ν πόλιν. 
Enger bess. — v. 1163. 62 sind von Herm. fälschlich umgestellt worden; 
die Lücke nach v. 1161 und nach v. 1162 hat Weil angezeigt. — v. 1164 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 


Chorführer. 
Ja, könnten Eide festverschlungner Leiden Knäul 
Heilbringend lösen! — Aber ich bewundre dich: 
Jenseits des Meers erzogen und in fremder Stadt, 
1160 Sprichst du so treffend, wie’s ein Augenzeuge kann. 


Kassandra. 
1161 Der Seher Phöbos weihte mich zu diesem Amt. 
Chorführer. . 
Und wie verlieh er dies Geschenk der Sterblichen ? 
Kassandra. 
1163 Ach! sonst empfand ich dies zu sagen tiefe Scheu. 
Chorführer. 
1162 Es hat den Gott doch Liebessehnsucht nicht gefasst? 
Kassandra. 
Doch; aber lange widerstrebt’ ich Loxias, 
Chorführer. 
1164 Ja, spröde zeigt sich jeder, der im Glücke sitzt. 
Kassandra. 
1165 Doch rang er mächtig, Glut und Wonnen atmet’ er. 
Chorführer. 
Genosset auch ihr, was der Liebe süsser Brauch? 
Kassandra. 
Ich willigt’ ein erst, dann betrog ich Loxias: 
Chorführer. 
Bereits ergriffen von des Sehergeistes Hauch? 
Kassandra. 
Bereits enthüllt’ ich meiner Stadt ihr Leidensmass. 
Chorführer. 
1170 Wie aber? liess dich ungestraft des Gottes Zorn? 
Kassandra. 


Nie fand ich irgend Glauben, weil ich so gefehlt. 


149 


Farn. βαρύνεται. — v. 1166 codd. ἤλϑετον. Elmsley bess. — v. 1170 


codd, ἄνακτος. Canter bess. 


150 AESCHYLOS AGAMEMNON. 
ΧΟΡΟΣ. 


Ἡμῖν γε μὲν δὴ πιστὰ ϑεσπίξειν δοκεῖς. 


ΚΑΣΑΝΔΡΑ. 
Ἰοὺ ἰού. | 
Tr’ αὖ με δεινοῖς ὀρϑομαντείας πόνος 
στραβεῖ ταράσσων φροιμίοις ὦ οἱ Hand. 
ὁρᾶτε τούσδε τοὺς δόμοις ἐφημένους 
νέους, ὀνείρων προσφερεῖς μορφώμασι: 
παῖδες ϑανόντες, ὡσπερεὶ πρὸς τῶν φίλων 
χεῖρας, κρεῶν πλήσοντες οἰκείας βορᾶς, 
σὺν ἐντέροις τε σπλάγχν᾽ ἐποίκτιστον γέμος 
πρέπουσ᾽ ἔχοντες" ὧν πατὴρ ἐγεύσατο. 
ἐκ τῶνδε ποινάς φημι βουλεύειν τινὰ 
λέοντ᾽ ἄναλκιν ἐν λέχει στρωφώμενον 
οἰκουρὸμ, oluoı, τῷ μολόντι δεσπότῃ 
ἐμῷ" φέρειν γὰρ χρὴ τὸ δούλιον ξυγόν. 


Νεῶν τάγαρχος Ἰλίου τ᾽ ἀναστάτης 
οὐκ οἷδεν οἷα γλῶσσα μισητῆς κυνὸς 
λείξασα μειλίξασά ὃϑ᾽ αἱμόρρου δίκην 
ἄτης λαϑραίου τεύξεται κακῇ τέχνῃ. 
τοιαῦτα τολμᾷ" ϑῆλύς ἐστιν ἄρσενος 
φονεύς. τί νιν καλοῦσα δυσφιλὲς δάκος 
᾿ τύχοιμ᾽ ἄν; ἀμφίσβαιναν, ἢ Σκύλλαν τινὰ 
᾿ οὐκοῦσαν ἐν πέτραισι, ναυτίλων βλάβην; 
ϑύουσαν “Ἧϊιδου λήτορ᾽ ἄσπονδον φίλοις 
”Aonv πνέουσαν" ὡς δ᾽ ἐπωλολύξατο 


v. 1173—75 codd. lov lod ὦ ὦ κακά --- δεινὸς --- φροιμίοις ἐφη- 
μένους. Weil bess. --- v. 1179 codd. πλήϑοντες οἰκείας βορᾶς. --- v. 1186 
codd. νεῶν τ᾽ ἄπαρχος. --- v. 1187 Farn. εὖ οἶδεν. -- v. 1188 codd. 
λέξασα καὶ κτείνασα φαιδρόνους. Tyrwhitt Aeldaoe. — ν. 1189 codd. 
κακῇ τύχη. — γ. 1190 Flor. τοιάδε τολμὰ ϑῆλυς ἄρσενος φονεὺς | ἐστίν. 


1116 


1180 


1185 


1190 


1195 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 151 
Chorführer. 


Uns freilich dünket dass du Wahres offenbarst. 


Kassandra. 
Ο Gott! o Gott! 
Allmählich wieder wirbeln mich die Seherwehn 
1175 Mit grausem Vorspiel rüttelnd um. Ha, fürchterlich! 
Seht ihr die Kindlein, jene dort auf hohem Dach ᾿ 
Gelagert, leicht wie Traumgestalten hingehaucht? — 
Ja, todte Knaben seh’ ich, auf der Liebsten Wink 
Gleichsam gewärtig mit dem Fleisch des Hauses Mahl 
1180 Zu füllen — grause Leibesfrucht enthalten sie 
An Herz und Leber. — Ha! der Vater kostet, seht! — 
Dafür Vergeltung sinnet, so verkünd’ ich nun, 
Ein Löwenbastard, der im Nest des Hauses wühlt, 
Auflauernd, wehe! meinem heimgekehrten Herrn, 
1185 Ja, meinem — muss ich tragen doch die Sklaverei. 


Der Flottenherzog, Tlions Zertrümmerer, 
Er ahnt so gar nicht, was der geilen Hündin Mund, 
Nachdem er schmeichelnd ihn geleckt, der Viper gleich 
" Bereitet mit versteckten Unheils böser Kunst. — 
1190 Ja, solches wagt sie: ihrem Manne giebt das Weib 
Den Tod. OÖ welch’ ein gräuelvolles Ungetüm 
Leiht ihr den Namen? eine Natter? oder sie, 
Die Pest der Schiffer, Skylla, die in Felsen haust? — 
Die tollste Höllenpriestrin! denn den Ihren schnaubt 
1195 Friedlosen Grimm sie. Ha! wie jauchzte laut sie auf, 


Farn, τοιαῦτα τολμᾷ ϑῆλυς ἄρσ. φ. ἐστίν. — v. 1194 codd. &dov un- 
τέρ΄. Ahrens bess. Dann ἄσπονδόν τ᾿ ἀρὰν φίλοις πνέουσαν. 

v.1178 ‚‚todte Knaben‘ gleichsam wie Aufwärter den Vater be- 
dienend, aber mit dem eignen Fleisch. — v. 1183 Aegisthos. — v. 1195 
„sie jauchzte auf‘ beim Empfang des Königs. 


152 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


ἡ παντότολμος, ὥσπερ Ev μάχης don‘ 
ἐδόκει δὲ χαίρειν νοστίμῳ σωτηρίᾳ. 


[Τοιούσδε μέντοι δώμασιν χρησμοὺς λέγω. 
. καὶ τῶνδ᾽ ὅμοιον εἴ τι μὴ πείϑω᾽ τί γάρ; 
τὸ μέλλον ἥξει. καὶ σὺ μὴν τάχ᾽, εἰ παρόν, 
ἄγαν μ᾽’ ἀληϑόμαντιν οἰκτείρας ἐρεῖς. 1200 
ΧΟΡΟΣ. 
Τὴν μὲν Θυέστου δαῖτα παιδείων κρεῶν 
ξυνῆκα καὶ πέφρικα, καὶ φόβος μ᾽ ἔχει 
κλύοντα λήροις οὐδὲν ἐξῃκασμένα. 


ı 2 


τὰ δ᾽ ἄλλ᾽ ἀκούσας ἐκ δρόμου πεσὼν τρέχω. 


KAZANAPA. 
᾿“γαμέμνονός σέ φημ’ ἐπόψεσϑαι μόρον. 1205 
ΧΟΡΟΣ. 
Εὔφημον, ὦ τάλαινα, κοίμησον στόμα. 
KAZANAPA, 
"AAN οὔτι παιὼν τῷδ᾽ ἐπιστατεῖ λόγῳ. 
ΧΟΡΟΣ. 
Οὔκ, εἰ παρέσται γ᾽ " ἀλλὰ μὴ γένοιτό πως. 
KAZANAPA. 
Zi μὲν κατεύχει. τοῖς δ᾽ ἀποκτείνειν μέλει. 
ΧΟΡΟΣ. 
Τίνος πρὸς ἀνδρὸς τοῦτ᾽ ἄγος πορσύνεται; 1210 
KAZANAPA. 
H κάρτα δαρὸν παρεκόπης χρησμῶν ἐμῶν. 
ΧΟΡΟΣ. 
Τοῦ γὰρ τελοῦντος; οὐ ξυνῆκα μηχανήν. 
KAZANAPA. 


Καὶ μὴν ἄγαν γ᾽’ "EAAnv’ ἐπίσταμαι φάτιν. 


v. 1196 codd. τροπῇ. δοκεῖ δὲ. — v. 1199 codd. καὶ σὺ μὴν τάχει 
παρὼν ἄγαν γ᾽. Ahrens bess. — v. 1203 codd. κλύοντ᾽ ἀληϑῶς. — 
v. 1210 codd. ἄχος. Auratus bess. — v.1211 codd. ἡ xaer’ ἄρ᾽ ἂν 
παρεσκόπης. Hartung παρϑκόπης. -— v. 1213 Ven. ἐπέσταται. 











AESCHYLOS AGAMEMNON. 153 


Die überfreche, wie im Sturmesdrang der. Schlacht, 
Und Freude schien es ob der frohen Wiederkehr! 
(Zum Chor.) 

Ja, solchen Wahrspruch künd’ ich diesem stolzen Haus. 

Und ob dafür ich Glauben finde — einerlei! 

Bald tagt die Zukunft! und sobald sie Gegenwart, 
1200 Nennst du mit Wehruf mich die Wahrheitsseherin. 

Chorführer. 

Thyestes’ Mahlzeit von der eignen Kinder Fleisch 

Verstand ich und mich schaudert, und ich bin erstarrt 

Zu hören, was so wenig hohlen Worten gleicht: 

Allein das andre jagt den Geist auf irren Pfad. 


Kassandra. 
1205 Agamemnons Ausgang, sag’ ich, wird dein Auge sehn. 
Chorführer. 
Ο Gott verhüte! welches Wort, Unselige! 
Kassandra. 
Nicht lenkt ein Heiland gnadenreich, was ich gesagt. 
Chorführer. 
Nicht, wenn's erfüllt ist; aber mög’ es nie geschehn. 
Kassandra. 
Du betest freilich, aber jene sinnen Mord. 
Chorführer. 
1210 Und welcher Schurke stiftet solchen Gräuel an? 
, Kassandra. 
Ha! lange wahrlich missverstehst du meinen Spruch. 
Chorführer. 
Wer ist der Täter? ich begreife nicht den Plan. 
Kassandra. 


Doch allzu gut nur kenn’ ich eurer Rede Klang. 


—mn 0 nn 


v. 1211 ‚‚du missverstehst mich, weil du nach dem Anstifter fragst; 
ich habe dir ja Aegisthos als solchen klar bezeichnet“. 


154 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


ΧΟΡΟΣ. 

Kal γὰρ τὰ πυϑόκραντα: δυσμαϑὴ δ᾽ ὅμως. 

ΚΑΣΑΝΔΡΑ. 
Παπαὶ παπαῖ. 
Οἷον τόδ᾽ αὖ μὲ πῦρ ἔπεισι ϑέσφατον. 
ὀτοτοῖ, “ύκει᾽ "Ἄπολλον, οὗ ἐγὼ ἐγώ. 
αὕτη δίπους λέαινα συγκοιμωμένη 
λύκῳ. λέοντος εὐγενοῦς ἀπουσίᾳ, 
κτενεῖ μὲ τὴν τάλαιναν᾽ ὡς δὲ φάρμακον 
τεύχουσα κἀμοῦ μισϑὸν ἐνθήσειν κύτει 
ἐπεύχεται, ϑήγουσα φωτὶ φάσγανον" 
ἑμῆς δ᾽ ἀγωγῆς ἀντιτίσασϑαι φόνον. 


Τί δῆτ᾽ ἐμαυτῆς καταγέλωτ᾽ ἔχω τάδε, 
καὶ σκῆπτρα καὶ μαντεῖα περὶ δέρῃ στέφη: 
σὲ μὲν πρὸ μοίρας τῆς ἐμῆς διαφϑερῶ. 

it’ ἐς φϑόρον πεσόντ᾽, ἄϑω᾽ ἀμείψομαι: 
ἄλλην τιν᾽, ἁγνὴν, ἀντ᾽ ἐμοῦ πλουτίζετε. 


Ἰδοὺ δ᾽ ᾿πόλλων αὐτὸς ἐκδύων ἐμὲ 
χρηστηρίαν EodnT. ἐποπτεύσας τέ μὲ 

κἀν τοῖσδε κόσμοις καταγελωμένην μέγα 
φίλων ὑπ᾽ ἐχϑρῶν. οὐ διχορρόπως μαϑεῖν — 
καλουμένη δὲ φοιτὰς, ὡς ἀγύρτρια 

πτωχός τ᾽ ἀλαξὼν λιμοϑνὴς, ἠνειχόμην -- 
καὶ νῦν ὁ μάντις μάντιν ἐκπράξας ἐμὲ 
ἀπήγαγ᾽ ἐς τοιάσδε ϑανασίμους τύχας. 

βωμοῦ πατρῴου δ᾽ ἀντ᾽ ἐπίξηνον μένει" 
oluoı κοπείσης φοινέῳ προσφάγματι. 


v. 1214 Ven. Flor. δυσπαϑῆ. — v. 1216 codd. παπαῖ, οἷον τὸ πῦρ 
ἐπέρχεται δέ μοι. Vor den Monolog setzt Weil παπαὲ παπαῖ. -- 
v. 1217 codd. δίπλους. Viet. bess. — ν΄. 1220 Ven,. Flor. ἐνθήσει κότῳ. 
Farn. ἐνθήσειν κότῳ. — v. 1222 codd. ἐμῆς ἀγωγῆς. — v. 1226 codd. 
ἀγαθϑὼ δ᾽ ἀμεέψομαι. — v. 1227 codd. ἄλλην τιν᾽ ἄτην. — v. 1229 
codd. δέ με. Heimsoeth bess. — v. 1230 codd. μέτα. Herm. bess. — 
v. 1231 codd. οὐ διχορρόπως μάτην. Halm 0685. — v. 1233 codd. 


1215 


1220 


1225 


1230 


1235 





1215 


1220 


1225 


AESCHYLOS AGAMENNON. 155 


Chorführer. 
Auch Pytho kennt ihn; dennoch ist sie rätselhaft. 
Kassandra. 
Ο Gott! o Gott! 
Welch göttlich Feuer, das mich wieder überströmt! 
O schrecklich, Fürst Apollon! wehe, wehe mir! 
Da — diese Menschenlöwin, die dem Wolfe sich 
Gesellet, während ferne. war der edle Leu, 
Wird mich, die arme, morden. Ja, wie wenn sie Gift 
Zum Tranke braute, prahlt sie laut auch meinen Lohn 
Dem Mann das Eisen wetzend mit hineinzutun. 
Mich bracht’ er mit sich! rächen soll es ihr der Mord! 


Was trag’ ich denn noch mir zum Spotte diesen Schmuck ? 
Dies Scepter und die Priesterbinden um den Hals? 

Ha! dich vernicht’ ich, ehe mich mein Loos ereilt. 

Fahrt hin zur Hölle — so vergelt’ ich vollen Dank — 


Schenkt einer andern reinen Magd all euer Glück. 
(Pause.) 
Ha! sieh! Apollon selber! er entkleidet mich 


Des Weihgewandes! ja! er war. ein Schirmer mir, 


1230 Als mich die Meinen, mir entfremdet, höhneten 


In diesem Schmuck auch, höhnten ach! mit offnem Spott 
(Wahnwitzig hiess ich gleich der irren Gauklerin, 

Dem hungersiechen Bettelweib, das Possen reisst ). 

Und nun? der Seher, mit der armen Seherin 
Abrechnend, führt sie her in solches Todesloos: 

Statt heil’gen Altars harret drin der Henkerblock! 


Weh, weh dem Haupte, das dem blut’gen Streiche fällt! 
(Pause.) 


πτωχὸς τάλαινα λιμοϑνὴς ἠνεσχόμην. — v. 1237 codd. ϑερμῷ no- 
πείσης. 
v. 1225 zerbricht die Seherin ihr dünnes Lorbeerscepter. — v. 1226 


wirft sie die Priesterbinden zürnend zu Boden. — v. 1228 lässt sie ihr 


Seherkleid niedersinken, ‚aber indem sie verzückt auf die Apollonstatue 
vor dem Palaste schaut, ist.es ihr, als ob ihr Schirmherr selbst heran- 
schreite sie zu entkleiden. 


156 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


Οὐ μὴν ἄτιμοί γ᾽ ἐκ ϑεῶν τεϑνήξομεν, 
[γυνὴ τάλαινα καὶ νεῶν στρατηλάτης]. 
ἥξει γὰρ ἡμῶν ἄλλος αὖ τιμάορος, 
μητροκτόνον φέτυμα, ποινάτωρ πατρός" 1240 
φυγὰς δ᾽ ἀλήτης τῆσδε γῆς ἀπόξενος 
. κάτεισιν, ἄτας τάσδε ϑριγκώσων φίλοις" 
ἄραρε δὴ γὰρ ὕρκος ἐκ ϑεῶν μέγας, 
ἄξειν νιν ὑπτίασμα κειμένου πατρός. 


Τί δῆτ᾽ ἐγὼ κάτοκνος ὧδ᾽ ἀναστένω; 1245 
ἐπεὶ τὸ πρῶτον εἶδον Ἰλίου πόλιν 

πράξασαν ὡς ἔπραξεν, οἵ δ᾽ εἷλον, πάλιν 

οὕτως ἀπαλλάσσουσιν ἐν ϑεῶν κρίσει; 

λιποῦσ᾽ ἅμαξαν τλήσομαι τὸ κατϑανεῖν. 


“Αιδου πύλας δὴ τάσδ᾽ ἐγὼ προσεννέπω" 1250 
ἐπεύχομαι δὲ καιρίας πληγῆς τυχεῖν, 

ὡς ἀσφάδαστος, αἱμάτων εὐθϑνησίμων 

ἀπορρυέντων. ὄμμα συμβάλω τόδε. 


: ΧΟΡΟΣ. 
Ὦ πολλὰ μὲν τάλαινα, πολλὰ δ᾽ αὖ σοφὴ 
γύναι, μαπρὰν ἔτεινας. εἰ δ᾽ ἐτητύμως ο 25 
μόρον τὸν αὑτῆς οἶσϑα, πῶς ϑεηλάτου 
βοὸς δίκην πρὸς βωμὸν εὐτόλμως πατεῖς; 


ΚΑΣΑΝΔΡΑ. 
Οὐκ ἔστ᾽ ἄλυξις, οὔ, ξένοι" χρόνοι πλέῳ. 
ΧΟΡΟΣ. 
Ὁ δ᾽ ὕστατός γε τοῦ χρόνου πρεσβεύεται. 
’ KAZANAPA. 
Ἥκει τόδ᾽ ἦμαρ᾽ σμικρὰ κερδανῶ φυγῇ. 1260 


ν, 1243 hatte sich in der Form ὀμώμοται γὰρ ὅρκος κτᾶ. hinter 
v. 1249 verirrt, Herm. setzte ihn in die richtige Stelle. Dindorf ἄραρε 
γάρ τις κτλ. — v.1245 codd. κάτοικος. — v.1247 codd. οὗ δ᾽ εἶχον 








AESCHYLOS AGAMENMNON. 151. 


Doch Rache, Rache schickt der Himmel noch im Tod 

Der armen Jungfrau wie dem stolzen Völkerherrn. 

Einst kommt ein andrer Rächer wieder, jener Spross, 
1240 Der muttermördrisch seinem Vater Sühne schafft: 

Ein irrer Flüchtling kehrt er aus der Fremde heim 

Und setzt den Schlussstein aller Schuld den Seinen auf. 

Denn als ein Bollwerk steht der grosse Göttereid, 

Ihn herzuführen, der gestürztes neu erhebt. 


1245 Was seufz’ ich denn noch also, zaudernd fort und fort? 
Sah doch zuvor ich meine stolze Vaterstadt 
Ihr Loos erleiden, und den Siegern wiederum 
Erging es also bei der Götter Strafgericht. 


Vom Wagen denn! und mutigein den Tod hinein! 
(Sie steigt vom Wagen und geht auf die nach der Bühne führende Treppe zu; an 
der ersten Stufe zaudert sie.) 


1250 Euch nun begrüss’ ich, dunkle Höllenpforten ihr! 
Vergönnet, bet’ ich, wohlgezielten Todesstreich, 
Dass meine Lebensquellen leicht verströmen, rasch, 
Und ohne Zuckung ich das Auge schliessen kann. 

(Sie geht die Treppe hinauf.) 
᾿ | Chorführer. 

O Weib, du viel beladne, doch vielkundige, 

1255 Du sprachest lange. Doch warum, falls wirklich du 
Dein eigen Schicksal kennest, trittst du kühn und fest 
Gleich gottgetriebnem Opfer zum Altare hin? | 


Kassandra. 

Wo wär ein Ausweg, Freunde? wo? Hin ist die Zeit. 
Chorführer. 

Die letzten Augenblicke schätzt man doch zumeist. 
Kassandra. 


1260 Sie kam, die Stunde: wenig hülfe mir die Flucht. 





πόλιν, — v. 1249 codd. ἐοῦσα πράξω. — ν. 1960 codd. πύλας δὲ τὰς 
λέγω. Auratus τάσδ᾽ ἐγὼ. --- v. 1268 codd. γρόνῳ πλέω. (Farn. πλέῳ). 
Υ͂. 1289 Orestes. — v. 1247 den Siegern d. h. dem Agamemnon. 


158 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 


ΧΟΡΟΣ. 
"AAN ἴσϑι, τλῆμον. οὐδ᾽ ἀπ᾽ εὐτόλμου φρενός. 
ΚΑΣΑΝΔΡΑ. 
Οὐδεὶς ἀκούει ταῦτα τῶν εὐδαιμόνων. 
ΧΟΡΟΣ. 
AAN εὐκλεῶς τοι κατϑανεῖν χάρις βροτῷ. 
ΚΑΣΑΝΔΡΑ. 
Ἰὼ πάτερ σοῦ σῶν τὲ γενναίων τέκνων. 


ΧΟΡΟΣ, 
Τί δ᾽ ἐστὶ χρῆμα; τίς σ᾽ ἀποστρέφει φόβος; 
ΚΑΣΑΝΔΡΑ. 
Dev φεῦ, [πέφρικα" τρόμος ἔχει μὲ καὶ κρύος]. 
ΧΟΒΟΣ. 
Τί τοῦτ᾽ ἔφευξας; ἔστι μὴ φρενῶν στύγος: 
ΚΑΣΑΝΔΡΑ. 
Φόνον δόμοι πνέουσιν αἰἱματοσταγῆ. 
ΧΟΡΟΣ. 
Καὶ πῶς; τόδ᾽ ὄξει ϑυμάτων ἐφεστίων. 
ΚΑΣΑΝΔΡΑ. 
Ὅμοιος ἀτμὸς ὥσπερ ἐκ τάφου πρέπει. 
ΧΟΡΟΣ. 
Οὐ Σύριον ἀγλάϊσμα δώμασιν λέγεις. 
KAZANAPA. 


Ἰὼ &Evoı. 


Οὔτοι δυσοίξω ϑάμνον ὡς ὄρνις δόμον 
ἄλλως" λακούσῃ μαρτυρεῖτέ μοι τόδε, 
ὅταν γυνὴ γυναικὸς ἀντ᾽ ἐμοῦ ϑάνῃ, 


v. 1261 codd. τλήμων οὖσ᾽. --- v. 1268. 62 gebe ich in der über- 
lieferten Reihenfolge, Herm. stellt sie nach Heath um, — v. 1264 codd. 
τῶν re. Auratus bess. — v. 1267 codd. εἴ τι un φρενῶν στ. — v. 1268 
codd. φόβον. Auratus bess. — v. 1275 codd. ὡς ὄρνις φόβω. — v. 1276 


codd. ἀλλ᾽ ὡς ϑανούσῃ. Herm. ἄλλως. 


1263 


1262 


1265 





1270 


1271 


1274 


1275 





AESCHYLOS AGAMENNON. 159 


Chorführer. 
Doch wisse, Duldrin: auch die Kühnheit fördert nicht. 
Kassandra. 
1263 Ach, nimmer sagt man solches Wort den Glücklichen. 
Chorführer. | 
1262 Nun freilich, Trost beut immer noch ein stolzer Tod. 
| Kassandra. 
Weh, Vater, dir! und deinen edlen Kindern weh! 
(Sie will in den Palast gehen, bebt aber enlsetzt zurück.) 
Chorführer. 
1265 Was hast du? welch Entsetzen wendet deinen Schritt? . 


Kassandra. 

Ha! grässlich, grässlich! Eisig überläuft es mich. 
Chorführer. 

Was stöhnst du? ich gewahre doch nichts grausiges. 
Kassandra. 

Von Mord und Blutbad weht das Haus den Odem her. 
Chorführer. 

Wie das? es duftet von des Herdes Opferglut. 
Kassandra. 

1270 Ein Dunst wie aus dem Grabe weht durchdringend her. 

Chorführer. 


1271 Nicht rühmst dem, Haus du Wohlgerüche Syriens. 
Kassandra. 
1274 Weh, Freunde, weh! 
(Sie macht einen Schritt vorwärts nach dem Palaste, bebt aber wieder zurück.) 
1275 Nicht wie der Vogel sein Gebüsch, scheu’ ich das Haus 
Umsonst; bezeugt mir dass ich dieses offenbart, 
Wenn mir dem Weibe zur Vergeltung stirbt das Weib, 


v.1263 den Glücklichen sagt man vielmehr. dass Mut gewinnt. — 
v. 1276. Die beiden heissesten Wünsche Kassandras sind: Glauben zu 
finden und gerächt zu werden. 


160 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


ἀνήρ τε δυσδάμαρτος ἀντ᾽ ἀνδρὸς πέσῃ. 
ἐπιξενοῦμαι ταῦτα δ᾽ ὡς ϑανουμένη. 
ΧΟΡΟΣ. 
Ὦ τλῆμον, οἰκτείρω δε ϑεσφάτου μόρου. 1280 
ΚΑΣΑΝΔΡΑ. 
““παξ ἔτ᾽ εἰπεῖν ῥῆσιν ἐκ ϑρήνων ϑέλω 
ἐμήν παναυγὲς Ἡλίου κατεύχομαι 
πρὸς ὕστατον φῶς. τοῦδ᾽ ἐμοὺ τιμαόρου | 1283 
ἐχϑροῦ, φονεῦσι τοῖς ἐμοῖς τίνειν ὁμοῦ 1285 
[δόλους λαϑραίους ὥσπερ οὖν ἁλίσκομαι. 


Ἰὼ μεγίστου βασιλέως ἀρχηγέτου] 


δούλης 9’ ἁλούσης εὐμαροῦς χειρώματος. 1286 

ἀλλ᾽ εἶμι κεἰδώλοισι κωκύσουσ᾽ ἐμὴν 1272 

᾿Δγαμέμνονός τε μοῖραν. ἀρκείτω βίος. 1273 
ΧΟΡΟΣ. 

Ἰὼ βρότεια πράγματ᾽ - εὐτυχοῦντα μὲν 1287 


σκιά τις ἂν τρέψειεν, εἰ δὲ δυστυχῆ, 
βολαῖς ὑγρώσσων σπόγγος ὥλεσεν μόλις. 
καὶ ταῦτ᾽ ἐκείνων μᾶλλον οἰκτείρω πολύ. 1290 


Τὸ μὲν εὖ πράσσειν ἀκόρεστον ἔφυ 
πᾶσι βροτοῖσιν " 

δακτυλοδεέκτων δ᾽ οὔτις ἀπειπὼν 
εἴργει μελάϑρων. 

μηκέτ᾽ ἐσέλϑης““ τάδε φωνῶν. 


Καὶ τῷδε πόλιν μὲν ἑλεῖν ἔδοσαν 1295 





v. 1281. 82. 83 codd. ῥῆσιν ἡ ϑρῆνον ϑέλω ἐμὸν τὸν αὐτῆς. ἡλίῳ 
δ᾽ ἐπεύχομαι πρὸς ὕστατον φῶς τοῖς ἐμοῖς τιμαόροις ἐχϑροῖς φονεῦσι 
κτλ. — ν. 1986 codd. δούλης ϑανούσης. --- v. 1272 codd. ἀλλ᾽ εἶμι κών 
δόμοισι. Dass v. 1272 und 73 an diese Stelle gehören, hat Weil ent- 





AESCHYLOS AGAMEMNON. 


Der Mann dem Manne, diesem Wehegatten, fällt! 

Nicht weigert dieses Gastgeschenk der sterbenden. 

| Chorführer. 

1280 Du arme, ja! mich jammert dein Prophetenloos. 

Kassandra. 

Einmal noch höret nach den Klagen meinen Spruch 

Des Fluchs: in diesem letzten Licht des Helios, 

1283 Dem stralend hellen, meines ach! so feindlichen 

1285 Schirmherrn, verfluch’ ich meine Mörder, dass zugleich 
Die feige List sie büssen, so wie mir’s ergeht. 

(An der Tür des Palastes.) 

Weh, wehe dir, dem grossen König, Völkerherrn, 
1286 Und mir der Sklavin, mir dem leichten Mörderfang! 
1272 Doch nun hinein! den Schatten sei hinfort geklagt 
1273 Agamemnons Mord und meiner! Leben, fahre hin! 

(Sie tritt hinein.) 
Chorführer. 

1287 O Menschenschicksal! ist es glücklich, ach! da kann 
Ein Hauch es wandeln: doch des Leidens düstres Bild 
Vertilget ätzend kaum der vollgetränkte Schwamm. 

1290 Und dieses grämt mich tiefer noch als jenes selbst. 

Chor. 
Erster Greis. 

Im Genusse des Glücks zwar sättiget nie \ 

Sich ein sterblicher Mensch: 

Wer hielte vom Haus, das staunend man zeigt, 

Fortweisend es ab 

Mit dem Wort „nicht fürder herein hier‘? 
Zweiter Greis. 
1295 Dem Atriden verliehen die Himmlischen Sieg 


161 


deckt. — v. 1287—90 wurden sonst der Kassandra zugeteilt, Weil ent- 
deckte den Fehler. — v. 1289 codd. ὥλεσε γραφήν. — v. 1294 codd. 


μηκέτι δ᾽ εἰσέλϑης. Herm. bess. 
ν. 1282 Helios ist identisch mit Apollon. 


AESCHYL. AGAMEMNON. 11 


162 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


μάκαρες Πριάμου" 
ϑεότιμος δ᾽ οἴκαδ᾽ ἱκάνει. 


Νῦν ὃ εἰ προτέρων αἷμ᾽ ἀποτίδαι 

[σφαγίων στυγερῶν] 

καὶ παισὶ ϑανοῦσι ϑανὼν ἄλλων 

ποινὰς ϑανάτων | 
[τριτάτην] ἄτην ἐπικράναι" 1800 


Τίς ἂν ἐξεύξαιτο βροτῶν ἀσινεῖ 
[τέλος ἐς ϑανάτου) 
δαίμονι φῦναι, τάδ᾽ ἀκούων; 


ATAMEMNZN. 
μοι, πέπληγμαι καιρίαν δέρης ἔσω. 
ΧΟΡΟΣ. 
Σῖγα: τίς πληγὴν ἀστεῖ καιρίως οὐτασμένος; 
ATAMEMNRN. 
Quoı μάλ᾽ αὖϑις, δευτέραν πεπληγμένος. 1805 
ΧΟΡΟΣ. 
Τοὔργον εἰργάσϑαι δοκεῖ μοι βασιλέως οἰμώγμασιν. 
ΧΟΡΟΣ. 


᾿4λλὰ κοινωσώμεϑ᾽, ἄνδρες, ἀσφαλῆ βουλεύματα. 
ΧΟΡΟΥῪΥ ὁ α΄. 


Ἐγὼ μὲν ὑμῖν τὴν ἐμὴν γνώμην λέγω, 
πρὸς δῶμα δεῦρ᾽ ἀστοῖσι κηρύσσειν βοήν. 


v. 1297 codd. ϑεοτέμητος. Weil bess. -- v. 1298 codd. ἀποτέσει. — 


v. 1299 codd. καὶ τοῖσι. — v. 1300 codd. ἄγαν ἐπικρανεῖ (in Ven. Flor. 
fehlt ἄγαν). — v. 1801 codd. τίς ἂν εὔξαιτο. Schneidew. bess. — 
v. 1303 codd. καιρίαν πληγὴν ἔσω. — v. 1306 Flor. οἰμώγματι. — 


v. 1307 codd. κοινωσώμεϑ᾽ ἄν πως. 


Seite 163 v. 1297 das Blut der Kinder des Thyestes. — v. 1300. Die 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 163 


Ob Priamos’ Stadt; 
Heimkehrt er mit göttlichem Segen. 


Dritter Greis, 


“ Sollt’ aber er nun abbüssen das Blut 


1300 


1305 


Des vergangenen Gräuls 
Und dem Morde der Kinder gemordet dereinst 
Im vergeltenden Mord 

‘Vollenden den Gipfel des Fluches: 

Vierter Greis, 

Wer rühmte sich dann von den Sterblichen wohl, 
Dies hörend, dass ihn 

Sein Stern nie werde verlassen ? 


s 


Agamemnon 
(aus dem Inneren des Palastes). 
Weh mir! es traf zum Tode! tief ins Fleisch hinein. 
Führer der ersten Chorreihe. 
Stille! wer, zum Tod verwundet, rufet da von Mörderhieb? 
Agamemnon. 
Weh mir noch einmal! o der zweite 'Todesstreich! 
Führer der dritten Chorreihe. 
Bei dem Werke scheint des Königs Weheruf im Spiel zu sein. 
Chorführer. 
Auf! beraten wir, o Männer, sichre Schritte, die zu tun. 


(Pause, während die Choreuten vor dem Tor des Palastes einen Kreis bilden.) 


Erster Greis. 
Was mir genehm scheint, will ich sagen: lassen wir 
Den Bürgern laut den Ruf erschallen „Her ins Schloss “. 


x 


Voraussetzung ist genau nach Kassandras Weissagung. — v. 1303. Wäh- 
rend der Anapäste sind die Greise auf die Bühne gekommen, um auf alle 
Fälle dem König nahe zu sein. Da erschallt der Weheruf. — v. 1308, 
In der Beratung beginnt der unmittelbar vor dem Palasttor stehende 
Choreut; es folgen immer je zwei einander gegenüberstehende; derChor- 
führer, welcher dem Theatron den Rücken zukehrt, schliesst die Be- 
ratung ab. 
11* 


164 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


XOPOT ὁ β΄. 

Ἐμοὶ δ᾽ ὅπως τάχιστά γ᾽ ἐμπεσεῖν δοκεῖ 

καὶ πρᾶγμ᾽ ἐλέγχειν σὺν νεορρύτῳ ξίφει. 

| ΧΟΡΟῪ ὁ γ΄. 

Κἀγὼ τοιούτου γνώματος κοινωνὸς ὧν 

ψηφίξομαί τι δρᾶν" τὸ μὴ μέλλειν δ᾽ ἀκμή. 
XOPOT ὁ δ΄. 

Ὁρᾶν πάρεστι" φροιμιάξονται γὰρ ὡς 

τυραννέδος σημεῖα πράσσοντες πόλει. 
ΧΟΡΟΥ͂ δε. 

Χρονίξομεν γάρ. ol δὲ τῆς μελλοῦς κλέος 

πέδοι πατοῦντες οὐ καϑεύδουσιν χερί. 
ΧΟΡΟΥ ὁ ς΄. 

Οὐκ οἷδα βουλῆς ἥστινος τυχὼν λέγω. 

τοῦ δρῶντος ἔς τι καὶ τὸ βουλεῦσαι ῥέπει. 
ΧΟΡΟΥ ὁ ζ΄. 

Κἀγὼ τοιοῦτός εἰμ᾽, ἐπεὶ δυσμηχανῶ 

λόγοισι τὸν ϑανόντ᾽ ἀνιστάναι πάλιν. 
ΧΟΡΟΥ ὁ η΄. 

Ἦ καὶ βίον τείνοντες ὧδ᾽ ὑπείξομεν 

δόμων καταισχυντῆρσι τοῖσδ᾽ ἡγουμένοις; 
ΧΟΡΟΥ ὁ ϑ΄. 

AAN οὐκ ἀνεκτὸν, ἀλλὰ κατϑανεῖν κρατεῖ" 

πεπαιτέρα γὰρ μοῖρα τῆς τυραννίδος. 
XOPOT ὁ τ΄, 

Ἢ γὰρ τεκμήρι᾽ ἔστιν; ἐξ οἰμωγμάτων 

μαντευσόμεσϑα τἀνδρὸς ὡς ὀλωλότος: 
ΧΟΡΟΥῪΥ ὁ ια΄. 

Zap’ εἰδότας χρὴ τῶνδε ϑυμοῦσϑαι πέρι" 

τὸ γὰρ τοπάξειν τοῦ σάφ᾽ εἰδέναι δίχα. 


v. 1816 Ven. Flor. ol δὲ τῆς μελλούσης κλέος (in Farn. fehlt τῆς). 
Herm. 658. — v. 1317 codd. πέδον. Herm. bess. — v. 1319 codd. τοῦ 


1310 


1315 


1320 


1325 





AESCHYLOS AGAMEMNON. 165 


Zweiter Greis. 
1310 Ich aber meine: schnell hinein! auf frischer Tat 
Gepackt die Mörder, wenn das Schwert noch blutig trieft! 


Dritter Greis. 
Auch ich bekenne dieser Ansicht mich geneigt: 
Für’s Handeln stimm’ ich; nicht zu säumen gilt es jetzt. 


Vierter Greis. 
So scheint es freilich; denn ein Vorspiel ist's, wie wenn 
1315 Tyrannenherrschaft sie dem Staat bereiteten. 


Fünfter Greis. 
Ja, wir — wir zaudern: sie, das Lob. der Sinnigkeit 
Mit Füssen tretend, gönnen nicht der Faust den Schlaf. 


Sechster Greis,. 
Unschlüssig bin ich, welchen Rat ich geben soll. 
Nur wes die Tat ist, dessen Rat auch hat Gewicht. 


Siebenter Greis. 
1320 Ich hege gleiche Meinung: ich verzweifele 
Den Todten wieder aufzuwecken durch das Wort. 


Achter Greis. 
Das Leben uns zu fristen, sollten wirklich wir 
Den Schändern dieses Hauses weichen als den Herrn? 


Neunter Greis. 
Nein, unerträglich! besser wahrlich ist der Tod! 
1325 Denn nicht so bitter ist er als Tyrannendruck. 


Zehnter Greis. 
Giebt’s denn Beweise? aus dem Wehruf wollten wir 
| Alsbald den Schluss ziehn dass der Mann ermordet sei? 


Eilfter Greis. 
Klar wissen muss man, ehe man darob ergrimmt. 
Denn bloss vermuten lieget weit vom wissen ab. 


δρῶντός ἔστι καὶ τὸ βουλεῦσαι πέρι. — v. 1322 codd. »reivovreg. Canter 
bess. — v. 1828 codd, μυϑοῦύσϑαι. E. A. J. Ahrens bess,. 


166 AESCHYLOS AGAMEMNON. 
ΧΟΡΟΥῪ ὁ ιβ΄. 


Ταύτην ἐπαινεῖν πάντοϑεν πληϑύνομεν, 1330 
τρανῶς ᾿Δτρείδην εἰδέναι κυροῦνϑ'᾽ ὅπως. 


ΚΛΥΤΑΙΜΝΗΣΤΡΑ. 


Πολλῶν πάροιϑεν καιρίως εἰρημένων 

τἀναντί᾽ εἰπεῖν οὐκ ἐπαισχυνϑήσομαι. 
πῶς ἄν τις ἐχϑροῖς ἐχϑρὰ πορσύνων, φίλοις 

δοκοῦσιν εἶναι. πημονὴν ἀρκύστατον - 1335 
φράξειεν ὕψος κρεῖσσον ἐχπηδήματος; 

ἐμοὶ δ᾽ ἀγὼν ὅδ᾽ οὐκ ἀφρόντιστος πάλαι β 
νίκης σταδαίας" ἦλθε σὺν χρόνῳ γε μήν" 

ἔστηκα δ᾽ ἔνϑ᾽ ἔπαισ᾽ ἐπ᾽ ἐξειργασμένοις. 


ὡς μήτε φεύγειν μήτ᾽ ἀμύνασϑαι μόρον᾽ 

ἄπειρον ἀμφίβληστρον. ὥσπερ ἰχϑύων, 

περιστιχίξω., πλοῦτον εἵματος κακόν. 

παίω δέ νιν δίς: κἀν δυοῖν οἰμώγμασιν 

μεϑῆκεν αὐτοῦ κῶλα" καὶ πεπτωκότι 1345 
τρίτην ἐπενδίδωμι. τοῦ κατὰ χϑονὸς 

Διὸς νεκρῶν σωτῆρος εὐκταίαν χάριν. 


Οὕτω δ᾽ ἔπραξα, καὶ τάδ᾽ οὐκ ἀρνήσομαι. 1840 


Οὕτω μὲν αὐτῷ ϑυμὸν ὀργαίνει πτύσων᾽ 
κἀκφυσιῶν ὀξεῖαν αἵματος ξάλην 
βάλλει μ᾽ ἐρεμνῇ ψακάδι φοινίας δρόσου, 1850 


ν. 1880 codd. πληϑύνομαι. Hartung bess, — v. 1334 codd. πῶς γάρ , 
tıs. — ν. 1388 codd. νίκης παλαιᾶς. — ν. 1848 Flor. περιστοιχίξων. -- 
v. 1347 codd. Ardov νεκρῶν. Enger bess. — v. 1348 codd. οὕτω τὸν αὖ- 
τοῦ ϑυμὸν ὁρμαίνει πεσών. — v. 1349 codd. αἵματος σφαγήν. = 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 167 
Chorführer. 


1330 Dies gutzuheissen einen wir uns allerseits: 
Wir müssen klar sein, wie’s mit unserm König steht. 


(Wie der Chor im Begriff isı in den Palast zu dringen, öffnet sich das Tor, und man 
erblickt auf der Hausflur zwei Bahren neben einander, worauf die Leichen Agamemnons 
und Kassandras verhüllt liegen. Klytämnestra, mit einem Bluistropfen an der Stirn, steht 
zu Häupten der Leichen.) 


Kiytämnestra 
(über den Chor hinweg nach dem Theatron redend). 

Von vielem früher zeitgemäss gesprochenen 

Das Gegenteil nun sag’ ich, ohne Scham und Scheu. 

Wie könnte sonst man Feinden, welche Freunden gleich 
1335 Erscheinen, Feindschaft bieten und ein Jammernetz 

Aufzäunen, höher als der kühnste Sprung sie trägt? 

Bei diesem Kampfe war ich lange schon bedacht 

Auf Siegsgewissheit: endlich, endlich kam der Sieg! 

Hier steh’ am Ziel ich, stehe bei vollbrachter Tat. 


1340 So war der Anschlag — und ich rühm’ es öffentlich — 
Dass keine Flucht ihm, keine Gegenwehr verblieb. 
Ein weites Fanggarn, ähnlich einem Fischernetz, 
Ward. rings genestelt, faltenreiches Truggewand: 
Zwei schwere Hiebe! mit dem zweiten Weheruf 

1345 Streckt schlotternd er die Glieder. Und dem liegenden 
Versetzt’ ich noch den dritten — diesen Segensgruss 
Hatt’ ich dem Heiland dort im Schattenreich gelobt. 


So schwillt er, jenem auszuspein die Lebenskraft: 
Da schnaubt er jählings seines Bluts Sprühregen aus 
1350 Und trifft mit dunklem Tropfen mich des roten Tau’s. 


v. 1331—82. Auf der Hausflur fand nach griechischer Sitte die Aus- 
stellung der Leichen: statt: die Füsse waren dabei nach der Tür ge- 
kehrt, — v. 1847. Sarkastische Anspielung auf die Sitte, dem Retter 
Zeus den dritten Becher zu weihen. — v. 1348 „jenem“, dem Hades. 


168 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


χαίρουσαν οὐδὲν ἧσσον ἢ διοσδότῳ 
γάνει σὁπορητὸς κάλυκος ἐν λοχεύμασιν. 


Ὡς ὧδ᾽ ἐχόντων, πρέσβος ᾿Αργείων τόδε, 
χαίροιτ᾽ ἂν, εἰ χαίροιτ᾽, ἐγὼ δ᾽ ἐπεύχομαι. 
εἰ δ᾽ ἦν πρέποντα σώστρ᾽ ἐπισπένδειν νεκρῷ, 1355 
τάδ᾽ ἂν δικαίως ἦν, ὑπερδίκως μὲν οὖν. 
τοσόνδε κρατῆρ᾽ ἐν δόμοις κακῶν ὅδε 
πλήσας ἀραίων αὐτὸς ἐκπίνει μολών. 
ΧΟΡΟΣ. 
Θαυμαάξομέν σου γλώσσαν, ὡς ϑρασύστομος, 
ἥτις τοιόνδ᾽ ἐπ’ ἀνδρὶ κομπάξεις λόγον. 1860 
ΚΛΥΤΑΙΜΝΗΣΤΡΑ. 
Πειρᾶσϑέ μου γυναικὸς ὡς ἀφράσμονος" 
ἐγὼ δ᾽ ἀτρέστῳ καρδία πρὸς εἰδότας 
λέγω" σὺ δ᾽ αἰνεῖν εἴτε us ψέγειν ϑέλεις 
ὅμοιον. οὗτός ἐστιν ’Ayausuvov, ἐμὸς 
πόσις, νεχρὸς δὲ τῆσδε δεξιᾶς χερὸς 1365 
ἔργον, δικαίας τέχτονος. τάδ᾽ ὧδ᾽ ἔχει. 
ΧΟΡΟΣ. 
στρ. 
Τί κακὸν. ὦ γύναι, 
χϑονοτρεφὲς ἐδανὸν ἢ ποτὸν 
πασαμένα ῥυτᾶς ἐξ ἁλὸς ὕρμενον 
τόδ᾽ ἐπέϑου μύσος δαμοϑρόους τ᾽ ἀρὰς 1370 
ἄνδικες; ἀποτελεῖς, ἀπόπολις δ᾽ ἔσει 
μῖσος ὄμβριμον ἀστοῖς. 
ΚΛΥΤΑΙΜΝΗΣΤΡΑ, 
Νῦν μὲν δικάξεις ἐκ πόλεως φυγὴν ἐμοὶ 
καὶ μῖσος ἀστῶν δημόϑρους τ᾽ ἔχειν ἀρὰς. 
οὐδ᾽ ἕν τόδ᾽ ἀνδρὶ τῷδ᾽ ἐναντίον φέρων" 1375 


v. 1351 codd. οὐδὲν ἧσσον ἢ διὸς νότῳ γᾶν, εἰ σπορητὸς. Porson 
bess. — v. 1355 codd. εἰ δ᾽ ἦν πρεπόντων ὥστ᾽. Martin σώστρ᾽. — 
v.1369 codd. 6voas. Stanley .bess. — v. 1369 codd. ὁρώμενον (Farn. 





AESCHYLOS: AGAMEMNON. 169 


Das war ein Labsal, wie der niederträufelnde 
Demant dem Saatfeld, wenn die Knospe kreisend schwillt. 
(Zum Chor.) 
So steht’s! bedenkt es, graue Häupter dieser Stadt, 
Und freuet nun euch, wenn’s beliebt: ich juble drob. 
1355 Ja, ziemten Dankesspenden über Leichen sich, 
Hier wären recht sie, oder nein! mehr als gerecht. 
Solch einen Kelch voll Fluches, den er uns im Haus 
Bis oben füllte, trinkt er selber heimgekehrt. 
Chorführer. 
In Staunen setzt mich deines Munds Frechzüngigkeit, 
1360 Dass ob dem Todten du mit solchen Worten prahlst. 
Klytämnestra. 
Wohl! ihr versucht mich als ein leicht verschüchtert Weib! 
Doch unerschrocknen Mutes, ob ihr gleich es wisst, 
Sag’ ich (und ob du loben oder tadeln willst, 
Gleichviel!): „da lieget Agamemnon, mein Gemahl, 
1365 Als Leiche nunmehr dieser meiner rechten Hand, 
Gerechter Blutarbeitrin, Werk.“ So steht es, ja! 


Erster Halbchor. 


O Weib, welches Gift 
Verschlangst du? erdgenährtes Kraut? 
Des Meerschaumes Trank? — Du schmückst deine Stirn 
1370 Mit dem Gräuelmal? des Volks Flüche wagst 
Du frech? Zahle nun! und fleuch diese Stadt, 
Allgehasst wie ein Scheusal! 
Kilytämnestra. 
Ja! mir erkennst du jetzt das Elend zu, den Bann, 
Den Hass des Landes nebst der Bürger lautem Fluch, 
1375 Und nicht einmal dies eine beutst du diesem Mann, 


ὁρώμενον). Abresch bess. — v. 1370 codd. ἐπέϑου ϑύος. — v. 1371 codd. 
ἀπέδικες ἀπέτεμες. Dann ὥπολις, Herm. bess. 

v.1370 das Mal ist der Blutstropfe an der Stirn, vgl. v. 1350. — 
v. 1375. Denn der Todte könnte doch verflucht werden, meint sie. 


170 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


ὃς οὐ προτιμῶν, ὡσπερεὶ βοτοῦ μόρον, 
μήλων φλεόντων εὐτόχοις νομεύμασιν., 
ἔϑυσεν αὑτοῦ παῖδα. φιλτάτην ἐμοὶ 
ὀδῖν᾽, ἐπῳδὴν Θρῃκέων ἀημάτων. 


Οὐ τοῦτον ἐκ γῆς τῆσδε χρῆν σ᾽ ἀνδρηλατεῖν, 1380 
μιασμάτων ἄποιν᾽ ; ἐπήκοος δ᾽ ἐμῶν 

ἔργων δικαστὴς τραχὺς εἷ. λέγω δέ δοι, 

τοιαῦτ᾽ ἀπειλεῖν ὡς παρεσκευασμένη 

ἐκ τῶν ὁμοίων. χειρὶ νικήσαντ᾽ ἐμοῦ 

ἄρχειν: ἐὰν δὲ τοὔμπαλιν κραίνῃ Beös, 1385 
γνώσει διδαχϑεὶς ὀψὲ: γοῦν τὸ σωφρονεῖν. 


ΧΟΡΟΣ. 


3 
αντ. 


Μεγαλόμητις εἶ, 
περίφρονα δ᾽ ἔλακες, ὥσπερ οὖν 
φονολιβεῖ τύχα φρὴν ἐπιμαένεται 
λίπος ἐπ’ ὀμμάτων αἵματος εὖ πρέπειν 1390 
&vrırov‘ ἔτι ὅδε χρὴ στερομέναν φίλων 
τύμμα τύμματι τῖσαι. 
ΚΛΥΤΑΙΜΝΗΣΤΡΑ. 
Καὶ μὴν ἀκούεις ὁρκέων ἐμῶν ϑέμιν᾽" 
ua τὴν τέλειον τῆς ἐμῆς παιδὸς ΖΔέκην 
ἁγνὴν Ἐρινύν 9’, αἷσι τόνδ᾽ ἔσφαξ᾽ ἐγώ, 1305 
οὔ μοι μελάϑρων ἐλπὶς ἐμπατεῖν τίτην,. 
ἕως ἂν αἴϑῃ πῦρ ἐφ᾽ ἑστίας ἐμῆς 
Αἴγισϑος, ὡς τὸ πρόσϑεν εὖ φρονῶν ἐμοί. 
οὗτος γὰρ ἡμῖν ἀσπὶς οὐ σμικρὰ ϑράσους. 


[Ὁ δ᾽ αὖ δόμοισι δυσμενὴς ἀνὴρ öde] 
κεῖται. γυναικὸς τῆσδε λυμαντὴρ πικρός. 1400 


v. 1377 Flor. Farn. εὐπόκοις. — ν. 1379 codd. ἐπῳδὸν ϑρηκέων Te 
λημμάτων. Karsten und Canter bess. — v. 1383 codd. παρεσκϑυασμένης. 
Wellauer bess. — v. 1390. 91 Ven. εὐπρέπειαν τέετον. Flor. εὖ πρέπει 








Ῥ» 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 171 


Der ohne Rücksicht, gleichwie wenn er schlachtete 

Ein Lamm der Heerde, deren Brut unendlich quillt, 
Die eigne Tochter würgte, mir die teuerste 

Frucht meiner Wehn — Nordstürmen zur Besänftigung! 


1380 Den hättest du verbannen sollen aus dem Land 
Zur Gräuelsühnung! Aber meine Tat vernimmst 
Du als gestrenger Richter. Doch ich sage dir — 
Und wohlgerüstet bin ich dir auf gleichem Fuss 
Zu drohn wie du tust —: mit der Faust besiege mich 
1385 Und herrsche; füget Gott jedoch das Gegenteil, 
Lernst du gewitzigt, freilich spät, Bescheidenheit. 


Zweiter Halbchor. 
Du hegst kühnen Sinn 
Und prahlest trotzig — freilich, ja, 
Die Mordtaufe zeugt den hirntollen Wahn, 
1390 Der Blutstropfe dort sei Schmuck deiner Stirn, 


Das Mal! — Einst gewiss, beraubt jedes Freunds, 
Zahlst du Wunde mit Wunde. 
Kiytämnestra. 


Nein! nein! du hörest meinen hohen heil’gen Schwur: 
Bei meines Kindes jetzt in Blut gesühntem Recht! 
1395 Bei jenem Rachgeist, welchem ich den Mann erschlug! 
Nie fürcht’ ich dass der Rächer mir das Haus betritt, 
So lange meinem Herde noch die Flamme schürt 
Aegisthos, gleich wie früher mir ein warmer Freund. 
Denn dieser ist mir kein geringer Schild des Muts: — 


Hier aber dieser Widersacher seines Stamms 
1400 Liegt todt, der bittre Kränker seines Ehgemahls, 


ἀντέετον. Farn. εὖ πρέπει ἀτίετον. — v. 1392 codd. τύμμα τύμμα. Voss. 
bess.— v. 1398 codd. καὶ τήνδ᾽. — v. 1395 codd.’Arnv Ἐριννύν 8°. — v.1396 
codd. οὔ μοι φόβου μέλαϑρον ἐλπὶς dunerei. — v.1400 codd. λυμαντήριος. 





172 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


Χρυσηΐδων μείλιγμα τῶν ὑπ᾽ Ἰλίῳ" 1402 
ἣ τ᾽ αἰχμάλωτος ἥδε, καὶ τερασκόπος 

καὶ κοινόλεκτρος τοῦδε, ϑεσφατηλογεῖ 

πιστὴ Evvevvog‘ ναυτίλων δὲ σελμάτων 1405 
ἴστον τριβάς. ἄτιμα δ᾽ οὐκ ἐπραξάτην. 


Ὁ μὲν γὰρ οὕτως, ἡ δέ τοι κύκνου δίκην 

τὸν ὕστατον μέλψασα ϑανάσιμον γόον 

κεῖται φιλήτωρ τοῦδ᾽, ἐμοὶ δ᾽ ἐπήγαγεν 

εὐϑνὴς παροψώνημα τῆς ἐμῆς χλιδῆς. 1410 


ΧΟΡΟΣ, 

στρ. α΄. 

Φεῦ, τίς ἂν ἐν τάχει. μὴ περιώδυνος, μηδὲ δεμνιο- 
‚ mens» 

μόλοι τὸν αἰεὶ φέρουσ᾽ ἐνηὴ 
Moig’ ἀτέλευτον ὕπνον, δαμέντος 
φύλακος εὐμενεστάτου. ᾿ 1415 
πολέα τλάντος γυναικὸς διαί; 
πρὸς γυναικὸς δ᾽ ἀπέφϑισεν βίον. 


σύστ. β΄. 
Ἰὼ Ἑλένα κατ᾽ ἐπωνυμίαν 
μία τὰς πολλὰς τὰς πάνυ πολλὰς | 
ψυχὰς ὀλέσασ᾽ ὑπὸ Τροίᾳ" 1420 
Νῦν δὲ τελείαν [σὺ διαφϑείρασ᾽ 
᾿Δγαμεμνονίαν ἄρκυσιν "Arns, 
ἐγχριμψαμένη τοῖς ἀσκεύοις 


v. 1404 codd. ϑεσφατηλόγος. — v. 1406 codd. ἱστοτριβής. --- v. 1410 
codd. εὐνῆς παροψόνημα. --- v. 1413 codd. φέρουσ᾽ ἐν ἡμῖν. — v. 1416 
codd. καὶ πολλὰ. Franz und Wieseler bess. — v. 1418 codd. lo παρα- 
νόμους Ἑλένα. — Die Lücke nach v. 1421 hat Herm. entdeckt. 


,’ 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 173 


1402 Der Chryseiden süsse Lust vor Ilion. 
Und diese Kriegsgefangne, sie, Traumdeuterin 
Und Bettgenossin ihm zugleich, orakelt ihm 
1405 Als treue Buhle! von des Schiffes Planken kennt 
Das Paar die Kurzweil! Also fand es würd’gen Lohn. 
(Sie hebt die Verhüllung von des Königs Leiche, lässt sie aber schaudernd wieder 
fallen, dann enthüllt sie Kassandras Leiche.) 
Hier sehet ihn! und diese, die dem Schwane gleich 
Erst jenes letzte Sterbelied so rührend sang, 
Liegt hier, des Königs Liebehen; mir bereitete 
1410 Ihr schneller Tod ein süsses Beigericht der Lust. 


Chor. 
(Die sechs in der Mitte des Bogens stehenden Greise.) 

Käme doch ach! mir schnell ohne zu grossen Schmerz, ohne 

Qualen des Siechbetts, 
Des Todes Loos! brächt’ er doch den allzeit 
Labenden ewigen Schlaf! Bezwungen 

1415 Liegt der gute Hirte dort, 

Dem ein Weib viele Drangsale schuf, 
Dem ein Weib jetzt den Todesstreich versetzt. 


(Sie begeben sich während der folgenden Marschrhythmen an das Hauptende der 
Todtenbahre, der Chorführer hebt das Leichentuch.) 


O Helena, weh! die dem Namen gemäss 
Du alleine so viel, ja zahllos viel 
1220 Vor Troja der Seelen geopfert! 
Die jetzt du des Herrschers geweihetes Haupt 
Mit dem mördrischen Netz umfangend erschlugst — 
Scharf sauste das Beil in die Schläfen hinein, 


v. 1416. Helena durch den troischen Krieg. — v. 1418. Auch hier 
wird Helena, wie v. 659, als die Verderberin gefeiert: nun hat sie sich 
auch den Atriden als Erinys bewährt. 








174 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


πελέκει κροτάφοις, ἐφάνης δαίμων. 
πάντολμός τις πανάλωτος.] 
στρ. γ΄. 
Ἦ πολύμναστον ἐπηνθίσω αἷμ᾽ ἄνιπτον, 
ἐν δόμοισιν ᾿Ερινὺς 
ἐρίδματός 9’ ἕλανδρος Οἰξύς. 
KATTAIMNHZTPA. 
σύστ. δ΄. 
Μηδὲν ϑανάτου μοῖραν ἐπεύχου 
τοῖσδε βαρυνϑ εἰς" 
und” εἰς Ἑλένην κότον ἐκτρέψῃς. 
ὡς ἀνδρολέτειρ᾽, ὡς μία πολλῶν 
ἀνδρῶν ψυχὰς Δαναῶν ὀλέσασ᾽ 
ἀρκύστατον ἄλγος ἔπραξεν. 
xOPOX. 
ἄντ. α΄. 
ΖΔαῖμον, ὃς ἐμπίτνεις δώμασι καὶ διφυίέοισι Τανταλέ- 
δαισιν. 
κράτος τ᾽ ἰσόψυχον ἐκ γυναικοῖν 
καρδιόδηκτον ἐμοὶ κρατύνεις, 
ἐπί τε σώματος δίκαν 
κόρακος ἐχϑροῦ σταϑεὶς ἐκνόμως 
ὕμνον ὑμνεῖν βοᾷς ἐμοὶ “έκας. 
ΚΛΥΤΑΙΜΝΗΣΤΡΑ. 
ἀντισύστ. δ΄. 
Νῦν δ᾽ ὥρϑωδσας στόματος γνώμην, 
τὸν τριπάχυντον 


v.1426 codd. πολύμναστον ἐπηνϑίσω δι᾽ αἷμ᾽ &. Herm. und Wellauer 
bess. — v. 1427 codd. ἥτις ἦν τότ᾽ ἐν δόμοις ἔρις ἐρίδματος ἀνδρὸς 
ὀϊξύς. Weil Ἐρινύς. — v. 1486 codd. ἐμπέπτεις. Canter bess. Dann 
διφυεῖσι. Herm. bess. — v. 1435 codd. ἀξύστατον. — v. 1438 hat Herm. 
τ΄ eingesetzt. codd. γυναικῶν. — v. 1439 codd. καρδίᾳ δηκτόν. Abresch 
bess. — v. 1440 codd. ἐπὶ δὲ — δίκαν μοι. — v.1441 Ven.Flor. ἐννό- 
uog. — v. 1442 codd. ὕμνον ὑμνεῖν ἐπεύχεται. — v. 1444 codd. τριπά- 
qvıov. Bamberger bess. 


AESCHYLOS AGAMEMNON. . 175 


Die des Helmschmucks baar — ja, wahrlich du wardst 
1425 Zum frechen vernichtenden Dämon. 


Ewige Rosen des blutigen Frevels brachst du, 
Diesen Mauern ein Fluchgeist, 
In Allmacht Mördrin, Weheschöpfrin! 


Kilytämnestra. 
1430 Nicht wünsche den Tod dir, von Kummer gebeugt 
Um das, so geschehn; 
Noch wende den Zorn auf Helena hin 
Als Mördrin, welche so vielen allein 
Ihr Leben geraubt und endlich die Not 
1435 Des verstrickenden Netzes geschaffen. 
Chor. 
(Die seehs am Hauptende der Bahre stehenden Greise.) 
Finsterer Geist, der schwer Toantalos’ Haus, der Burg 
Zwillingsstämme du heimsuchst, 
Des Weiberpaars gleiche Seele zeiget 
Deine Gewalt, die das Herz mir umkehrt. 
1440 Gleich dem eklen Raben stehst 
Bei dem Leichnam du graunvoll und prahlst 
Heil’gem Recht stolzen Siegsgesang zu weihn? 


Kilytämnestra. 


Jetzt hast du verbessert des Munds Urteil: . 
Wohl riefest du an 


v. 1430. Während dieser und der folgenden fünf in Marschrhythmen 
vorgetragenen Antworten der Königin gehen immer je zwei von den 
Choreuten, die des Königs Leiche geschaut haben, an das am Eingang 
des Palastes stehende Wassergefäss, um sich, wie die religiöse Sitte 
verlangte, durch Besprengung von der Berührung des Todten zu reinigen. — 
v. 1436. Der Chor ruft den Alastor an, der Helenas und Klytämnestras 
Gestalt angenommen habe und jetzt, zu Häupten der Leiche stehend, 
den Mord als gerechte Vergeltung darzustellen suche. 


176 . AESCHYLOS AGAMEMNON. 


δαίμονα γέννης τῆσδε κικλήσκων. 1445 
ἐκ τοῦ γὰρ ἔρως αἰἱματολοιχός" 
νείρῃ τρέφεται, πρὶν καταλῆξαι 
τὸ παλαιὸν ἄχος. νέος ἰχώρ. 
ΧΟΡΟΣ. 
στο. ε΄. 
Ἦ μέγαν οἰκέταις 
δαίμονα καὶ βαρύμηνιν alveis, 1450 
φεῦ φεῦ, κακὸν αἶνον ἀτη- | 
ρᾶς τύχας ἀκορέστου᾽ 
io in διαὶ Διὸς 
παναιτίου πανεργέτα. 
τί γὰρ βροτοῖς ἄνευ “]ιὸς τελεῖται; 1455 
τί τῶνδ᾽ οὐ ϑεόκραντόν ἐστιν; 


σύστ. ς΄. 
Ἰὼ ἰὼ βασιλεῦ βασιλεῦ, 
πῶς δὲ δακρύσω; 
φρενὸς ἐκ φιλίας τί ποτ᾽ εἴπω; 
Κεῖσαι δ᾽ ἀράχνης ἐν ὑφάσματι τῷδ᾽ 1460 
ἀσεβεῖ ϑανάτῳ 
βίον ἐκπνεύσας [ἐρικυδῆ], 

στρ. ζ΄. 
μοι μοι κοίταν τάνδ᾽ ἀνελεύϑερον 
δολιομόρου δαμεὶς 
ἐκ χερὸς ἀμφιτόμῳ βελέμνῳ. 

ΚΛΥΤΑΙΜΝΗΣΤΡΑ. 

σύστ. η΄. 
“χεῖς εἶναι τόδε τοὔργον ἐμὸν 1465 
[κοὐκ ἀρνοῦμαι" 
μή μοι δ᾽ ἀσεβῆ ϑάνατον μέμψῃ] 
μηδ᾽ ἐπιλεχϑῆῇς 


v. 1447 codd. νεέρει. Casaub. bess. --- v. 1449 codd. μέγαν οἴκοις 
τοῖσδε. — v. 1462 und 1485 codd. βέον ἐκπνέων (Farn. ἐκπνείω»). Hartung 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 177 


1445 Des Geschlechts Rachgeist, der sich mästet in Mord! 
Sein ist ja die Gier, die da lechzt nach Blut: 
Sein Bauch nährt, ehe das frühere Gift 
Aufhört, neu quillendes Wasser. 
Chor. 
(Die drei links stehenden Greise.) 
Wahrlich, du rühmst dem Haus 
1450 Einen gewaltigen schweren Fluchgeist, 
Weh! wehe! ein schaurig Loblied 
nie gesättigten Unheils! 
Und ach! das Leid verhängte Zeus, 
der alles fügt, der alles schafft! 
1455 Denn was geschieht den Menschen ohne Zeus’ Wink? — 
Verehrt göttliches Walten hier auch! | 


(Sie begeben sich während der folgenden Marschrhyihmen an das Hauptende der 
Todtenbahre, die Leiche zu schauen.) 


O du, o du, mein König und Herr, 
Wie bewein’ ich dich nur? 

Was sag’ ich in Fülle der Liebe? 

1460 In der Spinne Geweb hier liegest du, hast 

Im grausigsten Mord | 

Dein herrliches Leben verröchelt. 

(Die Leiche betrachtend.) 

Weh! weh mir! schmachvoll liegst du gebettet hier, 
Der doppelschneid’gen Axt 
Tückisch verderbender Faust erlegen. 


Kilytämnestra. 
1465 Wohl prahlst du, es sei dies Werk hier mein, 
Auch leugn’ ich’s nicht: 
Schilt aber den Tod nicht grausigen Mord, 
Noch wähne dabei, 


ἐκπνεύσας. — v.1463 codd. dolle μόρῳ. — v. 1466 codd. und’ ἐπι- 
Aeydng. Auratus bess. 


AESCHYL. AGAMEMNON. 12 








178 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


᾿Δγαμεμνονέαν εἶναί μ᾽ ἄλοχον. 
φανταξόμενος δὲ γυναικὶ νεκροῦ 
τοῦδ᾽ ὁ παλαιὸς δριμὺς ἀλάστωρ 
᾿'Δτρέως χαλεποῦ ϑοινατῆρος 1470 
τόνδ᾽ ἀπέτισεν, 
τέλεον νεαροῖς ἐπιϑύσας. 
ΧΟΡΟΣ. 
ἄντ. ε΄. 
Ὡς μὲν ἄνατος el 
τοῦδε φόνου τίς ὁ μαρτυρήσων; 
πῶ. πῶ; πατρόϑεν δὲ συλλή-. 1475 
πτῶρ γένοιτ᾽ dv ἀλάστωρ. 
βουάξεται δ᾽ ὁμοσπόροις 
ἐπιρροαῖσιν αἱμάτων. 
μέλας "Aons ὅποι δοκεῖ προβαίνων, 
πάχης κουροβόρῳ παρέξει. 1480 
ἀντισύστ. ς΄. 
Ἰὼ ἰὼ βασιλεῦ βασιλεῦ, 
πῶς δὲ δακρύσω; 
φρενὸς ἐκ φιλίας τί nor’ εἴπω; 
Κεῖσαι δ᾽ ἀράχνης ἐν ὑφάσματι τῷδ᾽ 
ἀσεβεῖ ϑανάτῳ 
βίον ἐκπνεύσας [Eoıxvön], 1485 
ντ. ζ΄. 
"Quoı μοι κοίταν τάνδ᾽ ἀνελεύϑερον 
δολιομόρον δαμεὶς 
ἐκ χερὸς ἀμφιτόμῳ βελέμνῳ. 1488 
ΚΛΥΤΑΙΜΝΉΣΤΡΑ. 
ἀντισύστ. η΄. 
Οὔτ᾽ ἀνελεύϑερον οἶμαι θάνατον 
τῷδε γενέσϑαι" 


ν. 1418 codd. ἀναίτιος. --- v. 1477 codd. βιάξεται. Karsten bess. — 
v.1479 codd. ὅποι δὲ καὶ προσβαένων. Canter προβαίνων. --- v. 1480 codd. 
πάχνα. Die beiden Verse nach 1488 stossen Seidler und Hermann fälsch- 
lich als unecht aus. 











AESCHYLOS AGAMEMNON. 179 


Agamemnons Weib hier schalten zu sehn. 
Nein! unter der Larve des Ehegemahls 
Hat diesen das alte vergrimmte Gespenst, 
1470 Das Atreus schuf in dem schaurigen Frass, 
Als Sühne gezahlt, 
Hinopfernd den Mann zu den Knäblein. 
Chor. 


(Die drei rechis stehenden Greise.) 
Keiner bezeuget dir 
Dass an dem Morde des Manns du schuldlos; 
1475 Nein! nein! doch ein Helfer ward dir 

jenes Ahnengespenst wohl. 
Es rast in wildem Jubel auf 

in Strömen von Verwandtenblut, 
Wohin’s gelüstet, schreitend als ein Würggott, 


1480 Am kindsmördrischen Mahl gemästet. 


(Sie begeben sich während der folgenden Marsehrythmen an das Hauptende der Todten- 
bahre, die Leiche zu schauen.) 


Ο du, o du, mein König und Herr, 
Wie bewein’ ich dich nur? 
Was sag’ ich in Fülle der Liebe?’ 
In der Spinne Geweb hier liegest du, hast 
Im grausigsten Mord 
1485 Dein herrliches Leben verröchelt. 
᾿ (Die Leiche betrachtend.) 
Weh! weh mir! schmachvoll liegst du gebettet hier, 
Der doppelschneid’gen Axt 
1488 Tückisch verderbender Faust erlegen. 


Kiytämnestra. 


Kein ‚schmachvoll Loos ward, denk’ ich, zu teil 
Hier diesem im Tod: 


------τ 0 ,....ϑ . ὲ ..ο..ὕ-.. % 


v. 1467. Sie schützt vor, der Mord sei nicht grausig zu neunen, 
weil sie gar nicht Agamemnons Weib sei, sondern der Alastor des Ge- 
schlechts. 

12 * 


180 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


οὐδὲ γὰρ οὔτις δολίαν ἄτην 
οἴκοισιν ἔϑηκ᾽ 

ἀλλ᾽ ἐμὸν ἐκ τοῦδ᾽ ἔρνος κερϑέν. 
τὴν πολύκλαυτόν τ᾽ Ἰφιγενείαν 
ἄξια δράσας ἄξια πάσχων 

μηδὲν ἐν “ΔἯιδου μεγαλαυχείτω, 
ξιφοδηλήτῳ 

ϑανάτῳ τίσας ἅπερ ἔρξεν. 


ΧΟΡΟΣ. 

στο. 9΄. 

᾿Δμηχανῶ φροντίδος στερηϑ εὶς 

εὐπαλάμων μεριμνᾶν 

ὕπα τράπωμαι. πίτνοντος οἴκου. 

δέδοικα δ᾽ ὄμβρου κτύπον δομοσφαλὴῆ 
τὸν αἱματηρόν: ψακὰς δὲ λήγει. 

ἀκὰν ἐπ’ ἄλλο πρᾶγμα ϑηγάνει ξίφους 

πρὸς άτας ϑηγάναισι Μοῖρα. 


ἀντισύστ. β΄. 
Ἰὼ ya γᾶ, εἴϑ᾽ ἔμ᾽ ἐδέξω, 
πρὶν τόνδ᾽ ἐπιδεῖν ἀργυροτοίχου 
δροίτας κατέχοντα χαμεύνην. 
Τίς ὁ ϑάψων νιν; τίς ὁ ϑρηνήσων; 
ἢ σὺ τόδ᾽ ἔρξαι τλήσει, κτείνασ᾽ 
ἄνδρα τὸν αὑτῆς ἀποκωκῦσαι 
ψυχῇ τ᾽ ἄχαριν χάριν ἀντ᾽ ἔργων 
μεγάλων ἀδίκως ἐπικρᾶναι; 

ἄντ. γ΄. 


Τίς δ᾽ ἐπιτύμβιος οἶκτος ἐπ’ ἀνδρὶ ϑείῳ 


v. 1489 codd. οὐδὲ γὰρ οὗτος. — v. 1491 codd. ἔρνος ἀερϑόν. — 
v. 1498 codd. ἀνάξια δράσας. Herm. bess. — v. 1496 codd. ne&ev. Neber 
bess. — v. 1498 codd. εὐπάλαμνον μέριμναν. Enger bess. — v. 1502 
codd. δέκη δ᾽ ἐπ᾽ ἄλλο πρᾶγμα ϑήγει βλάβης πρὸς ἄλλαις ϑηγάναις 


1400 





1495 





1500 


1505 


1510 





’ AESCHYLOS AGAMEMNON. 181 


Denn niemand stellte die Tücke des Mords 
14% Uns hin, als sie, 

Die von ihm ich gebar, die er selber verdarb. 

Drum wenn mit dem ewig beweineten Kind 

Er würdig verfuhr, litt würdig er auch, 

Und nicht dort unten erheb’ er Geschrei: 
1495 Durch dies Mordbeil 

Büsst nur er soviel er verbrochen. 


Chor. 


(Die sechs oben an der Todtenbahre in der Mitte stehenden Greise.) 

So völlig baar leichten Schwungs der Denkkraft, 
Wehe! wohin nur lenk’ ich 
Den Schritt im Sturz dieses Königshauses ? 

1500 Mir grauet, ha! welch ein häuserstürzendes 
Geprassel Blutregens! kein Getröpfel! 
Des Schwertes Schärfe wetzet schon zu neuer Tat 
Des Schicksals Macht am Reiz des Wahnsinns. 


(Während der folgenden Marschrhythmen begeben sich alle Choreuten wieder in den 
vorigen Stand, sodass sie einen gegen das Theatron hin geschlossenen Halbkreis vor dem 
Tor des Palastes bilden.) 


Ο Erdreich, weh! o nahmst du mich auf, 
1505 Eh’ diesen ich sah, wie er todt dort ruht 
Im Bette des silbernen Sarges! 
Wer jammert um ihn? wer schüttet die Gruft? 
Wagst du es zu tun, die den eignen Gemahl 
Du schlachtetest? ihm Wehklage zu weihn, 
1510 Für die grässliche Tat liebloseste Gunst 
Ruchlos zu erweisen dem Schatten ὃ 


Wessen bestattende Klage zum Ruhm des Helden 


— - - -- - - mn τ...-..... 


μοῖρα. Herm. ϑηγάνει. — v.1510 codd. ψυχὴν ἄχαριν. Herm. bess. — 
v. 1512 codd. ἐπιτύμβιος αἶνος. — Dann Flor. σὺν δακρύοιν. Farn. 
δακρύοις. Porson bess. 

v. 1502. Hindeutung auf die Rache durch Orestes. 


182 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


σὺν δάκρυσιν lanıov 
ἀλαϑείᾳ φρενῶν πονήσει; 1515 
 KATTAIMNHZTPA, 
0vVoT. Li. 
Οὐ σὲ προσήκει τὸ μέλημ᾽ ἀλέγειν 
τοῦτο" πρὸς ἡμῶν 
κάππεσε. κάτϑανε, καὶ καταϑάψομεν 
οὐχ ὑπὸ κλαυϑμῶν τῶν ἐξ οἴκων, 
[οὐδὲ πολέτας δεῖ παραπέμψαι 1520 
πενϑητῆρας γοεροῖς ϑρήνοις"] 
ἀλλ᾽ Ἰφιγένειά νιν ἀσπασίως 
ϑυγάτηρ, ὡς χρὴ; 
πατέρ᾽ ἀντιάσασα πρὸς ὠκύπορον 
πόρϑμευμ᾽ ἀχέων 1525 
περὶ χεῖρα βαλοῦσα φιλήσει. 


ΧΟΡΟΣ. 
ὦντ. ©. 
Ὄνειδος ἥκει τόδ᾽ ἀντ᾽ ὀνείδους. 
δύσμαχα δ᾽ ἔστι κρῖναι" 
φέρει φέροντ᾽ " ἐκτίνει δ᾽ ὃ καίνων. 
μίμνει δὲ μίμνοντος ἐν ϑρόνῳ Ζιὸς 1680 
παϑεῖν τὸν ἔρξαντα. ϑέσμιον γάρ. ' 
τίς ἂν yovav ἀραῖον ἐκβάλοι δόμων; 
κεκόλληται γένους πρὸς Km. 
ΚΛΥΤΑΙΜΝΗΣΤΡΑ. 
ἀντισύσετ. ι΄. 
Ἐς τόνδ᾽ ἐνέβη ξυν ἀληϑείᾳ 
χρησμός. ἐγὼ δ᾽ οὖν 1535 
ἐθέλω δαίμονι τῷ Πλεισϑενιδῶν | 


v. 1516 codd. μέλημα λέγειν. Karsten und Schneidew. bess. — Die 
Lücke nach v. 1519 hat Herm. angezeigt. — v. 1522 codd. ἀλλ᾽ ἐφιγέ- 
varav‘ DV’ ἀσπασέως — φιλήσῃ. Jacob bess. — νυ. 1530 codd. γρόνῳ. 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 183 


Soll mit Tränen und Seufzern 
1515 Im Ausbruch wahren Leides tönen ? 


Kilytämnestra. . 


Nicht. dir kommt’s zu, nicht kümmere dich 

Um dies! durch mich 

Sank hin er und starb — ich bestatt’ ihn auch: 

Zwar nicht mit Gefolg der Verwandten daheim, 
1520 Auch darf ihm nicht ein Bürgergeleit 

Zur Gruft hinziehen mit klagendem Ruf — 

Doch wird sein Kind Iphigenia schon 

In geziemendem Gruss, 

Wenn ihren Erzeuger sie trifft an dem Strom 
1525 Im höllischen Reich, _ 

Mit dem Arm ihn liebend umschlingen. 


Chor. 
(Die sechs in der Mitte stehenden Greise. ) 

Für alte Schmach kommt die neue. Sondrung 

Dulden sie nicht: sie tragen 

In Frucht die Saat. Doch — der Mörder büsset! 
1530 Da Zeus am Lenkruder bleibet, bleibt der Spruch: 

„Der Täter soll leiden; das ist Satzung.“ — 

Ο tilgte wer doch aus dem Haus das Fluchgewächs! 

Des Stammbaums Glieder hält’s umschnüret. . 


Klytämnestra. 
Bis zu dem hin schritt wahrhaftig daher 
1535 Dein Spruch. Doch ich 
Will nun, mit dem Dämon in Pleisthenes’ Stamm 


------...-. . .....-ς....ς..-...-.-.-..... nn 


Schütz bess. — v. 1532 codd. γονὰν ῥᾶον. Herm. bess. — v. 1688 codd. 
γένος προσάψαι. — v. 1535 codd. γρησμόν. Casaub. bess. 

v. 1528 d. h. das ist der Fluch der bösen Tat, dass sie fortzeu- 
gend Böses muss gebären. — v. 1534. Sie zeigt auf den Todten. 


184 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


ὕρκους ϑεμένη τάδε μὲν στέργειν, 
δυστλητά περ ὕνϑ᾽, ὃ δὲ λοιπὸν, ἰόντ᾽ 
ἐκ τῶνδε δόμων ἄλλην γενεὰν 

τρίβειν ϑανάτοις αὐϑένταισιν" 
κτεάνων TE μέρος 

βαιὸν ἐχούσῃ πᾶν ἀπόχρη μοι 

μανίας μελάϑρων 

ἀλληλοφόνους ἀφελούσῃ. 


AITIE®OO2. 
Ὦ, φέγγος εὖφρον ἡμέρας δικηφόρου. 
φαίην ἂν ἤδη νῦν βροτῶν τιμαόρους 
ϑεοὺς ἄνωϑεν γῆς ἐποπτεύειν Adyn, 
ἰδὼν ὑφαντοῖς ἐν πέπλοις Ἐρινύων 
τὸν ἄνδρα τόνδε κείμενον φίλως ἐμοὶ, 
χερὸς πατρῴας ἐκτίνοντα μηχανάς. 
᾿4τρεὺς γὰρ ἄρχων τῆσδε γῆς, τούτου πατὴρ; 
πατέρα Θυέστην τὸν ἐμὸν. ὡς τορῶς φράσαι. 
αὐτοῦ τ᾽ ἀδελφὸν, ἀμφέλεκτος @v κράτει, 
ἠνδρηλάτησεν ἐκ πόλεώς τε καὶ δόμων. 


Καὶ προστρόπαιος ἑστίας μολὼν πάλιν 
τλήμων Θυέστης μοῖραν ηὕρετ᾽ ἀσφαλῆ, 
τὸ μὴ ϑανὼν πατρῷον αἱμάξαι πέδον 
αὐτός" ξένια δὲ τοῦδε δύσϑεος πατὴρ 
’Argsds, προϑύμως μᾶλλον ἢ φίλοις πατρὶ 
τὠμῷ κρεουργὸν ἥμαρ εὐϑοίνως ἄγειν 
δοχῶν, παρέσχε δαῖτα παιδείων κρεῶν. 


Τὰ μὲν ποδήρη καὶ χερῶν ἄκρους κτένας 
ἔϑουπτ᾽ ἄνωϑεν ἀνδρακὰς καϑημένῳ 


v. 1642 codd. ἐπόγρη μοι δ᾽ ἀλληλοφόνους μανίας μελάϑρων. Dindorf 
bess. — v. 1647 codd. ἄχη. — v. 1668 codd. αὐτοῦ. Blomf. bess. — ν. 1669 
codd. φέλως. ---- v. 1560 codd. εὐθύμως ἄγειν. — v.1563 codd. καϑήμενος. 


1540 


1550 


1555 


1560 





AESCHYLOS AGAMEMNON. 185 


Abschliessend, das Jetzt hinnehmen, wie schwer 

Zu ertragen es ist: doch in Zukunft soll 

Dies Haus er verlassen, ein andres Geschlecht 
1540 Aufreibend mit selbervernichtendem Mord. 

Und bliebe des Guts 

Nur ein winziges Teil: jedwedes genügt, 

Wenn nur ich dem Haus 


Fernhalte den mordenden Wahnsinn. 


(Aegisthos ist während der letzten Marschrhythmen mit Bewaffneten von rechts her 
eingerückt und stellt sich zu Häupten der Leiche.) 


Aegisthos. 

1545 O holder Lichtstrom dieses rachesüssen Tags! — 

Ja, nun bekenn’ ich dass der Menschen waltende 

Gottheiten fernher auf die Erdenloose schaun: 

Im Leichenhemde, das der Rachegeist gewebt, 

Seh’ ich den Mann hier liegen, recht zu meiner Lust, 
1550 Die Tücke büssend, die verübt des Vaters Hand. — 
Sein Vater Atreus, dieses Landes Oberherr, 

Vertrieb Thyestes, meinen Vater (möglichst klar 

Vernehmt’s), den eignen Bruder, um die Trongewalt 

Entzweit mit diesem, aus der Stadt und seinem Haus. 


1555 Und heimgekehret suchte Schutz am heil’gen Herd 
Der arme Dulder, und er fand die Sicherheit, 
Die Flur der Heimat nicht zu röten mit dem Blut, 
Dem eignen: doch bewirtend bot hier dieses Manns 
Ruchloser Vater, heuchelnd einen Opferschmaus 
1560 Voll Lust zu feiern, meinem Vater wohlgeneigt, 
Mehr als den Seinen — bot zum Mahl ihm Kinderfleisch. 


Der Füsse Zehen und der Finger Gliederung 
Zermalmt’ er drüber — jener sass am Einzeltisch — 


v. 1544. Kiytämnestra zieht sich in den Hintergrund zurück. — 
v. 1563. Thyestes sass, dem Anschein nach zu grösserer Ehre, am Einzel- 
tisch, um nach Heroensitte seinen eigenen Braten zu bekommen. 


186 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 


ἄσημ᾽" ὁ δ᾽ αὐτῶν αὐτίχ᾽ ἀγνοίᾳ λαβὼν 

ἔσϑει βορὰν ἄσωτον, ὡς ὁρᾷς, γένει. 1565 
κἄπειτ᾽. ἐπιγνοὺς ἔργον οὐ καταίσιον 

ὥμωξεν, ἀμπίπτει δ᾽ ἀπὸ σφαγὰς ἐρῶν, 

μόρον δ᾽ ἄφερτον Πελοπέδαις ἐπεύχεται, 

λάκτισμα δείπνου ξυνδέκῳ τυιϑεὶς ᾿4ρᾷ. 

οὕτως ὀλισϑεῖν πᾶν τὸ Πλεισϑένους γένος. Ä 1570 
ἐκ τῶνδέ σοι πεσόντα τόνδ᾽ ἰδεῖν πάρα. 


Κἀγὼ δίκαιος τοῦδε τοῦ φόνου ῥαφεύς. 

τρίτον γὰρ ὄντα μ᾽ ἔτι δυσαϑλίῳ πατρὶ 

συνεξελαύνει τυτϑὸν ὄντ᾽ ἐν σπαργάνοις" 

τραφέντα δ᾽ αὖϑις ἡ δίκη κατήγαγεν. 1575 
καὶ τοῦδε τἀνδρὸς ἡψάμην ϑυραῖος ὦν, 

πᾶσαν συνάψας μηχανὴν δυσβουλίας. 

οὕτω καλὸν δὴ καὶ τὸ κατϑανεῖν ἐμοὶ 

ἰδόντα τοῦτον τῆς δίκης ἐν ἕρκεσιν. 


ΧΟΡΟΣ. 
Aiyıod’, ὑβρίξεις- ἐν κακοῖσι δ᾽ οὐ σέβω | 1580 
[σεμνόστομόν τε καὶ ϑρασὺν κόμπον λόγων]. 
σὺ δ᾽ ἄνδρα τόνδε φὴς ἑκὼν κατακτανεῖν, 1581 
μόνος δ᾽ ἔποικτον τόνδε βουλεῦσαι φόνον; Ä 1582 
οὔ φημ᾽ ἀλύξειν ἐν δίκῃ τὸ σὸν κάρα 1584 
δημορριφεῖς. σάφ᾽ ἴσϑι, λευσίμους ἀρᾶς. 1585 
AITIZOOZ, 


Zr ταῦτα φωνεῖς νερτέρᾳ προσήμενος 
κώπῃ, κρατούντων τῶν ἐπὶ ξυγῷ δορός; 
γνώσει γέρων ὧν ὡς διδάσκεσϑαι βαρὺ. 
τῷ τηλικούτῳ σωφρονεῖν εἰρημένον. 


v. 1564 codd. ὥσημα δ᾽ αὐτῶν. Dindorf bess, --- v. 1567 codd. ἄν. 


πίπτει. Canter 688. — Dann σφαγῆς. — v.1569 codd. ξυνδίκως. — 
v. 1579 codd. ὀλέσϑη. — v. 1573 codd. ἐπὶ δέκ᾽ ἀϑλίῳ. Schneider 
bess. — v. 1579 Farn. ἐδόντι, — v. 1580 codd. ὑβρίζειν ἐν κακοῖσιν. ---- 
v. 1581 codd. τόνδ᾽ ἔφης. Pauw bess. 











AESCHYLOS AGAMEMNON. 187 


Nicht mehr erkennbar. Und der arme nimmt sogleich 

1565 Arglos und isst — zum Fluche, siehst du, diesem Haus. — 
Doch als er dann des Gräuels inne ward, da schlug 
Er stöhnend rücklings über, brach den Mord heraus 
Und unermesslich Wehe flucht’ er jenem Stamm: 
„So sinke nieder‘ (und das umgestürzte Mahl 

1570 Wies er dem Anwalt Rachegeist) „dies ganze Haus“. — 
Infolge dessen siehst du diesen hingestreckt. 


Und mich bestellt zum Stifter dieses Mords das Recht. 

Denn mich, den dritten, der dem armen Vater blieb, 

Verbannt’ er mit ihm, als ich noch in Windeln lag; 
1575 Den ausgereiften aber führte heim das Recht. — 

Und diesen Mann hier packt’ ich auch von aussen her, 

Des list'gen Anschlags Truggeweb ist meine Tat. 

So wäre Ruhm mir selbst der Tod, im Hochgefühl 

Dass ich im Netz der Rache diesen liegen sah. 


Führer der linken Chormitte. 

1580 Aegisth, du frevelst; doch des Feiglings Prahlerei 

Und stolzes Wortgepränge weckt mir keine Scheu. 

Vorsätzlich, sagst du, schlugst du nieder diesen Mann? 

Allein ersannst du diesen tränenwerten Mord Ὁ 

Nicht wird im Thinge, denk’ ich, dies dein Haupt entgehn 
1585 Der Volksverfluchung und — vernimm’s -— der Steinigung. 

Aegisthos. 

Du prahlest also, du, der niedre Ruderknecht, 

Indess die Bark lenkt, wer das lange Ruder führt? 

Als Greis erfahre dass die Lehre lästig wird, 

Wenn solchem Alter man gebeut Bescheidenheit. 


v. 1585 — 1613. Die einander entsprechenden Reden der Führer 
der Chormitte sind ernst und drohend, die der Führer der Chorflügel 
sarkastisch und höhnend. 


188 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


δεσμὸς ὃὲ καὶ τὸ γῆρας ai τε νήστιδες 1590 
δύαι διδάσκειν ἐξοχώταται φρενῶν 
ἰατρομάντεις. οὐχ ὁρᾷς ὁρῶν τάδε: 
πρὸς κέντρα μὴ λάκτιξε, μὴ παίσας μογῇς. 
ΧΟΡΟΣ. 

Γύννις σὺ τοὺς ἥκοντας ἐκ μάχης μένων 
οἰκουρὸς, εὐνὴν ἀνδρὸς αἰσχύνων ἅμα 1595 
ἀνδρὶ στρατηγῷ τόνδ᾽ ἐβούλευσας μόρον: 

ΑΙΓΙΣΘΟΣ. 
Καὶ ταῦτα τἄπη κλαυμάτων ἀρχηγενῆ. 
Ὀρφεῖ δὲ γλῶσσαν τὴν ἐναντίαν ἔχεις. 
ὁ μὲν γὰρ ἦγε πάντ᾽ ἀπὸ φϑογγῆς χαρῶ, 


σὺ δ᾽ ἐξορίνας ἠπίους ὑλάγμασιν 1600 
ἄξει" κρατηϑεὶς δ᾽ ἡμερώτερος φανεῖ. 
ΧΟΡΟΣ. 


Πῶς δὴ σύ μοι τύραννος ᾿Αργείων ἔσει, 
ὃς οὐκ, ἐπειδὴ τῷδ᾽ ἐβούλευσας μόρον, 
δρᾶσαι τόδ᾽ ἔργον οὐκ ἔτλης αὐτοχτόνως:; 
| ΑἸΤΊΣΘΟΣ. 
Τὸ γὰρ δολῶσαι πρὸς γυναικὸς ἦν σαφῶς" 160ὅ 
ἐγὼ δ᾽ ὕποπτος ἐχϑρὸς ἦ παλαιγενής, 
[ὃν ηὐλαβεῖτ᾽ ἄν" νῦν δ᾽ ἐγὼ κρατῶν δόμων] 
ἐκ τῶνδε τοῦδε χρημάτων πειράσομαι 
ἄρχειν πολιτῶν" τὸν δὲ μὴ πειϑάνορα 
ξεύξω βαρείαις οὔτι μὴ δειραφόρον 1610 
κρυιϑῶντα πῶώλον᾽ ἀλλ᾽ ὁ δυσφιλὴς σκότῳ 
λιμὸς ξύνοικος μαλϑακόν σφε πέψεται. 
ΧΟΡΟΣ. 
Τί δὴ τὸν ἄνδρα τόνδ᾽ ἀπὸ ψυχῆς κακῆς 
οὐκ αὐτὸς nvagıfes, ἀλλ᾽ ἡ συντριβὴς 
χώρας μέασμα καὶ ϑεῶν ἐγχωρίων 1615 


v. 1593 codd. πήσας. Herm. bess. — v. 1594 γύναι σὺ. Meineke bess. 
Dann ἔκ μάχης νέον. Wieseler bess, — v. 1595 codd. αἰσχύνουσ᾽. — 
v. 1600 codd. ἠπίοις. Panw bess. — v. 1602 codd. ὡς δὴ. Hartung 














AESCHYLOS AGAMEMNON. 


1590 Sind doch die Fesseln, auch die Greise zu erziehn, 
Und Hungerqualen nicht zu übertreffende 
Heilwunderärzte. Bist du offnen Auges blind? 

Nicht löcke du dem Stachel: wehe tut der Stoss. 
Führer des linken Chorflügels. 
Du Memme! wackrer Siegeshelden weibischer 

1595 Auflaurer! du hast eheschändend hier zugleich 

Dem grossen Feldherrn diesen Tod ersonnen? du? 
Aegisthos. 

Auch diese Worte werden noch ein Tränenquell. 

Fürwahr! von Orpheus’ Zunge scheint’s ein Widerspiel. 

Denn seine Klänge rissen wonnig alles hin, 

1600 Dein Bellen aber reizt den Milden, und es reisst 

Dich selber hin bald: zähmen wird dich harter Zwang. 
Führer des rechten Chorflügels. 
Du willst mir also Herrscher hier in Argos sein ὃ 
Du, der dem Mann hier zwar den Tod ersann, jedoch 
Zum eigenhänd’gen Morde nicht den Mut besass? 
Aegisthos, 

1605 Die Listberückung kam dem Weib natürlich zu: 

Ich, als der Erbfeind, musste schwer verdächtig sein, 
Er hätte sich gehütet. — Aber nun im Haus 

Der Herr, versuch’ ich mit den Gütern dieses Manns 
Die Staatsregierung: wer dem Führer nicht gehorcht, 


189 


1610 Den jocht der Kappzaum, wahrlich nicht dem Fohlen gleich, 
Das auf der Wildbahn wohlig hüpft — nein! Hungersqual, 


Der Kerkernacht Genossin, macht geschmeidig ihn. 
Führer der rechten Chormitte. 
Warum nur hast du diesen Mann, Feigherziger, 
Nicht selbst gemordet? während nun die Buhlerin 
1615 Zur Gräulbefleckung unsrer Götter und des Lands 


bess. — v. 1607 schaltet Herm. ein. — v. 1612 codd. op’ ἐπόψεται. 


Karsten bess. — v. 1614 codd. ἀλλὰ σὺν γυνὴ. 
Bei v. 1592 weist Aegisthos auf seine Trabanten hin. 


1% AESCHYLOS AGAMEMNON. 


ἔκτειν᾽; Ὀρέστης doc που βλέπει φάος, 

ὕπως κατελθὼν δεῦρο πρευμενεῖ τύχῃ 

ἀμφοῖν γένηται τοῖνδε παγκρατὴς φονεύς; 
ΑἸΙΓΊΣΘΟΣ. 

AAN ἐπεὶ δοκεῖς τάδ᾽, ἔρδειν καὶ λέγειν γνώσει τάχα 
[ὡς διχοστατεῖ" ξιφουλκός σ᾽ ἐκβαλῶ κομπασμάτων. 
ΧΟΡΟΣ. 

Πῶς σὺ δὴ τλήσει μάχεσϑαι καὶ γέρουσιν ἄνδρασιν; 
ΑΙΓΙΣΘΟΣ. 
Ἦ ξίφος ῥάβδος κρατίστη καὶ γέροντας νουϑετεῖν. 
ΧΟΡΟΣ. 
᾿4λλὰ πῶς ξίφος τινάξει χεὶρ ἄναλκις καὶ κακή;] 


ΑΙΓΙΣΘΟΣ. 
Εἶα δὴ. φίλοι λοχῖται, τοὔργον οὐχ ἑκὰς τόδε. 
ΧΟΡΟΣ. ᾿ 
Εἶα δὴ, ξίφος πρόκωπον πᾶς τις εὐτρεπιξέτω. 
ΑΙΓΙΣΘΟΣ. 
Alla μὴν κἀγὼ πρόκωπος οὐκ ἀναίνομαι ϑανεῖν. 
» ΧΟΡΟΣ. | 


ΖΔεχομένοις λέγεις ϑανεῖν GE‘ τὴν τύχην καρπούμεϑα. 


͵ ΚΛΥΤΑΙΜΝΗΣΤΡΑ. 

Μηδαμῶς, ὦ φίλτατ᾽ ἀνδρῶν, ἄλλα δράσωμεν κακά. 

αὐτὰ καὶ τάδ᾽ ἐξαμῆσαι σπέρματ᾽ ἀστηνὸν ϑέρος. 

πημονῆς δ᾽ ἅλις γ᾽ ὑπάρχει" μηδὲν αἰματώμεϑα. 

σώφρονος γνώμης δ᾽ ἁμαρτεῖν τὸν κρατοῦντα [πῶς πρέ- 
rei]; | 

Στεῖχε καὶ σὺ xXol γέροντες πρὸς δόμους πεπρωμένους, 


nn nn nn ..-.-. 


Nach v. 1619 nehmen Hermann und die meisten Herausgeber nur 
den Ausfall dines Verses v. 1620 an, die Lücke hat aber einen grösse- 
ren Umfang. — v. 1623 codd. αλλὰ κἀγὼ μὴν. Porson bess. — v. 1624 
codd. τὴν τύχην ἐρούμεϑα. — v. 1627. 26 gebe ich in der überlieferten 
Reihenfolge, Herm. stellt sie um. v. 1627 codd. ἀλλὰ καὶ τάδ᾽ ἐξαμῆ- 


1619 


1620 


1621 


1625 
1627 
1626 





AESCHYLOS AGAMEMNON. 191 


Ihn schlug? Es schauet wohl Orest die Sonne noch, 

Auf dass er heimkehrt durch des Glückes Gnadenhuld 

Und sieggekrönter Mörder wird an diesem Paar. 
Aegisthos. 

1619 Nun, daso du willst — erfahren sollst du bald, wie Tat und Wort 

Gar verschieden! diese Klinge setzt ein Ziel der Prahlerei. 
Chorführer. 
1620 Ha! du wagtest — du? — zufechten auch mit greisen Männern nur? 
Aegisthos. 
Schwerter sind die besten Ruten Greise noch zu züchtigen. 
Chorführer. 
Aber um ein Schwert zu schwingen, darf die Hand nicht feige sein. 
Aegisthos 
(zu seinen Trabanten). 
1621 Draufund dran, ihr wackern Krieger! nahe winkt die blut'ge Tat. 
Chorführer. 
Drauf und dran! denDegen zückend schwinge jeder ihn gewandt! 
Aegisthos. 
Ja, ich auch, gezückten Degens, weigre nicht dem Tode mich. 
Chorführer. 
Wohl, du sprichstvon Tod! esgelte! dieses Zeichen bringt Gewinn. 
Klytämnestra. 
(hervortretend). 

1625 Lasse nicht noch andres Unglück uns bereiten, liebster Mann! 
Auch von dieser Saat des Leides ist die Ernte jammerreich. 
Ach! des Unheils ist genug schon! nicht beflecke Blut die Hand! 
Wär’ es schicklich, wenn den Herrscher fasste blinde Leiden- 

schaft? — 
Kehre heim, du samt den Greisen, an den Herd, den Gott 
bestimmt, 


σαι πολλὰ δύστηνον ὁ ἔρως. Schütz ϑέρος. v. 1626 codd. ὅπαρχε und 
ἡματώμεϑα. Auratus bess. — v. 1628 steht in den codd. hinter v. 1685 
in der Form σώφρονος γνώμης δ᾽ ἁμαρτῆτον κρατοῦντα. Herm. bess. — 
v.1629 codd. στεέχετε δ᾽ ol γέροντες. Franz bess. Dann πρὸς δόμους πεπρω- 
μένους τούσδε | πρὶν παϑεῖν. ἔρξαντα καιρὸν (Flor. ἔρξαντες). Weil bess. 


192 AESCHYLOS AGAMEMNON. 


τούσδε πρὶν παϑεῖν ἄκαιρον" χρῆν τάδ᾽ ὡς ἐπράξαμεν. 1630 
εἰ δέ τοι μόχϑων γένοιτο διάλυσις, δεχοίμεϑ'᾽ ἂν 
δαίμονος χηλῇ βαρεία διπτυχῶς πεπληγμεένοι. 


NO’ ἔχει λόγος γυναικὸς, εἴ τις ἀξιοῖ μαϑεῖν. 


ΑΙΓΙΣΘΟΣ. 
᾿Αλλὰ τούσδε μοι ματαίαν γλῶσσαν ὧδ᾽ ἀκανϑίσαι 
κἀκχβαλεῖν ἔπη τοιαῦτα δαίμονος πειρωμένους: 1635 
ΧΟΡΟΣ. 
Οὐκ ἂν ’Aoysiov τόδ᾽ εἴη. φῶτα προσσαίνειν κακόν. 
ΑΙΓΙΊΣΘΟΣ. 
AAN ἐγώ σ᾽ ἐν ὑστέραισιν ἡμέραις μέτειμ᾽ ἔτι. 
ΧΟΡΟΣ. 
Οὐκ ἐὰν δαίμων Ὀρέστην δεῦρ᾽ ἀπευϑύνῃ μολεῖν. 
ΑΙΓΊΣΘΟΣ. 
Οἷδ᾽ ἐγὼ φεύγοντας ἄνδρας ἐλπίδας σιτουμένους. 
ΧΟΡΟΣ. 
Τέως σὺ πιαίνου, μιαίνων τὴν δίκην, ἐπεὶ πάρα. 1640 
ΑΙΓΙΣΘΟΣ, 
Ἴσϑι μοι δώσων ἄποινα τῆσδε μωρίας χάριν. 
ΧΟΡΟΣ. 
Κόμπασον ϑαρσῶν. ἀλέκτωρ ὥστε ϑηλείας πέλας. 
KATTAIMNHZTPA. 


Mn προτιμήσῃς ματαίων τῶνδ᾽ ὑλαγμάτων᾽" ἐγὼ 
καὶ σὺ ϑήσομεν κρατοῦντε τῶνδε δωμάτων καλῶς. 


v. 1681 codd. γένοιτο τῶνδ᾽ ἅλις γ᾽ ἐχοίμεϑ᾽ ὧν. Hermann δεχοίμεϑ᾽ 
ἄν. -- v.1632 Flor. χολῇ. Dann codd. βαρείᾳ δυστυχῶς. --- v. 1684 codd. 
ἀπανϑίσαι. — v. 1635 codd. δαίμονας. Casaub. bess, — v. 1640 
codd. πρᾶσσε, πιαίνου. — v. 1642 codd. ὥσπερ. Canter bess. — v. 1643 





AESCHYLOS AGAMEMNON. 193 


1630 Eh’ ein Unglück sie erleben! — Was wir taten, musste sein; 
Aber wahrlich! käme Lösung dieser Not, sie wär’ erwünscht, 
Denn des Unholds Doppelkralle schlug uns, ach! nur allzu schwer. 


Also spricht das Weib! O dass man ihre Rede würdigte! 


Aegisthos. 
Diese sollten so der eitlen Zunge scharfen Stachel mir 

1635 Bieten ? solche Worte schleudern und das Glück versuchen ? wie? 
Chorführer. 

Wär’ es denn Argiversitte, schmeicheln einem schlechten Mann? 
Aegisthos. 

Nun, ich werd’ in spätren Tagen dich zu finden wissen, glaub’s. 
Chorführer. 

Nimmer, wenn das Glück Orestes’ Schritte heim nach Argos lenkt. 
Aegisthos. 

Ja, ich weiss es: Hoffen, Harren ist Verbannten täglich Brod. 
Chorführer. 

1640 Mäste dich indess, besudle jedes Recht, so lang es geht. 

| Aegisthos. 

Glaube mir, für diese Frechheit sollst du büssen mir dereinst. 
Chorführer. 

Spreize dich nur gleich dem Haushahn, wenn eraufdie Hennesieht. 

Kiytämnestra. 
Achte weiter nicht des leeren Wortgebelles: ich und du 
Sind ja Herren dieses Hauses, dass von selbst sich alles fügt. 


und 44. Die Schlussworte der beiden Verse, ἐγὼ und καλῶς, die in 
den codd. fehlen, haben Canter und Heath eingefügt. 

v. 1632 „‚des Unholds‘‘ ἃ, h. des Alastor, der Iphigenias und Aga- 
memnons Tod gefordert hat. 


_—_ m nn mn 


AESCHYL. AGAMEMNON. 13 





ZUR AESCHYLISCHEN KRITIK. 


Ich habe mir die Aufgabe gestellt den Agamemnon in seinem ur- 
sprünglichen Glanz so wiederzugeben, dass ein unverkümmerter und 
reiner Genuss dieses Kunstwerkes möglich werde. Gewiss ist das ein 
periculosae plenum opus aleae. Aber gerade dieser Tragödie Kritik uud 
Verständniss ist in den letzten Jahren durch die fruchtbriugenden Be- 
mühungen vieler geistvoller und gelehrter Männer soweit gefördert wor- 
den, dass mein Unternehmen wenigstens nicht von vornherein als ein 
vermessenes betrachtet werden darf. Schon W. v. Humboldts und Droy- 
sens Uebersetzungen, jede in ihrer Art vorzüglich, sowie Klausens ver- 
dienstvolle Bearbeitung hatten ein Verständniss des Agamemnon ermög- 
licht, wie es selbst bei den Alexandrinern vielleicht nicht existiert hat. 
In neuerer Zeit haben Enger und Schneidewin, wenn auch der letztere in 
seinen Erklärungen oft gar zu gekünstelt ist, höchst wertvolle Beiträge 
zur tieferen Erfassung des Dramas geliefert; namentlich aber hat Naegels- 
bach mit einer Feinfühligkeit, deren sich wenige Philologen rühmen kön- 
nen, die religiösen Ideen, welche die Orestee beseelen, ergründet und 
die poetische Dekonomie des Agamiemnon uns aufgeschlossen. Im Lichte 
dieser Ideen hat die äschylische Kritik zu arbeiten; jede 
einzelne Stelledarf immer nur im Hinblick aufden jedes- 
maligen Zusammenhang und auf das ganze Kunstwerk an- 
gefasstund geprüft werden. So arbeitete freilich nicht die Kritik 
G. Hermanns, der seiner ganzen Eigentümlichkeit nach immer auf das 
einzelne vielmehr als auf das ganze seinen Blick gerichtet hielt: aber den- 
noch hat der grosse Mann, mit rastlosem Fleiss den kritischen Apparat 
beschaffend und aus der Fülle seines Wissens unzählige Corruptelen mit 
leichtem und sicherem Griffe beseitigend, in seiner Aeschylosausgabe uns 
ein Werk hinterlassen, das nur Unwissenheit und eitle Selbstüber- 
schätzung ohne Dankbarkeit und Bewunderung betrachten kann. Seinen 
Spuren sind Dindorf, Enger, Ahrens mit allem Rüstzeug der Gelehrsamkeit 
nachgewandelt, und namentlich beiden letzteren verdanken wir manche 
schöne Emendation zum Agamemnon. Ja, selbst Hartung und Karsten 
haben, wie unmethodisch auch ihre Kritik ist und wie verwegen sie auch 
die gesündeste Ueberlieferung antasten, hin und wieder die Hand des 
Dichters hergestellt oder wenigstens den vorliegenden Schaden constatiert. 
Noch manchen anderen gebührt die Anerkennung dass sie einzelne Cor- 


13* 


196 ZUR AESCHYLISCHEN KRITIK. 


ruptelen mit Sicherheit geheilt haben. Aber eine Kritik höheren Stils hat 
erst Weil angebahnt, indem er mit feinem Geschmack und moralischem 
Mute an alles einzelne den Massstab der Vollendung gelegt und aus dem 
Geiste des Ganzen heraus das verdurbene wiederherzustellen versucht hat. 
Ist ihm auch mancher Wurf misslungen, so hat er doch viele Schäden mit 
Evidenz gehoben und viele Partien in ein neues Licht gestellt: jedenfalls 
hat er gezeigt, welche Wege die Kritik zu wandeln hat. Uugemein an- 
regend und fruchtbar sind endlich Heimsoeths neueste Schriften über die 
Kritik des Aeschylos: hat er auch bisher für die Wiederherstelluag des 
Agamemnon wenig unmittelbar geleistet, so verdauke ich doch seiner 
Methode sehr viel von dem, was ich zur Besserung des Textes beigetra- 
gen zu haben glaube. Gewiss ist es freilich dass er oft zu leichten Fus- 
ses den Boden der Ueberlieferung verlässt und mit den beneidenswerten 
Schätzen seines Wissens oft ein mehr geistreiches und blendendes Spiel 
treibt, als dass er überzeugt und wirklich die Schäden hebt, aber immer 
fördert seine Untersuchung, und namentlich sind seine Erörterungen über 
die Rhythmik des Aeschylos und über seine Diction ausserordentlich lehr- 
“ reich und gewinnbringend. 

Gestützt auf solche Vorgänger, und ihre Leistungen mir dankbar 
aneignend, habe ich es denn gewagt die Ueberlieferung des Agamemuon 
einer durchgreifenden Kritik zu unterwerfen. Die unverdorbenen Partien 
des Aeschylos beweisen dass er zu der kleinen Zahl jener geweihten 
Dichter gehört, welche mit genialer Sicherheit die edelsten und erha- 
bensten Gedanken stets in korrektester und angemessenster Form aus- 
drücken und denen künstlerische Vollendung unbedingte Naturnotwendig- 
keit ist. Diesen Massstab habe ich durchweg au die Ueberlieferung gelegt. 
Wo also nicht ein vollkommen schöner und befriedigender Ausdruck des 
im Zusammenhang und durch die Idee des Ganzen geforderten Gedankens 
vorliegt, da ist eine Corruptel indiciert, welche eine gewissenhafte Kritik, 
mit umsichtiger Benutzung aller Mittel der Gelehrsamkeit, vor allem aber 
mit Geschmack und eindringlichem Verständniss des Zusammenhangs, zu 
heben bemüht sein muss. Meine Kritik greift also kühn und entschlossen 
durch, doch hoffe ich dass man sie nicht eine unbesonnene und unmetho- 
dische nennen wird. Bei näherer Betrachtung wird man einsehen dass ich 
die Ueberlieferung mit mehr Rücksicht und ehrerbietiger Schonung be- 
handle, als die meisten meiner Vorgänger. Wie arge Missverständnisse 
des Dichters sich auch die alten Grammatiker haben zu Schulden kommen 
lassen (Missverständnisse freilich, zu denen auch die neuere Interpretation 
würdige Seitenstücke in Menge liefert), so bewundere ich doch die red- 
liche Hingebung, mit welcher auch die byzantinischen Gelehrten den 
ihnen überkommenen Text zu verstehen und unverfälscht der Nachwelt zu 
überliefern sich bemüht haben, und ich bin weit entfernt in die landläu- 
figen Redensarten von „albernen Conjecturen des Triclinius‘ oder „fri- 
volen Interpolationen der Byzantiner‘“ einzustimmen. Ich wiederhole 
vielmehr aus innerster Ueberzeugung, was ich schon vor einigen Jahren 
(Neue Jahrb. 1860, p. 859) ausgesprochen habe, dass eigentliche Inter- 


ZUR AESCHYLISCHEN KRITIK. 197 


polationen d.h. bewusste Fälschungen sich in der ganzen Ueberlieferung 
unseres Dichters gar nicht finden: die Alexandriner wie die Byzantiner 
behandelten dafür den ihnen übermittelten Text mit viel zu grosser Ehr- 
furcht, und bei den letzteren kam dazu noch die absolute Unproductivi- 
tät. Wie kühn also meine Kritik auch erscheinen mag, sie ist dennoch 
conservativ: gauz ebenso wie Naegelsbach sage ich dass „ich nur dann 
zur Gonjectur greife, wenn die Lesart sprachlich und sachlich nicht halt- 
bar ist‘, aber freilich werden meine Ansichten von der Haltbarkeit der 
Ueberlieferung bestimmt durch die wohlbegründete Ueberzeugung, dass 
Aeschylos immer nur gross edel und schön sprechen kann. Also τὸ μὲν 
καλῶς ἔχον ὕπως χρονίξον εὖ μενεῖ βουλευτέον" ὅτῳ δὲ καὶ δεῖ φαρ- 
μάκων παιωνίων; ἥτοι κέαντες ἢ τεμόντες εὐφρόνως πειρασόμεσϑα 
πῆμ ἀποστρέψαι νόσου. 

So scheide ich aus der ganzen Ueberlieferung des Agamemnon nur 
einen einzigen Vers, Herm. 498 ἥπου πάλαι (πύλαι) φαιδροῖσι τοισίδ᾽ 
ὄμμασιν. als unecht aus, aber auch hier ist nicht entfernt an eine ab- 
sichtliche Fälschung der Abschreiber zu denken, sondern verschiedene 
Glossen, die in einer Reihe standen und zufällig fast wie ein Trimeter 
klangen, sind von einem Gelehrten in redlichem Glauben, metrisch ein 
wenig zugestutzt, als zum Text gehörig mit fortgeführt worden. Alle 
übrigen Verse, die man verdächtigt hat, bedürfen nur der Besserung oder 
einer gründlicheren Erklärung, um als wirkliches Eigentum des Dichters 
anerkannt zu werden. Wenn ich aber sage dass in der ganzen Ueberlie- 
ferung des Aeschylos sich keine Spur fürwitziger oder betrügerischer 
Interpolation finde, so will ich natürlich keineswegs behaupten dass die 
byzantinischen Gelehrten sich nicht hier und da eine Conjectur erlaubt 
hätten: die Vergleichung der Handschriften beweist dies hinlänglich, und 
sie hätten ja doch auch nicht Menschen sein müssen, wenn sie nicht da, 
wo sie nach ihrer beschränkten Einsicht und ihren geringen äusseren 
Mitteln dem zerrütteten Texte durch eine wahrscheinliche Aenderung auf- 
helfen zu können meinten, diese Medizin angewandt hätten. Aber bei 
den meisten schwer verdorbenen Stellen standen sie völlig ratlos und be- 
gnügten sich, wie die byzantinischen Scholien bezeugen, lieber mit der 
widersinnigsten Deutung sinnloser Zeichen, als dass sie vorwitzig geän- 
dert hätten. Statt also über die Interpolationssucht der Byzantiner uns 
zu ereifern tun wir wohl, wenn wir die selbstverleugnende Ausdauer be- 
wundern, womit sie unverstandene Worte mühsam abgemalt und so die 
Möglichkeit einer Wiederherstellung des Textes gerettet haben. 

Bevor wir aber die Methode und die Principien dieser Wiederher- 
stellung besprechen, wird es nötig sein die Handschriften des Agam. 
und ihr Verhältuiss zu einander zu beleuchten. Es ist allgemein aner- 
kannt und kann auch nicht bezweifelt werden dass von allen coödd. der 
Mediceus bei weitem den ersten Rang einnimmt: die von aller gelehrten 
Bildung weit entfernte ehrliche Einfalt und die eminente Sorgfalt des- 
jenigen, der ihn geschrieben hat, sowie das hohe Alter der Abschrift 
sichern den Lesarten des Med. die unvergleichlich bedeutendste Autorität. 





198 ZUR AESCHYLISCHEN KRITIK, 


Nach diesem feststehenden Satze verfährt denn auch meine Kritik: in den 
Partien des Agamemnon, in welchen der Med. als Quelle dient, bin ich 
vielleicht mit grösserer Consequenz als meine Vorgänger auf ihn zurück- 
gegangen und habe seine Lesarten, wenn sie sprachlich und sachlich ir- 
gend haltbar waren, allen anderen unbedingt vorgezogen. Als ein zweiter 
erwiesener Satz darf es gelten, dass in den Partien, wo der Med. uns aus-_ 
geht, Ven. und Flor. unsere Führer sein müssen, weil ihre Recension bei 
weitem den Vorzug verdient vor der des Farn. Auch auf diesen Satz geht 
meine Kritik mit Consequenz zurück, soweit die Lesarten des Ven. und 
Flor. sprachlich und sachlich irgend haltbar sind. Wenn sich aber in 
neuerer Zeit die Meinung iinmer mehr festzusetzen scheint dass alle Hand- 
schriften des Aeschylos aus dem Med. herstammen und dass der Farn. 
wiederum aus dem Flor. geflossen sei, dass also in den Partien, die der 
Med. noch aufweist, alle anderen Handschriften ihm gegenüber gar keinen 
Wert für die Kritik haben, und ebenso in den Partien des Agamemnon, 
die bloss im Flor. und Farn. enthalten sind, der letztere dem ersteren ge- 
genüber völlig wertlos sei, so muss gegen diesen Satz der entschiedenste 
Einspruch erhoben werden, damit nicht dasjenige, was von der Eiufalt 
des Med. übergangen,, aber von kundigeren Abschreibern gerettet worden 
ist, für die Wiederherstellung des Aeschylos verloren gehe. 

Ich behaupte vielmehr und werde zu erweisen suchen: 1) dass die 
Sippe desVen.Flor.Farn.nichtausdemMed. stammt; 2) dass 
der Farn. weder aus dem Ven. noch aus dem Flor. abge- 
schrieben ist. 

Im Philol. XVII, 1 p. 55—92 sucht W. Dindorf darzutun dass sämmt- 
liche Handschriften des Aeschylos aus der Mediceischen geflossen sind, 
aber wieviel Scharfsinn und Gelehrsamkeit er auch aufbietet den Beweis 
durchzuführen, so lässt er doch ausser Acht dass seine Argumente nur 
bis zu der Erkenntniss leiten dass sämmtliche codd. eine gemein- 
same Quelle haben, deren treuester und lauterster Abfluss 
im Med. enthalten ist. Dagegen würde der Beweis dass alle codd. 
aus dem Med. stammen nur dann gelungen sein, wenn sich dartun liesse 
dass zufällige Versbrechungen und Ueberschriften im Med. seltsame Miss- 
verständuisse in Ven. Flor. Farn. hervorgebracht hätten. Wenn z. B. Ag. 
1086 der Med. μελαγκέρωι mit einem über ı geschriebenen v giebt und 
nun der Guelph. μελαγκαέρωνιε bietet, so würde sich allerdings schon aus 
diesem Verhältniss der Lesarten vermuten lassen, was wir ohnehin mit 
Sicherheit wissen, dass Guelph. die Orestee aus dem bereits defekten Med. 
abgeschrieben hat. Oder wenn Ag. 141 im Med. nach Dindorfs Mitteilung 
die Verse so gebrochen sind 

νεικέων τέκτονα συμ 

φυτον οὐ δεισήνορα. μίμνει 
und wir nun im Bess. lesen νεικέων τέκτονα συμμενεῖ φυτὸν οὐ δεισή- 
νορα. μίμνει. so würde der Umstand dass sich im Med. über μέμνει die 
Glosse wevei fände und zwar zufällig bis in die obere Zeile neben ovu 
gerückt (was ich nicht weiss), ein ziemlich sicherer Beweis dafür sein, 


ZUR AESCHYLISCHEN KRITIK. 199 


dass Bess. aus dem Med. abgeschrieben wäre. Derartige Argumente je- 
doch, die allein entscheidende Kraft hätten, führt Dindorf für die Her- 
leitung der Sippe Ven. Flor. Farn. aus dem Med. nicht an. 

Dagegen finden sich sehr erhebliche Indicien, welche in ihrer Ver- 
einigung es mir zur Gewissheit zu machen scheinen, dass diese sog. in- 
terpolierten codd. nicht aus dem Med., sundern mit diesem aus einer 
naheliegenden gemeinsamen Quelle geflossen sind. Bessere, ja evident 
einzig richtige Lesarten geben jene v. 2 mit φρουρὰς ἑτείας unnos, ἣν 
κοιμώμενος (Med. φρουρᾶς ἐτείας" μῆκος δ᾽ ἦν κοιμώμενος 5 indem der 
Schreiber ein über die Zeile aus Conjectur hinzugesetztes δ᾽, einen flüch- 
tigen und unbedachtsamen Einfall eines Gelehrten, der sich durch ἣν oder 
ἣν verführen liess den neuen Satz mit μῆκος zu beginnen, in seiner Ein- 
falt für eine gültige Verbesserung nahm), v. 17 mit ἐκτέμνων (Med. &v- 
τέμνων), v. 64 mit ἐρειπομένου (Med. ἐριδομένου), v. 103 mit ϑυμοβόρον 
(Med. ϑυμοφϑύρον), v. 115 mit ἐρικύμονα (Med. ἐρεικύματα,, entstanden 
aus einem im Urcodex über ἐρεκύμονα geschobenen are, das eigentlich 
über φέρματι stehen sollte, aber vom ehrlichen Schreiber des Med. für 
eine Verbesserung von ἐρικύμονα ‚gehalten „ward), v. 1070 mit ὀρεγμένα 
(Med. ὀρεγομένα), v. 1111 mit τὰ δ᾽ ἐπίφόβα (Med. giebt in seiner Einfalt 
die für eine Verbesserung gehaltene übergeschriebene Conjectur τὰ δ᾽ ἐπι- 
φύβωι). Diese Lesarten, deren Vorzüglichkeit ich im Commentar erwei- 
sen werde, können nun aber nicht als Correcturen der Byzantiner gelten, 
als solche wären sie für die Kraft und Einsicht dieser Gelehrten viel zu 
fein: im ‚Gegenteil wird jeder, der die Byzantiner kennt, nicht zweifeln 
dass sie ἐντέμνων, ἐρειδομένου, ϑυμοφϑόρον, ἐρικύματα, ὀρεγομένα un- 
bedenklich als Worte des Dichters hingenommen haben würden, wenn sie 
diese in ihrer Quelle vorgefunden hätten. Wie das besonders v. 2 und 
v. 1111 klar hervortritt, so ist höchst wahrscheinlich jedesmal in .deu an- 
geführten Stellen die Lesart des Med. nur eine flüchtig hingeworfene Con- 
jectur, die über der echten von Ven. Flor. Farn. bewahrten Lesart stand, 
aber vom Schreiber des Med. als Verbesserung eines διορϑωτης betrach- 
tet ward. Noch zwingender ist v. 1102, wo das, wie ich erweisen werde, 
unentbehrliche φελοέκτοις im Med. fehlt und doch um so weniger aus 
. Gonjectur der Byzantiner hervorgegangen sein kann, als auch in ihren 
codd. von einer Responsion zwischen Strophe und Gegenstr. nicht die 
Rede ist: gewöhnlich zwar geht man mit der Ausrede dass φελοίκτοις 
eine Glosse zu ταλαέναις sei leichtfüssig über diese Schwierigkeit hin- 
weg, aber daun müssten doch die exclusiven Verehrer des Med. nach- 
weisen dass in ihrem cod. jene durchaus unglaubliche Glosse stehe, wo- 
her wäre sie sonst gekommen’? Merkwürdig ist in dieser Beziehung auch 
v. 1106, wo Med. περεβάλοντο γάρ of, dagegen Ven. Flor. Farn. περι- 
βαλόντες γάρ ol bieten. Dass das letztere durch Conjectur aus dem er 
steren hervorgegangen sei, ist unglaublich, da jedes Kind sieht dass in 
dem Satze ein verb. fin. nötig ist, metrisch aber sind beide Lesarten falsch, 
wir verlangen vielmehr: einen Dochmius von der Form .____. Nun 
wird sich aber jeder leicht überzeugen dass ich die Hand des Dichters her- 


200 ZUR AESCHYLISCHEN KRITIK, 


gestellt habe mit der Schreibung eg/ßaAov τέ σοι, sodass Kassandra die 
Nachtigall direkt anredet und τέ, das eigentlich hinter πτεροφόρον stehe 
sollte, in poetischer Struktur hinter das den beiden zu verbindenden Glie- 
dern gemeinsame Verbunı getreten ist. Dann leuchtet auf der Stelle ein 
dass im Urcodex mit verkehrter Buchstabenabteilung gelesen war περι- 
βαλόντες of und hinter περιβαλόντες sich ein γώρ eingeschlichen hatte 
als Exponent des logischen Verhältnisses zum vorhergehenden Ausruf. 
Das ist die minder verdorbene Lesart der „interpolierten “ codd., da je- 
doch in dem Satze ein verb. fin. durchaus nötig war, so schrieb im Urco- 
dex ein Gelehrter über die zweite Sylbe von περιβαλόντες ein & und über 
die letzte ein o, den Ausdruck des Dichters völlig verfehlend, aber der 
einfältige Schreiber des Med. nahm diese trübselige Conjectur für eiue 
vollgültige Emendation und trug sie in seinen Text hinein. — Meine Be- 
merkung endlich zu v. 154 beweist dass ein nicht im Med. enthaltenes 
Scholion eine Spur der echten Lesart πλὴν Διὸς ἄλλο μάταν aufbewahrt 
hat: dies Scholion hätte, da die erhaltenen codd. ἄλλο nicht mehr ken- 
nen, nie und nimmer entstehen können, weın die „interpolierten ‘“ codd. 
erst aus dem Med. geflosseu wären. 

Halten wir diese Argumente, bloss die wichtigsten und einer klei- 
nen Partie des Agamemnon entlehnten, zusammen, so kaun, wie mir 
scheint, kein Vorurteilsfreier mehr leugnen dass Ven. Flor. Farn. aus 
eineranderen Quelle als ausdem Med. stammen, also ihren 
selbständigen, wenn auch untergeordneten, Wert für die 
Kritik behaupten. Besonders wichtig aber ist die Erkenntniss dass 
der Schreiber des Med. nicht selten übergeschriebene Conjecturen als 
wirkliche Verbesserungen in den Text getragen hat, während die andere 
Handschriftenfamilie in der Auswahl des aufzunehmenden mehr Urteil 
beweist. _ 

Was nun ferner das Verhältniss des Ven. Flor. Faru. zu einander 
betrifft, so scheint der Flor. allerdings aus dem Ven. abgeschrieben zu 
sein (wenigstens seh’ ich im Agamennon keine Stelle, aus der sich mit 
einiger Sicherheit das Gegenteil ergäbe), aber Faru. hat sicherlich eine 
ganz andere Quelle als im Flor. oder Ven. — Ich führe zum Beweise zu- 
nächst diejenigeu Stellen an, in denen Faru. eine der Wahrheit näher 
kommende und doch sicherlich nicht auf Conjectur beruhende Lesart hat. 
V. 363 muss bereits der logaoedische Rlıythmus eintreten, der den Refrain 
beherrscht, das zeigt εὖ πραπίδων λαχόντα: höchst wahrscheinlich schrieb 
Aeschylos- ὥστε ‚Karagxeiv. Lesen wir also im Flor. ὥστ᾽ anagxeiv, im 
Farn. dagegen ὥστε κἀπαρκεῖν, so ist mit einiger Sicherheit zu schlies- 
sen dass in der gemeinsamen Quelle das letztere, ein einfacher Lesefehler, 


gestanden hat, das Triclinius, ein Kritiker crassa Minerva, unbedenklich - 


weiterführte, während ‚der feiner geschulte Schreiber des Ven. Rhythmus 
und Sinn durch sein ὥστ᾽ ἀπαρκεῖν wirklich verbessert, aber „von des 
Dichters Hand sich ziemlich weit entfernt hatte. Dass dagegen ὥστε xa- 
παρλεῖν eine metrische Conjectur des Triclinius sein sollte, bestimmt völ- 
liges Gleichmass mit dem unrhythmischen schwer verdorbenen antistro- 





ZUR AESCHYLISCHEN -KRITIK, 201 


phischen τὸν δ᾽ ἐπίστροφον τῶνδε herzustellen, ist kaum denkbar Tri- 
clinius war nach allen Anzeichen in den lyrischen Rhythmen viel zu &uov- 
cos, als dass er ‚jenen Mangel an Responsion bemerkt hätte. — V. 985 
giebt Flor. αὔτ᾽ ἔπαυσ᾽ ἐπ᾽ εὐλαβεία, Farn. eur’ ἔπαυσ᾽ ἐπ᾽ ἀβλαβείᾳ 
ve, letzteres durchaus unrhythmisch. Nach dem Scholion aber, ὥστε μὴ 
ἔτι βλαβῆναι habe ich gezeigt dass zu lesen ist αὐτ᾽ ἔπαυσ᾽ ἔτ᾽ ἀβλαβὴ 
γε. Darnach ist es höchst wahrscheinlich dass ἐπ᾿ εὐλαβείᾳ γε, was Vict. 
hat, eine alte Conjectur zu ἐπ᾽ ἀβλαβείᾳ γε ist, woraus aber der rhyth- 
misch feinfühlige Schreiber des Ven. ye wegliess, während Farn. die ech- 
tere Lesart rettete. — V. 1000 giebt Flor. πραϑέντα τλῆναι δουλείας, 
μάξης βία, Faro. πραϑέντα τλῆναι καὶ ξυγῶν ϑίγειν βίᾳ. Wäre das 
letztere reine Conjectur, so würde sie von einer Dreistigkeit, ja Frechheit 
des Triclinius zeugen, die durch kein anderes ähnliches Beispiel belegt 
würde: dagegen erklären sich beide Lesarten sehr einfach, wenn wir an- 
nehmen dass der Dichter geschrieben hatte πραϑέντα τλῆναι δουλίας 
μάξης ϑιγεῖν, wozu sich in der Quelle des Ven. und Farn. die Glosse ξυ- 
γῶν zu μαάξης und ein βίᾳ zu ϑιγεῖν in den Text schlich. — V. 1220 
giebt Farn. das einzig richtige ἐνθήσειν (Flor. die Conjectur ἐνθήσει), 

und doch hat die Recension des Trielinius keinen auch nur irgend an- 
nehmbaren Sinn. — V. 1258 hat Flor. οὐ ξένοι γρόνῳ πλέω. Farn. οὐ" 

ξένοι" χρόνῳ πλέῳ: beides ist sinnlos, an Conjecturen ist hier also nicht 
zu denken, aber der wahren Lesart οὖ. ξένοι" χρόνοι πλέῳ kommt die 
Hand des Triclinius sehr nahe. — V. 1300 hat Farn, noch ἄγαν im Texte, 
den verstümmelten Rest von τριτάτην aınv, aber der metrisch besser ge- 
schulte Schreiber des Ven. hat es ausgestossen. — V. 1630 lesen wir im 
Flor. πρὶν παϑεῖν" ἔρξαντες καιρὸν χρῆν τάδ᾽ ὡς ἐπράξαμεν, dagegen 
in Ven. und Farn. πρὲν παϑεῖν" ἔρξαντα καιρὸν κτλ. Weil hat die Stelle 
evident verbessert: er zeigt dass in diesen Vers noch das am Ende des 
vorigen überhängende τούσδε, das alle Kritiker ohne weitere Motivierung 
ausgeschieden haben, hereingehört, dass dagegen ἔρξαντα nur in Remi- 
niscenz an v. 1531 παϑεῖν τὸν ἔρξαντα beigeschrieben und so in den 
Text geralen, dass also zu lesen ist τούσδε πρὶν παϑεῖν ἄκαιρον" χρῆν 
τάδ᾽ ὡς ἐπράξαμεν. Also ist ἔρξαντες sichtlich nur eine äusserst plumpe 
Coujectur des Schreibers des Flor. Da jedoch Farn. das unverfälschte und 
doch völlig sinnlose ἔρξαντα giebt, so kann er nicht aus dem Flor. ge- 
schöpft haben. — V. 1632 hat Flor. χολῇ. Farn. χηλῇ. Dass das letztere 
echt ist, aber als Conjectur für Triclinius viel zu fein sein würde, wird 
aus meinem Commentar hoffentlich einleuchten: dagegen hat χολῇ so 
recht das Gepräge einer verflachenden Scholiastenconjectur. — Merkwürdig 
sind ferner die Stellen, in welchen nur eine im Farn. erhaltene Glosse bei 
völliger Corruptel des Textes auf die „richtige Lesart führt. V. 704 geben 
die codd. sinnlos und unrhythmisch ἅταισιν oder &teıg, aber im Farn. ist 
beigeschrieben ἡ ἤγουν πολέμοις. woraus Ahrens die Hand des Dichters mit 
μηλοφόνοισιν ἃ αὑταῖς hergestellt hat. Ebenso v. 1369 geben Ven. Flor. 
. ὁρώμενον, Farn. völlig sinnlos ὑρώμενον, aber seine Glossen κινηϑέν 
γεγονός zeigen dass Abresch’s Emendation ὄρμενον richtig ist und dass 


202 ZUR AESCHYLISCHEN KRITIK. 


der Verfasser jener nicht im Flor. enthaltenen Glossen die echte Lesart 
vor sich gehabt hat. — Ganz besonders iustructiv ist aber die Partie 1133 
—35, wo llermann von einer „‚foeda interpolatio Triclinii‘ spricht, 
während doch gerade dieser in seiner Beschränktheit uns unverfälschte 
Beischriften überliefert, dagegen der tüchtige Metriker, welcher den Ven. 
schrieb, recht artig die rohen Fugen der in den Text gedrungenen Glos- 
sen überfeilt hat. 

Nach diesen Argumenten ist es mir unmöglich zu glauben dass Farn. 
aus dem Flor. oder dem Ven. stammt. Gewiss greift Triclinius oft etwas 
dreist und täppisch zu, aber gerade seine Beschränktheit hat uns an man- 
chen Stellen das echtere bewahrt, wo der kundige und geschickte Schrei- 
ber des Ven. die letzte Spur von der Hand des Dichters verwischt hat. — 
Sehr lehrreich würde es sein, wenn wir eine genaue Kenntniss von der 
Versbrechung des Flor. hätten. Wenn z. B. v. 944. 45 Farn. schreibt πο- 
tar. ἄμισϑος ἀοιδα") μαντιπολεῖ δ᾽ ἀκέλευστος statt ποτᾶται" | μαν- 
τιπολεῖ δ᾽ ἀκέλευστος ἄμισϑος ἀοιδά, so kann jene fehlerhafte Lesart 
natürlich nicht aus Conjectur hervorgegangen sein, eine solche würde 
hier an Wahnsinn grenzen, soudern sie muss darauf beruhen, dass Tricli- 
nius in seinem Original den Vers μαντιπολεῖ κτλ. so gebrochen vorfand, 
dass ἀμισϑος aoıda als das Ende des Verses oben über die Zeile ge- 
schrieben war und von ihm mit ποτᾶται zusammen als ein Vers gelesen 
ward. Nach dem ausgeführten aber bin ich überzeugt dass diese Art der 
“Brechung sich nicht im Flor. findet. 

Haben denn also neben dem Med. auch Flor. und Farn. jeder seinen 
selbständigen Wert für die Wiederherstellung des Agamemuon, so fehlt 
doch noch unendlich viel dass aus diesen drei codd. allein sich die Hand 
des Dichters wieder finden liesse. Der Text des Aeschylos teilt alle Ge- 
brechen, welche sonst die uns überlieferten Texte der griechischen Dich- 
ter verunstalten. Eine grosse Rolle spielen darin natürlich die Lesefeh- 
ler der Abschreiber, welche nicht nur einzelne ähnliche Buchstaben der 
Uneialschrift überaus häufig verwechselt und die Wörter verkehrt abge- 
teilt haben, sondern auch, ganze Wörtercomplexe auf einmal mit dem 
Auge auffassend, die Endungen unwillkürlich im Kopfe umspringen lies- 
sen (wie sie z. B. v. 549 statt ἄλγους χρὴ τυχεῖν schrieben ἀλγεῖν χρὴ 
τύχης oder v. 444 statt παλιντριβεῖ τύχα βίου vielmehr παλεντυχῆ τρι- 
βᾷ βίου). Dazu kam absichtliches und unabsichtliches Drängen die poeti- 
sche Wortstellung auf die prosaische zurückzuführen, namentlich das Ad]. 
immer mit seinem Subst. zusammenzubringen, wie sie z. B. v. 1105 statt 
λιγείας μόρον ἀηδόνος schrieben λιγείας ἀηδόνος μόρον. Auch Glossen 
drangen häufig genug in den Text ein und verdarben den Rhythmus, oder 
auch sie verdrängten, von späteren Abschreibern für Emendationen ge- 
halten, wenn sie metrisch mit dem Lemma übereinstimmten, das erklärte 
poetische Wort. Endlich haben auch wohlgemeinte Conjecturen der Ab- 
schreiber, die besonders da ihr Wesen getrieben haben, wo eingedrun- 
gene Glossen Sinn oder Rhythmus verderben hatten, den Text zuweilen 
gebessert, viel häufiger aber in grobem Missverständniss des dichterischen 


ZUR AESCHYLISCHEN KRITIK. 203 


Gedankenganges die letzte Spur des ursprünglichen vertilgt. Ueber alle 
diese Gebrechen, die mehr oder weniger jeder schriftlichen Ueberlieferung 
aus dem Altertum anhaften, die aber in demselben Masse zunehmen, je er- 
habener und gewaltiger ein Kunstwerk ist, hat Heimsoeth in dem treff- 
lichen Buche ‚‚Ueber die Wiederherstellung der Dramen des Aeschylos“, 
wenn er auch in der Verfolgung von Glossen viel zu weit geht, so geist- 
voll und lehrreich gehandelt, dass hier nur auf sein Buch als auf die 
reichste Fundgrube für kritische Behandlung der Dichter hingewiesen zu 
werden braucht. 

Aber alle diese Dinge, über welche Heimsoeth so schön und über- 
zeugend spricht, erklären noch nicht die fürchterlichen Zerrüttungen des 
äschylischen Textes. Alle jene Eigenheiten der Abschreiber haben ja auch 
auf die Ueberlieferung von Pindar und Sophokles, Dichtern, die an 
Schwung der Phantasie, Kühnheit des Ausdrucks, Eigenartigkeit der 
Sprache wenig oder nicht hinter Aeschylos zurückstehen, nicht minder 
eingewirkt, und doch wie unendlich viel reiner und unverfälschter er- 
scheint die Ueberlieferung ihrer Werke gegenüber derjenigda unseres 
Dichters. Es muss also bei der Zerrüttung des äschylischen Textes ein. 
wesentlicher Umstand mit tätig gewesen sein, den Heimsoeth nicht in 
Betracht gezogen hat. Dies Moment besteht darin dass derjenige einzige 
codex, auf welchen unsere ganze schwerverdorbene Ueberlieferung zu- 
rückzuführen ist, zwar überaus reich an Glossen und Scholien aller Art, 
aber von Moder und Motten so zerfressen gewesenist, dass 
vielePartien als ganzunleserlichhabenüberschlagen wer- 
den müssen, andere nur durch die Scholien haben restau- 
riert werdenkönnen, andere endlichnach mühsamsterEnt- 
zifferungmitunendlich vielenFehlern weitergeführt sind. 

Schon Hermann bemerkt zu Ag. 1625 „Ai trochaei aperte ex lacero 
atque attrito codice descripti sunt ut qui descripsit non omnia legere po- 
tuisse videatur.“ Wenn aber ausserdem der Anfang der Choeph, in den 
codd. völlig fehlt und erst aus Aristoph. Ran. hat ergänzt werden müssen; 
wenn Ag. 1421 eine grössere Lücke vou 5 Versen durch Hermann erwie- 
sen ist, ebenso Ch. 944; wenn in den Chorgesängen überaus häufig der 
Rhythmus der Gegenstrophe den Ausfall eines oder zweier Verse dartut; 
wenn endlich Ritschl in dem meisterhaften Aufsatz über ‚den Parallelis- 
mus der sieben Redenpaare in den Sieben gegen Theben des Aeschvlos “ 
(Neue Jahrb. 1858, p. 761) unwiderleglich erwiesen hat dass in jener Par- 
tie der Septem der Text aufs furchtbarste verstümmelt ist: so sind dies 
lauter Schäden, die sich nicht durch irgend welche Nachlässigkeit der Ab- 
schreiber erklären lassen (und wir haben ja gerade im Med. den besten 
Beweis, eine wie peinliche Sorgfalt man auf die Abschriften unsereg Dich- 
ters verwandte), sondern sie weisen mit Notwendigkeit auf starke äusser- 
liche Beschädigungen und daraus an vielen Stellen hervorgegangene Un- 
leserlichkeit jenes codex hin, den ich (Neue Jahrb. 1860, p. 831), weil er 
vermutlich aus Alexandria nach Byzanz gebracht war, der Kürze halber 
codex Alexandrinus genannt habe. 


204 ZUR AESCHYLISCHEN KRITIK. 


Und von diesem habe ich nach den von Ritschl erwiesenen Lücken 
darzutun versucht dass er auf jeder Seite zwei Golumnen von je 24—28 
Zeilen hatte, eine Combination, die sich mir bei genauerer Prüfung der 
Ueberlieferung im Agam. merkwürdig bestätigt hat. Denn die schwersten 
Corruptelen in dieser Tragödie sind gewöhnlich um 24—28, oder um 50 
—56 oder um 76—80 Verse von einander entferut d. ἢ. sie haben im 
cod. Alex. um eine oder zwei oder drei Columnen von einander, aber in 
gleicher Höhe gestauden, und da die Vermoderung vorzugsweise vom un- 
teren oder oberen Rande aus, indem der cod. mit einer Seite an einer 
feuchten Wand gelegen hat, eingedrungen sein wird, so sind jene äusser- 
lich mit einander in Verbindung steheuden Corruptelen entweder am 
oberen oder unteren Rande jenes cod. zu suchen. So stehen, um nur 
einige zu nennen, die schweren Textzerrüttungen, die wir v. 630 sq, 653 
sq, 686 sq oder v. 1140, 1189, 1215, oder v. 1348, 1371, 1396, 1421, oder 
v. 1465, 1520 finden, in dem Zusammenhange mit einander, dass sie alle 
gleichmässig durch die von aussen her eindringende Feuchtigkeit veran- 
lasst worden sind. 

Nach diesem uralten, vielleicht noch vor Christo geschriebenen, also 
überaus wertvollen und zuverlässigen, zugleich aber sehr beschädigten 
Codex ward nun in Byzanz, vielleicht noch in Uncialen, eine Abschrift ge- 
fertigt, die ich der Kürze halber codex Byzantinus nenne. In ihr fanden 
sich, durch die Unleserlichkeit des cod. Alex. veraulasst, im weseutlichen 
dieselben Lücken und Corruptelen, die wir in den noch existierenden 
Handschriften finden: aus ihr wird im 10. Jahrhundert unmittelbar der 
Med. geflossen sein, während cod. Ven. und Flor. aus einer anderen Ab- 
schrift des Byz. stammen, einer Abschrift, auf die zugleich durch ein ver- 
loren gegangenes Mittelglied der Farn. zurückzuführen ist. 

Wie‘arg nun aber auch infolge der Zerrüttung des cod. Alex. der 
Zufall der Recension des cod. Byz. mitgespielt hat, so ergeben sich doch 
aus den als notwendig erkannten Combinationen folgende sichere und 
feste Grundsätze der Kritik: 

1) in denjenigen Partien, welche durehweg gesund sind, hat we- 
gen des merkwürdig hohen Alters der Ueberlieferung und wegen der Sel- 
tenheit der auf einander folgenden Abschriften die Kritik auch im einzel- 
nen die allergrösste Vorsicht anzuwenden und namentlich vor der Jagd 
auf Glosseme und Interpolatiouen sich zu hüten. So z. B. ist die Partie 
von 844—-96 überraschend gesund, nur wenige höchst unbedeutende 
Schreibfehler finden sich hin und wieder, und nur den &inen Vers 869 
τερπνὸν δὲ τἀναγκαῖον ἐκφυγεῖν ἅπαν. dem erst Enger den richtigen 
Platz wieder angewiesen hat, hatte ein Corrector des cod. Byz. versetzt, 
weil er die parenthetische Stellung des Verses nicht begriff. Sehr unvor- 
sichtig war es daher von Hermann die v. 866—868 umzustellen, noch ge- 
wagter von Dindorf die v. 862—69 als Interpolation auszuscheiden. 

2) dagegen steht eine schwere Corruptel, weil durch äusserliche 
Beschädigung des cod. Alex. veranlasst, nie für sich allein, sonderu vor- 
und rückwärts sendet sie ihre immer schwächer werdenden Ausläufer. 


- 


ZUR AESCHYLISCHEN KRITIK. - 205 


Das ist auf das deutlichste zu beobachten v. 182, 293, 462, 533—140, nach 
v. 630, 830—32, 952—54, 968— 70 etc. etc. Also in nächster Nähe einer 
unzweifelhaft schweren Textzerrüttung darf und muss die Kritik kühnere 
Heilmittel anwenden. 

-3) Glossen sind vorzugsweise da in den Text gedrungen, wo der 
Schreiber des cod. Byz., in seiner Ratlosigkeit die zerfressenen Zeichen zu 
entziffern, vom Rande her und aus den Zwischenräumen der Zeilen zu- 
sammenrafite, was ihm irgend in den Zusammenhang zu passen schien. 
Besonders also finden wir da, wo der Ausdruck lahmt oder der Rhythmus 
verdorben ist, Glossen im Text, 2. B. ν. 101—3, 136 und 137, 968— 70, 
1133—35, 1188 etc., im übrigen aber geht namentlich Heimsoeth viel zu 
weit, wenn er überall dem Dichter nur seltene und hochpoetische Worte 
vindiciert: Aeschylos wusste durch seinen Stil auch das gemeine zu adeln. 

4) nicht nur in den Chorgesängen, wo der Rhythmus sie indiciert, 
sind zahlreiche grössere oder kleinere Lücken zu statuieren: auch in den 
Anapästen und im Dialog sind solche natürlich vorhanden. Aber nur da, 
wo der Zusammenhang zur Annahme einer Lücke zwingt und naheste- 
hende Corruptelen oder offenbarer Mangel an Responsion sie äusserlich 
wahrscheinlich machen, ist an Versausfall zu glauben. 

5) Versversetzungen sind unbedenklich da zu gestatten, wo der Zu- 
sammenhang der Gedanken sie verlangt und ein Mangel der äusseren 
Form (z. B. wenn in Anapästen der Satz nicht mit dem Paroemiacus 
abschliesst) auf dies Heilmittel hinweist. Denu bei der trostlosen Be- 
schaffenheit des cod. Alex. überschlug der Schreiber des Byz. natürlich . 
eine Menge von Versen, die er nicht zu entziffern wusste, und indem er 
sie für ewig preisgab, liess er in seiner Handschrift keinen Raum für das . 
fehlende: später aber revidierte höchst wahrscheinlich ein gelehrterer 
Mann Original und Copie, und indem er vielleicht chemische Mittel an- 
wandte, gelang es ihm noch mauchen Vers wenn auch stark angegriffen 
zu retten und am oberen oder unteren Rande des Byz. einzutragen. Die 
meisten natürlich am unteren Rande, und dort wurden sie von den ful- 
genden Abschreibern als au ihrem Platze stehend fortgeführt: daher ge- 
hören die meisten Verse, die in den jetzigen codd. eine verkehrte Stelle 
einnehmen, in eine frühere Partie, z. B. 335, 634 und 48, 1019 und 20, 
1243. Zuweilen aber, wenn der untere Rand schon zu sehr eingenommen 
war, wurden nachzutragende Verse obenan geschrieben und gerieten da- 
durch an eine zu frühe Stelle, z. B. v. 1272 und 73. Alle derartigen Verse 
leiden selbstverständlich auch an schweren Corruptelen. 

6) diese Fälle unwillkürlicher Versversetzung sind im cud. Byz. ge- 
wiss viel zahlreicher gewesen, als sich jetzt noch nachweisen lässt. 
Denn natürlich konnte die falsche Stellung vieler Zeilen einem eiusichti- 
gen διορϑωτής nicht verborgen bleiben: er fügte manche durch Zeichen 
in die ihnen zukommende Stelle ein, und diese erschienen demgemäss in 
den folgenden Abschriften wieder an dem rechten Platze. Aber einmal 
aufmerksam geworden auf die zahlreichen Fälle verkehrter Versstellung, 
muchte er in seinem Besserungseifer wieder zu weit gehen und in ober- 





206 - ‘ ZUR AESCHYLISCHEN KRITIK. 


flächlichem Verständniss des Zusammenhangs einen ‚ganz gesunden Ge- 
danken zerreissen. So ward der Vers τερπνὸν δὲ τἀναγκαῖον ἐκφυγεῖν 
ἅπαν. der, wie Enger gesehen hat, als Parenthese hinter v. 862 gehört, 
nach v. 868 gerückt; ebeuso war v. 704—6 zu lesen μηλοφόνοισιν eü- 
ταῖς — αἵματι δ᾽ οἶκος ἐφύρϑη --- δαῖτ᾽ ἀκέλευστος ἔτευξεν, aber der 
διορϑωτής, der die parenthetische Stellung von αἴματε δ᾽ οἶκος ἐφύρϑη 
nicht begriff, setzte (da es ohne Schaden für den Rhythmus anging) den 
mittleren Vers hinter den letzten, nicht bedenkend dass die nachfolgende 
Apposition sich nur an das in Erev&ev liegende Subjekt anschliessen könne. 
Auch kleine Schreibfeller verführten wohl zur Umstellung der Verse; 
nachdem z. B. v. 830 πολλὰς κλύοις ἂν κληδόνας παλιγκότους; der hin- 
ter v. 832 stand, verlesen war in πολλὰς κλύουσαν ἡδονὰς παλιγκότους, 
schien der Acc. des Part. notwendig zu fordern dass die Zeile hinter v. 829 
gestellt würde. An solche wilikürliche Versetzung aber von Versen, die 
ganz oder fast gesund sind, ist nur dann zu glauben, wenn sich nachweisen 
lässt, welches Bedenken den διορϑωτής zu seinem Verfahren bewogen hat. 
Wie ist aber bei so furchtbaren Zerrüttungen des Textes an eine 
Wiederherstellung der Hand des Dichters zu denken? Zunächst kommt es 
uatürlich jedesmal darauf an die Schäden blosszulegen, und diese zu er- 
kennen dient vor allem Vertiefung in den ldeengang des Dichters und die 
Fähigkeit alles einzelne im Lichte der grossen die Trilogie bewegenden 
Gedanken zu betrachten, sodann ein Hineinleben in den klaren plastischen 
Stil des Aeschylos, der nie ein verschwiınmendes Bild, nie einen stam- 
melnden Ausdruck gebrauchen kann, endlich in den Iyrischen Partien 
sichere Erkenntniss der den Dichter eigentümlichen Strenge und Einfach- 
heit in den Rhythmen (so ist man bisher achtlos an v. 427 τὸν δ᾽ ἐν φο- 
ναῖς καλῶς πεσόντ᾽ ἀλλοτρίας διαὶ γυναικός vorübergegangen und hat 
nicht bedacht dass der Spondeus im Anfang des Verses unerträglich ist; 
so hat man bisher v. 969 und 70 inmitten trochäisch-daktylischer Rhyth- 
men Anapäste geduldet). Lücken zu entdecken muss vor allem die Man- 
gelhaftigkeit des Ausdrucks anleiten; ein äusseres Hülfsmittel aber zu 
diesem Zwecke haben wir wie in den lyrischen Partien an der strophi- 
schen Responsion so im Recitativ an dem von Weil entdeckten Gesetz der 
Symmetrie, das den ganzen Dialog des Dichters durchdringt (nur freilich in 
viel einfacherer und schönerer Weise als der Entdecker anfänglich meinte, 
vgl. mein Sendschreiben an Weil in den Neuen Jahrb. 1863 3tes Heft). 
Sind aber die Schäden blossgelegt, so dienen zur Heilung von äus- 
seren Hülfsmitteln vor allen die Scholien, und zwar nicht bloss die des 
Med., in welchem nur eine kritiklose Auswahl des im cod. Byz. enthalten 
gewesenen sich findet, sondern ebenso gut die Anmerkungen und Glos- 
sen, die in anderen vom Med. unabhängigen codd. getrolfen werden und 
die oft gerade dadurch dass sie zu der Lesart nicht stimmen oder zufällig 
von ihrem ursprünglichen Platze verschlagen siud, ihren alexandrinischen 
Ursprung documentieren (vgl. Heimsoeth Die indirekte Ueberlieferung 
des äschylischen Textes). Ferner ist unter anderen alten Lexikographen 
namentlich Hesychios eine unerschöpfliche Fundgrube zur Wiederherstel- 





ZUR AESCHYLISCHEN KRITIK. Ä 207 


lung. solcher äschylischen Formen und Wortbildungen, die in den codd. 
verdorben oder ausgetilgt sind. Die vorzüglichste Hülfe aber zur Heilung 
der Schäden ist aus dem Dichter selbst zu gewinnen (demnächst aus Pin- 
dar, Sophokles und demjenigen unter defi neueren, der ihm der congenial- 
ste ist, Shakespeare). Auch hier gilt es vor allem sich in des Aeschylos 
Ideengang zu vertiefen und aus der Seele des ganzen Kunstwerkes heraus 
den einzelnen Schaden reproductiv zu bessern: berücksichtigt man dabei 
sorgfältig seinen Sprachschatz, seine eigentümlichen Redewendungen 
(wie er z. B. den exclamativen Infinitiv liebt, vgl. zu v. 427, 653, 1222), 
seine religiösen Anschauungen (z. B. die Identificierung von Helios und 
Apollon v. 1282), sein Streben nach völligem Ebenmass der luterpunctions- 
pausen in Strophe und Gegenstrophe, so wird es nicht selten gelingen 
den Schaden so zu heilen, dass die Wiederherstellung des ursprünglichen 
Textes jedem geschmackvollen Kenner sogleich einleuchtet. In solcher 
Art habe ich mauche schwer verdorbene Stelle des Agamemnon mit Evi- 
denz verbessert, vieles aber wird noch von meinen Nachfolgern zu be- 
schaffen sein. ᾿ 

Oft freilich wird nichts anderes übrig bleiben als nur den Schaden 
darzulegen und eine blosse Möglichkeit der Heilung anzudeuten: so 
oft ich mich in solchem Falle befand, habe ich auch solche Gonjecturen, 
die mir selbst nicht zweifellos erschienen, aber einen erträglicheu Zu- 
sammenhaug herstellten, in den Text gesetzt. Ja, selbst da, wo jeder 
Weg und Steg der Ueberlieferung verschwunden war und dunkelste Nacht 
uns umgab, hab’ ich es gewagt die von mir und anderen entdeckten 
Lücken nach dem Masse meiner schwachen Kraft auszufüllen. Die Würde 
der Wissenschaft ist dadurch gewahrt dass ich meine Einschaltungen in 
eckige Klammer gesetzt und dadurch von des Dichters unbestrittenem 
Eigentum abgesundert habe, aber um das Kunstwerk möglichst voll und 
ganz auf den Beschauer wirken zu lassen, habe ich lieber — und dazu 
gehört Selbstverleugnung — mich dem Vorwurf der Vermessenheit aus- 
selzen, als durch häufige Unterbrechungen des Zusammenhangs, wie die 
übliche voruehme Manier der Wissenschaft sie verlangt hätte, dem hin- 
gebenden Leser den Genuss verkümmern wollen. Natürlich bilde ich mir 
nicht ein bei meinen Restaurationsversuchen den Glanz der äschylischen 
Diktion erreicht zu haben, und gern geb’ ich meine Zutaten wie meine 
Erklärungen und Conjeeturen demjenigen preis, der schöneres und wahr- 
scheinlicheres zu schaffen vermag: aber der Geist des grossen Aeschylos 
wird gnädig und freundlich auf meine einfältigen Versuche sein Werk 
ganz und unverstümmelt zum Genusse zu bringen herabblicken und darin 
mehr Pietät gegen seine Schöpfung sehen, als in dem Wirken jener Kritiker, 
die zwar kein Bedenken tragen den überlieferten Text dreist und rücksichts- 
los zu ändern oder ganze Partien als seiner unwürdig zu verdammen, aber 
vor der Ausfüllung einer Lücke wie vor einem Sacrilegium zurückbeben. 


COMMENTAR 


ZU 


AESCHYLOS AGAMEMNON. 


Prolog v. 1—39. 


v. 1 und 2. Das Komma nach πόνων ist zu tilgen, denn Hermanns 
Erklärung, wornach φρουρᾶς Erelus μῆκος longum annuae observalionis 
spatium abhängen sollte von einem zu ergänzenden Verbum „ich meine 
nämlich “, kann Sprachkenner nicht befriedigen, wiewohl er selber apo- 
diktisch hinzufügt ‚, Sed quid exemplis opus in re pervulgala?‘“ Viel- 
mehr ist μῆκος nach Klausen, Wunder, Weil und Ahrens zu verbinden 
mit e&iro: „ich bitte die Götter um Erlösung — bereits die lange Jahres- 
wache hindurch“. Sehr passend vergleicht Ahrens (Studien zu Aesch. 
Agam. im Philol. 1 ster Supplementband) Eur. Or. 72 παρϑένε μακρὸν δὴ 
μῆκος ᾿Ηλέκτρα χρόνου, doch deutet er ἐτείας gezwungen „jahraus jahr- 
ein dauernd“. Zu dieser durch kein ähnliches Beispiel zu belegenden 
Erklärung nötigt der Zusammenhang nicht im geringsten: denn hat die 
Wache auch nur ein Jahr gedauert, so hat der Wächter doch Grund ge- 
nug, sich über seine allnächtliche Plage zu beschweren, und es fehlt ihm 
nicht an Erfahrung, die Winter und Sommer heraufführenden Sterne 
gründlich zu kennen. Dass aber Klytämnestra erst im zehnten Jahre die 
Wache ausgestellt hat, motiviert Schneidewin richtig dadurch, dass Kal- 
chas den Fall Troja’s erst für jenes Jahr prophezeit habe. Ahrens wen- 
det zwar ein, dass von dem homerischen Augurium der στροῦϑοι und der 
daran geknüpften Weissagung des Kalchas Aeschylos nirgends Notiz 
nehme: aber eine so vielgefeierte Prophezeiung durfte der Dichter doch 
wohl als bekannt voraussetzen, und die mit δέκατον μὲν ἔτος τόδ᾽ an- 
hebende Parodos ist doch fühlbar von dem Gedanken getragen, dass jetzt 
bald die Entscheidung erfolgen müsse. 

v. 3. Ist ἄγκαϑεν wirklich, wie die alten Grammatiker bezeugen, 
durch eine (wohl populäre) Synkope aus ἀνέκαϑεν entstanden (und es ist 
nicht zu leugnen dass die andere Deutung von ἄγκαϑεν „auf die Ellenbo- 
gen gestützt‘ in komischem Widerspruch mit κυνὸς Olanv stehen würde), 
so muss notwendig nach Schneidewin στέγαις in στέγης verwandelt werden. 





COMMENTAR. 209 


Doch bin ich sehr zweifelhaft, ob die Angaben der Alten über die Ent- 
stehung von ὥγκαϑεν aus ἀνέκαϑεν richtig sind, durch eine solche Syn- 
kope wäre ja das Wesen des letzteren Wortes alteriert; vielleicht ist also 
auch hier, wie Eum. 361, wo die codd. ἄγκαϑεν haben, geradezu avexe- 
εν zu schreiben. 

v. 7 ἀστέρας ὅταν φϑένωσιν ἀντολάς re τῶν ist von Valckenaer zu 
Eur. Phoen. 506 als unecht verdammt und seitdem von den Erklärern ent- 
weder mit den wunderlichsten Interpretationskünsten verteidigt oder als 
elende Interpolation mit Verachtung ausgeschieden worden. Das äus- 
sere Zeugniss, dass Achilles Tatius, der die drei vorhergehenden Verse ci- 
tiert, jene Worte nicht mit anführt, ist natürlich bedeutungslos: er konnte 
sie entweder durch einen Gedächtnissfehler auslassen oder auch sie ab- 
sichtlich übergehen, weil sie ihm corrupt erschienen. Wichtiger sind die 
in den Worten selbst gegen sie vorliegenden Zeugnisse. Denn φϑένειν 
kann nicht einfach statt δῦναι gesagt sein und τῶν ist als Pron. dem. 
trotz der von Boissonade angeführten Beispiele hier nicht haltbar, weil 
es am Ende des Satzes steht. Andererseits aber, wie sollte ein Textfäl- 
scher zu einem Zusatze gekommen sein, mit welchem auch nicht einem 
scheinbaren Bedürfniss abgeholfen war, der vielmehr den klaren Zusam- 
menhang des übrigen verdunkelte? Ein vorwitziger Poetaster, der dem 
Aeschylos aufhelfen wollte, hätte im Texte des Agam. leicht passendere 
Gelegenheit zu seinen Exercitien gefunden. Und es findet sich manches 
Indieium dafür, dass keine Fälscherhand hier gewirkt hat. Lassen wir 
nämlich die fraglichen Worte einmal weg, so müssen wir verbinden τοὺς 
— λαμπροὺς δυνάστας, dann aber tritt ἐμπρέποντας αὐἰϑέρε als ein 
nichtssagendes Attribut hinzu, denn wo anders als im Aether sollten die 
„lichtvollen Herrscher“ stralen? Richtig hat also Herman gefühlt dass 
λαμπροὺς δυνάστας ἐμπρέποντας αἰϑέρι zusammengehört, indem δυνά- 
orac Prädicat ist „die als lichtvolle Herrscher im Aether stralenden “. 
Daun aber vermissen wir zu τοὺς φέροντας das Subst., welches die an- 
gebliche Interpolation uns in ἀστέρας bietet. Ferner: hätte der Wächter 
seinen Satz mit v. 6 geschlossen, so wären die Zuhörer ungewiss geblie- 
ben, ob (nach Schneidewin) unter λαμπροὺς δυνάστας die Plejaden, Hy- 
aden, Arktur etc. oder aber Sonne und Mond zu verstehen wären: diese 
his jetzt noch nicht aufgehellte Undeutlichkeit kann ein Dichter wie 
Aeschylos nicht verschuldet haben. Endlich aber frage ich jeden, der für 
die Schattierungen des Stils irgend welches Gefühl hat, ob der Wächter 
nach dem nicht übermässig pathetischen Eingang seines Satzes diesen 
schliessen darf mit der kühnen Metapher von den λαμπροὶ δυνάσται, die 
etwas von pindarischem Schwunge an sich hat, oder ob er von der Höhe 
dieser Metapher wieder herabsteigen muss zur unbildlichen Bezeichnung 
der Sterne. Ich bin nicht zweifelhaft dass er -das letztere muss, und su 
urteilt in seiner Ausgabe auch Weil, der später freilich v. 7 als Interpo- 
lation verwirft. — Sehen wir denn noch einmal die verdächtigten Worte 
- darauf an, ob sie nicht durch eine leise Aenderung sich so in den Zusam- 
menhang einfügen lassen, dass allen eben angeführten Desiderien abge- 


AESCHYL. AGAMEMNON. 14 


210 COMMENTAR. 


holfen wird. Wie wir gesehen haben, ist ἀστέρας unentbehrlich; ἀντο- 
λάς τε τῶν ist zwar absolut ‚unhaltbar, aber wie wär’ es wenn Aeschylos 
geschrieben hätte ἀντολάς τ᾽ ἐτῶν Ὁ Da hätten wir (Hesych. ἀντολαὶ ye- 
νέσεις) die Anfänge der Jahre, welche durch den Sonnenlauf bezeichnet 
werden, und im Gegensatz dazu weist φϑίνωσιν, der stehende Ausdruck 
für das Abnehmen des Mondes, auf die durch den Mond bestimmten μῆ- 
νὲς φθίνοντες hin. Das sind Begriffe, durch welche die als λωμπροὲ δυ- 
νάσται stralenden ἀστέρες unzweideutig als Sonne und Mond bezeichnet 
würden. Aber es fehlt der grammatische Zusammenhang zwischen ἀστέ- 
eac und dem folgenden. Wir wären ratlos, wenn nicht der Scholiast zu 
δυνάστας bemerkte τοὺς δυναμένους παρὰ τὰ ἄλλα σημῆναι τοὺς και- 
ρούς. Er will sagen dass Sonne und Mond darum δυνάσται heissen, weil 
sie „im Gegensatz zu den anderen Sternen die Jahres- und Mondzeiten 
bezeichnen können“. In der Tat, eine wunderbare Erklärung von δυνά- 
σται, wenn nicht der Dichter etwas von diesem σημῆναι τοὺς καιρούς 
gesagt hätte. Und so zweifle ich denn kaum mehr, dass zwischen &07&- 
ρας und ὅταν eine ‘durch nachlässiges Ueberspringen von einer Zeile 
in die audere entstandene Lücke ist, die mit Hülfe des vom Scholiasten 
gebotenen σημῆναι, des bei Aratus feststehenden Ausdrucks für das „Zei- 
gen‘ der grossen Weltenuhr, sich so etwa ausfüllen lässt 


ἀστέρας [ἀκμῆτας, οἵτε σημαίνουσ᾽ ἀεὶ 
μῆνάς 8᾽] ὅταν φϑίένωσιν ἀντολάς τ᾽ ἐτῶν. 


Indessen ist auch ἀστέρας, dessen Klang nach ἄστρων v. 4 nicht gut zu 
ertragen ist, vielleicht nur Glosse für eine bildliche Bezeichnung der 
Sterne, etwa für πυρσούς. Hätte Aeschylos so geschrieben, so wäre 
nichts zu wünschen übrig — ungefähr so muss er gedichtet haben. Zur 
Bestätigung aber dieser Annahme vom Ausfall eines Verses dient der Um- 
stand, dass der ganze Prolog höchst conciun in abgerundeten Perioden 
von je2 oder 4oder 2 mal 4 Versen verläuft. 


v. 10 und 11 giebt Hermann nach den besten codd. ὧδε γὰρ κρατεῖ 
γυναικὸς ἀνδρόβουλον ἑλπίξον κέαρ. Allerdings kann dagegen die an- 
dere Lesart πρατεῖν --- ἐλπίξω nicht in Betracht kommen, und die Les- 


art des Med. ἐλπίξων erklärt sich (vgl. p. 199. 200) einfach daraus, dass 
der Abschreiber in seinem Original über die letzte Sylbe von ἐλπέξον 
ein ὦ geschrieben fand zur Bezeichnung der Variante ἐλπίζω, woraus er 
in seinem Unverstand ἐλπίζων machte, aber Elmsley hatte doch Recht 
mit seinem’ Bedenken, dass ἐλπίξον nicht füglich ganz als Adj. stehen 
könne und dass das doppelte Epitheton zu γυναικὸς κέαρ lästig sei. 
Wir müssen daher ἐλπέξζον durchaus als Partic. fassen und die ganze 
Stelle erklären: „denn so führt des Weibes männlich Herz das Regiment 
mitten in ihren Hoffnungen (wie würde sie erst schalten, wenn sie 
fürchtete?) “. 


v. 12 kann das überlieferte εὖτ ὧν — ἔχω, das Hermann ἢ beibehalten 
hat, nicht richtig sein. Der Vordersatz, der zuerst mit eur’ ἂν eingelei- 


COMMENTAR. 211 


tet ist, soll nach dem in Parenthese eingeschobenen φόβος γάρ κτλ. wie- 
der aufgenommen sein mit ὅταν δ᾽ ἀείδειν, sodass v. 12—19 eine laug- 
gestreckte Periode bilden. „Aber i in ὅταν δ᾽ ἀείδειν ist ja etwas wesentlich 
anderes enthalten, als in eur αν — ἔχω, sodass jene Construction, ohne- 
hin der einfachen und klaren Gruppierung des Satzes im äschylischen 
Trimeter fremdartig, hier auf keinen Fall statthaft ist. Dazu kommt, dass 
εὐνὴν ἔχειν nicht heissen kanı „sein Lager einnehmen“, sondern „es 
besitzen“: der Wächter aber besass sein wie immer beschaffenes Lager 
nicht dann und wann, soudern immer, sodass es unstatthaft war zu sagen 
εὐτ᾽ ἂν εὐνὴν ἔχω. Umgekehrt kanı es Ch. 315 wohl heissen ἔνϑα σ᾽ 
ἔχουσιν evvol, denn das Lager kann Jemanden nur dann „besitzen “, 
wenn er darauf liegt, „aber was man hier von Aeschylos gesagt glaubt, 
hätte er ausgedrückt eur’ ἂν εὐνὴν κατέχω. wie v. 434 ϑήκας — κατέ- 
χουσιν (ebenso Hik. 25) oder v. 1506 δροίτας κατέχοντα χαμεῦναν. ‚Dies 
spricht auch gegen die Gonjectur von Weil, der statt ἔχω schreibt ἔχων 
und sur’ &v nachher durch ὅταν wieder aufgenommen glaubt; ebenso 
gegen diejenign Karstens, der v. 15 statt ὕπνῳ vorschlägt ὀκνῶ, das dann 
als Nachsatz zu eur: ἂν — ἔχω aufgefasst. werden soll; nicht minder 
gegen Dindorfs Vermutung, der statt ἐμήν schreibt Avfw. Richtig hat 
dagegen Hartung in &vr αν den Fehler der Ueberlieferung entdeckt, in- 
dem er statt dessen ein Subst. sucht, zu welchem εὐνήν das Prädikat 
bilde: aber wie sein Spott über vurziniayatov εὐνήν verunglückt ist 
(als ob nicht ein Lager, das häufig an einer auderen Stelle aufgeschlagen 
werden muss, sehr gut ein „durch die Nacht irrendes‘“‘ genannt werden 
könnte), ebenso verfehlt ist seine Conjectur ἄλην δὲ νυκτίπλαγκτον κτλ. 
denn das „Umherschweifen “ kann doch nie und nimmer eine evvn heis- 
sen. Natürlich hat der Wächter als Lager eine Matratze oder dergl. 
gehabt: so könnte eur’ ἂν verlesen sein aus κοίτην einer Glosse für 
ws -στρωμνήν (vgl. Ch, 657). Hesych erklärt στρωμνή͵ durch κοέτη. Aber 
näher liegt es, eur’ ἂν als unmittelbar durch einen Lesefehler aus ταύ- 
τὴν entstanden anzusehen. Dann sagt der Wächter einfach und den 
Umständen gewiss höchst angemessen: ‚dies ist mein ruheloses und 
taubefeuchtetes Lager, und dies Lager wird mir nicht wie anderen 
von Träumen besucht“. Nach ἐπισκοπουμένην ist also nicht zu inter- 
pungieren und statt des dann folgenden ἐμήν nicht mit Hermann τί μήν; 
sondern nach Auratus ἐμοί zu schreiben. Sehr passend aber nimmt 
dies ἐμοί die Haupttonstelle des Verses ein: indem der Wächter sein 
Lager so nachdrücklich in Gegensatz zu "anderen von Träumen besuchten 
stellt, vertritt das ἐμοί gleichsam die Stelle eines schweren Seufzers. 

Aber auch im Folgenden muss ein Fehler stecken. Nicht nur kann 
ein so sorgfältiger Dichter wie Aeschylos nicht in 4 auf einander folgen- | 
den Versen dreimal das Wort “ὕπνος gebraucht haben, sondern auch der |! 
Gedanke „statt des Schlafes steht Furcht an meinem Lager und wehrt \ 
die Augenlider fest im Schlaf zu schliessen “ hat, wie Karsten richtig be- ! 
merkt, etwas unbeholfenes und kindisch stammeludes: aus vH ὕπνου | 
sollte man schliessen dass gar kein Schlaf käme, während in un βεβαίως 


14 * 


912 COMMENTAR. 


βλέφαρα συμβαλεῖν ὕπνῳ angedeutet wäre, dass nur kein fester Schlaf 
sich einstellte. Denn βλέφαρα συμβαλεῖν muss jedenfalls nach v. 1253 
(ὄμμα συμβαλω τόδε) heissen „die Augen schliessen“, Schneidewins 
künstliche Deutung von βλέφαρα σνμβαλεῖν unvo „dass die Augenlider 
ein Bündniss mit dem Schlaf eingehen ““ würde eine gespreizte Vornehm- 
heit in diese Rede hineintragen. Mit. Unrecht aber greift Karsten die Ver- 
bindung παραστατεῖ τὸ μὴ συμβαλεῖν an: dies ist gerade eine solche 
Prägnanz, wie wir sie Prom. 868 in iuegog ϑέλξει τὸ μὴ κτεῖναι σύνευ- 
vov finden. Auch vermissen wir keinen Dativ zu παραστατεῖ: aus dem 
Vorhergehenden ergänzt sich von selber εὐνῇ. Dagegen vermissen wir, 
da.im Hauptsatz kein Dativ steht, die Bezeichnung des Subjektes zu συμ- 
βαλεῖν , und da nun sonst nach Eum. 130 ὕπνος πόνος τὲ κύριοι συνω- 
μόται sind, so liegt es nahe, als solches Subjekt die Ermüdung zu fassen. 
So schreibe ich τὸ um βεβαίως βλέφαρα συμβαλεῖν πόνον. Doch könnte 
es auch ἐμέ statt πόνον heissen. Jedenfalls aber ist ὕπνῳ eine Glosse, 
die mit Beziehung auf v. 1253, wo vom Schliessen der Augen im Tode 
die Rede ist, verdeutlichen wollte dass hier nur vom Schlaf gesprocheu 
werde, und diese Glosse hat den echten Schluss des Verses verdrängt. 


v. 17 hat Ahrens bewiesen dass die Lesart des Flor. und Ven. &x- 
τέμνων der des Med. ἐντέμνων unbedingt vorgezogen werden muss, in- 
dem das Bild entlehnt ist vom Ab- oder Ausschneiden heilkräftiger Wurzeln. 


v. 19 ‚haben statt des corrupten διαπονουμένου Dübner und M. 
Schmidt wohl das Richtige gefunden in δεσποτουμένου. 


Zu v. 25 könnte man als Parallele anführen Eur. Alc. 1155 χοροὺς 
ἐπ᾽ ἐσϑλαῖς ξυμφοραῖσιν ἴστάναι, aber wie einfach und natürlich auch 
der Gedanke ist, dass um einer fröhlichen Nachricht willen Reigentänze 
aufgeführt werden, 80 kann unsere Stelle doch nicht gesund sein. Der 
Feuerschein wird vom Wächter mit ὦ χαῖρε begrüsst als ein persönliches 
Wesen, das etwas melde, verkündige (πιφαυσκων) und zwar Freude (ἡμε- 
ρήσιον φάος) und Anorduung vieler Reigentänze in Argos. Damit aber 
muss der Satz schliessen: τῆσδε συμφορᾶς χάριν kann auf keinen Fall 
mit dem Vorhergehenden verbunden werden, denn ἤδε συμφορὰ ist ja 
eben das Auflodern des Feuers, also würde der Wächter nach der ge- 
wöhnlichen Auffassung sagen: „du meldest die Anordnuug von Reigen- 
tänzen um deinetwillen “ — unerträglich, indem in demselbigen Satz der 
Feuerschein als Person und als ,εὐυμφορά dargestellt wäre. Mit τῆσδε 
συμφορᾶς χάριν muss also ein neuer Satz beginnen, der, durch explicati- 
ves Asyndeton an den vorigen sich anschliessend, uns von der Höhe des 
Iyrischen Schwunges, der im vorhergehenden herrscht, wieder herabführt. 
Daun ist aber die Annahme vom Ausfall eines V. nach v. 25 unabweislich: 
ohnehin war dieser indiciert durch die in den codd. hierher geratene In- 
terjection 20V ἑοῦ, die Hermann richtig nach v. 21 gesetzt hat, und durch 
das zu v. 7 erwähnte Ebenmass der Perioden, das durch den ganzen Pro- 
log herrscht. Ich ergänze die Lücke etwa so: τῆσδε συμφορᾶς χάριν 
[παιᾶν᾽ ἰακχεῖν δεῖ τάχιστ᾽ ἰώ ἰώ]. 


_ COMMENTAR. 213 


v. 26 giebt Hermann mit Unrecht der Correctur σημανῶ vor der 
Lesart des Med. σημαίνω den Vorzug. Der Wächter anticipiert in seiner 
Aufregung die Zukunft, als ob sie schon Gegenwart wäre. - Geradeso 
steht Ch. 544 in den besten codd. χτείνω vıv für κτενῶ νιν. 

v. 27. Wenn δόμοις echt ist, so darf es jedenfalls nicht mit dem 
folgenden verbunden werden: nicht nur wäre der doppelte Dativ bei 
ἐπορϑιάξειν unbequem, sondern auch das Gewicht von v. 28 würde da- 
‚ durch geschwächt. Es gehört zu ἐπαντείλασαν : die Königin ist gleich- 
sam die Sonne, die dem Hause aufgeht; wenn sie sich erhebt, wird’s auch 
in aunkeler Nacht Tag i im Hause. 

. 32 kann τὰ δεσποτῶν γὰρ εὖ πεσόντα ϑήσομαι nicht richtig 
sein. Die Erklärung von Schütz, wornach εὖ zu ϑήσομαι gehören sollte, 
„collapsam enim dominorum fortunam restituam“ hat Karsten gut wider- 
legt: v. 33 zeigt auf das deutlichste dass εὖ πεσόντα zusammengehört. 
Andere, auch Droysen, haben sich durch den trügerischen Anschein ver- 
führen lassen, v. 32 als Erklärung zu dem eben vorhergehenden αὐτός τ᾽ 
ἔγωγε φροίμιον χορεύσομαν zu fassen und zu übersetzen: „den Glücks- 
wurf der Herren werd’ ich mir zum Vorteil wenden“. Unmöglich : weder 
kann ϑήσομαι die ihm hier untergelegte Bedeutung haben, noch stimmt 
damit der „folgende Gen. abs. Sehr ansprechend vermutet daher Karsten 
εὖ πεσόντ᾽ ἀϑρήσομαι,. da jedoch weder die Bedeutung „genau sehen “ 
hier recht passt, noch auch die mediale Form von ἀϑρέω gebräuchlich 
ist, so schreib’ ich lieber εὖ πεσόντ᾽ αἰσϑήσομαι, sodass der Wächter aus 
der Grösse seines Glückes, nämlich des ilın nun gebührenden verspro- 
chenen Lohnes, auf die Wichtigkeit der Meldung für seine Herrschaft 
schliesst. Dann enthält v. 32 nicht die Erklärung zu dem unmittelbar vor- 
hergehenden αὐτός τ΄ ἔγωγε. sondern zu v. 26—30, wozu v. 31 nur eine 
nebensächliche Bemerkung ist. In Bezug auf αἰσϑήσομαι vergleiche man 
Prom. 961 οὐκ ἐκ τῶνδ᾽ ἐγὼ δισσοὺς τυράννους ἐκπεσόντας ἠσθόμην; 
— Uebrigens ist v. 33 des Gegensatzes wegen statt τῆσδέ μοι wohl zu’ 
lesen τῆσδ᾽ ἐμοί. 

v. 36. Die sprüchwörtliche Redensart βοῦς ἐπὶ γλώσσῃ erklärt Ahrens 
mit grosser Wahrscheinlichkeit durch ‚einen aus Ochsenhaut gemachten 
Knebel“. Daruach übersetze ich. | 
| v. 39. Nach den von Schneidewin beigebrachten Beispielen aus 

Herod. 3, 75 und 4, 43, wo. ἑκὼν ἐπιλήϑομαι zusammensteht, ist es un- 
zweifelhaft dass auch hier &x0v zu λήϑομαι gehört. Also ist μαϑοῦσιν 
«vd, „des rhetorischen Nachdrucks halber hinzugefügt“, logisch unter- 
geordnet. Wie viel einfacher ist es dann aber, der Spur des Bess. ‚ wel- 
cher αὐδῶν hat, zu folgen und zu schreiben μαϑοῦ ὕσιν αὐδῶν οὐ μαϑοῦσι 
λήϑομαι. Denn da auch der Med. zuerst καὶ οὐ statt κοὺ gehabt hat, 
so scheint es, dass im cod. Alex. gestauden hat αὐδῶ οὐ, woraus dann 
die Gelehrten den Hiatus durch verschiedene Conjecturen zu entfernen 
suchten. 


214 COMMENTAR. 


Parodos v. 40— 103. 


Der Chor, bei seinem Auftreten noch nichts ahnend von dem einge- 
troffenen Feuersignal, kommt am frühen Morgen um die Königin ehr- 
furchtsvoll zu begrüssen (v. 243). Vor dem Palast ihrer wartend, klagt er 
über die lange Zeit, die bereits seit der Abfahrt der Griechen nach Troja 
verflussen sei, aber nun im zehnten Jahre sei doch auf ein glückliches 
Ende zu hoffen, da das durch Paris’ Verbrechen befleckte Troja nach ewi- 
gem Recht büssen müsse (beiläufig erwähnt er seine hohen Jahre, um zu 
erklären, warum er nicht vor Troja sei und un seine nachher sich heraus- 
stellende Unfähigkeit, den ermordeten König zu rächen, zu motivieren). 
Vor v. 83 ist Klytämnestra aus dem Palast getreten, um auf den Altären 
aller Götter zu opfern; in grösster Spannung fragt der Chor, welche 
glückliche Nachricht eingetroffen sei, aber die Königin, scheinbar ganz in 
ihre Andacht versunken, geht opfernd nach der rechten Seite hin ab um 
in der Stadt ihr heiliges Werk fortzusetzen. (Schönborn, Skene der Hel- 
lenen p. 160 sq., sucht zu beweisen dass Klytämnestra v. 103 erst nach 
links gehe, v. 243 wiederkehre, und v. 340 nach rechts hin ihren Opfer- 
gang fortsetze, um v. 467 wieder zu erscheinen; seine Irrtümer jedoch, 
welche vorzüglich durch die falsche Auffassung von v. 467 veranlasst 
sind, habe ich in der Einleitung Anm. 7 widerlegt.) 

So hat die Parodos ihren einfachen und in den Verhältnissen natür- 
lich begründeten Inhalt. Höchst unnatürlich aber wäre es, wenn die 
Greise schon jetzt, noch bevor sie eine Kunde vom Ausgang des Rache- 
zuges haben, da sie also noch ganz in der Sorge um den Krieg befaugen 
sind, trübe Ahnungen über das durch eine schwere Schuld bedrohte per- 
sönliche Schicksal.des Königs aussprächen. Erst sobald durch die Sieges- 
nachricht die grössere Sorge beseitigt ist, wendet das sich besinnende 
Gemüt sich natürlich mehr der Erinnerung an das Schicksal der Heim- 
kehrenden zu. Unmöglich also ist es, die dunkelen Verse 69—71 mit 
Hermaun und anderen Autoritäten auf Agamemnon zu beziehen, der einen 
gewissen Götterzorn nicht besänftigen werde: Paris, sagt der Chor viel- 
mehr, könne jenen Zorn nicht stillen, und darum müsse das von einem 
μίασμα heimgesuchte Troja, wenn auch spät, doch sicherlich fallen. 

Von selber zerfällt der Inhalt der Parodos in 3 grosse Gruppen: 
v. 40—59 (Schilderung des vor 10 Jahren erfolgten Aufbruchs und Ver- 
gleichung der Atriden mit den nach Rache für ihre geraubten Jungen 
schreienden Geiern), v. 60—82 (sichere Erwartung eines siegreichen Aus- 
gangs des Krieges unter dem Schutz des gastlichen Zeus und Bedauern 
über die eigene Teilnahmlosigkeit an dem Feldzuge); v. 83—103 (Anrede 
an Klytämnestra). Jede Gruppe aber zerlegt sich wieder in mehrere Sy- 
steme, deren Eude jedesmal durch den Paroemiacus bezeichnet ist. Und 
zwar die letzte Gruppe enthält 4 solcher Systeme, die resp. mit 87, 91, 
96, 103 schliessen; ;auch in der mittleren Gruppe sind 4 solche leicht er- 
kennbar, denn fast notwendig ist es aus vielerlei Gründen, v. 75 mit Weil 
in einen Paroemiacus σκήπτροις ἰσόπαιδα νέμοντες zu verwandeln. Da- 


COMMENTAR. 215 


gegen in der ersten Gruppe sind nur 3 Systeme, aber das erste hat eine 
Länge von 8 Versen, während sonst in der ganzen Parodos kein einziges 
System über 7 V. hinausgeht. Aber dort zwingt auch der Zusammenhang, 
wie wir sogleich zeigeu werden, mit Notwendigkeit zur Annahme einer 
Lücke hinter ἠδ᾽ Ayautuvov, und so dürfte es deun kaum zweifelhaft 
sein, dass eben dort der ganze Paroemiacus ausgefallen ist, der, jene 8 
Verse in 2 Systeme teilend, auch dieser Gruppe eine ähnliche Zerlegung 
gab wie sie in den beiden anderen evident ist. So haben wir also in der 
Parodos 3 grosse Partien, deren jede wieder in 4 Systeme zerfällt: offen- 
bar gehört jede grössere Gruppe @iuer Rotte des Chors an, und in jeder ἢ 
Rotte kamen die einzelnen Choreuten während der Rundmärsche abwech- 
selnd zum Vortrag, indem jeder Ein System recitierte. Ob die einzelnen 
Systeme in genauer Responsion mit einander gestanden haben, wage ich 
hier noch nicht zu entscheiden: es ist nicht unwahrscheinlich, denn bei 
der Länge der Parodos muss der Chor notwendig viele Märsche und Contre- 
märsche in der Orchestra gemacht haben, und dass bei den letzteren, 
deren Bewegung sich zu derjenigen der ersteren ohne Frage symmetrisch 
verhielt, auch die Ausdehnung der im Marschtakt vorgetragenen Anapäste 
eine entsprechende war, ist eine fast notwendige Annahme. Am meisten 
springt die Responsion zwischen den Systemen der ersten und der drit- 
ten Gruppe in die Augen: bezeichnen wir nämlich die Verszahl der einzel- 
nen Systeme mit Ziffern, so erhalten wir folgendes Schema: 


4 5 75|754715 45 7 


Nur im dritten System der Mittelgruppe ist die Symmetrie gestört; da je- 
doch eben dort statt des notwendigen Paroemiacus ein vollständiger Di- 
meter zurechtgeflickt ist, so sind wir zu der Annahme berechtigt, dass 
auch jenes System ursprünglich 5 Verse gezählt hat. 

Aber kommen wir zum Einzelnen. Da hat man v. 41 dem Dichter 
bisher zugetraut, dass er μέγας ἀντίδικος von Menelaos und Agamenınon 
gemeinsam gesagt habe, während doch das Verbum im Plural steht und 
v. 44 ausdrücklich von deın Paar der Atriden die Rede ist. Das ist gegen 
alle Logik und kann nie und nimmer verteidigt werden durch v. 112, wo 
gleichfalls wider alle Denkgesetze οἰωνῶν βασιλεὺς — φανέντες in der 
Ueberlieferung verbunden ist. Aber auch andere als grammatische Gründe 
zwingen uns μέγας ἀντίδικος bloss auf Menelaos zu beziehen. Denn dieser 
ist eben deshalb vor seinem mächtigeren Bruder genannt , weil er der 
schwerbeleidigte war und von ihm der Rachezug ausging; daher heisst er, 
und nicht Agamemnon, der ἀντίδικος Trojas, während der Bruder nur 
Helfer und Beistand in diesem Rechtshandel war. Wenn nun aber zu 
diesem in 4 Worten bezeichneten Subjekt ein zweites noch bedeutenderes 
in Agamemnon hinzutritt, so ist es eine stilistische Unmöglichkeit, den 
letzteren ohne weitere Attribute bloss bei seinem Namen zu neunen. Da- 
her scheint es mir unabweisbar, hinter 20° Ayautuvov eine Lücke an- 
zunehmen, in welcher sein Verhältniss zum μέγας ἀντέδικος Μενέλαος 


216 COMMENTAR. 


bezeichnet gewesen: ich fülle sie beispielsweise aus mit σύνδικος ἀρχὸς 
μεγαλαλκής (Hesych. μεγαλαλκής μεγαλοσϑενής). Dass alsdann das erste 
System, nach Nennung der beiden grossen Heerführer und ihrer Rechts- 
titel gegen Troja, mitten in einem Satz abschliesst, kann ebenso wenig 
befremden wie dass das zweite System nur durch ein Komma vom dritten 
abgetrennt ist: es ist klar, wie durch den von mir gesetzten Paroemiacus 
die beiden Herrscher jeder in seiner persönlichen Bedeutung hervorge- 
hoben werden, während das zweite System sie in ihrem gemeinsamen 
Wirken darstellt. Ist meine Ergänzung aber richtig, so folgt weiter mit 
Notwendigkeit, dass Πριάμου (wie Hermann nach Ven. u. Fl. liest) nicht mit 
μέγας ἀντίδικος verbunden werden darf, dadurch würde die Symmetrie 
zwischen den beiden Heerführern wieder zerstört, sondern dass nach Med. 
und Rub. Πριάμῳ zu lesen ist, grammatisch mit 700v v. 47 zu verbinden. 

v. 47 ἦραν erklärt Panzerbieter im Philol. XII, 3 sehr richtig durch 
tollere, in altum educere, indem das Heer zur See abgeführt wird. 

Auch zu v. 50 bemerkt derselbe sehr gut dass ἐκπάτια ἄλγη nur 
„eiusamer Schmerz‘ sein kann, da ἐκ πάτου nur „entfernt von der ge- 
wöhnlichen Strasse“ sei. Dies passt hier vortrefflich, da der Schrei der 
Vögel in der stillen Oede um so durchdringender schallt und das Terrain, 
in welchem wir uns den hier geschilderten Vorgang zu denken haben, 
eine einsame felsige Gegend ist. Unwillkürlich fühlen wir uns in die 
Vorstellungswelt eines arkadischen Hirtenvolkes versetzt, nach dessen 
frommem Glauben die wilden Tiere der Oede unter dem unmittelbaren 
Schutze wohltätiger Berggötter stehen, sodass die an den Felsen nisten- 
den Vögel ihre Schutzverwandten (μέτοικοι v. 57) heissen und Jemand, 
der mit Lebensgefahr die den Herden druhende Brut der Geier aus den 
Nestern herausholt, als Frevler an diesen Berggeistern gilt. „Und mit 
seinen Götterhänden schützt er das gequälte Tier. Musst du Tod und 
Jammer senden, ruft er, bis herauf zu mir?‘ Natürlich verunglückte bei 
den gewagten Versuchen, die Geierbrut zu vertilgen, oftmals der ver- 
wegene Kletterer; ein panischer Schrecken konnte ihn befallen, dass er 
ausglitt und in der Tiefe zerschmettert ward, dann aber hiess es, der 
Berggeist habe ihm die ὑστερόποινος Ἔ ρινύς (v. 59) gesandt. Nach Ar- 
kadien’ weist auch, wie H. L. Ahrens lichtvoll dargetan hat, die Zusam- 
menstellung der drei Berggötter Zeus Pan und Apollon: auf dem Avxcıov 
hatten sie alle drei nach Paus. VIN, 38 ihre Heiligtümer. 

So ist denn das Bild von den Geiern, deren Racheschrei von den 
Berggöttern gehört und erhört wird, völlig klar und plastisch: ihre 
Schützer senden Tod durch Zerschmetterung den παραβᾶσιν d. h. den- 
jenigen, die ihre Grenze überschreiten, indem sie in das den Göttern al- 
lein gehörige Gebiet, auf die „von Ewigkeit verschleierten“ Berge, drin- 
gen. Indem man aber liest ὕπατος δ᾽ ἀΐων — οἰωνόϑροον γόον ὀξυβοαν, 
τῶνδε μετοίκων κτλ... bleibt die unüberwindliche Schwierigkeit, wie τῶνδε 
zu deuten sei, das Pron. dem. ist im höchsten Grade auffällig, ja uner- 
träglich. Aber incidit in Scyllam qui vult vitare Charybdin. So ist es 
Hermann gegangen, welcher τῶν δὲ schreibt und diesen Satz an das vor- 


DT, PP 


COMMENTAR. 217 


hergehende Partic. so angereiht wissen will, dass zu diesem ἀΐων das 
verb. subst. ergänzt werde! Aus diesem Dilemma ist nicht herauszukom- 
men, 80 lange man sich genau an die Ueberlieferung hält: aber man 
schreibe mit einer ganz geringen Aenderung o&v βοᾷ, τῶν δὲ μετοίκων 
xrA., so ist alles in der schönsten Ordnung. Dann ist zugleich, was wir 
noch il dem schönen Bilde vermissten, erklärt, wie der rächende Gott 
den Frevlern die Strafe sendet: nämlich er stösst einen gellenden Schrei 
aus, sodass der Kletterer iu pauischem Schrecken ausgleitet und in die 
Tiefe stürzt. Preller Griech. Mythologie I, p. 460: „Zur Vervollständi- ° 
gung des Gemäldes vom Pan gehört auch das ausdrucksvolle Bild vom 
Panischen Schrecken, wenn es in den einsamen Bergen wie von dämoni- 
schen Stimmen ruft und schallt (daher seine Geliebte Echo) und das 
menschliche Gemüt dem grossen Naturgeiste gegenüber von Furcht und 
Angst und plötzlicher Mutlosigkeit ergriffen wird“. Vgl. Herod. 6, 105. 


v. 64 haben wieder Flor. und Fa. die echte Lesart ἐρειπομένου be- 
wahrt; die des Med. ἐρειδομένου, die Hermann vorzieht, ist sinnlos, denn 
im Kampfe stützt sich nicht das Knie in den Staub. Höchstens kann das 
hin und wieder einmal bei Verwundeten vorkommen, aber das wäre nicht 
ein für Schlachtgemälde wesentlicher Zug. 


v. 65 stösst Ahrens sich daran, dass ἐν προτελείοις für sich allein, 
ohne einen Gen., nicht verständlich sei und διακναιμομένης nicht, wie 
man es gewöhnlich fasse, „zerschellen “ heisse: darum ändert er dies 
letztere in διακναιομένου, auf γόνατος zu beziehen, und verbindet dann 
ἐν προτελείοις xauaxos „des Kampfes Vorspiel“ ἃ, h. „die Seefahrt “. 
Aber wie wunderlich wäre es, erst vom Kampf und dann von seinem Vor- 
spiel zu sprechen! Und da Ziel und Zweck der Rachefahrt ja die Zerstö- 
rung Troja’s ist, wie natürlich ist es da doch, die προτέλεια auf die zehn- 
jährigen Kämpfe zu beziehen, die ja im Verhältniss zu der Eroberung 
wirklich nur ein ‚Vorspiel sind. Sehr richtig also der Scholiast: ἐν roo- 
τελείοις ταῖς πρὸ τῆς ἁλώσεως μάχαις. Und während dieser langwierigen 
Kämpfe „ verschleisst‘“ ja auch wirklich der Speer, sodass διακναιομένης 
κάμακος vortrefflich die lauge Dauer dieser eigentümlichen προτέλεια malt. 


v. 66 bin ich mit Hermann Elem. doct. metr. p. 379 ganz einver- 
standen, dass die von ihm gegebene Versabteilung, wornach Τρωσί 9° 
ὁμοίως das neue System beginnt, ausserordentlich wirksam ist, um die 
Troer hervorzuheben. Schlösse das vorhergehende System mit den Wor- 
ten κάμακος ϑήσων | Δαναοῖσιν Τρωσί 8᾽ ὁμοίως. so würde der Chor 
in Wirklichkeit Griechen und Troer einander gleichstellen, während er 
doch nach dem ganzen Gedankengange sagen muss „zwar sei den Grie- 
chen viel Mühsal beschieden im Kampfe, aber den Troern nicht min- 
der‘. Diesen Ausdruck können aber die Worte nur gewinnen, wenn ein 
neuer Choreute, rasch an die in sich abgeschlossene Rede seines Vorgän- 
gers anknüpfend, fortfährt „Und den Troern zugleich“. 


v. 69 ist es mir rätselhaft, wie Hermann an dem Asyndeton Anstoss 
nehmen konnte; die Worte οὔϑ᾽ ὑποκλαίων κτλ. enthalten ja eben die 


218 COMMENTAR. 


Erklärung für die Zuversicht des Chors, dass alles nach Schicksalsschluss 
enden werde. Aber freilich hat Hermann, wie oben gezeigt ist, die ganze 
Stelle aufs gröblichste missverstanden, indem er sie auf Agamemnon be- 
zog, der den Zorn wegen Iphigenias Opferung nicht besänftigen werde. 
Natürlich kann der Chor in diesem Zusammenhang, da er sich trösten will, 
dass die für Troja verhängnissvolle Entscheidung nun bald erfolgen müsse, 
als Subjekt zu παραϑέλξει wesentlich nur den Paris meinen, wenn er ihn 
auch nicht ausdrücklich nennt. Da ‚nun aber die Ueberlieferung lautet 
οὐϑ᾽ ὑποπλαίων οὐϑ' ὑπολείβων οὔτε δακρύων ἀπύρων ἱερῶν ὄργας 
ἁτενεῖς παραϑέλξει. so hat zunächst Casaubonus evident richtig ὑπο- 
κλαίων in ὑποκαέων geändert, und die Bedeutung der Präposition in die- 
sem Compositum ist festgestellt durch Weil, welcher Herod. ‘3, 159 ἕνα 
σφι γένεα ὑπογίνηται ut suboles tis succrescerei vergleicht und darnach 
ὑποκαίων erklärt als „den nachher (zu spät) Brand- und Trankopfer Dar- 
bringenden‘. Ferner ist es möglich, dass das Subjekt zu παραϑέλξει im 
Partic. liegt „ein nachher opfernder“ (Schol. λείπει τὸ τίς); vgl. Her- 
mann zu Eur. Hec. 485. Schneidewin zu Soph. Aj. 154. ΕἸ. 697. Aber 
jedenfalls wäre diese Ausdrucksweise sehr dunkel. Als gewiss gilt mir 
weiter, dass οὔτε δακρύων nicht echt ist: nie hätte ein so sauber feilen- 
der Dichter wie Aeschylos neben zwei mit ὑπό componierte Participien 
ein drittes von einem verb. simplex gesetzt. Freilich, so leicht dürfen 
wir nicht verfahren, wie Hermann, der jene Worte ohne Weiteres als 
Glosse des von ihm beibehaltenen ὑποκλαίων ausstösst. Denn ὑποκαέων 
hat der Dichter neben ὑπολείβων geschrieben, und zu keinem von beiden 
kann δακρύων die Erklärung sein. In diesem wunderlichen δακρύων 
wird ein Wort stecken, das uns die ἄπυρα ἕερά näher erklärt. Denn was 
diese betrifft, über welche unglaublich viel Unhaltbares vorgebracht ist, 
so ist Niemand mit grösserem Scharfsinn und feinerem Takt in diesen 
dunkelen Begriff eingedrungen als Enger. Er deutet nach Hesychs (Glosse 
ἀπύρου., ἀϑύτου. Σοφοκλῆς Mvooig die ἄπυρα ἱερά als „den Göttern 
missliebige Opfer“, die nur schwelen, ohne zu brennen, wie sie Teiresias 
in Soph. Ant. 960 so schön beschreibt: ἐκ δὲ ϑυμάτων “Ἥφαιστος οὐκ 
ἔλαμπεν. ἀλλ᾽ ἐπὶ σποδῷ μυδῶσα κηκὶς μηρίων ἐτήκετο κάτυφε κἀ- 
νέπτυε κτᾶ. Unter diesen missligbigen Opfern aber, die Paris dargebracht 
habe, können nach Engers treffender Deutung nur diejenigen verstanden 
werden, die er bei seiner Hochzeit mit Helena darbrachte, die aber von 
den Göttern nicht angenommen wurden. Im Wesentlichen muss also die 
dunkle Stelle sagen: „Weder durch nachträgliche Brand- noch durch 
Trankopfer wird Jemand den Götterzorn wegen Ehehbruchs und verletzter 
Gastfreundschaft besänftigen,, also wird Troja fallen“. 

Das hat Enger gut herausgefühlt, und Weil stützt diese Deutung 
durch Verweisung auf Eum. 214, wo von der Heiligkeit der ‚rechtmässigen 
Ehe gesprochen wird, und auf Plat. Legg. VIII, p. 241 ἢ: ἄϑυτα δὲ παλ- 
λακῶν σπέρματα. Aber dennoch fehlt viel, dass die Stelle schon ins Reine 
gebracht wäre. Denn was endlich, endlich einem einzigen geistvollen 
Manne zu deuten gelungen ist, dessen Verständniss sollte Aeschylos ohne 


COMMENTAR. 219 


weiteres seinen Zuhörern zugemutet haben? Erinnern wir uns doch zur 
rechten Zeit der Bemerkung, womit W. Dindorf die praefatio seiner 
Aeschylosausgabe von 1857 schliesst: ‚, Nam meminisse oportet veteres 
Athenienses, quibus fabulas suas summus poeta scripsit, nullos dum ha- 
buisse philologos, qui vel spectantibus in theatro praesto essent, vel per 
ephemerides eicommenlarios inexplicabilia eadem qua explicabilia facili- 
tate interpretarentur. “ Kein einziger im ganzen Theater hätte verstanden, 
welche ἄπυρα fco«@”der Dichter meinte: allerdings Opfer des Paris, das 
gab der Zusammenhang einigermassen an die Hand, aber gerade an seine 
Hochzeit mit Helena zu denken, lag hier nicht nahe. Notwendig also 
musste Aeschylos genauer angeben, welche ἄπυρα ἱερά er meinte, aber 
da ist es ja doch gewiesen, diese nähere Bezeichnung in dem wunder- 
lichen οὔτε δακρύων zu suchen. Die bei der Hochzeit dargebrachten 
Opfer mussten ‚der Hera dargebracht‘“ heissen: dann verstand jeder Zu- 
hörer sofort, dass Hera, die schon früher von Paris beleidigte, nun zumal, 
nachdem sie durch seinen Ehebruch mit Helena so frech verletzt war, 
seine Opfer nicht annehmen konnte. So bin ich überzeugt, dass Aeschy- 
los ‚geschrieben ‚hat οὔϑ᾽ ὑποκαίων οὐϑ᾽ ὑπολείβων Πάρις Ἡραίων 
ἀπύρων ἱερῶν ὀργὰς ἀτενεῖς παραϑέλξει ἃ. h. „Paris wird nicht den 
Zorn über die der Hera dargebrachten, von ihr verschmähten Opfer be- 
sänftigen“. Die Corruptel ist unschwer zu erklären. Wenn in Πάρις 
Ἡραίων nur die Buchstaben ..A..C..PAIQN noch leserlich waren, so 
liess sich mit Leichtigkeit δακρύων herausbuchstabieren; dann aber setzte 
ein metrischer Corrector, um die Anapäste zn vervollständigen, den Um- 
ständen nach recht verständig ein οὔτε vor δακρύων. " 

Ich bin bis hierher, um die Erörterung nicht zu verwirren, der her- 
kömmlichen Deutung von ὀργὰς ἱερῶν gefolgt, aber sie ist grundfalsch. 
Wenn man nämlich übersetzt „Zorn über die Opfer“, so ist das gram- 
matisch eben so unhaltbar, wie es sachlich eine ‚schiefe Vorstelung giebt. 
Denn da ὀργή gemäss der Verwandtschaft mit ὀργάω eigentlich nur eine 
Anschwellung ist (die sehr füglich arevng „stramm, straff“ genannt 
werden kann), so bezeichnet es den in sich ruhenden, so zu sagen, intran- 
sitiven Zustand des Gemütes und kann daher, so lange es die ursprüug- 
liche sinnliche Bedeutung lebendig in sich hat, nie mit einem objektiven 
Gen. verbunden werden. Mit einem solchen findet es sich hin und wieder 
erst bei Demosthenes. So ist hier ὀργαὶ ξερῶν nicht „Zorn über das 
Opfer“ (wie unbillig wäre es auch von einer Gottheit, über ein ihr dar- 
gebrachtes, aber von ihr selbst verschmähtes Opfer zu zürnen!), sondern 
„Zzoru des Opfers‘, indem dieses geradezu als Vertreter der Gottheit 
sinnlich belebt und als zürnend dargestellt wird, statt dass sich eigentlich 
der Zorn der Gottheit nur in ihm manifestiert. Ja, wenn wir uns die 
Schilderung der ἄπυρα ἔερά aus Soph. Ant. vergegenwärtigen, so erken- 
nen wir in den ὀργαὶ oreveie noch deutlich die sinnliche Kraft des Wor- 
tes: es ist eigentlich „die stramme Anschwellung des qualmenden, sich 
blähenden, sprützenden, aber nicht brennenden Opfers “. 

v. 72 erklärt Ahrens ἀτέτης sehr gut als „zahlungsunfähig‘“, dann 


220 COMMENTAR. 


aber kann es nicht fraglich sein, dass ἀτέται dem Hermannschen ἀτέτα 
vorzuziehen ist. 

Wenn aber v. 74 und 75 überliefert ist μέμνομεν, ἰσχὺν | ἰσόπαιδα 
νέμοντες ἐπὶ σκήπτροις, so ist schon oben bemerkt dass Weil mit vollem 
Recht an dieser Stelle den Paroemiacus herzustellen gesucht hat: denn da 
sonst in der ganzen Parodos jedesmal der Gedanke mit einem Paroemiacus 
abschliesst, sodass kein System zwei volle selbständige Sätze umfasst, da 
ferner ἐπὶ σκήπτροις höchst prosaisch klingt und den Verdacht erweckt 
dass es nur Glosse für das einfache σκήπτροις ist, das für den poetischen 
Stil vollkommen ausreichen würde, so werden wir zu der Annahme ge- 
drängt dass auch hier die Sucht der Byzantiner inmitten anapästischer 
Reihen den Paroemiacus zu verdrängen geschaltet hat, eine Sucht, von 
welcher in den Empfangsanapästen v. 749 sq. der cod. Farn. die merk- 
würdigsten Dokumente bietet. Aber auch noch andere Indicien sprechen 
hier für eine arge Verstümmelung des Textes. Unmöglich kann nach ‚dem 
vorausgegangenen ἡμεῖς δ᾽ ἀτίταε σαρκὶ παλαιᾷ τῆς τότ᾽ ἀρωγῆς ὑπο- 
λειφϑέντες das einfache μέμνομεν als Prädikat ausreichen, stilistisch 
würde darin alles Ebenmass fehlen. Aber auch der Gedanke ist nicht voll- 
ständig. Soll μέμνομεν heissen „wir bleiben“, so fehlt ein Begriff wie 
„hier in der Heimat‘: soll es aber heissen „wir harren“, so fehlt ein 
Objekt, etwa „auf Botschaft von den Kämpfenden “. Das letztere würde 
hier angemessener sein: dadurch würde der Chor mit Wehmut seine ei- 
gene Untätigkeit beklagen und zugleich erklären, warum er am frühen 
Morgen vor den königlichen Palast komme. So scheint mir die Annahme 
einer Lücke nach μέμνομεν notwendig: ist diese aber erwiesen, so wird 
man auch nicht zweifeln dürfen dass dies System mit dem unmittelbar vor- 
hergehenden in genauer Responsion gestanden hat, denn in allen übrigen 
Systemen giebt die Ueberlieferung, wie oben bemerkt ist, wenigstens der 
Verszahl nach vollständige Uebereinstimmung von je einem Paare. Bei- 
spielsweise ergänze ich denn die Lücke mit Herstellung des Paroemiacus 
so: μίμνομεν ἐλϑεῖν νῦν ἀγγελίαν τῶν μαρναμένων. αὐτοὶ σκήπτροις 
ἰσχὺν ἰσόπαιδα νέμοντες. 

v. 77 hat Hermann ἀνάσσων in ἀνάσσων verbessert: wenn es aber nun 
heisst. γεαρὺὸς μυελὸς στέρνων ἐντὸς ἁ ἀνάσσων. so fehlt zu des vom Dichter 
offenbar gewollten Gedankens Ausdruck 'noch ein sehr wesentliches. Es ist 
klar dass er die noch unreife Kraft des Kindes und die gewelkte des Grei- 
ses auf eine Stufe stellen will, aber νεαρὸς μυελός könnte auch das Mark 
des rüstigen Jünglings sein und στέρνον wird gerade vorzugsweise von 
der breiten männlichen Brust gebraucht, es fehlt also gerade der Begriff, 
durch den unzweideutig das Kindesalter bezeichnet werden muss. Ohne 
Zweifel ist στέρνων verdorben: das Mark schiesst nicht in der Brust auf, 
sondern in jungen Pflanzen, und dass der Dichter gerade dies Bild hier 
gebraucht hat, beweist der Gegensatz des hochbejahrten Greises, der mit 
einem entlaubten Baum verglichen wird. So ist der einzig hier brauch- 
bare Ausdruck 2gv@v, vgl. v. 1491 und das homerische ὁ δ᾽ ἀνέδραμεν 
ἔρνεϊ ἶσος. Metrisch wird μυελὸς ἐρνῶν unbedenklich sein, denn aller- 


« 


COMMENTAR. 221 


dings gebrauchen Sophokles und Eurip. an den wenigen Stellen, wo 
μυελός vorkommt, die erste Sylbe kurz, aber bei Homer ist sie immer 
lang, unzweifelhaft also konnte auch Aeschylos sie so verwenden. Aber 
auch ἐρνῶν bezeichnet noch nicht energisch genug das Kindesalter: der 
Gegensatz des welkenden Laubes zeigt dass ein Epitheton wie τῶν ᾿ἀρτι- 
κόμων ausgefallen ist. Ergänzen wir dies vor oder hinter ἐντὸς ἀνάσσων, 
so entspricht dies System genau dem der Stellung nach ihm respondie- 
renden, welches v. 60 beginnt. — An ἐρνῶν τῶν “ἀρτικόμων schliesst 
sich nun wunderschön das von Weil für "Aong δ᾽ οὐκ ἔνι χώρᾳ gesetzte 
"Aons δ᾽ οὐκ ἐνὶ χλωρῷ an. Χλωρός ist der eigentliche Ausdruck von 
der blassgrünen Farbe der zarten Pflanzenkeime. Vgl. Pind. Nem. 8, 40 


χλωραῖς ἑέρσαις ὡς ὅτε δένδρεον ἄσσει. — v. 79 ist dann im Anschluss 
81} die besten codd. mit Prien (neuerdings auch Weil) zy lesen τί 9 
ὑπεργήρως:; 


v. 83 ist statt Τυνδάρεω nach Dindorf zu lesen Τυνδαρέα 9 aber nie 
beginnt Aeschylos ein anapästisches System anders als mit einem Dimeter; 
der Monometer hat, wenn er auch selten einmal an anderer Stelle vor- 
kommt, seinen legitimen Platz im zweiten und im vorletzten Verse eines 
Systems. Diese Beobachtung und die Vergleichung des entsprechenden 
zweiten Systems zeigen dass zwei Anapäste ausgefallen sind: ich ergänze 
etwa σὺ δὲ Τυνδαρέα ϑύγατερ, κοινὸν πρέσβος, βασίλεια Κλυταιμκμή- 
στρα. Vgl. Pers. 626 βασίλεια γύναι, πρέσβος Πέρσαις. — ν. 85 ist 
statt τέ νέον; τί δ᾽ ἐπαισϑομένη nach Karsten τί νέον τόδ᾽ ἐπαισϑομένη 
zu lesen, nicht nur weil sich sonst die Fragen zu sehr häufen würden, 
sondern namentlich auch, weil das δέ zur Einführung der dritten Frage 
höchst unbequem wäre. v. 87 statt πειϑοῖ (Flor. πυϑοῖ) nach Scaliger 
πευϑοῖ, denn πειϑώ heisst nicht „Vertrauen“. In demselben Verse ist 
die Lesart des Med. pr. m. 3vooxveis, wie Ahrens klar erwiesen hat, die 
einzig richtige. Vortrefflich emendiert derselbe Hesychs verderbte Glosse 
ϑυοσκεῖν,, ἱεροῖς παρέχεσϑαι ἢ ϑεοῖς in ϑυοσκνεῖς, ἕερεύεις. παρέχεις 
ϑύη ϑεοῖς. Die Bildungen auf — κνέω sind nach ihm durch Synkope aus 
Bildungen auf — κονέω entstanden, wie veoyvog aus νεόγονος. 

v. 90 sucht Hermann das überlieferte τῶν τ᾽ οὐρανίων nach dem 
voraufgehenden ὑπάτων χϑονίων zu schützen durch die Bemerkung ne 
idem quidem si significarelur hoc versu quod praecedente, reprehendi 
posset (!). Vortrefflich dagegen emendiert Enger τῶν re ϑυραίων (hier 
nicht in dem gewöhnlichen Gegensatz zu οὐκεῖος zu fassen, sondern zu 
ἀγοραίων, es sind also die Götter, welche wie Apollon ihren Altar am 
Eingange des Palastes haben). 

v. 97 geben die codd. τούτων λέξασ᾽ © τε καὶ δυνατὸν | καὶ ϑέμις 
αἰνεῖν (Flor. Fa. εἰπεῖν) | παίων ve γενοῦ κτλ. Zunächst bemerkt Schö- 
mann Opusc. III, p. 160 mit Recht, dass αἰνεῖν nie einfach „sagen“ sei, 
sondern immer eine „‚judicii volunlatisgque adsignificatio‘ enthalte. Aber 
auch so ist es nur eine feierlichere Wendung für εἰσσεῖν (welche Glosse 
in Flor. und Fa. an die Stelle des Textes getreten ist): es heisst „gnä- 
digst bewilligen, zugesteheu, zubilligen.“ Da es also mit ϑέμερ verbun- 


222 ’ COMMENTAR. 


den werden kann, so wäre es höchst unnatürlich, es von ϑέμες zu tren- 
nen und als einen, mit;yevoV coordinierten Imperativ aufzufassen. Dann 
aber behalten wir die Structur λέξασα ---- παίων τὲ γενοῦ, welche — es 
ist unglaublich! — Hermann, der feine Kenner griechischer Grammatik, 
billigt und mit der bekannten Erscheinung, dass εἶτα, ἔπειτα und dgl. 
nach einem Part. eintreten kann, auf eine Linie stellt. Ja freilich, durch 
ein solches Adverb wird das im Part. liegende adverbiale Moment noch 
einmal in seiner Abstraction hervorgehoben (wie wir in dem den deut- 
schen Nachsatz einleitenden tonlosen „so“ ursprünglich die Abstraction 
des im Vordersatz enthaltenen Adverbiale haben), und jene wiederholte 
Hervorhebung ist im Griechischen eben dann, wenn wir durch die uner- 
wartete Wendung, die mit dem Verb. fin. folgt, überrascht werden, nicht 
gerade notwendig, aber wünscheuswert, damit wir uns gleichsam des 
Ausgaugspunktes unserer Erwartung, über den wir irre werden könnten, 
versienenn (so auch ὦδε Prom. 515, Sept. 259, ähnlich sic bei Virg. Aen. 

I, 225): aber eine Conjunction wie τέ nach dem Part. zu setzen, wäre 
nicht bloss ungriechisch, sonderu wider alle Denkgesetze streitend. Ohne 
Zweilel liegt hier also eine Gorruptel vor. Hartung und Dindorf schreiben 
daher λέξαις.9 viel schöner aber find’ ich es, das Part. unangetastet zu las- 
sen und mit J. H. Voss statt παίων Te γενοῦ zu schreiben παίων γέγνου. 
So wäre die Gorruptel aus dem doppelten T und der ungewöhnlichen _ 
Form des Präsensimperativs entstanden. Blomfield meint zwar, die Form 
yiyvov komme bei den Tragikern nicht vor (warum sollte sie nicht?), 
aber sie steht Eur. Hipp. 305 und Soph. 0. C. 291. Hier passt das Praes. 
vortreffllich: „bemühe dich, meiner Sorge Heilerin zu werden“ sagt 
der Chor, weil er, seinem Alter gemäss, zu leichtbeschwiugter Hoffnung 
nicht angetan ist. 

v. 101—103 habe ich im Rhein. Mus. 1863, Ρ. 152 behandelt. Zu- 
nächst ist gewiss, dass zu dem zweiten mit τοτὲ δέ eingeleiteten Satze 
grammatisch nicht mehr ἢ in v. 100 Subjekt ist, sondern dass in bekann- 
tem poetischem Stil das zweite Satzglied sich aus der Syntaxis herauslöst 
zu einem selbständigen Satze, in welchem ἐλπίς Subjekt ist. Sodann hat, 
da der Med. liest ayava φαίνεις, Flor. u. Fa. aber ayava palvovo 9 
Ahrens mit höchst geringer Aenderung die blendende Conjectur ἃς ἀνα- “ 
peiveıs vorgebracht, aber nicht nur wäre dieser Relativsatz völlig ent- 
behrlich, also prosaisch und müssig, sondern der poetische Stil verlangt 
auch, wie Weil treffend bemerkt hat, ein Epitheton zu &Arig, das für sich 
allein dem umfänglichen Objekt nicht das Gegengewicht halten kann. In 
welcher Form dies Epitheton herzustellen und was aus φαένεις oder Yei- 
vovo zu machen sei, werden wir später sehen, wenn erst der sehr ver- 
derbte Schluss des Systems restituiert ist. 

Denn diesen glaub’ ich mit völliger Sicherheit herstellen zu können. 
Der Med. giebt τὴν ϑυμοφϑόρον λύπης φρένα, Flor. τὴν ϑυμοβόρον 
λύπης φρένα. Des Triclinius verzweifelte Conj. im Fa. τὴν ϑυμοβόρον 
λυποφρένα kann natürlich nicht in Betracht kommen. Daraus hat Her- 
manı gemacht τῆς ϑυμοβόρου φρενολύπης. Das gäbe, abgesehen von 


COMMENTAR. 223 


der diplomatischen Unwahrscheinlichkeit und dem monströsen Composi- 
tum, den in schrecklicher Tautologie ausgesponnenen Gedauken: ‚,die 
Hoffuung wehrt die Sorge ab, welche unersättlich ist in herzverzehrender 
Sinnesqual‘“. Heimsoeth „die Wiederherstellung der Dramen des Aesch.“ 
p. 355 stellt im Ton der Unfehlbarkeit als echt hin λύπης φρένα ϑυμο- 
ßog0:0, was schon früher Enger vermutet hatte. Das gäbe, wenn wir 
auch die grammatischen und dialektischen Unmöglichkeiten zugeben 
wollten, dieselbe unerträgliche Breite des Gedankens, wie die Her- 
mann sche Conjectur. Von anderen Versuchen schweigen wir, um 
nicht die Pietät, welche bedeutenden Männern gebührt, zu verletzen. — 
Sehen wir indessen uns den Zusammenhang der Stelle genau an. In 
dem Satz τοτὲ δ᾽ ἐκ ϑυσιῶν κτλ... der grammatisch zwar selbständig, 
logisch aber noch von 7 abhängig ist, musste das Objekt „did Sorge“ 
ganz einfach durch den Acc. eines Subst. mit seinem adjektivischen 
Attribut ausgedrückt werden. Dies, nicht mehr und nicht weniger, for- 
dert der einfache und klare Stil des Aeschylos gegenüber dem mit sei- 
nem Attribut verseheneu Subjekt ἐλπίς. So urteilte Hermann von der in 
den Handschr. scheinbar sich findenden Apposition τὴν ϑυμοβορον κτλ. 
ganz richtig „Langüuet haec appositio.‘“ Aber er hätte auch fühlen müs- 
sen, dass das von ihm geschaffene Complement des Objekts nicht minder 
schal und matt wäre. Und nun zeigt der Scholiast so klar und bestimmt 
sen Weg zur Restitution der Stelle. Zu τὴν ϑυμοβόρον bemerkt er ἥτις 

ori ϑυμοβόρος λύπη τῆς φρενός. Ist es da nicht augenscheinlich, dass 
der Scholiast, indem er das Adj. Yuuoßogog i in die Erklärung hineinnimmt, 
nicht dieses Adj., sondern ein mit ϑυμοβόρος zusammenhängendes Subst. 
umschreiben will? und dass die Worte λύπη φρενός gar nicht dem Dich- 
ter gehören, sondern nur die ganz exacte Erklärung zu ϑυμοβόρος oder 
vielmehr zu einem mit diesem Adj. verwandten Subst. geben? Demnach 
lässt sich mit einer Bestimmtheit, wie es selten in solchen Fällen ver- 
gönnt ist, behaupten, dass Aeschylos geschrieben hat ἐλπὶς ἀμύνει | ϑυ- 
μοβόραν φροντίδ᾽ ἄπληστον. Die seltnere Form Huuoßogev, die indess 
hinlänglich gerechtfertigt ist als Fem. des Adj. durch Theogn. 1] "Aoreus 
ϑηροφόνη, Pind. Nem. 9, 2 νεοκτίσταν ἐς Altvav, Nem. 3, 8 πολυξέναν 
Αἴγιναν, Aesch. Ch. 609 ἀϑανάτας τριχός. ward mit Glossen über- und 
unterschrieben: die eine, die sich im Med. erhalten hat, lautete ϑυμο- 
. @9000v oder ϑυμοβόρον, die andere, welche ϑυμοβόραν fälschlich als 
Subst. fasste , in Uebereinstimmung mit des Scholiasten Erklärung λύπην 
φρενός. ‚Diese letztere geriet in den Text, indem ϑυμοβόραν hinunter- 
gedrängt ward, und ein oberflächlicher Metriker suchte nun den Paroemia- 
cus ἃ tout" prix herzustellen durch ein sehr häufiges, teils absichtliches, 
teils unwillkürliches Verfahren, nämlich durch Vertauschung der casus, 
und schrieb unbekümmert um den Sinn λύπης φρένα φροντίδ᾽ ἄπληστον. 
Ein späterer verständigerer Corrector aber, der uuter dieser Zeile noch 
ϑυμοβόρον oder ϑυμοφϑόρον fand, glaubte dass der Schluss lückenhaft 
sei und der Paroemiacus also zu früh komme; daher suchte er zunächst 
nur den anapästischen Dimeter wieder herzustellen, und die unverständ- 


224 COMMENTAR. 


lichen Worte λύπης φρένα ausscheidend und ans Ende bringend, begnügte 
er sich vor ϑυμοβόρον oder ϑυμοφϑόρον den Artikel zu setzen, dem 
Scharfsinn Späterer die völlige Restitution des Paroemiacus τὴν ϑυμοβύ- 
00v λύπης φρένα überlassend. Im cod. Byz. mag die Stelle etwa so aus- 
gesehen haben: 


ἐλπὶς ἀμύνει 


λύπην φρένος φροντίδ᾽ ἄπληστον 
ϑυμοφὕορον | 
τὴν ϑυμοβόρον 


Daraus wählte dann der Schreiber des Med. τὴν ϑυμοφϑόρον λύπης 
φρένα, "während der metrisch besser geschulte Schreiber des Ven. die 
dem Versbedürfniss etwas mehr abhelfende Form vorzog und so durch 
den Flor. die der-echten Lesart nahe kommende Schreibung zufällig ret- 
tete. Aber wieder sehen wir hier auf das deutlichste dass der Flor. mit 
seiner Sippe nicht aus dem Med. stammt. 

Nach dieser Darlegung hoffe ich dass meine Emendation .den Beifall 
der Aeschyloskenner gewinnen wird. Ein äusserer Beweis für ihre Rich- 
tigkeit ist der, dass nunmehr dies System von 7 Versen, das, wie ich oben 
erörterte, mit dem dritten der ersten Gruppe v. 48—54 in 'Correspondenz _ 
steht, diesem nicht nur der Verszahl nach entspricht (das tat es auch 
sonst), sondern auch genau an denselben Stellen, im zweiten und sech- 
sten Verse, eine Dipodie statt des Dimeters hat, 

Wenn nun also das Objekt schlicht und schön ‚die unersättliche 
und nagende Sorge‘“ heisst, so muss das zu ἐλπίς gehörige Epitheton 
auch dem Inhalte nach der Bezeichnung des Objektes entsprechen. Die 
Hoffnung muss demnach „die erquickende‘“ oder mit Rücksicht darauf dass 
sie durch die Opferflammen erweckt ist „die hell strahlende“ heissen. Da 
nun der Med. ἀγανὰ φαένεις ἐλπίς, Flor. aber ayava φαίνουσ᾽ ἐλπίς 
bietet, so vermutete ich früher (Rhein. Mus. 1863, p. 154) dass zu lesen 
sei dyav’ ἀλϑαίνουσ᾽ ἐλτοίς „die mild heilende Hoffnung‘ und dabei be- 
rief ich mich auf Hesychs Glosse ἀλϑαίνει αὔξει ϑεραπεύει ὑγιαίνει. 
Aber der .adverbiale Gebrauch von &yava neben dem Part. trägt keine 
äschylische Farbe, und unerklärt blieb bei jener Conj. die Lesart des Med., 
während, wenn wir ἀγανὰ φαένεες als die am wenigsten verdorbene Les- 
art betrachten, sich ἀγανὰ φαίνουσ᾽ nicht minder wie Robortellis ayava 
φανεῖσ᾽ als Notbehelf conjecturierender Gelehrten ausweist. Sicherlich 
birgt sich also in den Schriftzägen ἀγανὰ gelveıs ein Adj. auf — 75, 
wie wir denn auch das sogleich folgende ἄπληστον im Med. in ἅπλειστον 
verdorben sehen, und zwar ein Compositum mit ayloos, denn eben aus 
ATAA ist jenes ATANA entstanden. So werden wir fast mit Notwendig- 
keit auf ἀγλαοφεγγής geführt, ein Epitheton zu ἐλπίς. das des äschyli- 
scheu Stiles sicher nicht unwürdig ist; vgl. Livius 27, 28: prima spes 
morte nuntiata Marcelli affulsit. Die schwere Corruptel erklärt sich dann 
dadurch dass das mehr bekannte Adj. ἀγλαοφανής in den Text drang. 





COMMENTAR. Ä 225 


Ueberblicken wir nun die ganze Parodos, so haben sich uns zwölf 
Systeme ergeben, von denen die ersten vier mit den letzten vier in der- 
selben chiastischen Responsion stehen, wie die beiden mittleren Paare 
unter einander. Das Schema ist dieses geworden: 


—,—_—_, 
4 ὅ 1 ὅ Ϊ 7557]|5457 


-..5-- --ΕΞΞ-β.:-Φὄ.--.-“ 

Und zwar entsprechen die correspondierenden Systeme einander genau: 
uicht nur der Verszahl, sondern auch den Dipodien nach. Schon Weil 
ahnte einen streng symmetrischen Bau der Parodos, aber indem er sich 
begnügte die Reihen zu zählen und einen anapäst. Dimeter mit einem 
Monometer correspondieren Hess, statuierte er inmitten der Symmetrie 
eine widerwärtige Unebenheit, die nicht zu ertragen war. Denn es liegt 
ja doch auf der Hand, dass, wenn anapästische Systeme einander ent- 
sprechen sollen, sie nicht bloss gleiche Verszahl, sondern auch an glei- 
cher Stelle den nachdrucksvollen Monometer haben müssen: die sie be- 
gleitenden Märsche und Contremärsche haben ja doch selbstverständlich 
dieselbe Ausdehnung gehabt, wie könnte also ein voller Marschtakt in 
den Rhythmen des einen Systems gefehlt haben ? 


Der Opfergesang v. 104—148. 


So glaube ich mit Droysen den wunderbar altertümlich gefärbten 
Gesang nennen zu müssen, den der Chor anhebt, nachdem die Königin 
durch ernste Zeichen ihn bedeutet hat, dass sie in ihrer Andacht nicht 
gestört werden dürfe. Der Refrain zeigt deutlich dass jede Strophe im- 
mer nur von einem der Choreuten gesungen ist, vermutlich die drei Stro- 
phen von den Führern der drei Rotten. Doch muss der Aufforderung αἴ- 
Aıvov αἴλενον εἰπέ κτλ. jedesmal auch die betreffende Rotte entsprochen 
haben mit einem alAıvov, allıvov eure, τὸ δ᾽ εὖ νικάτω, wie Droysen 
das in seiner Uebersetzung ausdrückt und auch Schneidewin in seinen Noten 
anerkennt. Dieser Widerhall von Seiten der Rotte mochte in den ältesten 
Handschriften vielleicht nur durch ein Zeichen angedeutet sein, sodass 
später jede Spur davon verschwinden konnte. Dass diese drei Strophen 
ohne begleitende Tanzbewegungen gesungen worden sind, möchte ich 
daraus schliessen, dass in Strophe und Gegenstrophe die Interpunctions- 
zeichen sich so gar nicht decken, während Aeschylos sonst auf diesen 
Punkt die allergrösste Sorgfalt verwendet, offenbar weil jedesmal, wo in 
Strophe und Gegenstrophe gleichmässig ein Sinneseinschnitt stattfand, 
auch eine gleich stark markierte Tanuzbewegung stattfinden sollte. 

Sehr richtig bemerkt Ahrens dass der altertümliche Charakter dieses 
Liedes auch im Dialekt ausgeprägt ist, indem er teils dem epischen Ge- 
brauch sich näher anschliesst als sonst die Chorgesänge tun, teils sogar 
äolische Eigentümlichkeiten aufgenommen hat. — Die von Rossbach und 
Westphal III, p. 56 gegebene metrische Anordnung dieser Strophen halte 


AESCHYL. AGAMEMNON. 15 


226 COMMENTAR. 


ich mit Ahrens für ganz misslungen: teils beeinträchtigt sie den Wohl- 
klang i im höchsten Grade, teils reisst sie eng zusammengehörige Begriffe 
in verschiedene Verse auseinander, wie sie z. B. v. 113 χερὸς ἐκ dopv- 
πάλτου so trennt, dass mit χερός ein Vers schliesst. 

v. 104 erklärt Ahrens 0dıov κράτος ἀνδρῶν als „„die zum Kriege 
ziehende Kraft der Männer d. ἢ. die Kraft der zum Kriege ziehenden Män- 
ner“, Aber der Chor besingt keineswegs den ganzen Heereszug, sondern 
nur die beiden Atriden und das sie begleitende Omen. Auch ist es in sti- 
listischer Beziehung nicht wohl möglich, κράτος hier in einem anderen 
Sinne zu fassen, als v. 108 δέϑρονον κράτος. wo das Objekt zum abhän- 
gigen Satze nur der Parenthese wegen aus dem Hauptsatze wiederholt 
ist. Notwendig muss also 0dıov κράτος αἴσιον gedeutet werden: „die 
von glücklichen Zeichen begleitete Zugführerschaft“. Damit fällt denn 
die so vielfach wiederholte Conj. ἐντελέων für das überlieferte ἐκτελέων 
in sich zusammen, denn unter ἀνδρῶν sind nun unmöglich die Atriden, 
sondern die Griechen zu verstehen. Auch Ahrens verwirft &vrel&wv, in- 
dem er aber schreibt ἐκ τελέων sc. oiavov „infolge sicherverkündender 
Vögel“, statuiert er eine äusserst unklare Ellipse und übersieht dabei dass 
ἀνδρῶν, worunter auch er die Griechen versteht, ein Epitheton gar nicht 
entbehren kann. Und gerade dies Epitheton, wodurch die Männer als die 
kriegsrüstigen bezeichnet werden, aber in einer Weise, dass der Chor 
sein ohnmächtiges Greisenalter in einen wehmütigen Contrast dazu stellt, 
ist das einstimmig überlieferte &xreA&ov, das nie hätte angetastet wer- 
den sollen. Eur. Ion 780 heisst es ἤδη πεφυκότ᾽ ἐκτελῇ νεανίαν, und 
wen hier auch der „vollkräftige Jüngling‘““ dem Kinde, nicht dem Greise 
gegenübergestellt wird, so wird duch Eur. Med. 920 nBns τέλος gerade 
so wie sonst ἥβης ἀκμή (Soph. O.R. 741) gebraucht, sodass ἐκτελής offen- 
bar ebenso gut wie ἀκμαῖος den in der Blüte des Lebens stehenden, auch 
im Gegensatz zum Greise, bezeichnen kann. Die ἄνδρες ἐκτελεῖς sind also 
„die rüstigen Männer “, und der Chor betont das Epitheton so stark, 
weil er eben daran mit ἔτε γάρ den Gedanken knüpft, dass er, der Greis, 
wenn auch nicht mehr zu Kriegstaten, so doch durch Gottes Gnade noch 
zu kunstreichem Gesange fähig sei. — 

Denn durch das Citat aus Eur. Herc. Fur. 678 ἔτι τοὶ γέρων ἀοιδὸς 
κελαδεῖ Mvauoovvav hat Hartung allerdings allen Zweifeln über den 
wesentlichen Inhalt der folgenden Worte ein Ende gemacht und bewiesen 
dass der Scholiast richtig interpretiert mit εἰ καὶ γέρων εἰμί, ὅμως 
μέλψω τὰ γεγονότα. Da nun auch σύμφυτος αἰών durch Soph. 0. C. 7 
χρόνος ξυνὼν und O.R. 1082 συγγενεῖς μῆνες in der Bedeutung „mein 
Lebensalter “ hinlänglich geschützt ist (auch im Niederdeutschen giebt es 
eine sprüchwörtliche Redensart ‚die Zeit läuft leicht mit ihm hin“), so 
bedürfen wir gar keiner Aenderung des überlieferten, ausser dass wir 
μολπὰν in μολπᾶν verwandeln (καταπνεύει ist durch Ahrens gut ver- 
teidigt) und die sonst so viel angefuchtene Stelle lautet: ἔτι γὰρ ϑεό- 
ϑεν καταπνεύει πειϑὼ || uoAnav ἀλκὰν σύμφυτος αἰών. 

Dagegen sind v. 108 u. 109 noch bei Weitem nicht ins Reine ge- 





΄ 


COMMENTAR. 4%” 227 


bracht. Alle codd. geben einstimmig Ἑλλάδος 7ßev, und so auch die 
meisten Handschr. von Arist. Ran. ΘΕ, wo dieser Vers aus Aeschylos 
citiert ist, nur dass einige ἤβας bieten. Darnach liest man jetzt bei Aesch. 
allgemein Bes, ohne die wunderbare Ueberlieferung irgend erklärt zu 
haben. Dazu ist die Zusammenstellung der beiden Genitive sehr unbe- 
quem: der poetische Stil hätte gefordert dass sie aus einander gerückt 
würden, wie Ag. 1201 Θυέστου δαῖτα παιδείων κρεῶν oder Ch. 930 de- 
σποσύνων δόμων ἀναφυγὰς κακῶν und so bei Aesch. immer, wenn ich 
nicht irre. Aber in einem noch schlimmeren Zustande sind die folgenden 
Worte. Die Ueberlieferuug giebt σύμφρονα (Med. Euvupeove) Tayav 
(Med. τὰν γᾶν). Da aber ταγή in der ersten Sylbe kurz ist, so schreibt 
Blomfield veyov, Hermann rayav. Beides unbedingt falsch. Ich will 
nicht die Berechtigung des von Hermann statuierten Wortes r&yng näher 
untersuchen, auch nicht, ob die erste Sylbe dieses problematischen Wor- 
tes nicht kurz sein müsste: gewiss ist aber, dass mit dem Singular σύμ- 
φρονα ταγόν oder τάγην nie und nimmer die beiden Atriden, die hier 
gemeint siud, bezeichuet werden könnten. Man beruft sich darauf, dass 
auch v. 41 μέγας αντίδικος für die beiden Brüder gesagt sei, wie aber 
dies letztere eine logische Unmöglichkeit ist, so auch der von Hermann 
an unserer Stelle constituierte Text. Mit mehr Sinn schreibt daher Din- 
dorf σύμφρονε ταγώ aber nicht nur ist die Aenderung viel zu stark und 
schon darum unwahrscheinlich, sondern auch das Subjekt ϑούριος ὄρνις, 
womit die beiden Adler als ‚ein Vorzeichen “ zusammengefasst werden, 
verlangt sich gegenüber als Objekt eine die beiden Atriden zusammenfas- 
sende Bezeichnung: in solchen Dingen ist Aeschylos peinlich genau, und 
hier war das um so nöliger, weil die völlige Gongruenz der Adler mit 
den Atriden überall im Einzelnen hervorgehoben werden sollte. Wir ha- 
ben also mit Beibehaltung des überlieferten ἥβαν zu schreiben: 'EAA«dog 

ἥβαν ξύμφρονα tayoiv, womit in erklärender Apposition zu δέϑρονον 
κράτος die Atriden genannt werden „die einträchtige Jugendkraft der 
beideu Führer von Hellas“. Gerade diese Metonymie gebraucht der Dich- 
ter, um die Jugendkraft der beiden Heerführer dem , ‚stürmischen Sausen“ 
des Vorzeichens (ϑούριος ὄρνις) gegemüberzustellen. Damit ist aber die 
Hand des Dichters noch nicht ganz hergestellt. Wenn nämlich der Scho- 
liast zu Arist. Ran. v. 1317 sagt δίϑρονον δὲ κράτος, αὐτόν τε καὶ τὸν 
Μενέλαον. ἀκμὴν δὲ τὴν νεότητα; so ist klar, dass er bei Arist. in der 
aus Aesch. citierten Stelle nicht 7ßev, sondern ἀκμάν gelesen hat, und 
dies ist ohne Zweifel der vom Dichter hier gebrauchte Ausdruck, um die 
in voller Manneskraft stehenden Atriden zu schildern. Noch deutlicher 
wird dies durch folgende Glossen Hesychs: ἀκμάξει νεάζει. ἀκμαιοτά- 
ταις νεωτάταις. ἀκμή νεότης ἡλικία. Zugleich ist dadurch erklärt, wie 
in einige codd. ‚des Arist. nBes statt ἥβαν hineingeraten ist. Wenn näm- 
lich über ἀκμάν zur Erklärung ἥβαν geschrieben war, so konnte daraus 
leicht Jemand die gelaufi ge Verbindung axuev ἥβας machen, und da nun 
in den Vers nur eins dieser Wörter passte, so floss in einige codd. ἥβας; 
wieder mit der Glosse ἀχμῆς ἰσχύος. — Nach dieser Darlegung glaub’ 


15* 





228 COMMENTAR. 


ich also mit Bestimmtheit sagen zu können dass Aeschylos schrieb ‘EAA«- 
δος ἀκμὰν ξύμφρονα ταγοῖν. 

v. 110 ist nach Arist. Ran. v. 1321, wie von deu neuesten Heraus- 
gebern auch anerkannt ist, πέμπει ξὺν δορὶ καὶ χερὶ πράκτορε zu schrei- 
ben. Wunderbar, dass Hermann diese Lesart verwirft, da doch in unserer 
Ueberlieferung der Vers metrisch verdorben ist in πέμπει σὺν δορὶ δίκας 
πράκτορι und da das Scholion zu πράκτορι; τῷ δίκην εἰσπραξομένῳ, 80 
deutlich zeigt, wie δώκας aus einer Glosse in die Lücke eines unleserlich 
gewordenen Wortes geraten ist. Hermanns Conj. σὺν δορὶ πράκτορι 
ποινᾶς ist im Vergleich mit der bei Aristoph. bewahrten echten Lesart, 
welche „Lanze und Faust‘ so schön sinnlich belebt, entschieden prosa- 
isch zu nennen. 

v. 112 aber ist unbedingt mit Karsten οἰωνῶν βασιλεῖς statt des 
überlieferten und sonst noch von Niemandem angefochtenen βασιλεύς zu 
lesen. Denn bis hierher war der Sing. ϑούριος ὄρνεις πέμπει mit dem ihm 
genau eutsprechenden Objekt völlig gerechtfertigt, da 0gvig hier nicht 
den einzelnen Vogel, sondern nach gewöhnlichem Sprachgebrauch „das 
Vogelzeichen‘“, „das Wunder‘ bedeutet: da jedoch von nun an das Vor- 
zeichen näher beschrieben wird als aus zwei Adleru bestehend, die eine 
trächtige Häsin zerfleischen, so ist, zumal neben dem βασιλεῦσι νεῶν. 
der Plur. βασιλεῖς durchaus notwendig, um die völlige Congruenz von 
Zeichen und Bezeichnetem darzulegen. Die Corruptel ist, wie Karsten 
schon bemerkt hat, daraus hervorgegangen, dass man 0gvis für „Vogel“ 
nahm und daran den Sing. anschliessen zu müssen glaubte. 

v. 115 scheint mir weder Hermann noch einer seiner Nachfolger 
mit Glück behandelt zu haben. Der Med. giebt βοσκόμενοι λαγέναν ἐρι- 
κύματα φέρματι γένναν, statt ἐρικύματα jedoch haben Bess. Flor. und 
Fa. ἐρικύμονα: dies letztere schützt auch der Scholiast durch die Erklä- 
rung πολυκύμονα. Was Flor. und Fa. statt φέρματι geben, φέρβοντο, 
ist ganz offenbar elende CGonjectur. — Zunächst bin ich nun mit Hermann 
und Ahrens dariu einverstanden, dass ἐρικύμονα die echte Lesart ist. 
Das Wort ist völlig gesetzmässig gebildet vom Stamme κυ — der ebenso 
wohl den Schwall der Meereswoge wie die Auschwellung des schwan- 
geren Leibes bezeichnet. Des Med. ἐρεκύματα ist wohl daraus zu erklä- 
ren, dass der Schreiber des cod. Byz. über peguerı zur Bezeichnung der 
Variante φέρματα (die Turn. hat) setzen wollte ματα, dies aber aus Ver- 
sehen über die letzten Sylben von ἐρεκύμονα zu stehen kam, und vom 
gewissenhaften, aber höchst unwissenden Schreiber des Med. als Verbes- 
serung von ἐρεκύμονα angesehen ward. Wenu nun aber Herm. die Stelle 
schreibt: λαγέναν &gınvuove φέρματι γένναν, so ist dagegen mit vollem 
Recht eingewandt worden dass Aayiva γέννα nicht die Häsin bezeichnen 
könne, sondern nur die Brut, dass aber auf diese das Attribut ἐρεικύμονα 
nicht passe. Dazu kommt nun noch die Schwierigkeit, das folgende Part. 
βλαβέντα auf γένναν zu beziehen: der Scholiast sucht diese dadurch zu 
heben, dass er λαγέναν γένναν für λαγωόν gesetzt erklärt, also eine 
wunderliche Construction κατὰ τὸ σημαινόμενον annimmt, Ahrens aber 


COMMENTAR. 229 


durch Verweisung auf andere Beispiele, „wo weibliche Nomina ohne 
weiteren Grund das männliche Partic. bei sich haben“. (Von dieser bei 
späteren Dichtern allerdings vorkommenden Erscheinung finden sich in 
den Tragikern keine sicheren Beispiele: Ag. 540 ist jedenfalls, Ch. 585 
wahrscheinlich verdorben.) Doch auch im Uebrigen ist die von Ahrens 
gegebene Fassung der Stelle βοσκόμενοι λαγίναν, ἐρικύμονα φέρμα τε, 
γένναν nicht haltbar. Wohl kaun λαγέναν yEvvov „die Häsin und ihre 
Brut‘ bezeichnen, aber Aeschylos würde weder diesen Begriff durch eine 
dazwischen geschobene Apposition zerrissen noch in der Apposition ein 
Adj. und ein Subst. durch τέ verbunden haben. Dieselben Ausstellungen 
treffen Weils Conjectur Aaylvav, ἐπὶ κυμάδι φέρματα, γένναν. Und 
doch lag die Emendation der Stelle ziemlich nahe: man sollte nur γένναν 
als corrumpiert anerkennen, denn dies konnte weder über die dazwischen 
stehenden Wörter hinweg mit Aayivav verbunden werden, noch auch 
stimmte dazu das folgende Part. βλαβέντα. Verbindet man also zunächst 
nur βοσκόμενοι λαγίναν, so hat man nach einer bei Aeschylos sehr ge- 
wöhnlichen Ellipse aus dem Verb das Substantiv βοράν zu ergänzen: so 
Ag. 206 πνέων τροπαίαν sc. πνοήν. Ag. 1014 ϑυραίαν τρίβειν sc. τριβήν. 
Ag. 1610 ξεύξω βαρείαις sc. ξεύγλαις. Nun folgt die näher erklärende 
Apposition , die vom Dichter höchst bezeichnend gegeben war mit ἐρεκύ- 
μονα φέρματι γέντα » den durch Leibesfrucht hochgeschwellten Bauch“. 
Hesych erklärt γέντα κρέα σπλάγχνα und Suidas γέντα μέλη" γέντα 
Boos μέλδοντες. Καλλίμαχος. Dann sagt der Dichter also dass die Adler 
„einen Hasenschmaus verzehrten, nämlich den Mutterleib samt der Frucht“. 
Niemand wende mir ein, dass in meiner Emendation φέρματι überflüssig 
sei, da &oıxvuova „trächtig‘“ heisse. Das Wort bedeutet seiner Etymo- 
logie nach nur „stark geschwellt‘, da es aber eine vom Dichter vermut- 
lich ausgegangene Neubildung war, also im Menschenverkehr noch nicht 
die Nebenbedeutung ‚„trächtig‘“ oder vielmehr die Verengung seines Be- 
griffes als eine ständige hatte annehmen können, so musste der Dichter 
hier durch den Zusatz φέρματι dem neugeschaffenen Worte seine verengte 
Sphäre anweisen. 

An das so, wie ich hoffe, annehmbar gemachte γέντα schliesst sich 
nun völlig correct βλαβέντα λοισϑίων δρόμων an. Nach Od. I, 195 τόν 
γε ϑεοὶ βλάπτουσι κελεύϑου heisst βλαβῆναί tıvos „um etwas beein- 
trächtigt, verkümmert, betrogen werden.“ Aber „worum“ nun hier? 
Hermann und die meisten seiner Nachfolger verstehen unter λοισϑίων 
δρόμων „die letzten rettendeun Sprünge, die den Hasen in’s bergende 
Dickicht getragen hätten“, und Ahrens sucht diese Deutung dadurch zu 
stützen, dass er den Ausdruck vom Wettrennen entlehnt sein lässt: aber 
wie dunkel hätte dann der Dichter sich ausgedrückt, wie unverzeihlich 
kurz! und es ist ja bei dem Vorzeichen nur von den die Hasenbrut ver- 
zehrenden Adlern die Rede — wie hätte man da wissen können, auf 
welche Weise die Vögel sie ergriffen hätten? Vollends aber wäre diese 
Erwähnung hier, wo so knapp nur das notwendigste mitgeteilt wird, ganz 
müssig: ob die Adler das Tier im freien Felde oder dicht vor dem Ver- 


.Ἄ 


230 COMMENTAR. 


steck erhascht haben, ist für dasaugurium völlig gleichgültig. 
Entschieden ist also jene Erklärung zurückzuweisen: sie war ohnehin 
unpassend, aber namentlich zu dem von uns gefundenen yevr« „dem 
Mutterleib “ stimmt sie durchaus nicht. Das Richtige hat dagegen Enger 
gefühlt, indem er anmerkt: »λοισϑίων δρόμων das Werfen, wie v. 120 
πρὸ λόχου. Dass die Häsin, gerade als sie werfen sollte, von den Adlern 
zerfleischt wird, erregt das Mitleid der Artemis, der Beschützerin des jun- 
gen Wildes, ist also ein ungünstiges Zeichen, daher ailıvov eine.“ Ja, 
das ist der Begriff, der ganz notwendig in den Schriftzägen von λοισϑίων 
δρόμων liegen muss, aber ich möchte dass Enger sich etwas deutlicher 
darüber ausgesprochen hätte, ob er glaube dass λοίσϑιοι dgouoı „die. 
letzten Stadien der Entwicklung im Mutterleibe‘‘ bedeuten könne. Ich 
vermag das nicht zu glauben: wäre dieser singuläre Gebrauch von δρόμοι 
statthaft gewesen, so müssten sich davon anderweitige Beispiele finden 
lassen. Also muss δρόμων eine Corruptel sein, ich vermute dass es Glos- 
sem für πόνων ist. Der Dichter nannte wohl die y&Evra „betrogen um 
die letzten Anstrengungen des Tragens, um die letzte Geburtsarbeit‘‘; da 
jedoch πόνον auch von der Anstrengung des Laufens ‚gebraucht, werden 
kann, wie sehr häufig bei Xenoph., z. B. Cyneg. 9, 6 ἁλώσεται ὑπὸ τῶν 
κυνῶν σὺν πόνῳ διωκόμενος, so mochte ein alter Erklärer demselben 
Irrweg der Interpretation nachgehen, wie Hermann und so viele andere, 
und über πόνων hinschreiben δρόμων, was dann, für eine Verbesserung 
gehalten, in den Text drang. 

In der Gegenstrophe ist nun zunächst ohne Frage zu verbinden 
Argelöog (so nach Blomfield) ἐδῴη λαγοδαίτας „er erkaunte in den 
Hasenverschlingern die Atriden.““ Ahrens wendet zwar ein dass die Ver- 
teidiger dieser Verbindung ‚nichts vorgebracht haben, um diese seltsame 
Ausdrucksweise irgend glaublich zu machen“, aber was in aller Welt 
wäre darin seltsam zu nenuen? Ganz richtig und einfach übersetzt Weil: 
Calchas inlellexit aquilas esse Atridas; noch genauer: „durch die Seher- 
kraft ward ihm offenbart dass die Adler die Atriden seien.“ Gerade 
dieser Gedanke, dass durch die Adler die Atriden bezeichnet werdeu oder 
— nach phantasievollerer Anschauung — dass beide identisch sind, ist 
es ja, den wir nach dem ganzen Zusammenhang hier erwarten. Dass We- 
sen und Symbol so identificiert werden, liegt ja vollkommen begründet in 
der griechischen Anschauung von der magischen Gewalt des Wunderzei- 
chens. So nennt Klytämnestra (um für diese allbekannte Wahrheit nur 
ein Beispiel anzuführen) Ch. 916 den Orestes mit Bezug auf ihr Traum- 
bild „den Drachen“: οὗ ᾽γὼ τεκοῦσα τόνδ᾽ ὄφιν ἐθρεψάμην. Und dass 
in jener Structur der Inf. εἶναι ausgelassen ist, kanı doch nicht „selt- 
sam‘ heissen? — Es wird also wohl sein Bewenden dabei haben müssen, 
dass ᾿Δτρεΐδας Prädikat zu λαγοδαίτας ist, dem Subjekt vorangestellt, 
weil die nun eintretende Deutung des Zeichens eben das neue ist. So 
verstehen auch Schneidewin und Karsten. Dann steht also ἐδών ohne 
Objekt, indem nach höchst gewöhnlicher Weise ein auf das vorhergehende 
zurückweisendes „dies“ zu ergänzen ist. Aber was bedeutet nun δύο 


COMMENTAR. 231 


Anuecı dı6oovg? Lobecks Conj. zu Soph. ΑἹ. 151 δύο λήμασι πιστούς 
nennt Hermann eine elegante: mir scheint sie unbedingt verwerflich, 
nicht nur weil die Verwechslung von δισσούς und πιστούς diplomatisch 
höchst unwahrscheinlich ist, sondern auch weil der poetische Stil zu Ay- 
μασι ein Attribut fordern würde, hauptsächlich aber weil der ganze Ge- 
danke hier, wo nur vou der Identität der Adler und der Atriden die Rede 
ist, nichts zu tun hätte. Dies letzte Bedenken entscheidet auch gegen die 
Veberlieferung, die nur gedeutet werden könnte, wie Abresch und Ahrens 
wollen : „die beiden Atriden mit δύο λήμασι; zweierlei Gesinnungen und 
Motiven“. Damit würde der Dichter einen Gedanken anschlagen, den er 
nachher in Kalchas’ Deutung ganz fallen liesse, der hier also durchaus 
müssig wäre. Das beweist am besten der Umstand, dass Dindorf und 
Weil mit ebenso viel Wahrscheinlichkeit durch Conjectur gerade das Ge- 
genteil jenes Gedankens in den Text gebracht haben: wenn sie schreiben 
δύο λήμασιν ἴσους (oder, wie Ahrens lieber möchte, äolisch ἔσσους), so 
lassen auch sie den Dichter etwas vollkommen entbehrliches und darum 
hier störendes sagen. Kurz, zu δισσοὺς Argeldas μαχίμους verlangen 
wir gar keinen weiteren Zusatz: durch die genannten Worte ist hinläng- 
lich bezeichnet, wen Kalchas in den λαγοδαίταις πομποῖς erkenut, jede 
fernere Hinzufügung würde das, worauf es hier ankommt, den Gedanken 
der Identität von Zeichen und Person, nur trüben. Demnach ist es mir 
unzweifelhaft, dass wir in δύο Anueoı eine starke Corruptel haben, und 
zwar wird δύο, ursprünglich Glosse zu δισσούς, an die Stelle von zwei 
im cod. Alex. unleserlich gewordenen Sylben getreten sein. Der vom 
Dichter dafür geschriebene Ausdruck war von ihm verbunden mit ἰδῶν, 
und die Eudung von λήμασι (Flor. und Fa. λήμμασι) zeigt, dass dies ein 
Dat. Plur. von einem Subst. gewesen ist. Welchen Zusatz können wir 
nun aber zu ἰδών erwarten? Der Seher kanı die Zerfleischung der unter 
Artemis’ Schutz stehenden trächtigen Häsin natürlich nicht ohne ein ge- 
wisses Grauen sehen, und so vermute ich dass Aeschylos neben idov den 
Begriff des homerischen ὑπόδρα ausgedrückt hat. Nun erklärt aber He- 
sych ὑπόδρα durch ὑποβλεψάμενος, und ὑπόδρα ἰδών ‚durch δεινῶς 
ὑποβλεψάμενος ἢ ὑποβλέψας. ähnlich ὑποδρασίη durch ὑποψία. Dar- 
nach wage ich die Vermutung, dass der Dichter geschrieben hat ἰδὼν 
vmoßAtuuaoı „es sehend mit bedenklichen Blicken.“ (In diesem Fall 
würde also wieder Flor. dem richtigen näher kommen als der Med., der 
mit «λήμασι nur eine übergeschriebene Correctur zu geben scheint.) Dass 
in ὑποβλέμμασι die zweite Sylbe trotz ßA kurz ist, kann nicht befremden 
nach Soph. ΕἸ. 440 πασῶν ἔβλαστε und O.R. 717 παιδὸς δὲ βλάστας. 

Im Folgenden gehört nun (nach v.110 πέμπει --- ϑούριος ὄρνις) evi- 
dent zusammen λαγοδαίτας πομπούς „die dem Zuge das Geleit gebenden 
Hasenverschlinger.‘“ Dann trennt ἐδαη klar und deutlich das mit Attribut 
versehene Subjekt von dem entsprechend umfänglichen Prädikat. Aber 
was ist nun 7 ἀρχάς, das in der Ueberlieferung hinter πομπούς steht? 
Richtig kann das nicht sein, wie die verzweifelten Erklärungsversuche der 
früheren Interpreten zur Genüge beweisen. Eine neue Bahn hat Ahrens 


232 COMMENTAR. 


eingeschlagen, indem er liest πομποὺς ταρχᾶς nach Hesychs Glosse τάρχη 
τάραξις. Aber wäre zu πομπούς noch ein Gen. hinzugesetzt, so dürfte 
dieser nur den „Kriegszug gegen Troja“ bezeichnen, dieser Begriff aber 
kann auf keine Weise in τάρχη oder ταρχή liegen. Ahrens deutet zwar 
. seine Conjectur „die Bringer des Unheils‘“, aber damit tut er beiden Wör- 
tern Gewalt aır und verschiebt den ganzen Gedanken, indem er in der 
Nennung des Auguriums die ‚Deutung schon vorwegnimmt. Ich habe ge- 
dacht au Κάλχας für τ᾽ ἀρχάς, aber es wäre kein Grund, den Namen des 
Sehers mit so gewaltigem Nachdruck ans Ende des Satzes zu stellen. Da 
nun aber Flor. u. Fa. τ᾽ ἀρχούς lesen (was mir keineswegs, wie Ahrens, nach 
einer Correctur aussieht), so vermute ich dass hierin ein dem μαχίμους 
entsprechendes Attribut zu λαγοδαίτας steckt, vielleicht σπερχνούς, das, 
wenn durch πομπούς der erste Buchstabe absorbiert war, leicht in τ᾽ 
ἀρχούς corrumpiert werden kounte. „Zregyvög ist nach Hesych ταχὺς 
σπουδαῖος, ἄγαν ἐγκείμενος πρός τι 7 ἐπειγόμενος. Eben dieser Begriff 
zu grosser Hastigkeit passt hier ausgezeichnet, um mit stärkstem ‚Nach- 
druck (am Ende des Satzes und zu Anfang des neuen Verses) das Bedeink- 
liche in dem sonst so günstigen: Omen hervorzuheben und um vorzube- 
reiten, was Kalchas nachher v. 137 von δεξιὰ μέν, κατάμομφα δὲ σύμβολα 
sagt. Indirect wird dadurch die zu grosse Eroberungsgier der Atriden, 
die auch Tempel und Heiligtümer Trojas nicht schonen wird, angedeutet. 
Dem χρόνῳ μέν v. 122 entspricht natürlich nicht das folgende δέ, 
. womit nur die Fortsetzung der günstigen Deutung gegeben wird, sondern 
erst οἷον un τις v. 126. Sogleich aber stossen wir auf eine noch nicht 
geheilte Corruptel. Die Ueberlielerung giebt πάντα δὲ πύργων κτήνη 
πρόσϑε τὰ δημιοπληϑῆ μοῖρ᾽ ἀλαπάξει. Statt der letzten Worte giebt 
Fa. μοῖρα λαπάξει., von Elmsley, Blomfield und Hermann gebilligt, aber 
Ahrens verteidigt mit Recht die epische Form. Für δημιοπληϑῆὴ ist von 
0. Müller ebenfalls die epische Form δημιοπληϑέα vorgeschlagen, sehr 
probabel wegen des Dactylus in der Strophe. Aber πρόσϑε τὰ ist unhalt- 
bar: „die früher dem Volk gehörigen Schätze “ können nicht geplündert 
werden. Ebenso ist verwerflich Pauw’s Con). πρόσϑετα, die Hermann 
aufgenommen hat. Ahrens schreibt πάντα δὲ πύργων κτήνη. πρὸς δὲ 
τὰ δημιοπληϑέα, was heissen soll „alle Schätze der Paläste, dazu die 
dem Volk gehörigen.“ Doch urteilt Weil sehr richtig dass πύργων 
κτή vn fast unverständlich, πρὸς δέ aber prosaisch sei. Ja, noch mehr: 
κτήνη heisst in allen uns bekannten Stellen ‚, Viehheerden “, nimmer also 
könnten damit Kleinodien oder Geldschätze bezeichnet sein, die man in 
Mauern aufspeichert. Aber merkwürdig: Hesych, der κτήνη ganz richtig 
durch βοσκήματα erklärt, deutet κτήνεα χρήματα. Sollte diese wunder- 
bare Glosse nicht gerade unserer Stelle entnommen sein, also von einem 
hohen Alter der irrtümlichen Deutung von κτήνεα zeugen? Denn setzen 
wir diese Form, im Einklang mit δημιοπληϑέα; in unseren Text, so er- 
kennen wir leicht, dass πρόσϑε τὰ nur eine metrische Zustutzung ist für 
τὰ πρόσϑε und dieses hinwiederum Glosse für das als Zeitadverbium auf- 
gefasste πρόσϑε (v. 19 οὐχ ὡς τὰ πρόσϑ᾽ ἄριστα). So wird denn unsere 


»ρ 











COMMENTAR. 233 


Stelle ursprünglich, gelautet haben: πάντα δὲ πύργων πρόσϑεν κτήνεα 
δημιοπληϑέα μοῖρ᾽ ἀλαπάξει d.h. „alle vor den Mauerzinnen weidenden 
der Volksmenge gehörigen Vielıheerden wird ein gerechtes Verhängniss 
mit Gewalt zerstieben machen.“ Dadurch, in Verbindung mit ἀγρεῖ 
Πριάμου πόλιν, wird der Erfolg des Feldzugs, wie mir scheint, drasti- 
scher dargestellt, als wenn es hiesse: „‚die Moira wird die Schätze plün- 
dern.“ Aber die alten Erklärer, in der Ueberzeugung, dass die Plünderung 
der Trojanerschätze prophezeiht sein müsse (was ja schon i in v. 122 lag), 
stellten πρόσϑεν κτήνεα um und dichteten uun dem πύργων κτήνεα die 
von Hesych aufbewahrte Deutung an. Hieraus aber ergaben sich die 
übrigen Corruptelen mit Notwendigkeit. — Zu πύργων πρόσϑεν cf. Sept. 
506 ‚mg009€ πυλᾶν. Hom. Il. 22, 464 πρόσϑεν πόλιος. 12, 145 πυλάων 
00098. 

Die nun folgende dunkle Stelle v. 126 und 127, welche in der Ueber- 
lieferung lautet οἷον un τίς ἅτα ϑεόϑεν πνεφάσῃ προτυπὲν στόμιον μέγα 
Τροίας | στρατωϑέν " οἴκῳ γὰρ ἐπίφϑονος "άρτεμις ἁγνὰ κτλ., gewinnt 
kein Licht durch die verzweifelten Erklärungsversuche des Scholiasten: 
nur insofern sind diese von Wichtigkeit, als sie vielleicht bezeugen dass 
jener fehlerhafte Text bereits im cod. Alex. gestanden hat, also nicht erst 
durch die Unleserlichkeit dieser Handschrift aufgekommen ist. Alle 
Emendationen haben sich also vor durchgreifenden und ‚starken Aende- 
rungen zu hüten, und nur diejenigen werden Anspruch auf Wahrschein- 
lichkeit haben, die einen befriedigenden Sinn herstellen durch Vertau- 
schung einzelner ähnlichen Buchstaben. So ist unbestreitbar richtig 
‘Hermanns Emendation &ya für &ta, höchst wahrscheinlich auch, was 
Ahrens für das durchaus unhaltbare προτυπέν vorgeschlagen hat, πρότυ- 
πον. Dann giebt der erste Vers den befriedigenden und schönen Sinn: 
„einzig und allein ist zu fürchten, dass eine Missbilligung von Seiten der 
Gottheit das (durch das Augurium) vorbildlich dargestellte mächtige Zaum- 
gebiss Trojas trübe, blind mache.“ (Denn nur diese Bedeutung ‚den hel- 
len Glanz nehmen“ kann κνεφόζειν. das sonst nicht vorkommt, hier 
haben, wenn anders der Dichter correct gesprochen hat.) Das durch das 
Adleraugurium vorgebildete ‚Zaumgebiss ist dann natürlich das Atriden- 
paar. Aber nun soll dies στόμεον heissen στρατωϑέν. Was ist das? Her- 
mann erklärt dies sonst nicht existierende Verbum durch ‚‚in castris esse“. 
Dann aber wäre Aeschylos so aus dem Bilde gefallen, dass wir den klaren 
plastischen Dichter, als welchen er sich sonst zeigt, hier nicht wieder er- 
kennen würden. Ahrens dagegen übersetzt frenum ab exercitu injectum, 
aber abgesehen davon, dass durch keine Analogie jene durchaus unglaub- 
liche Bedeutung von στρατοῦσϑαι bewiesen werden kann, so müssten wir 
nach dieser Erklärung unter στόμιον Τροίας die Bezwingung Troja’s, 
nicht die Bezwinger,, die Atriden, verstehen, und diese sind doch allein 
durch die Adler vorbildlich dargestellt. So bleibt wohl keine Möglichkeit, 
στρατωϑέν nicht für corrupt zu halten: welchen Begriff vermissen wir 
aber in dem vom Dichter gebrauchten Bilde? Nur’einen, aber diesen auch 
ganz entschieden. Sollte die Bedeutung, die κνεφασῃ in diesem Zusam- 











234 COMMENTAR. 


menhang haben muss, die des „Blindmachens“, klar hervortreten, so 
musste das στόμιον im Gegensatz dazu als ein „reines, blankes, geputz- 
tes‘ bezeichnet werden. Und so glaube ich dass Aeschylos für στρατω- 
ϑέν geschrieben hat oaow®&£v „ein blank gescheuertes.“ Zwar erklären 
Phrynichus und andere Attieisten, man dürfe für κορεῖν und παρακορεῖν 
nicht σαροῦν sagen, aber ihren engherzigen Verdammungsurteilen gegen- 
über wird das (im N. T. und bei Greg. Naz. öfter vorkommende) Wort 
verteidigt durch folgende Glossen des Hesych: σαρῶ ποσμέζω. σάρον, 
Ἴων ᾿Δργείοις 'ῶὩς παλαιὸν οἰκέας σάρον. σαίρει κοσμεῖ φιλοκαλεῖ καλ- 
λύνει. σαίρειν σαροῦν κοσμεῖν. „Das blank geputzte Zaumgebiss Troja’s“ 
sind also die jetzt in vollem Glanze stralenden Atriden, denen vom φϑό- 
νος ϑεῶν eine Beeinträchtigung ihres Glanzes droht. 

Auf keinen Fall ist ferner im nächsten Satze οἴκῳ richtig. Es soll 
nur gesagt werden dass Artemis den gierigen Adlern zürnt (und wegen 
dieser Bedenklichkeit, die an dem Augurium haftet, den Atriden Unheil 
droht). Unerträglich matt ist Scaligers Conj. οἴκτῳ „aus Mitleid‘; 
sprachlich nicht zu rechtfertigen οἴκοι, weun es nach Ahrens bedeuten 
soll „im eigensten Wesen “, wenn es aber heissen soll „zu Hause, in Ar- 
805“, so ist es in diesem Zusammenhang sinnlos. Enger i im Phil. XVIT, 1, 
p. 120 empfiehlt οὐκὸς γάρ, gleichbedeutend mit eixog yap „denn, wie 
natürlich, zürnt Artemis etc.“, aber wäre jene Form hier auch zu recht- 
fertigen, so wäre der Zusatz „wie natürlich“ doch unerträglich prosaisch 
inmitten der erhabenen Sehersprache. Statt οἴκῳ erwarten wir vielmehr 
ein Verbum mit dem Begriff des Zürnens oder Unwilligseins, und da führt 
die Aehnlichkeit der Buchstaben von selbst auf 09x0@ „blähen, anschwel- 
len.“ Da nun aber Weil, gestützt auf das Scholion zu 140 ὦ "Aoreus, 
mit dem vollsten Rechte, wie wir später sehen werden, die v. 132—143 
zn einer directen Anrede an Artemis umgestaltet hat, so muss -Kalchas 
auch schon v. 127 sich unmittelbar an die Göttin wenden. Die von ihm 
gesprochenen Worte werden nämlich nur durch den Refrain eilıvov, αἴ- 
Aıvov κτλ. unterbrochen, sonst reiht sich der Inhalt der Epode unmittel- 
bar an die Gegenstrophe an: unmöglich aber kann der Seher, von Arte- 
mis’ Groll redend, ohne ein ἀλλά oder dergleichen von der Erzählung 
zum Gebet überspringen. Demnach ist v. 127 zu schreiben ὀγχοῖ γὰρ 
ἐπίφϑονος . "Ἄρτεμις ἁγνά, πτανοῖσιν xrA. „denn du, o reine Artemis, 
wendest dich stolz ab voll heiligen Unwillens wider die Adler.“ Dass ὁγ- 
»ovo®o:, gewöhnlich nur das Schnauben des Stolzes ausdrückend (wie 
mehrfach bei Eurip.), auch den Begriff des Zürnens in sich schliesst, ist 
nicht nur wahrscheinlich wegen der Sinnverwandtschaft mit φυσᾶν und 
ähnlichen Wörtern, die zugleich Zorn und Stolz bezeichnen, und nach 
Hesychs Glosse ὀγκοῦται φυσιοῦται, sondern es wird auch ausdrücklich 
bestätigt durch Thom. p. 904, wo, nach einer Bemerkung im Thesaurus, 
ὀγκοῦσϑαι mit ϑυμοῦσϑαι » confundiert“ sein soll. Zur Corruptel der 
ungewöhnlichen Form ὀγκοῖ in οἴκῳ wird mit beigetragen haben die 
statt des Voc. hier eingetretene Nominativform "Ἄρτεμις, die übrigens bei 
einem Dichter natürlich kein Bedenken hat (cf. Soph. Aj. 368. 525. 529 etc. 











COMMENTAR. 235 


Hermann zu Eur. Andr. p. XV). — Dass nun auch v. 130 statt στυγεῖ δέ 
zu schreiben ist στυγεῖς δέν versteht sich von selbst: die Corruptel er- 
gab sich mit Notwöndigkeit, nachdem ὀγκοῖ in οἴκῳ verlesen war. 

Für die Epode, die, ohne das Correctiv strophischer Respousion 
gelassen, durchGlosseme und falsche Rhythmen sehr corrumpiert worden 
ist, haben wir nichts desto weniger an den beiden vorhergehenden Stro- 
phen ein metrisches Regulativ: es müssen in ihr, wenn nicht gleiche, so 
doch ähnliche Rhythmen herrschen, wie in Strophe und Gegenstrophe, 
ἃ. h. also nur dactylische (nicht logaoedische) Reihen, untermischt mit 
reinen Jamben. Auch von diesem Gesichtspunkt aus empfiehlt sich v. 132 
die von Weil aus dem überlieferten τύσσων περ εὔφρων καλὰ (Flor. Fa. 
τόσον und ἃ καλὰ) hergestellte iambische Tetrapodie τόσον reg εὔφρον 
ὦ καλὰ, welche in rhythmischer Entsprechung die Epode so beginnt, 
wie Str. und Gegenstr. (στυγεῖς δὲ δεῖπνον αἰετῶν) schliessen. Zugleich 
wird so der Hergang der Corruptel deutlich: &, aus ‚Versehen ausgelas- 
sen, ward über εὐφρον geschrieben und brachte so εὔφρων hervor. Na- 
mentlich aber gewinnt der ganze Zusammenhang durch die von Weil so 
glücklich gefundene Wendung Licht und Glanz. Schwerlich hätte der 
Dichter in Erinnerung an die arkadische Καλλίστη die Artemis so einfach 
καλά oder & καλά nennen dürfen: aber wenn sie bereits im vorhergehen- 
den angeredet war, so konnte sie im weiteren Verlauf des Gebetes mit 
schmeichelndem Laut ebenso gut ὦ καλά wie ὦ ayva oder dgl. ange- 
rufen werden. — Im nächsten Verse giebt die Ueberlieferung δρύσοισιν 
ἀέλπτοις μαλερῶν ὄντων. Statt ἀέλπτοις haben Bess. Flor. ἀέπτοις. 
Auch des Med. ἀέλπτοις ist, wie Schneidewin gezeigt hat, offenbar nichts 
anderes als ἀέπτοις, indem ein übergeschriebenes a, das die Variante 
ἀάπτοις bezeichnen sollte, als A in den Text gedrungen ist. So sicher 
nun aber ὄντων durch Stanley nach Etym. M. 377, 37 (ὡς καὶ Αἰσχύλος 
ἐν ᾿Δγαμέμνονι τοὺς σκύμνους τῶν λεόντων δρόσους κέκληκε) in λεόν- 
τῶν verbessert ist oder vielmehr nach Ahrens, des Metrums wegen, in 
das homerische Asıovzwv (wie auch v. 138 im vorletzten Fusse ein Spon- 
deus statt des Dactylus steht), so wenig ist man über ἀέπτοις im Reinen. 
Wenn der Scholiast dies erklärt τοῖς ἕπεσϑαι γονεῦσι un δυναμένοις, 
sv ist das sprachlich allerdings nicht zulässig, aber poetisch hat er mehr 
Takt bewiesen, als Ahreus, der zwar mit Umsicht, Scharfsinn und Ge- 
lehrsamkeit nachweist dass &errros von ἕπω abzuleiten, also identisch ist 
mit ἄσπετος (wie @vextog mit ἀνασχετός), und bedeutet „gross, gewal- 
tig, unnahbar‘“, der aber diesen Sinn hier zulässig findet. Ein Löwen- 
junges ist nicht an und für sich „gewaltig, unnahbar‘“, und wäre es das 
auch, so würde der Dichter das hier nicht hervorheben, da er ja sicht- 
lich betont dass Artemis die schwachen hülflosen Tiere, die sonst der 
Vernichtung zu leicht preisgegeben wären, beschützt. Dindorf (Philol. 
XVII p. 67 und Neue Jahrb. 1863, p. 73) will ἀέπτοις ganz austosssen: es 
sei aus einer Glosse ἀετοῖς 9 meint er, die zu v. 128 gehört habe, aber 
hierher verschlagen sei, entstanden. Aber dagegen spricht entschieden 
der Rhythmus: dg000:0,v müsste dann die bedeutungslose Endsylbe in 


236 COMMENTAR. 


der stärksten Hebung haben, und ausserdem zeigen v. 108, 113 und 138 
dass, wenn diesen dactylischen Rhythmen Iamben voraufgeschickt wer- 
den, es nur eine Dipodie sein kann, nicht ein einzelner Iambus. Ich ver- 
mute dass ἀέπτοις durch Lesefehler aus @d&oxtosg „blind“ hervorgegan- 
gen ist: war das % unleserlich geworden, so machte sich die Corruptel 
sehr leicht. Gerade die Blindheit der neugebornen Löwen bezeichnet 
ebenso wie das zu ὀβρικάλοισι gehörige Epitheton φιελομάστοις die Hülf- 
losigkeit. ‚Soph. 0.C. 1200 hat ἀδέρκτων ὁ ὀμμάτων. Ich lese also den Vers 
δρόσοις ἀδέρκτοις μαλερῶν λειόντων. 

Die folgenden Worte πάντων τ᾽ ἀγρονόμων — ὀβρικάλοισι sind 
unverdorben, aber nun beginnt eine heillose Verwirrung in den Hand- 
schriften. Da heisst es τερπνὰ τούτων αἰτεῖ ξύμβολα πράναι (Flor. 
Fa. κρᾶναι) δεξιὰ μὲν κατάμομφα δὲ φάσματα στρουϑῶν. Am radical- 
sten verfährt damit Dindorf, der von allen j jenen Worten nur übhrig lässt 
τερπνὰ ξύμβολα κράναι, was in der Tat ein herrlicher Abschluss des 
mit so vielem Pomp eingeleiteten Satzes wäre! Nein, so leicht dürfen 
wir uns die Sache nicht machen. Im Fa. ist zu αἰτεῖ hinzugeschrieben 
μὲ und im Med. findet sich das Scholion τὰ σύμβολα αἰτεῖ με φάναι: 
im Einklang damit erklärt Triclinius »o&vaı durch τελέσαι, ἀντὶ τοῦ 
φᾶναι (φάναι!) τελεσϑῆναι. Die guten Leute verstanden offenbar: „die 
Göttin ersucht mich, die Zeichen zu deuten‘, aber weil das von den 
Sehern verkündete auch immer seine Erfüllung finde, so habe der Dichter 
statt „zu deuten‘ gesagt „zu erfüllen“. Das letztere war nun freilich 
etwas zu stark, aber „das Gesuch der Göttin an den Seher“ hat doch 
auch bei Hermann so weit Glauben gefunden, dass er diesem Gedanken 
zuliebe κρᾶναι in xoivar „deuten, auslegen‘ verwandelt, und diese Con- 
jectur hat an Heimsoeth (die indirecte Ueberlieferung des äschyl. Textes 
p. 184) einen Verteidiger gefunden. Der letztere, statt des unerträgli- 
chen στρουϑῶν vielmehr φανῶν schreibend, deutet dann die Stelle so: 
„Artemis fordert mich auf, die fröhlichen Zeichen jener Vögel zu erklären 
für δεξιὰ μὲν, κατώμομφα δὲ φάσματα.“ Aber für die Forderung eines 
Gottes wäre αἰτεῖν sicherlich nicht der rechte Ausdruck, ausserdem hatte 
nicht Artemis, sondern Apollon der Sehergabe des Kalchas zu gebieten, 
ihr selbst aber musste es höchst gleichgültig sein, wie jenes Augurium 
gedeutet würde, wenn sie nur für die ihren Schützlingen widerfahrene 
Unbill Rache erlangte; endlich wie könnten Zeichen, die der Seher „fröh- 
lich“ nennt, in demselben Atem für δεξιὰ μὲν κατάμομφα δὲ φάσματα 
erklärt werden? — Da erriet doch der alte Schütz den Gedankengang 
des Dichters viel besser, indem er αἰτεῖ in αἰτῶ verwandelte (so auch 
Weil), oder Ahrens, indem er τούτων ausstiess und dann schrieb τέρπν᾽ 
αἰτοῦμαι. Aber diese Aenderungen sind zu gewaltsam: viel einfacher 
ist es αἰτεῖ als Glossem auszustossen und κρᾶναι in diesem direct an 
Artemis gerichteten Gebete als für den Imperativ gesetzt zu betrachten. 
So erklärt sich sowohl die Lesart des Med. κράναι (nachdem nämlich der 
Voc. zu Anfang der Epode verloren gegangen war, meinte man statt des 
Inf. χρᾶναι die dritte Person des Opt. nötig zu haben), als auch das Be- 


COMMENTAR. 237 


dürfniss, durch ein an den Rand geschriebenes eirei „Kalchas betet“ 
zu erläutern dass der Inf. in der Bedeutung eines Imper. zu fasgen sei. 
Weiter kann nun τούτων nicht richtig sein, aber ebenso wenig wahr- 
scheinlich ist Ahrens’ Annahme, dass es, entstanden aus dem von Franz 
am Ende des Satzes supponierten φάσματ᾽ ἀητῶν (φάσματα τῶν), an 
dieser entlegenen Stelle unberechtigt in den Text gedrungen sei. Am 
plausibelsten ist noch Weils Conjectur τούτοιν ἃ. h. „den beiden Atri- 
den‘, aber das wäre eine für diesen Stil zu wenig feierliche Bezeichnung 
der Heeresfürsten. Ausserdem fordert das Metrum etwas anderes. Denn 
mit ὀβρικάλοισι, womit die Bezeichnung der Artemis endigt, muss auch 
der Vers schliessen, sodass ϑηρῶν ὀβρικαλοισι(ν) eine dactylische Tri- 
podie bildet wie v. 114 (128). Beginnt aber der neue Vers mit τερπνά, 
so fehlt eine kurze Sylbe, um den Dactylus herzustellen. Daruach ver- 
mute ich dass der Dichter geschrieben hat τερπνά γ᾽ ἀητῶν ξύμβολα 
κρᾶναιν (eine ἀδοίγ!. Tetrapodie wie v. 107) d. h. „erfülle als erfreulich 
die Adlervorzeichen“. Fassen wir so τερπνά als Prädikat zu ξύμβολα, 
so leuchtet ein, wie passend es aus dem Herzenswunsche des Sehers 
heraus vorangestellt und durch γέ hervorgehoben ist; aus γ᾽ ἀητῶν 
konnte aber gar zu leicht τούτων herausgelesen werden. — Jene &uu- 
βυλα werden nun im folgenden V. näher bezeichnet „als zwar zur rech- 
ten Hand erschienen, aber bedenklich “.- Die nächsten Worte sind aber 
wieder schwer verdorben: φάσματα στρουϑῶν kann weder metrisch 
verteidigt werden (ebenso wenig freilich Hermanns φάσματι τῷ στρου- 
90»), noch auch gehören die Sperlinge, die nach Dindorfs hübschem 
Witz aus Il. 1,311 hierher geflogen sind, irgendwie in diesen Zusammen- 
hang, in welchem nur von dem durch die Haseuzerfleischung gestörten 
Adleraugurium gehandelt wird. Klar muss zunächst sein, dass die ξύμ- 
βολα nicht im nächsten V. wieder φάσματα genannt werden können, 
sondern dass Hermann mit richtigem Sprachgefühl und kritischem Takt 
(wenn auch ohne Verständniss des ganzen Zusammenhangs) φασματα in 
φάσματι geändert hat. Dann heisst das Adlervorzeichen „zwar zur Rech- 
ten erschienen, aber bedenklich durch die Erscheinung — wessen?“ 
Natürlich „der Hasenbrut‘“, die von den Adlern zerfleischt ist, denn eben 
in jenem φάσμα lag ja die Störung der ξύμβολα. Also muss Aeschylos 
geschrieben haben δεξιὰ μὲν κατάμομφα δὲ φάσματι νεοσσῶν oder, falls 
die Zweisylbigkeit des Wortes nicht durch τὸν νεοττὸν aus Menand. 
Andr. bei Photius bewiesen sein sollte, voso@v. Denn νεοσσός bezeich- 
net bekanntlich jedes Juuge, und in diesem Zusammenhang, nach der Er- 
zählung von v. 115, deutlich genug die Hasenbrut. Aber da das Wort 
gewöhnlich von kleinen Vögeln gebraucht ward, so konnte ein Erklärer, 
der nicht den ganzen Zusammenhang der Stelle im Auge hatte, leicht an 
1. II, 311 στρουϑοῖο νεοσσοὶ νήπια τέκνα denken und zur Erklärung 
στρουϑοῖο an den Rand schreiben. Daraus ergab sich dann, sobald die 
ersten Buchstaben von νεοσσῶν unleserlich geworden waren, leicht die 
Corruptel στρουϑῶν. — Antiatt. Bekk. p. 109, 22: νοσσὸν χωρὶς τοῦ &, 
Αἰσχύλος Κήρυξιν. 


238 COMMENTAR. 


v. 138 heisst es in der Ueberlieferung iniov δὲ καλέω Παιᾶνα, me- 
trisch unbedingt falsch. Dindorfs gewaltsame Aenderungen aber haben 
nicht die mindeste Wahrscheinlichkeit für sich. Richtig urteilt dagegen 
Weil dass der Vers ein iambisch-dactylischer sein müsse, wie v. 133 und 
ähnliche auch in den Strophen. Er schreibt daher iniov δ᾽ αὖ καλέω II., 
mit leichterer Aenderung Ahrens ἑήϊον δὴ x. TI. Aber noch einfacher 
und angemessener (weil δέ nicht zu entbehren ist) scheint mir /niov δ᾽ 
ἐκκαλέω II. „ich rufe den Päan auf“. — Wunderlich ist übrigens Her- 
mannsBemerkung: „Non Apollinem ad avertendam Dianae iram invocat 
Calchas, sed Paeanem, qui, quisquis est, non est frater Dianae“. Wer 
sollte denn dieser Päan anders sein als Apollon? Und wen sollte der 
Seher lieber aufrufen, als seinen rsu«opog, um durch den Einfluss sei- 
nes milden Lichtes das drohende dunkle Unheil zu beschwören ? 

Unzweifelhaft richtig hat nun im Folgenden Weil das überlieferte 
τεύξῃ nach dem Scholion ὦ "Aoreuı in die zweite Person verwandelt: 
das 6 von reväng konnte vor σπευδομένα sehr leicht verloren gehen. 
Aber nun haben wir nach Hermanns Versabteilung von μή τένας — ἄδαι- 
τον zwei dactylische Heptapodien, metrische Reihen, die einzeln wohl 
bei Aeschylos vorkommen, wie Pers. 862, 864, 884, aber nie zweimal 
hinter einander. Dazu kommt, dass nicht nur die Häufung der drei At- 
tribute evrımvoovg, χρονίας und ἐχενῇδας zu ἁπλοίας widerwärtig und 
lästig ist, sondern auch die Verbindung von ἀντιπνόους und ἀπλοίας, 
wie Dindorf richtig geurteilt hat, widersinnig: denn wie kühn auch im- 
mer Aeschylos im Gebrauch der Adjektive ist, so konnte er doch nie 
„das Stilleliegen der Schiffe “ ein „entgegenwehendes‘‘ nennen. Bindorf 
schreibt daher &yevnidag αὔρας» aber viel wahrscheinlicher ist es, dass 
ἁπλοίας, ein sehr gewöhnliches Wort, als Glossem, das bloss zur Erklä- 
rung von ἐχενηΐδας gedient hat, ganz auszuscheiden ist. Dann vertritt in 
schöner poetischer Sprache ἐχενῆδας die Stelle eines Subst., und diese 
besonderen Schiffshalter (sonst heissen auch Anker so) werden durch 
ἀντιπνόους nun unzweideutig als widrige Winde bezeichnet. Nur dann 
hat auch τινάς seine volle Bedeutung, indem es auf die Besonderheit die- 
ser Schiffshalter hinweist, dagegen würde es zu dem nüchternen und kla- 
ren ἁπλοέας oder χὰ Dindorfs αὔρας gar nicht passen. So gewinnen wir 
in einer dactylischen Hexapodie, der eine eben solche Heptapodie folgt, 
den schönen in echt äschylischem Stil gehaltenen Gedanken μή tıvag 
ἀντιπνόους Aavaois χρονίας ἐχενῇδας || τεύξῃς σπευδομένα ϑυσίαν 
ἑτέραν ἄνομόν τιν᾽, ἄδαιτον κτλ. 

In dem nun folgenden νεικέων τέκτονα σύμφυτον οὐ δεισήνορα 
haben Lachmann und Hermann vollkommen richtig gefühlt, dass zur Aus- 
füllung der dactylischen Hexapodie am Ende des Satzes ein Trochäus 
oder Spondeus fehle (denn μέμνει muss natürlich nachdrucksvoll den 
nächsten Vers beginnen). Aber während jener μῆτιν, dieser φωτός, 
andere andere müssige Zusätze ausdachten, fühlte wunderbarer Weise 
Niemand, welcher Begriff in dem ganzen Gedankengefüge notwendig 
sei. Man fasste nämlich νεικέων τέκτονα σύμφυτον als Apposition zu 








COMMENTAR. 239 


ϑυσίαν ἑτέραν, als ob ein so correcter Dichter wie Aeschylos eine Hand- 
lung wie das Opfern oder ein Ding wie das Opfer so energisch darstellen 
könnte als „einen Werkmeister des Haders‘“, und als ob erst von Iphige- 
nias Opferung die Reihe der ve/sn im Atridenhause datierte. Ausserdem 
deutete man σύμφυτον in höchst unklarer Weise, als ob νεικέων συμ- 
φύτων dastände. Unverkennbar bezeichnet Aeschylos mit νεικέων τέ- 
xTova σύμφυτον den Alastor, der seit dem Kindermahl des Thyestes mit 
dem Hause verwachsen ist und den keiner so leicht aus dem Geschlechte 
bannt (v. 1532 τίς av yovav ἀραῖον ἐκβάλοι δόμων ; κεκόλληται γένους 
πρὸς ἄψη). Diesen Rachgeist aber, ein dämonisches, aber durchaus per- 
"sönliches Wesen (vgl. zur Einleitung Anmerkung 3), kann er unmög- 
lich mit der ϑυσία ἑτέρα identificieren: er muss vielmehr gesagt haben 
σπευδομένα ϑυσίαν — νεικέων τέκτονα σύμφυτον οὐ δεισήνορα δαῖ- 
set „dich beeifernd, dass ein zweites Opfer (Iphigenias) den mit dem 
Hause verwachsenen Alastor zu einem auch vor Männern nicht zurück- 
bebenden auffüttere“. Vgl. Eum. 302 καὶ ζῶν με δαίσεις, οὐδὲ πρὸς 
βωμῷ σφαγείς. So gewinnt erst das auch noch von Ahrens angefoch- 
tene οὐ δεισήνορα sein volles Licht: in rätselhafter Form wird schon 
hier angedeutet, was am Ende des Stückes (v. 1465) klar ausgesprochen 
wird, dass Agamemnon dem Alastor zum Opfer fällt. Σπεύδειν mit Acc. 
u. Inf. ist auch in Prosa nicht selten: natürlich kann das Medium, das 
hier die Genugtuung für Artemis ausdrücken soll, dieselbe Structur an- 
nehmen. Vielleicht findet sich σπεύδεσθαι mit Acc. u. Inf. Eum. 355, 
wo Hermann die handschriftliche Ueberlieferung sehr unglücklich behan- 
delt hat. 

Die folgenden Worte παλίνορτος οἰκονόμος δολέα gehen nun hand- 
-greiflich auf Aegisthos, deun in ihm als in zweiter Generation ist die 
μῆνις vexvoroıvog, der Alastor vom Mahl des Thyestes, jetzt verkör- 
pert; daher wiuveı „noch lebt als listiger Haushüter jener Alastor‘“. 


Vollstimmiger Chorgesang v. 149— 242. 


Erstes Strophenpaar. — Die Schlussyerse der ersten Strophe, 
welche nach der Ueberlieferung lauten οὐκ ἔχω προσειοιάσαι , gave 
ἐπισταϑμώμενος, | πλὴν Διός, εἰ τόδε μάταν ἀπὸ φροντέδος ἄχϑος | 
χρὴ βαλεῖν ἐτητύμως, sind bisher noch durchaus nicht genügend ge- 
heilt und erklärt. Den Rhythmus von v. 154 sucht man fast allgemein 
durch Pauws Conjectur, wornach & ro μάταν für εἰ τόδε μάταν zu 
schreiben wäre (die auch von Porson und Hermann gebilligt ist), herzu- 
stellen, während Schütz vorschlug & τόδ᾽ ἐμᾶς ἀπὸ φροντίδος κτλ. 
Aber beide Conjecturen machen weder die Entstehung der vulg. erklär- 
lich, noch genügen sie irgendwie dem Zusammenhange. Früher nämlich 
fasste man gewöhnlich mg008:x00cı in dem Sinne, der einzig verbürgt 
ist, auf, als » vergleichen “, aber indem man, verband οὐκ ἔχω προσει- 
κάσαι --- πλὴν Διός, war es notwendig αὐτῷ zu ergänzen, und mit 
Hülfe dieser (unmöglichen) Ellipse gewann man den für des Diehters 
Einfachheit sicherlich viel zu spitzfindigen Gedanken „mit Zeus kann ich 


2409 COMMENTAR. 


uichts ausser dem Zeus vergleichen“. Da hier 'nun ausserdem οὐκ als 
gleichbedeutend mit οὐδέν statuiert werden musste, so hat man in neue- 
rer Zeit diese Erklärung mit Recht aufgegeben, und Schneidewin und 
Ahrens fassen προσεικάσαε in dem Sinne des einfachen εὐκασαι: zwar 
sei diese Bedeutung „conjectando, cogitando assequi‘“ von dem Compo- 
situm nicht bestimmt nachgewiesen, aber durch die Analogie des ein- 
fachen εἰκαξζω genügend gerechtfertigt. So kommen sie zu dem Gedanken 
„ich vermag ausser Zeus Niemanden aufzufinden (der entscheide) ob ich 
meine Sorge verbannen darf“, aber hier fehlt gerade der von Schneidewin 
ergänzte Relativsatz „der entscheide‘ im Text, und ohne jenen köunte 
duch weder οὐκ für οὐδένα stehen noch in prägnanter Fügung die in- 
directe Frage an den Satz „ich kann Niemanden auffinden‘“ sich au- 
schliessen. Wollte aber Ahrens vielleicht erklären ‚ohne Zeus’ Beistand 
kann ich nicht ausfindig macheu, ob ich meine Sorge hinwerfen darf“, 
so wäre zu erwidern dass in diesem Sinne nie und nimmer πλήν statt 
χωρίς stellen könnte. — Noch mehr häufen sich die Schwierigkeiten bei 
der Erklärung des indirecten Fragesatzes εἰ τὸ μάταν ἀπὸ φροντίδος 
ἄχϑος χρὴ βαλεῖν ἐτητύμως. Hier sollte nach früherer Auffassung ἀπό 
mit βαλεῖν zusammengehören, also eine Tmesis so eintreten, dass die 
Präposition sich zwischen die Bestandteile des Objects drängte; τὸ μάταν 
— ἄχϑος sollte soviel sein als τὸ μάταιον ἄχϑος. und die den Chor 
quälende Sorge, von der er nicht weiss, ob er sie hinwerfen darf, sollte 
(durch eine wunderliche Art von Prolepsis) „die eitle, nichtige Last‘ ge- 
nannt werden. Im’Vergleich mit dieser Erklärung, die dem Dichter gram- 
matische und stilistische Fehler aufbürdet, verdient allerdings die neuere, 
von Wunder und Ahrens aufgestellte, unbedingt den Vorzug. Mit Auf- 
nahme von Blomfields Conj. τὸ ματῶν verbinden sie naturgemäss ἀπὸ 

φροντέδος und interpretieren: „ob ich die Last meiner aus der Sorge 
stammenden Zweifel hinwerfen darf“. Aber auch hiernach hätte der 
Dichter sich incorrect ausgedrückt; gewiss sind μάται errores im eigent- 
lichen und im moralischen Sinne, und gewiss können solche μάται aus 
der Sorge stammen, denn Bangigkeit erzeugt „Irrgänge des Geistes“, 
aber ein plastischer correcter Dichter dürfte eben diese „Irrgänge‘“ nie 
eine „‚Last‘‘ nennen, da sie doch zu den Imponderabilien gehören. 

So liegt denn die Erklärung der Einzelheiten dieser Stelle, deren 
Sinn im Grossen und Ganzen ein Kind herausfühlt, noch sehr im Argen 
— um so verwunderlicher, als die Rhythmen unzweifelhaft festgestellt 
sind und in dem überlieferten εἰ τόδε μάταν ein sicheres Kriterium der 
Textzerrüttung sich findet. Sehen wir nun aber ab von den μάταις der 
bisherigen Interpretation und prüfen wir, ohne Rücksicht auf die her- 
kömmliche Interpuuktion, die überlieferten Worte, so muss zunächst 
entschieden anerkannt werden: dass προσεικάσαι, hier nur das heissen 
kann, was es sonst immer heisst, „vergleichen“: bei einem so bekannten 
Worte hätte Aeschylos sich nie erlauben dürfen so die Bedeutung zu 
neuern, dass er προσεεκάσαι im Sinne von εἰκάσαι sagte (das sähe ja 
aus, als ob er das προσ- nur des Metrums wegen hinzugesetzt hätte). 


COMMENTAR. 241 


Aber auch das von den Neueren nicht genug beachtete πάντ᾽ ἐπισταϑμώ- 
μενος „indem ich alles an der Richtschnur prüfe“ zeigt unwidersprech- 
lich, dass hier von einer Vergleichung mehrerer Grössen die Rede 
ist, während jener bildliche Ausdruck zu dem Begriffe „conjectando as- 
sequi‘“ gar nicht passen würde. Steht das aber fest, dass 70008110001 
hier wie immer „ vergleichen “ heisst, so folgt mit Notwendigkeit, dass 
nach ἐπισταϑμώμενος ein Punkt gesetzt werden muss. Denn zögen wir, 
wie bisher geschehen ist, πλὴν Διός mit zum Vorher gehenden, so müss- 
ten wir die Ellipse von αὐτῷ statuieren, müssten οὐκ für οὐδέν oder 
οὐδένα gesetzt glauben, und kämen schliesslich zu dem schwerlich 
äschylischen Gedanken „ich kann mit Zeus nichts ausser Zeus verglei- 
chen‘. Interpungieren wir dagegen nach ἐπισταϑμώμενος. so haben 
wir den untadelig ausgedrückten Gedanken ‚ich kann keine Vergleichung 
anstellen, wenn ich auch alles aufs genaueste prüfe“, Denn das steht 
natürlich dem dichterischen Stil frei, προσεικαάσαι wie jedes andere Verb. 
trans. so gleichsam zu sättigen und mit Inhalt zu erfüllen, dass es keines 
Objektes bedarf. Eine glänzende Bestätigung aber für die von mir als 
notwendig anerkaunte Interpunktion bietet die Gegenstrophe, die an der- 
selben Stelle nach τυχών einen neuen Satz beginnt: da beide Strophen 
nämlich im übrigen den streugsten Parallelismus darbieten (wie z. B. 
ὅστις in beiden an gleicher Stelle stehend, ebenso πλὴν Ζιός und Ζῆνα 
δέ, entsprechende Reime in den zwei ersten Versen, congruente Inter- 
punktion nach dem zweiten Verse), so ist kaum zu zweifeln dass nach 
der Intention des Dichters vor πλὴν Aıoc dieselbe Pause eintreten sollte, 
wie vor Ζῆνα δέ. — Verbinden wir nun aber ungetrübten Blickes πλὴν 
Aıos mit dem Folgenden, so drängt durch alle Corruptelen sich klar der 
schöne Gedanke hindurch: „ausser Zeus ist alles eitel, sobald es in Wahr- 
heit gilt, die Last der Sorge hinzuwerfen“. Sicherlich gehört demnach 
uorav mit πλὴν Διός zusammen, slörend aber steht dazwischen das 
schon durch das Metrum als corrupt indicierte εἰ τόδε, während der Be- 
griff „alles“ oder „das übrige“ dazwischen fehlt. Hier aber giebt das 
nicht im Med. enthaltene Scholion ein helles Licht: ἐγώ, φησί, 
πάντα ἐρευνῶν καὶ πάντα ἐξετάξων ὡς ἐν σταϑμῷ τινί, οὐκ ἔχω 
ὅμοιόν τι εὑρεῖν τῷ Διΐ, εἰ χρὴ ἀληϑῶς ἀποβαλεῖν ἀπὸ τῆς φροντί- 
δος καὶ τοῦ λογισμοῦ μάταιον ἄλλο aydog (das übrige, vielleicht ein 
späterer Zusatz, gehört nicht hierher). Also dieses Scholion (das, bei- 
läufig, vom Verständniss des Dichters lauge nicht so weit abirrt, wie das 
andere im Med. enthaltene mit seinem Ζέα νομιξέτω) spricht von einem 
μάταιον ἄλλο ἄχϑος, wovon sich in unserem Text nichts findet, das 
aber unmöglich zur Erklärung ersonnen sein kanı. Ist es darmach 
nicht im höchsten Grade wahrscheinlich, ja fast gewiss, dass der Dichter 
geschrieben hat πλὴν Διὸς ἄλλο μάταν ὅτε φροντίδος ἄχϑος | χρὴ βα- 
λεῖν ἐτητύμως Ὁ Die Aenderung sieht auf den ersten Anblick zwar etwas 
gewaltsam aus, aber abgesehen davon dass sie durch deu Zusammenhang 
geboten ist, scheint sie mit Berücksichtigung des vom Scholion erhalte- 
nen ἄλλο auch ganz äusserlich viel besser begründet, als die bodenlosen 


AESCHYL. AGAMEMNON. 16 


242 COMMENTAR. 


Conjecturen von Pauw und Schütz. Denn aus der von mir dem Dichter 
zugeschriebenen Fassung der Stelle erklären sich in der Tat alle Cor- 
ruptelen sehr leicht. Weun zunächst über @govridog ein ἀπὸ geschrie- 
ben war, weil man meinte, das einfache βαλεῖν könne nicht „hinwerfen“ 


bedeuten, sodann über ὅτε ein erklärendes ei, woraus ein späterer Ab- 


schreiber leicht εἰ τόδε las, so mochte im cod. Byz. die Stelle diese Ge- 
stalt angenommen haben πλὴν Διὸς ἄλλο μάταν εἰ τόδε ἀπὸ φροντίδος 
ἄχϑος χρὴ βαλεῖν ἐτητύμως. und zu dieser Fassung gab jenes Scholion 
die notdürftige Erklärung. Ein Byzantinischer Metriker aber, denselben 
Irrweg der Interpretation gehend, wie die neueren Ausleger, verband πλὴν 
- Διός mit dem vorhergehenden, und da nun ἄλλο ganz sinnlos schien, so 
suchte er durch Tilgung dieses Wortes und durch Versetzung von & τόδε 
die Rhythmen einigermassen in Einklaug mit denen der Gegeustr. zu brin- 
gen. — Was nun aber meine Conj. betrifft, so giebt sie den schönen Ge- 
danken „neben Zeus ist alles eitel, wenn es in Wahrheit gilt die Last der 
Sorge hinzuwerfen‘“‘ in untadeliger Form. Das Asyndeton zunächst ist hier 
sehr passend, da der Satz „neben Zeus ist alles eitel‘“ die Erklärung zu 
dem vorhergehenden „hier ist keine Vergleichung möglich‘ enthält. Dass 
aber ἄλλο „das übrige“ heissen und μάτην mit zu ergänzendem verb. 
subst. für μάταιον stehen kann, bedarf keines Beweises. Die Verbindung 
sodann von πλὴν Διὸς ἄλλο würde schon nach Analogie von ἄλλος ἀντ᾽ 
ἐμοῦ (Aesch. Prom. 468) oder von ἄλλα παρὰ ταῦτα (Arist. Nub. 698) un- 
bedenklich. sein, doch findet sich auch Plat. Crat. 438, ἢ ἀλλ᾽ ἄττα ξητη- 
tea πλὴν ὀνομάτων. Ferner steht φροντίς hier jetzt ganz in dem Sinne, 
den es nach v. 103 haben muss. Endlich aber ist nicht zu bezweifeln, dass 
Wunder und Ahrens dem einfachen βαλεῖν richtig die Bedeutung von ἀπο- 
βαλεῖν zugewiesen haben: nicht ‚aur heisst es bei Eust. aus einem Komi- 
ker γνῶμα γοῦν βέβληκεν. ὡς οὐσ᾽ ἑπτέτις und bei Hesych. 8. v. Γνώμα. 
τὸν βαλλόμενον ὀδόντα δι᾿ οὗ τὰς ἡλικίας ἐγνώριξον τῶν τετραπόδων, 
sondern auch unser Dichter hat Ag. 974 βαλών für ἀποβαλών gesagt. 

In der Gegenstrophe handelt es sich, bevor wir an den sehr cor- 
rumpierten V. 158 gehen, vor allem darum, ob wir unter den gestürzten 
Mächtigen, von denen dort gesprochen wird, mit dem Scholiasten die Ti- 
tauen und Typhon, oder, mit fast allen neueren Erklärern, Uranos und 
Kronos zu verstehen haben. Für diese zweite Erkläruug beruft man sich 
auf Prom. 960 οὐκ ἐκ τῶνδ᾽ ἐγὼ δισσοὺς τυράννους ἐκπεσόντας N000- 
μὴν; aber man vergisst dabei, wie mir scheint, dass jene Worte vom 
trotzigen uugebeugten Prometheus, dem Widersacher des Zeus, und zwar 
in einer Periode des noch nicht sittlich geordneten Kosmos gesprochen 
werden, dass aber der fromme Aeschylos ebenso wie Pindar es sonst 
meidet, von dem der Vorzeit augehörigen Hader der Götter zu reden. Und 
nun sollte gar hier, wo der Chor die erhabenen Gedanken vom Vertrauen 
auf Zeus’ weise Fügung vorträgt, gerade das Ereiguiss berührt werden, 
von welchem her dem Zeus ein gewisser Makel anhaftete, die Enttronuug 
. des Kronos? Kaum denkbar. Aber auch die Worte des Dichters zeigen 
unverkennbar dass der Scholiast richtig gesehen hat. Denn wie will man 





COMMENTAR. 243 


.doch ὅστις auf den Uranos deuten? Gerade dies Wort zeigt mit Bestimmt- 
heit eine Mehrheit von Gegnern des Zeus an. Wie könnte ferner Uranos, 
weil er seine Kinder verschlang , παμμάχῳ ϑράσει βρύων heissen? dies 
Wort charakterisiert im Gegenteil sehr deutlich die nur auf ihre rohe 
Gewalt pochenden Titanen (Prom. 208 αἱμύλας δὲ μηχανὰς ἀτιμάσαντες 
καρτεροῖς φρονήμασιν ᾧοντ᾽ ἀμοχϑὲ πρὸς βίαν τε δεσπόσειν). Endlich 
aber πάροιϑεν und ἔπειτα erhalten ihre klare Beziehung nur durch den 
Regierungsantritt des Zeus: vor diesem aber waren die Titanen die Ge- 
waltigen, nach demselben der Empörer Typhon. | 
Wenn 65 also so gut wie gewiss ist, dass Aeschylos unter den be- 
siegten Gegnern des Zeus die Titanen und Typhon versteht, so fällt die 
mit so grossem Beifall von Dindorf, Enger, Schneidewin, Weil aufgenom- 
mene Gonjectur von Ahrens οὐδὲ λέξεται πρὶν ὧν für das überlieferte 
οὐδὲν λέξαι πρὲν ὧν in sich zusammen. Selbst ‚wenn Uranos v. 156 u. 
157 gemeint wäre, könnte ich οὐδὲ λέξεται πρὶν ὧν „er wird als ein ab- 
getauer nicht einmal mehr gezählt werden‘ nicht für richtig halten; 
denn πρὶν ὧν für „ein gewesener“ ist ungriechisch, und die ganze hy- 
perbolische Ausdrucksweise wäre eine schlechte Vorbereitung auf das 
nachfolgende viel schwächere τριακτῆρος οἴχεται τυχών. Von den Tita- 
nen aber vollends kann nicht zur Verherrlichung des Zeus gesagt werden 
„als abgetan werden sie nicht mehr in Betracht kommen“, da sie ja, wie 
aus dem Gelöst. Prom. und den Eum. hervorgeht, nach Aeschylos’ Glau- 
ben mit Zeus versöhut sind und auf den Inseln der Seligen wohnen. 
Vielmehr kann aus ihrer Erwähnung eine Verherrlichung der unvergleich- 
licheu Allgewalt des Zeus nur dann hervorgehen, wenn sie als solche 
genannt werden, die sich jetzt willig seiner Herrschaft unterwerfen. 
So vermute ich dass der Dichter geschrieben hat οὐδὲν ἀσχαλᾷ πιτνών 
„er grollt nicht über seinen Sturz“. Das ist der einzig hier passende 
Gedanke im Gegensatz zu Typhou, der uoch immer mit Gewalt gebändigt 
werden muss, weil er nicht aufhört ἐξαναξέων χόλον (Prom. 372). Nach 
den Zügen der Buchstaben aber konnte οὐδὲν λέξαι viel eher aus OY- 
ΔΕΝΑΟΧΑΛΑΙ als aus OYAENEXCETAI entstehen: πιτνῶν dagegen 
konnte sehr leicht unter dem Einfluss einer zu πάροιϑεν gehörigen, 
aber verschobenen Glosse πρίν in πρὶν ὧν corrumpiert werden. 
Zweites Strophenpaar. — V.164 ist die von Schütz vor- 
geschlagene Aenderung des überlieferten τῷ πάϑει μάϑος in τὸν πάϑει 
μᾶάϑος wohl notwendig. Denn das Sprüchwort hat natürlich in der ihm 
gebührenden prägnanten Fassung nicht τῷ πάϑει μάϑος, sondern πάϑει 
μάϑος gelautet. Allerdings ist nun, wie Hermann richtig bemerkt, das 
Part. ϑέντα logisch dem ὁδώσαντα untergeordnet, und wir sähen es 
darum nicht ungern, wenn ϑέντα ohne Artikel stände: aber der lebhaf- 
teren Dichtersprache steht es auch wohl zu, das logisch untergeordnete 
Glied dem übergeordneten äusserlich gleichzustellen, und namentlich 
hier, wo der erste Halbchor, an den Gesang des zweiten lebhaft an- 
knüpfend, mit starker Betonung das Wesen des leitenden Weltherrschers 
hervorhebt, macht das anaphorische τόν einen mächtigen Eindruck. 


16 * 


244 COMMENTAR. 


In v. 166 aber steckt noch ein sehr schlimmer Fehler. Wenn die 
Handschr. geben στάξει δ᾽ ἕν ϑ᾽ ὕπνῳ πρὸ καρδίας μνησιπήμων πόνος 
καὶ παρ᾽ ἄκοντας ηλϑὲε σωφρονεῖν; so sucht Hermann diese Ueber- 
lieferung zu erklären, indem er zu στάξει als Object σωφρονεῖν, das 
Subject des zweiten Satzes, verstanden haben will. „ Τάδε μὲν στέρ- 
γοιμι ἂν δυστλητά περ ὄντα “5 aber die Schwierigkeit, dass „ins Herz 
träufeln“ ausgedrückt sein könnte durch στάζει πρὸ καρδίας und dass 
τέ in dieser Stellung ganz sinnlos wäre, übergeht er mit Stillschweigen. 
Sehr anmutend ist daher Emperius’ Aenderung στάξει δ᾽ ἀνθ᾽ ὕπνου, 
die von Bamberger, Schömaun, Enger und Ahrens gebilligt ist: auch ich 
würde ihr unbedingt beistimmen, wenn nur zugleich das intransitive 
στάξει, das weder zu dem Subject πόνος noch zu πρὸ καρδίας irgend- 
wie passt, beseitigt wäre. Richtig haben dagegen Hartung und Karsten 
gesehen dass durch πρὸ καρδίας deutlich der Sitz des μνησιπήμων 
πόνος; des an den Schaden zurückdenkenden Kummers, bezeichnet ist: 
jener vermutet daher ἕστακεν δ᾽ ὕπνῳ; und ich selber glaubte früher 
dass zu lesen sei μαστάξει δ᾽ ὕπνῳ πρὸ καρδίας nach Hesychs Glosse 
μαστάξει uaodıeı, also: „im Schlafe nagt der vor dem Herzen sitzende 
Kummer“. Allein gegen alle diese Conjecturen spricht die Erwägung, 
dass der Dichter nicht einfach den Schlaf als die Zeit, wo der Kummer 
sich geltend mache, genannt haben würde, der Schlaf ist ja grade sonst 
die Beschwichtigung des Kummers. Statt ὕπνῳ ‚hätten wir dann er- 
wartet χαὶ ἐν ὀνείροις. jedenfalls wäre aber zu ὑπνῷ oder ἐν ὕπνῳ 
der Zusatz καί notwendig gewesen. — Wie nun aber "die Worte daste- 
hen, ist es vielmehr klar, dass der Dichter sagen will: „der vor dem 
Herzen lagernde Kummer wehrt dem Schlaf den Eingang 
ins Herz und lässt dies nicht zur Ruhe kommen “ und so vermute ich 
dass Aeschylos geschrieben hat ἀντάδει δ᾽ ὕπνῳ πρὸ καρδίας μνησ. 
πόνος „der vor dem Herzen lagernde Kummer wirkt dem Schlaf ent- 
gegen“. Vgl. Ch. 1021 πρὸς δὲ καρδίᾳ φόβος ἄδειν ἕτοιμος. In ἀντά- 
δεῖν ist aber natürlich wie in ἐπῴδειν der Begriif des „Wirkens durch 
Zauberformeln “ mächtig , gerade ‘wie in dem unserer Stelle sehr ähn- 
lichen v. 17 ὕπνου τόδ᾽ ἀντίμολπον ἐκτέμνων ἄκος. Da nun auch 
Hesych die Glosse hat ἀντάδεται ἐναντιοῦται (wofür vermutlich zu 
lesen avradsı ἐναντιοῦται. indem die mediale Form des erklärenden 
Wortes das erste corrumpiert hat), so glaube ich dass meiue dem Zu- 
sammenhang einzig genügende Conjectur, wenn sie auch von der Ueber- 
lieferung ziemlich stark abweicht, probabel erscheinen wird. Die Cor- 
ruptel wäre dann vielleicht zu erklären durch ein über ANTAI4EI 
geschriebenes € (ἀνταείδει); das von Späteren fälschlich für 6 augesehen 
wäre: hatte sich so στάξει geltend gemacht, so mochte ein Metriker zur 
Ausfüllung der fehlenden Sylbe vor ὕπνῳ sein ἔν 9° einschieben. 

Auch den Schluss der Strophe, wo überliefert ist δαιμόνων δέ που 
χάρις βιαίως σέλμα σεμνὸν ἡμένων,, kann ich auf keine Weise für rich- 
tig halten. Hermann hat die Schäden hier nur verschlimnert, iudem er 
der Gegenstrophe wegen βεαέως in βίαια ändert und so die Strophe mit 





COMMENTAR. 245 


einer iambischen Pentapodie schliesst, also den Rhythmus verdirbt; denn 
nachdem Rossbach und Westphal die Worte δαιμόνων δέ που — 
ἡμένων in einen Vers zusammengezogen haben, der aus den Reihen 
-v-v-uv-0-- und-o-.u_.0._ bestehe, muss es Jedem, dessen Ohr 
an äschylische Metra gewöhnt ist, klar sein, dass diese trochäischen Stro- 
phen, ebenso wie Str. u. Gegenstr. 1, nur in einer katalektischen troch. 
Tetrapodie ihren richtigen Abschluss finden. Gerade βιαέως ist also 
richtig und wird durch den Rhythmus vielmehr zum Vorhergehenden, 
als zum Nachfolgenden gezogen. Dagegen sind die Worte δέ που χάρις 
weder von Hermann noch von Jemandem sonst befriedigend erklärt. Da 
der Chor zu Anfang der Strophe mit solchem Nachdruck die weise Lei- 
tung des Zeus gefeiert hat, kann er nach Angabe der Mittel, wodurch 
Zeus leite, unmöglich mit dem zweifelnden, unsicheren „das ist doch 
wohl eine Gunst der Götter‘ abschliessen, wir verlangen hier vielmehr 
den Ton der vulisten Glaubenszuversicht. Und wie schlecht stimmt das 
matte χάρις zu den „gewaltig auf hehrer Ruderbank tronenden Göt- 
tern!“ wozu dieser pomphafte Apparat zur Bezeichnung der Götter, 
wenn der Dichter , ohne weitere Rücksicht auf das schöne Bild, ihnen 
bloss eine χάρις beilegen wollte? Dazu kommt mir noch das Bedenken, 
dass Aeschylos schwerlich ἡμένων ohne weiteres mit einem Objekt ver- 
bunden haben würde. Freilich sagt er Prom. 391 ϑακοῦντι παγκρατεῖς 
ἕδρας. aber hier ist ἕδρα nicht coneret „der Sitz“, auf welchen man 
sich niederlässt, sondern abstrakt „die Sitzung“, und ἕδρας ist also in 
ganz correcter Fügung der gewöhnliche Acc. des Inhalts, der zu jedem 
intransitiven Verbum hinzutreten kann. Aber von dem bei Sophokles 
schon aufkommenden, bei Euripides ziemlich häufigen Gebrauch, den 
Lobeck zu Soph. ΑἹ. 248 bespricht, wornach die Wörter des Sitzens 
nicht bloss mit einem sinnverwandten Acc. des Inhalts, sondern mit 
einem wirklichen äusseren Objekt verbunden werden können, finde ich 
bei Aeschylos, abgesehen von unserer verdorbenen Stelle, keine Spur 
ausser Ag. 801, wo indessen Hermann καρδίαν προσήμενος wohl richtig 
geändert hat in καρδίᾳ προφήμενος. Und da speciell ἥμαι selbst bei 
Euripides sich nicht mit einem äusseren Objekt findet (denn Rhes. 547 in 
Σιμόεντος ἡμένα κοίτας ist κοίτας abstrakt „die nächtliche Lagerung “, 
wie es 740 heisst κοῖτον laveı), so zweifle ich mit gutem Grunde, ob 
Aeschylos die auf einem nicht ganz sicheren Sprachgefühl beruhende 
Verbindung σέλμα nutvov zugelassen hätte. Vielmehr wird σέλμα Nom. 
‚und Subjekt des ganzen Satzes sein, δαιμόνων aber nur mit σεμνὸν ἡμέ- 
νῶν zusammengehören, zu σέλμα also ist ein dem Bilde entsprechendes 
Verbum zu suchen, das den Gedanken enthält „die Herrschaft der Götter 
lenkt mit Gewalt zur Besonnenheit“. Dies Verbum muss in dem ver- 
derbten δέ που χάρις enthalten sein, und sieh da! Hesych bietet es in 
der Glosse ἐπούρισεν ὥρμησεν, ἐπέπεμψεν. (ἐπούρισας ἐφώρμησας)). 
Darnach ‚schreibe ich die Stelle δαιμόνων δ᾽ ἐπούρισεν βιαίως σέλμα 
σεμνὸν ἡμένων d. h. „so lenkt gewaltsam das Steuer der hehr tronenden 
Götter in dies günstige Fahrwasser“. Aehnlich Eur. Andr. 611: ἀλλ᾽ 


246 COMMENTAR. 


οὔτε ταύτῃ σὸν φρόνημ᾽ &movgioeg „du hast nicht deine Gedanken in 
die gute Bahn gelenkt“. Die Corruptel erklärt sich sehr einfach dadurch, 
dass von ἐπούρισεν die beiden letzten Buchstaben verloren gingen, ein 
Abschreiber dann las δέ που eis und ein metrischer Corrector die feh- 
lende Silbe durch die Conjeetur χάρες ergänzte, die, wie lange sie auch 
die Kritiker getäuscht hat, doch nicht eine Spur von äschylischer χάρες 
an sich trägt. 

In der Erklärung der Gegenstr., welche nach der Ueberlieferung be- 
ginnt καὶ τόϑ᾽ ἡγεμὼν ὃ πρέσβυς νεῶν Ayaıinov, μάντιν οὕτινα ψέ- 
yov, ἐμπαίοις κτλ... sind die Ausleger wunderbar in die Irre gegangen. 
Schneidewin ‚sagt: „die Rede sollte eigentlich so gebaut werden: ὃ ἣγε- 
μὼν τότε μὲν (beim Aufbruch des Heeres von Argos) οὐ ψέγων τὸν 
μάντιν ἔπειτα (ἐν Αὐλίδι) εἶπεν. Allein über der ausführlichen Schilde- 
rung der Not in Aulis verliert sich der Nachsatz unter den Händen, und 
um ihn anknüpfen zu können hebt der Dichter, das evrs eßagvvovro auf- 
nehmend, mit ἐπεὶ δὲ καὶ πικροῦ von neuem an und lässt mit ἄναξ δ᾽ 
ὃ πρέσβυς endlich den Nachsatz folgen.“ Das ist gewiss so verkehrt wie 
möglich, wiewohl fast alle Ausleger ähnlich erklären. Um nicht zu be- 
tonen dass statt der Participien ψέγων und συμπνέων nach Schneidewins 
Deutung Part. Aor. nötig gewesen wären und dass eine so krause, ver- 
wickelte Structur, wie Schneidewin sie zu entwickeln sucht, dem Aeschy- 
los nie zugetraut werden dürfte: der Hauptgedanke, der in dem endlich 
folgenden Hauptsatz ἄναξ δ᾽ ὁ πρέσβυς κτλ. gegeben wäre, würde durch- 
aus nicht stimmen zu der Ankuüpfung mit καὶ τότε v. 171. Denn mit 
dieser Anknüpfung soll doch offenbar ein einzelnes Beispiel zu der in 
Str. 2 gepriesenen durch Leiden erziehenden Leitung des Zeus gegeben 
werden: Agamemnon muss also in Gegenstr. 2 dargestellt werden als ein 
guttergebener Mann, der durch Leiden sich ziehen lässt. Die dritte Ge- 
genstr. dagegen stellt ihn als schwankenden, zweifeluden dar und die 
vierte Str. endlich als einen Verbrecher aus übermässigem Ehrgeiz. Denn 
die Opferung der Iphigenia hätte er nach der Anschauung des Chors nie 
unternehmen dürfen: der hochfliegende Ehrgeiz, dem er die Tochter 
opfert, ist eben seine tragische Schuld. Iphigenias Tod war nicht eine 
Forderung der höchsten Gottheit, sondern nur die Bedinguug zur Be- 
schwichtigung des Zornes einer untergeordneten Macht: diese aber hatte 
unter Zulassung des Zeus dem Griechenheer in Aulis die widrigen Winde 
gesandt, damit Agamemnon ablasse von dem verderblichen Kriege, der 
um eines Weibes willen so viele Tapfere in den Tod schicken, so viele 
Heiligtümer schänden sollte. — Dass nun aber Agamemnon auch wirklich 
in Gegenstr. 2, wie der ganze Zusammenhang es fordert, dargestellt „wird 
als goltergebener Mann, das zeigen doch deutlich die Worte uavrıv οὔτινα 
ψέγων und ἐμπαίοις τύχαισι συμπνέων (Gegensatz zu v. 206 φρενὸς 
πνέων δυσσεβῆ roonelav), und so ist es nicht zu bezweifeln, dass ν. 171 
—178 in abgeschlossener klarer Form den Gedauken von des stolzen 
Heerführers Ergebung in den Götterwillen enthalten. Daun aber ist ein 
Verb. fin. in dem Satze durchaus nutwendig: woher ist das zu entnehmen? 











COMMENTAR. . 247 
nv zu ergänzen, wie man vorgeschlagen hat, ist unmöglich in dieser so 
gar nicht aufgeregten Erzählerstimmung : Blomfields Vorschlag, ψέγων in 
ψέγεν zu verwandeln, wird entschieden zurückgewiesen durch die metri- 
sche Notwendigkeit am Ende der katalekt. troch. Tetrapodie die lange 
Sylbe in ψέγων zu erhalten, vgl. zu v. 953. Aber hat denn noch Nie- 
mand daran Anstoss genommen, dass v. 172 .“Δχαιϊκῶν und v. 176 schon 
wieder Aycıinog steht? Solche Wiederholung auffälliger Wörter nach so 
geringem Zwischenraum, eine Wiederholung, die, wenn sie nicht einen 
bestimmten rhetorischen Zweck hat, das Ohr beleidigt, verträgt sich nicht 
mit der bewunderungswürdigen Gefeiltheit, die wir sonst in Aeschylos’ 
Stil kennen. Dazu kommt nun dass Agamemuon sonst immer nur ein- 
fach als Flottenführer bezeichnet wird, so v. 112 βασιλεῦσι νεῶν, v. 1186 
νεῶν ἔπαρχος (tayaeyoc), Eum. 628 τοῦ στρατηλάτου νεῶν, was sollte 
hier also, da ἡγεμὼν νεῶν schon genugsam den stolzen Schiffsherrn 
bezeichnet, der Zusatz ’Ayaıis@v? Daher zweifle ich kaum, dass dies 
Wort entweder eine unabsichtlich in den Text gedrungene Glosse zu 
νεῶν oder aber eine aus v. 176 heraufgeholte metrische Ergänzung einer 
vom Abschreiber vorgefundenen Lücke ist, und dass wir ᾿Αχαιϊκῶν zu 
tilgen, dafür aber eine Lücke zu setzen haben, in welche das vermisste 
Prädikat zu ἡγεμών hineingehört. Beispielsweise ergänze ich diese Lücke 
durch χαμαὶ βλέπεν. womit der Gegensatz zu dem sonst hochfahrenden 
Wesen des Agamemnon, der Il. 1, 106 den Kalchas nicht ganz glimpflich 
behandelt, recht gut bezeichnet wäre. Dann ist das erste Part. ψέγων 
als modales unmittelbar mit PA&rev zu verbinden, nach ψέγων aber ist 
dann, nach Anleitung der Interpunktion der Strophe, ein Komma zu 
setzen, indem mit ἐμπαίοις τύχαισι συμπνέων der Grund seines stillen 
und sanften Wesens angegeben wird. — Τότε weist nun auf das fol- 
gende eur’ ἁπλοίᾳ κτλ. voraus. 

v. 177—78 ist mit Ahrens statt παλιρρόϑοις der Strophe wegen zu 
lesen παλιρρόχϑοις, das zu der Schilderung, die Liv. 28, 6 vom Euripus 
giebt, einzig passt. 

Drittes Strophenpaar. Zunächst ist. gewiss, dass die drei einen 
V. bildenden Adjektive. κακόσχολοι, νήστιδες, δύσορμοι so coordiniert 
werden müssen, dass auch δύσορμοι, an und für sich so verständlich, 
nicht mit dem folgenden Subst. . verbunden wird, nach δύσορμοι ist also 
ein Komma zu setzen. Wenn nun aber weiter die Ueberlieferung lautet 
βοοτῶν alcı, ναῶν καὶ πεισμάτων ἀφειδεῖς. so hat Porson. zwar durch 
die Emendation νεῶν τε καὶ πεισμάτων κτλ. den notwendigen Rhythmus 
wiederhergestellt (nur Karsten erhebt hier Widerspruch), aber das sinn- 
lose βροτῶν ἄλαι hat man bis jetzt unangefochten bestehen lassen. Man 
erklärt „die Menschen in. die Irre treibend‘‘, aber könnten auch die Winde 
errores oder Irrfahrten genannt werden, so wäre doch hier gar nicht ab- 
zusehen, wie im schmalen Euripus, aus dem die Griechen ja eben nicht 
herauskommen können, von vielem unstetem Herumtreiben zu sprechen 
_ wäre. Dazu müsste die Mannschaft hier im Gegensatz zu Schiffen und 
Tauwerk βροτοί genannt sein, was gerade so geschmacklos wäre, als 





248 COMMENTAR. 


wenn Sallust die Menschen auch da, wo es auf ihre Sterblichkeit gar 
nicht ankommt, bloss um des volleren Klanges willen morlales nennt. 
Und welch’ ein Gegensatz wäre das: „die Mannschaft in die Irre treibend, 
die Schiffe und die Taue nicht schonend‘? als ob die Mannschaft ohne 
die Schiffe umhergetrieben werden könnte! Nein trotzdem, dass der 
Scholiast schon βροτῶν alas gelesen und dies durch die gedankenlose 
Verweisung auf Od. 12, 330 καὶ δὴ ἄγρην ἐφέπεσκον ἀλητεύοντες zu er- 
klären geglaubt hat, liegt hier ohne Zweifel eine Corruptel vor, die auch 
äusserlich durch Verderbung des νεῶν re καί in ναῶν καὶ indiciert ist 
Untersuchen wir nun, was durch den Zusammenhang anstatt βροτῶν 
ἄλαι gefordert wird, so ist zunächst gewiss dass statt ἄλαι Aeschylos 
einen Dat. Sing. geschrieben hat, der die Ursache angab, wodurch 
die Winde Schiffe und Tauwerk schädigten: denu da wir zu 
πνοαί zunächst die drei coordinierten Adjektive κακόσχολοι νήστιδες 
δύσορμοι haben, sodanı ἀφειδεῖς, endlich rıYeicer, so ist es sicher, dass 
der peinlich correete Dichter diese Reihe von adjektivischen Attributen 
nicht durch ein damit coordiniertes Subst. unterbrochen hat. Wodurch 
also konnten die Nordwinde gerade im Euripus die Schiffe und die Halt- 
taue schädigen? Lesen wir die von Hermann citierte Schilderung des 
Euripus bei Liv. 28, 6: et fretum ipsum Euripi non septies die, sicut 
fama fert, temporibus slatis reciprocat, sed temere in modum venti 
nunc huc nunc illuc verso mari velut monte praecipiti devolutus tor- 
rens rapilur. ila nec nocie nec die quies navibus datur — oder die 
Schilderung bei Antiphilus Anth. gr. 9, 73: ‚Evßoinoo κόλποιο παλινδί- 
vor ϑαάλασσα, πλαγκτὸν ὕδωρ; ἰδίοις ῥεύμασιν ἀντίπαλον; ἠελίῳ κὴν 
νυκτὶ τεταγμένον ἐς τρίς, ἄπιστον, ναυσὶν ὕσον πέμπεις χεῦμα ϑανει- 
ξόμενον (Ross Wanderungen in Griechenland II, p. 111): so ist es un- 
zweifelhaft, dass die dem Euripus eigentümliche Gefahr für die Schiffe 
eben in dem unablässigen und unberechenbaren, weil scheinbar regellos 
sich verändernden, Kampfe zwischen Wellen und Strömung besteht. So 
vermute ich mit einiger Bestimmtheit dass der Dichter geschrieben hat 
ῥοῶν σάλα νεῶν τε καὶ πειαμάτων apeıdeis „durch das Wellenschaukeln 
der Strömung die Schiffe und die Halttaue verderbend.“ Von den Evet- 
που ῥοαί spricht Aeschylos auch v. 277, dass er aber neben σάλος auch 
die Form σάλη gekannt und gebraucht hat, wird ausdrücklich bezeugt 
durch Photius σάλα φροντίς " οὕτως “Αἰσχύλος. ‚Aehnlich ‚Hesych: σάλα" 
φροντίς, βλάβη und σαλαγεῖ" ταράσσει. ἡ γὰρ φροντὶς σάλα λέγεται. 
Natürlich ist dies Wort identisch mit σάλος : Aeschylos hat es bildlich 
von dem unruhigen Auf- und Abwogen des Gemütes gebraucht. 

Auch im folgenden V. 183 steckt noch ein schwerer Fehler der 
Ueberlieferung. Die Winde sollen genannt werden παλιμμήκη χρόνον 
τυϑεῖσαι. Das hat noch Niemand erklärt, und es wird auch wohl Nie- 
mandem gelingen es zu erklären. Man deutet παλιμμήκη mit einer Ver- 
nebelung des Begriffes πάλιν, wie sie bei Aeschylos unerhört wäre, 
„sehr lang.“ Aber wäre das auch möglich, so hätten wir in diesem 
Verse doch nur eine langweilige Umschreibung des schon v. 180 erwähn- 








COMMENTAR. ᾿ 249 


ten κακόσχολοι: eine müssige Wiederholung, die einem Dichter wie 
Aeschylos nie hätte zugetraut werden sollen. — Παλιμμήκης kann nach 
aller Analogie nur heissen: „in der ganzen Länge noch einmal oder zu- 
rückgemessen‘“‘; das stimmt aber in keiner Weise zu χρόνον. denn dass 
Aeschylos die Nordwinde ‚die Zeit (in der Einbildung) doppelt so lang 
machend“ nenne, ist nicht zu glauben. Was aber wird denn’ von den 
Schiffen im Euripus „wieder zurückgemessen in der ganzen Länge“? 
Doch wohl nur die Fahrt, der Weg, den sie eben von der 
Strömung getragen vorwärts gemacht haben, dann aber 
wieder durch dieumspringende undvom Windunterstützte 
Strömung zurückgetrieben werden. So schreibe ich in Erin- 
nerung au Eum. 762 (οδοὺς ἀϑύμους καὶ παρόρνιϑας πόρους τιϑέντες) 
παλιμμήκη πόρον τιϑεῖσαι d.h. „die eben gemachte Fahrt immer wie- 
der zurückmessen lassend‘“, denn im Part. Praes. liegt der Begriff der ste- 
ten Wiederholung ausgedrückt. 

v. 184, wo die Handschriften unrhythmisch "Aoyslov geben (offenbar 
aus der Sylbenzahl der verderbten Gegenstrophe hervorgegangene Con- 
jectur eines die Sylben bloss zählenden, nicht wägenden Metrikers), 
hat Hermann schön emendiert durch die Schreibung ”Aoyovs. Denn auch 
der Sinn hat wesentlich dadurch gewonnen: nunmehr ist nicht, wie man 
gewöhnlich versteht, von der Blüte der Hellenen d. h. der auserwählten 
Kriegerschaar die Rede (von Seuchen und dergl. spricht der Dichter nicht), 
sondern ἄνϑος "Aeyovs ist das „Kleinod von Argos“ d. ἢ. die Flotte, 
deren Kraft durch den Aufenthalt vermorscht. So heisst Prom. 7 das 
Feuer „des Hephästos &v og.“ 

v. 192 geben die Handschriften richtig und nach äschylischem Brauch 
τόδ᾽ εἶπε φωνῶν. Stanley und nach ihm die meisten Herausgeber schrei- 
ben dafür τότ᾽ εἶπε φωνῶν, in der oben widerlegten irrtümlichen Meinung, 
dass hier die Construction an v. 171 wieder anknüpfe. 

v. 197 lautet die unrhythmische Ueberlieferung δεέϑροις πατρῴους 
χέρας βωμοῦ πέλας. aber die Corruptel ist für völlig geheilt zu erklä- 
ren, seitdem Schömann und Karsten nach Hesychs Glosse δοαί" δεύ- 
ματα, δεῖϑρα erkannt haben, dass für ῥεέϑροις zu schreiben ist ῥοαῖς, 
und seitdem von Schömann und Hartung für das aus v. 997 hierher ge- 
ratene βωμοῦ πέλας gesetzt ist πρὸ βωμοῦ. Der Dichter schrieb also 
δοαῖς πατρῴους χέρας πρὸ βωμοῦ. So entspricht der Vers genau dem 
von Hermann emendierten strophischen v.184 und steht im rhythmischen 
Einklang mit den vier vorangehenden Versen, die alle auf eine trochäi- 
sche Tripodie ausgehen. Vergebens wendet Heimsoeth (die Wieder- 
herstellung der Dramen des Aesch..p. 225) dagegen ein dass ῥοαῖς durch 
seine Stellung den Ausdruck von παρϑενοσφαάγοισιν schwäche. Aller- 
dings ist es im Ganzen richtig, dass „in dem Verhältnisse, als das zum 
Adj. gehörende Subst. sich erwarten lässt, jenes hervortritt“, allein wie 
sich Beispiele genug bei Aeschylos finden, wo ein bedeutsames Adj. un- 
mittelbar vor dem Subst. steht, so wird hier das, was Heimsoeth will, 
gerade dadurch erreicht, dass παρϑενοσφάγοισεν und ῥοαῖς verschiede- 


250 COMMENTAR. 


nen Versen angehören. Seine Conjectur also, die mit völliger Beseitigung 
von βωμοῦ πέλας schreibt: μιαένων παρϑ. ϑυτὴρ πατρῴους χέρας δεέ- 
ϑοοις, dürfen wir wohl auf sich beruhen lassen. — Wunderbar verfährt 
Hermanı mit dieser Stelle: βωμοῦ ausstossend, stellt er die Worte so 
um πέλας πατρῴους χέρας δεέϑροις. Gäbe hier πέλας einen befriedi- 
genden Sinn, so wäre die Aenderung sehr plausibel, aber so erscheint 
πέλας. über das er kein Wort sagt, völlig sinnlos. Sollte er vielleicht 
πέλας als Acc. Plur. von welog „schwärzlich ‘““ gefasst und proleptisch 
mit χέρας verbunden haben? Dann wäre vor allem nachzuweisen ge- 
wesen, dass dies Adj. von blutbefleckten Händen gesagt werden könnte. 
Völlig im Dunkeln tappt man bisher bei der Erklärung der zweiten 
Hälfte der Gegenstrophe: hier besonders hat es sich schwer gerächt, 
dass man den sicheren und klaren Gedankengang des grossen Dichters 
nicht genügend ins Auge gefasst hat. Die Ueberlieferung lautet von 
v. 198 an: τί τῶνδ᾽ ἄνευ κακῶν; τί πῶς λιπύόναυς τε γένωμαι | ξυμ- 
μαχίας ἁμαρτών; | παυσανέμου γὰρ ϑυσίας παρϑενίου 8᾽ αἵματος 
ὀργᾷ περιόργως ἐπιϑυμεῖν ϑέμις" εὖ γὰρ εἴη. Deu zweiten V. schreibt 
man seit Porson nach Triclinius’ Conjeetur im Farn. πῶς λιπόναυς γέ- 
νωμάι. ohne zu erklären, wie τί nnd τέ in den Text gekommen, und 
deutet die Worte: „guomodo a classe destituar, orbatus sociis‘“, wäh- 
rend doch λιπόναυς für jeden unbefangenen Hörer den Sinn „Ausreisser 
von der Flotte‘ haben musste. Im Folgenden schreibt Hermann, das 
Scholion im Med. τῷ τρόπῳ γὰρ αὐδᾷ ὁ μάντις δηλονότι sehr scharf- 
sinnig verbessernd in ὀργᾷ; τῷ τρόπῳ yo. αὐδᾷ, ὃ μάντις δηλονότι, 
statt ὀργᾷ vielmehr avda und deutet nun: „vates dicit fas esse avide 
expeiere venlos pacans sacrificium virgineumque sanguinem“ d.h. 
„denn der Seher sagt, es sei recht, so gierig das Opfer und das jungfräu- 
liche Blut zu fordern“. In gewohnter grober Manier, aber mit viel Ver- 
stand hat Hartung die völlige Unhaltharkeit dieser von Aeschylos’ Ge- 
dankenwegen unendlich weit abirrenden Erklärung nachgewiesen. Die 
neueren Ausleger haben αὐδᾷ wieder aufgegeben und kummen, auf ver- 
schiedenen Wegen und durch die verzweifeltsten Conjeeturen, ϑέμις 
bald als Adverb, bald als Nomen auffassend, ὀργᾷ bald für ein Verbum, - 
bald für ein Subst. nehmend, dennoch übereinstimmend zu dem Gedan- 
ken: „denn es ist recht, dass meine Kampfgenossen das windstillende 
Opfer und das jungfräuliche Blut so leidenschaftlich verlangen“. Aber 
dieser Gedanke ist auf keine Weise zu ertragen. Nicht nur hätte der 
Dichter einen Vater überhaupt nicht so sprechen lassen, als ob es gött- 
liches Recht sei (ϑέμες), wenn seine Kampfgenossen Frevelhaftes von 
ihm fordern, sondern namentlich an dieser Stelle konnte Agamemnon un- 
möglich so sprechen, da er sich noch gegen die Opferung 
streubt und sie als etwas grauenhaftes betrachtet. Denn 
unzweideutig zeigt doch der Anfang der folgenden Strophe, ἐπεὶ δ᾽ 
ἀνάγκας ἔδυ Anadvov, φρενὸς πνέων δυσσεβῆ τροπαίαν ἄναγνον 
ἀνέερον. τόϑεν τὸ παντότολμον φρονεῖν μετέγνω, wo der fürchterliche 
Wechsel des Entschlusses in den stärksten Ausdrücken angezeigt ist, dass 


᾿ COMMENTAR. 251 


in der dritten Gegenstr. der König noch, wenn auch in ratlosem Schwan- 
ken, doch als entrüstet gegen die ihm gestellte furchtbare Zumutung 
geschildert ist: nie und nimmer kann er in solcher Stimmung sagen 
dass es heiliges Recht sei, unnatürliche Bluttat von ihm 
zu verlangen. — So lässt sich denn aus den Irrgängen der bisherigen 
Interpretation als Gewinn nur die sichere Erkenntniss ziehen: 1) dass 
es neben ὀργᾷ die Lesart αὐδᾷ gegeben hat; 2) dass ἐπιϑυμεῖν nur als 
Glosse zu ὀργᾷ in den Text gekommen ist und ein anderes Wort ver- 
drängt hat (cf. Hesych: ὀργᾶ" ἐπιτεταμένως ἐπιϑυμεῖ. — ὀργῶν " ἐπι- 
ϑυμῶν, ὀρεκτικῶς ἔχων. — ὀργῶσαν" ἐπιϑυμοῦσαν). Freilich hätte 
man ἐπιϑυμεῖν nicht dem Gebrauch der Tragiker absprechen sollen: es 
steht bei Soph. Trach. 616. 

Kehren wir nun mit dem aus der vierten Strophe evident hervor- 
gehenden Gedanken, dass in der dritten Gegenstr. der König als gegen 
die Opferung sich streubend dargestellt wird, zur Betrachtung der schwie- 
rigen Stelle.zurück. Da sagt der König, nach Darlegung der Alternative, 
entweder unverrichteter Sache umzukehren oder die Tochter zu opfern: 
τί πῶς λιπόναυς τε γένωμαι, ξυμμαχίας ὃ ἁμαρτών; Das Metrum zeigt, 
dass τί nur Glosse zu πῶς ist, aber zu πῶς “λιπόναυς γένωμαι konnte 
nie ein Erklärer τί hinzusetzen, weil dies πῶς mit τί gar keine Sinnes- 
verwandtschaft hatte. Vielmehr betrachtete derjenige, der das erklärende 
τί hinzuschrieb, πῶς als selbständigen Ausruf des Unwillens; er ver- 
stand also: „ha! soll ich denn ein Ausreisser werden?“ Das passt vor- 
trefflich: der König sieht in seiner Verzweiflung keinen anderen Ausweg 
aus dem furchtbaren Dilemma, als heimlich davonzugehen und so der 
 Kampfgenossen verlustig zu werden. Aber wie kommt nur das τέ in den 
Text? Es ist durchäus sinnlos, metrische Conjectur kann es auch nicht 
sein, da die Strophe an derselben Stelle den logaoedischen Rhythmus un- 
verfälscht zeigt; also müssen die Abschreiber unverstandene Zeichen vor- 
gefunden haben, aus denen sie gewissenhaft re γένωμαι machten. Das 
deutet auf eine Corruptel des ohnehin zu farblosen γένωμαι; und so ver- 
mute ich dass Aeschylos geschrieben hat: πῶς; λιπόναυς veoucı; „ha! 
soll ich als Ausreisser zurückkehren?‘ (Hesych: νεώμεϑα, ἀπίωμεν, 
πορευώμεϑα), und dass ein über νέωμαι geschriebenes yev- die Ursache 
zur Lesung re γένωμαι geworden ist. 

Die folgenden mit γάρ zur Erklärung eingeführten Worte müssen 
nun den Couflikt, worin der König sich befindet, noch einmal von der 
sittlichen Seite darstellen (während er v. 193—97 vou Seiten des Gemüts 
aufgefasst war), und so springt sogleich in die Augen dass ϑέμες hier 
nur die Göttin des ewigen Rechts selber seinkann, welche 
dem leidenschaftlichen Verlangen der ξυμμαχία zürnend 
entgegeutritt. Dann ergeben sich von selbst zwei Sätze: παυσανέ- 
μου γὰρ ϑυσίας παρϑενίον 8᾽ αἵματος ὀργᾷ (nämlich die ξυμμαχία), 
diesem Verlangen aber gegenüber περιοργῶς --- Θέμις. Nach περιορ- 
yog (so ist nach Blomfield zu schreiben) ist nun eine Lücke, in die das 
Glossem ἐπιϑυμεῖν eingedrungen ist: ihre Ausfüllung aber ergiekt sich 








252 COMMENTAR. 


fast mit Sicherheit aus der zu ὀργᾷ notierten Variante αὐδᾷ, die unmög- 
lich aus ὀργᾷ entstanden sein kann, sondern ein Rest eben aus dieser 
Lücke ist. Aeschylos schrieb also höchst wahrscheinlich rreosoeyas δέ 
γ᾽ ἀπαυδᾷ Θέμις „aber Themis verwehrt es in furchtbarem Zorn“. 
Jeder fühlt nun, wie schön auf ὀργᾷ unmittelbar περιοργῶς δέ folgt, 
um die Gewalt des Confliktes zu schildern, zugleich aber erhellt, wie 
sehr der König sich hier noch des Gebotes der Sittlichkeit bewusst ist, 
wie also die folgende Strophe mit Recht die stärksten Ausdrücke ge- 
braucht, um die furchtbare Sinneswandelung hervorzuheben. — Zu der 
von mir gegebenen Restitution der Stelle passt nun vortrefflich der eu- 
phemistische Ausruf ev γὰρ ein, das etwa unserem „Gott verhüte‘“ eıt- 
sprechend den Bann eines bösen Omens abwehren will. 

Viertes Strophenpaar. — v. 210 sq. ordnet Hermann so: 
τάλαινα παρακοπὰ πρωτοπήμων᾽ |, ἔτλα δ᾽ οὖν ϑυτὴρ γενέσϑαι ϑυ- 
γατρὸός.  γυναικοποίνων πολέμων ἀρωγὰν | καὶ προτέλεια ναῶν. Ich 
folge der Anordnung von Dindorf, die unbedingt den Vorzug der Eurhyth- 
mie hat und durch die Abtrennung, des ἔτλα δ᾽ οὖν vom folgenden die 
Erwartung auf das furchtbare ϑυτὴρ γενέσϑαι spannt. — Mit dem δ᾽ 
ovv kehrt der Dichter, nachdem er möglicherweise zuviel behauptet hat, 
zu dem jedenfalls gewissen zurück, cf. Xenoph. Anab. 1, 2, 12 und Soph. 
Ant. 769Schneidew. Daraus folgt dass Schoene’s sonst ansprechende Con- 
jectur zu v. 207 (Rhein. Mus. VI, 2 p. 302), wornach 709” ἕν für τόϑεν 
zu schreiben wäre, unstatthaft ist; an jener Stelle ist nicht speciell von 
der Opferung die Rede, sondern es heisst vom König: ‚da war er zu 
jedem Unerhörten bereit“, 

v. 215 schreibt Hermann nach Pearson αἰῶνα παρϑένειόν τ΄, allein 
die Elision am Ende des Verses ist unstatthaft; da es aber bezeugt ist 
(siehe Hermann zu Ch. 346) dass Aeschylos αἰῶ für αἰῶνα gebraucht hat, 
so verdient O. Müllers Emendation αἰῶ τε παρϑένειον allgemeine Billi- 
gung. Die kurze Endsylbe ist nicht anstössig, cf. v. 19 δόμων ἄγαλμα. 

v. 220 54. schreibt Hermann nach den codd. στόματός τε καλλι- 
πρῴρου φυλακὰν κατασχεῖν φϑόγγον ἀραῖον οἴκοις, doch weder er 
noch irgend ein anderer Ausleger hat die Zusammenstellung der beiden 
Acc. φυλακάν und φϑόγγον erklärt. Das Beste hat in dieser Beziehung 
Weil vorgebracht, indem er φϑόγγον als Objekt von κατασχεῖν fasst und 
gvlaxav 'als Acc. des Inhalts, ähnlich wie v. 212 πολέμων ἀρωγᾶν, 
deutet. Allein auch diese Erklärung genügt nicht, denu nicht bloss wäre 
dieser Acc. hier zu bedeutungslos, sondern er müsste auch nach Aeschy- 
los’ Brauch am Ende des Satzes stehen, wie v. 212, 1379 (ἐπῳδήν nach 
Karsten), 1381 μιασμάτων ἄποινα, 1451 κακὸν alvov, Ch. 196 ἄγαλμα 
τύμβου τοῦδε καὶ τιμὴν πατρύς. Einen ganz neuen Weg schlägt Ahrens 
ein, indem er φϑόγγον ἀραῖον οἴκοις mit dem durch 5 Verse davon 
getrennten φραάσεν verbindet (wodurch es zugleich notwendig wärde, 
den ersten Vers der folgenden Strophe zu ändern) und φυλακὰν von 
κατασχεῖν abhängen lässt. Aber „Wache halten‘ kann nie und nimmer 
φυλακὴν κατέχειν statt ἔχειν heissen: in dem von Blomfield aus Eurip. 








COMMENTAR. 253 


Troad. 194 beigebrachten Beispiele τὰν παρὰ προϑύροις φυλακὰν κατέ- 
χουσὰ heisst φυλακή offenbar nicht abstrakt „die Wache“, sondern con- 
cret „der Wachtposten‘“ und dieser kann natürlich „eingenommen “ 
werden. Auch will Aeschylos ohue Zweifel sagen dass nach dem Willen 
des Königs die Opferdiener den Fluch Iphigenias verhindern sollen: 
darin besteht ja eben die tragische Ironie in Agamemnons Schicksal, dass 
er durch äussere Mittel den Fluch abwehren zu können meint, der die 
notwendige Folge seines frevelbaften Ehrgeizes ist. — So sehe ich denn 
kein anderes Mittel die Stelle verständlich zu machen, als indem ich gv- 
λακὰν in φύλακας ändere und dies als Subjekt zu κατασχεῖν fasse. 
Wenn vor dem x das © verloren gegangen war, konnte die Lesart der 
codd. zu leicht entstehen. 


Fünftes Stropheupaar. — v. 223 geben alle besseren Hand- 
schriften βίᾳ χαλινῶν. τ᾽ ἀναύδῳ μένει. nur Farn. hat statt τ΄ vielmehr 
δ᾽ und lässt im folgenden Vers nach βαφὰς das δ᾽ weg. Triclinius hat es 
also anstössig gefunden, dass der erste Vers der Strophe dem Sinne nach 
zum Vorhergehenden gezogen würde; und er findet darin neuerdings an 
Ahrens einen entschiedenen Beistand. Allerdiugs wäre eine solche Her- 
überziehung des Satzes aus einer Strophe in die andere, wie Hermann sie 
statuiert, indem er am Schluss der vierten Gegenstrophe gar kein Inter- 
punktionszeichen hat, beispiellos. Allein da die vorhergehende Strophe 
mit φϑόγγον ἀραῖον οἴκοις vollkommen verständlich abschliesst und gar 
nichts mehr zur Ergänzung bedarf, so ist nach οἴκοις das Ende der Pe- 
riode zu markieren; dann aber tritt die fünfte Strophe in nachträglicher 
Ergänzung mit βίᾳ χαλινῶν κτλ. ein, wodurch das fürchterliche der 
Knebelung, wie in einem für sich stehenden Ausrufe, nur noch stärker 
hervorgehoben und als Schuld des Königs betont wird. Wir haben hier 
also völlig denselben Fall, wie zu Anfang der zweiten Strophe, wo auch 
τὸν φρονεῖν βροτοὺς ὁδώσαντα mit gewaltigem Nachdruck in nachträg- 
licher Ergänzung zu der ersten Gegenstrophe eintritt. Die Lesart der 
besten codd. ist also nicht anzutasten. 


v. 224 ist überliefert κρόκου βαφὰς δ᾽ ἐς πέδον χέουσα | ἔβαλλ᾽ 
κτλ. Mit Recht nimmt Hermann an dem hier zwischen zwei eng zusam- 
mengehörigen Versen stattfindenden Hiatus Anstoss, aber er ändert sehr 
unglücklich in χέουσ᾽, od’ | ἔβαλλ᾽ ἕκαστον κτλ. Durch ein solches 
ὧδε darf nur dann das adverbiale Moment des Part. nachdrücklich her- 
vorgehoben werden, wenn das verb. fin. einen Gegensatz dazu bildet; so 
steht ἔπειτα v.460 und oft. Aber es ist noch ein anderes in der Ueberlie- 
ferung bedenklich: χέουσα würde sagen dass Iphigenia ihr Blut (denn dies 
ist, wie ich zu v.1080 beweisen werde, unter κρόκου βαφή zu verstehen) 
freiwillig vergoss und aus eignem Entschlusse; aber sie ist ja das hülf- 
lose gezwungene Opfer. Aeschylos wird also geschrieben haben κρόκου 
βαφὰς δ᾽ ἐς πέδον δεούσας. Die Aeuderung ist jedenfalls eine viel ge- 
lindere als die Hermanns: war δεούσας in χεούσας verschrieben, so folg- 
ten die übrigen Veränderungen notwendig nach. 


254 COMMENTAR. 


v. 226 verbindet |Hermann φιλοέκτῳ mit dem’ vorhergehenden zu 
einem Verse, dass es aber zum fulgenden gezogen werde, fordert sowohl 
der Rhythmus, wie der Sinn: denn φιλοίκτῳ soll eben mit unerwar- 
teter Wendung folgen, da man nach den Verhältnissen vielmehr zurnige 
Blicke von Iphigenia vermuten konnte; die starke Betonung aber, die da- 
durch nötig wird, erhält es nur durch die Voranstellung im nächsten 
Verse. 

v. 230 schrieb Hermann in merkwürdigem Missverständniss der 
schönen Stelle ἔμεχϑεν für das überlieferte ἔμελψεν, Hartung und an- 
dere haben sehr gut Hermanns Irrtümer widerlegt, indem sie nach- 
gewiesen haben dass hier von dem Tischgebet die Rede sei, das Iphi- 
genia, die reine Jungfrau, in den Sälen des Vaters nach der dem Ζεὺς 
σωτήρ dargebrachten Spende verrichtete. Es fragt sich nur noch, in 
welchem Verhältnis der mit ἐπεὶ πολλάκις eingeführte Satz zum Haupt- 
satze steht. Schneidewin meint, er begründe, warum die Jungfrau den 
Mut gehabt haben würde die Männer anzureden, aber προσεννέπειν BE- 
Aovca bezieht sich offenbar nicht unmittelbar auf Iphigenia, die ja als - 
geknebelte gar nicht den Willen haben konute, jemanden anzureden, son- 
dern es ist zu verbinden, ὡς ἐν γραφαῖς προσεννέπειν YElovoa „wie 
eine reden wollende in Gemälden“. Der mit ἐπεί eingeführte Satz soll 
vielmehr die Frömmigkeit der segnendeu Tochter in rührenden Contrast 
zu der Härte der sie jetzt opfernden Helden stelleu. — Der folgende Satz 
ἁγνᾷ δ᾽ ἀταύρωτος κτλ. ist nun, wie das Imperf. ἐτίμα deutlich zeigt, 
logisch untergeordnete Ausführung von &ueAwev, soviel als: „indem sie Ὁ 
andächtig den Päan sang“. Für das überlieferte εὔποτμον αἰῶνα näm- 
lich, worin auch ein metrischer Fehler steckte, hat Hartung unzweifel- 
haft richtig εὔποτμον παιῶνα (παιᾶνα) geschrieben. 

Auch in der Gegenstrophe ist Hermann mit seinen Conjecturen sehr 
unglücklich gewesen. Zu dem gnomischen Satze Δίκα δὲ τοῖς μὲν πα- 
ϑούῦσιν μαϑεῖν ἐπιρρέπει, der rhythmisch wie sachlich völlig abgeschlos- 
sen war, zog er To μέλλον herüber und aus τὸ δὲ προκλύειν ἐπιγένοιτ᾽ 
ἂν κλύοις προχαιρέτω machte er, von einem Druckfehler der Ald. ἀνη- 
Avoıc verführt, τὸ προκλύειν Ö' ἤλυσιν προχαιρέτω. Vortrefflich da- 
gegen Ahrens: τὸ μέλλον δ᾽ ἐπεὶ γένοιτ᾽ ἂν κλύοις " πρὸ χαιρέτω. Zu 
πρὸ ist dann aus κλύοις zu ergänzen κλύειν, sodass das volle Subjekt zu 
χαιρέτω lauten würde τὸ προκλύειν: so giebt sich das im Med. mit hel- 
lerer Tinte später hinzugeschriebene τὸ δὲ προκλύειν deutlich als eine 
jenes πρό erklärende Glosse zu erkennen. Hinsichtlich des Eintretens 
der Präposition statt des mit ihr zusammengesetzten Verbs verweist 
Ahrens auf Matthiae p. 1190 und  Bernhardy Wiss. Syntax p. 196. 

v. 239 giebt der Med. τορὸν γὰρ ἥξει συνορϑὸν αὐταῖς, WOTaus 
Wellauer undHermann τόρον γὰρ ἥξει σύνορϑρον αὐγαῖς machen. Enger, 
Schneidewin und Weil haben dies aufgeuommen, doch bemerkt Ahrens sehr 
richtig dass die Worte „mit dem Licht zugleich aufdämmernd wird die 
Zukunft hell und deutlich kommen“ nur dann Sinn hätten, wenn sie in 
der Nacht gesprochen wären und man mit dem nächsten Morgengrauen 











COMMENTAR. 255 


das Eintreten der verkündigten Zukunft zu erwarten hätte. So aber ist 
namentlich in dem Begriff αὐγαῖς weder Klarheit noch Bestimmtheit. 
Vortrefflich dagegen vermutet Ahrens συνῶρον für συνορϑόν; nach 
Hesychs Glosse σύνωρον, ὁμόφωνον. ὁμολογούμενον, ἢ συγγενῆ» „WO 
die beiden ersten Erklärungen wahrscheinlich gerade auf diese ‚äschylei- 
sche Stelle gehen‘. Aber indem er nun Schützs Conjectur ἀταις für 
αὐταῖς aufnimmt und σύνωρον ἅταις erklärt „gepaart mit Unheil“, 
weicht.er nicht nur von Hesychs Deutung ab, sondern bringt auch einen 
unerträglichen Gedanken in den Zusammenhang. Denn wenn der Chor 
sagte: ‚gepaart mit Unheil wird die Zukunft nahen“, so würde er mit 
dieser bestimmten Voraussetzung ein böses Omen hinstellen, und un- 
möglich könnte er sogleich fortfahren ‚wenigstens in Bezug auf dies Er- 
eigniss möge uns Glück zuteilwerden “ — das wäre ein direkter Wider- 
spruch. Aber er will ja auch nur den Satz 4ίκα τοῖς παϑοῦσιν μαϑεῖν 
ἐπιρρέπει erklären; also kann er von der Zukunft nur sagen „sie wird 
den Sünden entsprechend kommen“ d.h. „man wird ernten, 
wie man gesäet hat“. So glaube ich bestimmt dass Aeschylos geschrie- 
ben hat τόρον γὰρ ἥξει μαάταις σύνωρον. Die von mir vorgenommene 
Aenderung ist nicht stärker, als die von Ahrens gewolite: denn war ein- 
mal μάταις in αὑταῖς verlesen, so konnte die Umstellung ans metrischen 
Gründen gar nicht ausbleiben. Uebrigeus ist gerade.der Ausdruck μάται 
für „Sünden “ hier sehr passend, weil der Chor schon aus Rücksicht auf 
die nahende Klytämnestra das mildeste Wort sucht. 

„Den ‚Schluss des Chorgesangs geben die Handschriften so: ‚nekorto 
δ᾽ οὖν τἀπὶ τούτοισιν (Flor. τούτοις) εὔπραξις ὡς ϑέλει τόδ᾽ ἀγχίστον 
"Anlas γαίας μονόφρουρον ἔρκος. Unter diesem ἕρκος verstand mau 
früher nach dem Schol. den Chor selber, doch bemerkt Hermann sehr 
richtig: „ Vix credas fuisse qui his verbis chorum semet ipsum dicere 
exislimarent, scholiastam seculi, nec viderent quam haec slolida et 
importluna esset iuclalio, „praesertim quum in eo sit ut alloquantur re- 
ginam illi, qui se Ovao ἡμερόφαντονε ἀλαίνειν supra dixerunt“. Ver- 
steht man aber unter μονόφρουρον ἕρκος die Klytämnestra, die sich 
eben naht, so ergeben sich neue Schwierigkeiten. Allerdings lässt sich 
Lobecks wohlbegründete Einrede (siehe Karsten) gegen εὔπραξις leicht 
beseitigen durch die von Hermann selbst vorgeschlagene Schreibung εὖ 
πρᾶξις („möge wenigstens in Bezug auf die nächste Zukunft der Ausfall 
glücklich sein“, cf. v. 478 εὖ γὰρ πρὸς εὖ φανεῖσι προσϑήκη πέλοι): 
aber schwerer wiegt das von Weil vorgebrachte Bedenken, dass „Kiy- 
tämnestra dem Chor zu verdächtig sei, als dass er ihre Wünsche zu den 
seinigen machen könne“. Wenn dieser verdienstvolle Kritiker aber des- 
halb vorschlägt zu lesen πέλοιτο δ᾽ οὐν τἀπὶ τούτοισιν εὐπραξίαις 
ϑύειν τόδ᾽ ἄγχιστον κτλ... „möge es eintreten, dass Klytämnestra wegen 
glücklicher Ereiguisse opfere“, so wäre der von ihm herausgebrachte 
Gedanke hier zwar sehr passeud, aber abgesehen von der Unwahrschein- 
lichkeit der starken Aenderung (zumal hier, wo das ungewöhnliche Me- 
trum völlig unverdorben ist) wäre es doch ein wahrer Weichselzopf von 


256 COMMENTAR. 


Ausdrücken, wenn der Dichter „die allein wachende Schutzmauer opfern“ 
liesse. Nein, gerade die Zusammenstellung μονόφρουρον ἕρκος zeigt 
deutlich dass nicht die Königin eine „allein bewachende Schutzmauer “ 
genannt wird, sondern der nahe Königspalast ‚eine von einer einzigen 
Hüterin geschützte Burg“. Nur so ist der Ausdruck μονόφρ. ἕρκος völlig 
correct, und eine Menge von Analogien weist dem μονόφρουρον diese 
Bedeutung zu. Von jenem, nicht bildlich, sondern eigentlich gemeinten 
ἕρκος Aniag yalag, dem Königspalaste, kann es uun auch ohne Begriffs- 
verwirrung heissen „er wünscht‘, und des Palastes Wünsche kann 
der Chor sich schon zu eigen machen. Indem aber dieser von „des Hau- 
ses Wünschen‘ spricht, macht er mittelbar allerdings der von der rechten 
Seite her nahenden Klytämnestra, die seine letzten Worte jedenfalls hört, 
sein Compliment: er spricht für das Ohr der Königin. 


Dialog zwischen Chor und Klytämnesira v. 243 — 266. 


Nachdem der Chor in zweimal 3 Versen (die vielleicht an die beiden 
Halbchorführer zu verteilen sind) gesprochen und die Königin in 4 Zeilen 
die grosse Kunde von Troja’s Falle mitgeteilt hat, folgt eine lebhafte 
Wechselrede von 14 Versen, indem Chor und Königin je 7 mal das Wort 
nehmen. Denn dass v. 266 noch mit zur Stichomythie gehört und der 
grosse Monolog Klyt.s erst v. 267 beginnt, hat Weil einleuchtend dar- 
getan. Geradeso gehört Sept. 247 noch zur vorhergehenden Stichomythie, 
während die folgenden v. 248—269 als Abschluss der ganzen Scene das 
Gegenstück zu der dieselbe einleitenden Rede v. 163—184 bilden (vgl. 
Neue Jahrb. 1860 p. 861). 

“v. 257 sucht Schneidewin die gewöhnliche Lesart τί γὰρ τὸ πιστὸν 
ἐστὶ τῶνδέ σοι τέκμαρ:, worauf die Antwort der Königin nicht passt, 
dadurch zu verteidigen, dass er meint, jene erwidere auf die Frage, 
welchen Beweis sie habe, ablehnend oder ausweichend: aber wozu 
dies Ausweichen, da gleich nachher Klyt. so ausführlich die Feuerpost 
darstellt, dem Chor also offenbar in dieser Beziehung nichts verheimli- 
chen will? Auch die Schütz-Hermannsche Interpunktion τί γάρ; τὸ πι- 
στὸν κτλ. befriedigt nicht, da τί γάρ immer zur Begründung des Vor- 
hergehenden dient, wovon hier nicht die Rede sein könnte. Es_ ist ‚also, 
wenn wir nicht mit Meineke (Philol. XIX, 2) ändern wollen in ῆ γάρ τι 
πιστόν ἐστι τῶνδέ σοι τέκμαρ; mit Hartung zu lesen τί γὰρ τὸ πιστόν; 
ἔστι τὠνδέ σοι τέκμαρ: dann ist γάρ das gewöhnliche Zeichen der un- 
geduldigen Frage, τὸ πιστόν aber steht in der bei Äeschylos gewöhn- 
lichen substant. Bedeutung „Unterpfand “. Hinsichtlich der Stellung von 
ἔστι in der Frage vgl. Pers. 736 ἔστι τις σωτηρία; 

v. 259 verteidigt Ahrens gut das überlieferte εὐπειϑῆ gegen Blom- 
fields Neuerung εὐπιϑῆ. Aber zu v. 261 übt er eine wunderliche Kritik, 
indem er in ἀλλ᾽ ἡ σ᾽ ἐπίανέν τις ἄπτερος φάτις das Verbum ἐπίανεν 
als zu wenig respektvoll in der Anrede an die Königin verdächtigt (ob- 
gleich es Pind. Pyth. 2, 55 in der Bedeutung ‚erfreuen‘ steht und Phryn. 
in Bekk. An. 51, 6 erklärt λόγοις πιαίνειν, οἷον παραμυϑεῖσϑαι), da- 


COMMENTAR. 257 


gegen dem wunderbaren ἄπτερος nach Hesychs Glossen die Bedeutung 
„schnell“ vindiciert. Aber die ganz sich widersprechenden Erklärungen 
des Schol. ἐἰσόπτερος., κούφη und des Hesych. ταχύς, αἰφνίδιος. ἡδύς, 
προσηνής und endlich des Etym.M. ταχύς, ἰσόπτερος, ἔμμονος, ἄσμενος, 
ὀρϑός zeigen doch auf das deutlichste dass die alten Lexikographen bei 
ἄπτερος völlig in die Irre gingen und nur ratend und tastend dem Wort 
eine beliebige Bedeutung beilegten, die gerade in die & jedesmalige Stelle 
zu passen schien. Und da nun überall, wo wir jetzt ἄπτερος lesen, sich 
die einzig etymologisch gerechtfertigte Bedeutung „unbeflügelt‘“ durch 
eine gründliche Interpretation nachweisen lässt, so sind wir verpflichtet 
auch hier das Wort als „unbeschwingt‘“ zu fassen. Soweit ist Hermann 
ganz im Rechte; wenn er aber nun erklärt „das unbefiederte Gerücht“ 
sei ein noch „unreifes, vorzeitiges“, „comparaltione ab avibus petita“, 
so verstehe ich nicht, wie der sonst so vorsichtige Weil hierzu seine 
unbedingte Zustimmung geben kann. Nur wenn die Vergleichung der 
φάτις mit einem Vogel eine sehr geläufige gewesen wäre, hätte der 
Dichter ohne arge Undeutlichkeit so sprechen können; ausserdem be- 
merkt Hartung sehr richtig dass eine Sage doch nicht, je älter, desto 
zuverlässiger wird, und dass, wenn ihr später die Flügel wüchsen, sie 
gerade dann erst recht unzuverlässig würde. Schneidewin erklärt: „un- 
beflügelte und dennoch sich schnell verbreitende Rede der Menschen, im 
Gegensatz zu den beflügelten Träumen, von denen eben die Rede war“, 
aber diese Deutung wäre nur danın möglich, wenn die Träume eben vor- 
her v. 259 „‚beflügelte‘‘ genannt wären; denn dass sie v. 407 so heissen, 
verschlägt nichts, damit ist nicht gesagt dass sie der Vorstellung immer 
als „„geflügelt‘“ vorschweben. — So stehen wir denn vor einem noch 
ungelösten Rätsel. Aber sehen wir auf den ganzen Zusammenhang der 
Stelle, so ergiebt sich evideut dass die Erwähnung eines Gerüchtes, 
worauf die Königin ihre Ueberzeugung von Troja’s Fall begründe, hier 
völlig unstatthaft ist. Denn erstlich hätte von einem Gerücht der Chor 
ebenso gut hören müssen, wie die Königin; zweitens könnte diese, wenn 
sie gefragt wäre, ob sie ein Gerücht vernommen, nicht so beleidigt er- 
widern „du behandelst mich wie ein kleines Kind“, zumal da sie ja wirk- 
lich nur durch die φάτις ἀγγάρου πυρός von Troja’s Falle weiss; endlich 
aber hat sie durch die Worte v. 258 „ich habe einen sicheren Beweis, 
wenn mich nicht ein Gott täuscht“ auf das klarste gesagt dass ihre 
Kunde auf einem Götterzeichen beruhe, und nur nach einem solchen 
kann daher der Chor fragen. Das tut er auch v. 259, da er aber mit den 
Traumerscheinungen abgewiesen ist, bleibt ihm nur übrig sich zu erkun- 
digen, ob Klytämnestra durch ein günstiges Omen erfreut sei. Und dass 
er darnach wirklich fragt, beweist die stolz ablehnende, beleidigte Ant- 
wort der Königin. Nun aber ist der allgemeine Ausdruck für Vorzeichen 
οἰωνός oder ὄρνις, vgl. Arist, Av. 719 ὄρνιν ve νομέξζετε πάνθ᾽ ὅσαπερ 
περὶ μαντείας διακρίνει" φήμη γ᾽ ὑμῖν ὄρνις ἐστὶ πταρμόν τ᾽ ὄρνιϑα 
καλεῖτε, ξύμβολον ὄρνιν, φωνὴν ὄρνιν, ϑεράποντ᾽ ὄρνιν, ὄνον ὄρνιν. 
Und so muss Aeschylos geschrieben haben ἀλλ᾽ ἢ σ᾽ ἐπίανέν τις ὄρνις 


AESCHYL. AGAMEMNON. 17 


258 COMMENTAR. 


ἄπτερος; „so hat also ein Vorzeichen dich erfreut?“ ὄρνις mit kurzer 
Endsylbe ist völlig gesichert durch Soph. Ant. 1021 οὐδ᾽ ὄρνις εὐσή- 
μους ἀπορροιβδεῖ βοάς und Ar. Av. 276 τίς ὄρνις οὗτος: Durch den Zu- 
satz ἄπτερος soll in echt äschylischer Weise der Begriff ὄρνες aus der 
engeren ihm eigentlich angehörigen Sphäre in die weitere des Vorzei- 
chens hinübergeführt werden: Klytämnestra hätte zwar auch durch ein 
eigentliches Augurium ihre Kunde haben können, aber da sie am frühen 
Morgen mit der Gewissheit vom Falle Troja’ s aus dem Palaste tritt, so 
vermutet der Chor, sie müsse durch einen ἄπτερος ὄρνις ἃ. h. durch 
eine ‚Stimme, ein Niesen oder ein ähnliches Vorzeichen erfreut sein. Ὄρ- 
νις ἄπτερος ist also ein Oxymoron, wie v. 128 πτανοῖσειν κυσὶ πατρός 
(den Adlern), 1217 δίπους λέαινα (Klytämnestra), Sept. 64 κῦμα χερ- 
σαῖον (die Heereswoge), Eum. 249 anr&ooıs πωτήμασιν. Eine Bestäti- 
gung meiner Emendation sehe ich in Hesychs Glosse ἄπτερος. αἰφνίδιος. 
παρὰ Ὁμήρῳ. ὁ προσηνὴς ἢ ταχύς. “Αἰσχύλος ᾿Δγαμέμνονι (falsch 
interpungiert von M. Schmidt). Denn hieraus erhellt deutlich dass &rre- 
eo: an unserer Stelle mit einem Subst. masc. verbunden gewesen sein 
muss. — Die Corruptel aber erklärt sich leicht dadurch, dass zu ὄρνις 
die erklärende Glosse φάτις (= φήμη. Vorzeichen) hinzugeschrieben 
ward, die dann ὄρνεις verdräugte, aber des Metrums wegen hinter-are- 
ρος gestellt werden musste. 

Nachdem der Chur nun auch mit seiner Frage nach einer „göttlichen 
Stimme‘ abgewiesen ist, kann er nur glauben dass über Nacht eine 
wirkliche Botschaft von Troja gekommen; ‘dann aber muss die Stadt, 
meint er, schon seit längerer Zeit erobert sein, und daher fragt er: 
ποίου χρόνου δὲ κτλ. So hängt alles auf schönste zusammen. 


Beschreibung der Feuerpost v. 267 — 301. 


Eine grosse Schwierigkeit bietet die Ueberlieferung gleich im An- 
fang des prachtvollen Monologs dar. V. 269 sq. heisst es in den codd.: 
μέγαν δὲ πανὸν ἐκ νήσου τρίτον | ᾿ϑῷον αἷπος Ζηνὸς ἐξεδέξατο, | 
ὑπερτέλής τε πόντον ὥστε νωτίσαι ! ἰσχὺς πορευτοῦ λαμπάδος πρὸς 
ἡδονὴν | πεύκη τὸ χρυσοφεγγὲς ὥς τις ἥλιος | σέλας παραγγείλασα 
Mexiorov σχοπάς. Hier liest Hermann nach Schütz πεύκης statt πεύκη 
und πρὸς ἡδονὴν πεύκης soll bedeuten „ut pro lubitu luxuriaretur 
flamma“; ausserdem verwandelt er oxonag in σκοπῷ. Aber es ist klar, 
dass Aeschylos so nicht geschrieben haben kann: vor allen Dingen ist in 
dem zweiten Satze ὑπερτελής κτλ. ein eigenes Verbum erforderlich. Mit 
vielem Beifall ist daher die geistreiche Conjectur Bambergers aufgenom- 
men worden, woruach statt παραγγείλασα zu lesen wäre παρηγγάρευσε; 
statt σχοπάς aber σκοπαῖς oder σκοπῷ. Stalt παρηγγάρευσε vermutet 
Heimsoeth „die indirecte Ueberlieferung des äschylischen Textes ‘‘ p. 43 
παρηγγύησε, nicht ohne einen gewissen verführerischen Schein, da 
παραγγέλλειν die gewöhnliche Glosse für παρεγγυῶν ist; allein ab- 
gesehen von der Notwendigkeit dann auch oxor&c in einen Dativ zu 
ändern, kann ich nicht glauben dass die Abschreiber eine für παρηγγύησε 


COMMENTAR. 259 


in den Text geratene Glosse παρήγγειλε bloss um des Metrums willen, 
ohne Rücksicht auf den Sinn, in παραγγείλασα verwandelt haben sollten. 
Auch die übrigen von Heimsoeth „die Wiederhersiellung der Dramen des 
Aeschylos‘“ p. 10 und 180 mit grosser Sicherheit vorgebrachten Aende- 
rungen sind nicht glücklich. Er geht davon aus, dass „die erste Station 
des Feuertelegraphen nackt und mager dastehe“ und dass also zu 'Idn 
μὲν πρὸς “Ἑρμαῖον λέπας | “ήμνου das aus Hesych von: Dindorf diesem 
Monolog vindicierte, aber von ihm fälschlich in v. 286 eingesetzte προσ- 
αιϑρέξουσα πόμπιμον φλόγα gehöre. Ferner sei das unverständliche 
Scholion zu v. 272 μεγίστη πεύκη ἰσχὺς πυρός zu zerlegen in zwei gar 
nicht zusammengehörige Bemerkungen: μεγίστη πεύκη gehöre zu μέ- 
yav δὲ πανόν v. 269, ἰσχὺς πυρός aber zu ἰσχὺς πορευτοῦ λαμπάδος, 
und nachdem nun die erste Hälfte des Scholion an ihren richtigen Platz 
zurückgeführt sei, müsse man die ganze Stelle so berichtigen: Ἴδη μὲν 
πρὸς Ἑρμαῖον λέπας | Anuvov, προσαιϑρίξζουσα πόμπιμον φλόγα | 
πεύκης" μέγαν δὲ πανὸν ἐκ νήσου , τρίτον | ᾿Αϑῷον αἷπος Ζηνὸς &be- 
δέξατο" | ὑπερτελής TE, πόντον. ὥστε vorlsar, | ἐσχὺς 009. A. πρὸς 
ἡδονὴν | πέμπουσα χρυσ.. ὥς τις ἥλιος. | σέλας παρηγγύησε Μακί- 
στου σκοπῷ. Allein die von Heimsoeth vorgebrachten Argumente für 
seine gewaltsamen Aenderungen sind nichts weniger als stichhaltig. 
Dass der Dichter die erste und die zweite Station mehr andeutet, als 
pomphaft wie die übrigen beschreibt, hat seine guten stilistischen und 
materiellen Gründe: er wollte einfach und anspruchslos aufangen, um 
erst im Verlauf der Darstellung zur höchsten Pracht der Schilderung sich 
zu erheben, zugleich aber waren ihm die Stationen des Ida und der Insel 
Lemnos schwerlich so bekannt, dass er dort wie bei den übrigen Stoff 
und andere Besonderheiten des Fanals hätte angeben können. Hätte er 
aber schon die Idastation prächtig beschreiben wollen mit dem pompösen 
προσαιϑρίξουσα πόμπιμον φλόγα, so hätte er sicherlich nicht unter- 
lassen, dem Subjekt Ἴδη wie den übrigen Stationen auch ein eigenes 
Verbum zu geben. Heimsoeth, der vom Stil des Aeschylos so viel 
redet, hätte fühlen müssen dass das schwungvolle προσαιϑρέξζουσα.. ohne 
ein malendes Verbum zu Ἴδη hinzugefügt, eine den Schönhgitssiun ver- 
letzende Wunderlichkeit wäre. Aber auch seine kritische Behaudluug des 
Scholion μεγίστη πεύκη ἰσχὺς πυρός ist höchst unglücklich: was hätte 
durch μεγίστη πεύκη erklärt werden sollen? μέγαν πανόν meint Heim- 
soeth, aber daun hätte die Erklärung doch lauten müssen μεγέστην 
πεύκην. und welcher noch so absurde Scholiast hätte sich einfallen las- 
sen zu sagen „dass der Athos die grosse Föhre aufgenommen hätte?‘ 
Weg also mit dieser wahrhaft bodenlosen ‚ Wiederherstellung ““ des 
Aeschylos. — Auch Ahrens hat zur Berichtigung dieser Stelle nichts 
beigetragen. Seine geistreiche Conjectur πόντον ὥστε νωτίσαι L χϑὺς 
πορευτοῦ λαμπάδος πρὸς ἡδονήν „so dass das Meer die Fische auf sei- 
nen Rücken nahm zur Freude an der Flamme“, gewinnt zwar einen ver- 
führerischen Anschein durch die Berufung auf Oppian. Hal. 4, 641, wo 
wirklich von einem Anlocken der Fische durch Feuer die Rede ist, aber 


17* 





260 COMMENTAR. 


es ist unmöglich, dass Klytämnestra bei dieser grossartigen Schilderung 
des Feuertelegraphen an eine so kleinliche und entfernt liegende Wir- 
kung desselben, die doch kein Mensch hätte beobachten können, von der 
also auch sie selber nichts wusste, gedacht hat. — Grosses Verdienst 
dagegen hat sich Weil um die Berichtigung unserer Stelle erworben. Er 
verteidigt mit vollstem Recht 2oyvg πορευτοῦ λαμπάδος durch Verwei- 
sung auf σϑένουσα λαμπάς v. 281, das vermisste Verbum aber erkennt 
er mit hellem Blick in den verdorbenen Zeichen πεύκη τὸ v. 273, indem 
πρὸς ἡδονήν ein Verbum des „Fliegens“, ‚„‚Dahinstürmens “ verlange. 
Statt πεύκη τὸ vermutet er also ἐπέτετο, doch ist damit des Dichters 
Hand noch nicht völlig hergestellt: es ist klar dass wir ein Verbum ha- 
ben müssen, wovon der handschriftlich verbürgte Acc. Maxistov σκοπάς 
abhängt, und so zweifle ich kaum dass Aeschylos geschrieben hat ἰσχὺς 
πορευτοῦ λαμπάδος πρὸς ἡδονὴν | ἐπέσυτο — ΙΜακίστου σκοπας. 
Man vergleiche Eum. 778 λειχὴν ἄφυλλος ἄτεκνος --- πέδον ἐπισύμενος 
βρατοφϑόρους κηλῖδας ἐν χώρᾳ βαλεῖ und Eur. Hel. 1162 τείχεα --- 
ἐπέσυτο φλόξ. Dann hängt χρυσοφεγγὲς - — σέλας von παραγγείλασα ab, 
ähnlich wie v. 24 ἡμερήσιον φάος πιφαύσκων verbunden ist; vgl. v. 459 
φλογὸς παραγγέλμασιν: an dem Part. Aor. aber würde. sich Heimsoeth 
nicht gestossen haben, wenn er die triviale Wahrheit bedacht hätte, dass 
παραγγείλασα keineswegs heisst „nachdem sie gemeldet hatte“, son- 
dern ‚rasch, im Fluge meldend“. Die Corruptel erklärt sich nun sehr 
einfach: nachdem in ἐπέσυτο das Augment unkenutlich geworden war, 
konnte-ein Abschreiber gar leicht πεύκη τὸ daraus lesen, zumal wenn er 
seinen Blick auf das Scholion zum vorhergehenden Verse μεγίστη πεύκη 
ἰσχὺς. πυρός richtete. Aber was machen wir nun mit diesem Scholion? 
Heimsoeths Teilung ist, wie wir gesehen haben, unstatthaft: aber mit 
einer Aenderung, die kaum diesen Namen verdient, gewinnen wir eine 
ganz verständige Erklärung. Zu ἐσχὺς πορευτοῦ λαμπάδος schrieb 
nämlich der Scholiast hinzu μεγίστη πεύκῃ ἰσχὺς πυρός; womit er 
sagen wollte, der Dichter spräche deshalb hier von der ἐσχὺς λαμπάδος; 
weil die Kraft des Feuers am meisten verstärkt werde durch Föhren- 
holz. So liefert das emendierte Scholion den kaum trügenden Beweis 
dass im Vorhergehenden von einem Anzünden von Fichten die Rede ge- 
wesen sein muss: es ist ako die Vermutung von Schneidewin und 
Thiersch, dass vor ὑπερτελής τὲ eine Lücke in der Ueberlieferung sei 
„weil beim Athos allein nicht gesagt werde dass die Wache das von 
Lemnos empfangene Signal weitergesandt habe, während sonst überall 
ausdrücklich bemerkt werde, dass das von einer Station empfangene Zei- 
chen weitergesandt sei“, durch die Worte des Scholiasten glänzend be- 
stätigt. Eben in diese Lücke aber gehört ohne Frage, wie Weil sehr 
richtig gesehen hat, das von Diudorf aus Hesych diesem Mouulog revindi- 
cierte Fragment ng0001dgLLovon πόμπιμον φλόγα: und da nun ferner 
der Sprecher von νυ. 475 mit δαέων φλόγα [ὕλης ὀρείας σημανεῖ sich 
ausdrücklich auf Worte aus diesem Monolog zu beziehen scheint, in dem 
erhaltenen aber ὕλη ὀρεέα gar nicht vorkommt, so ist es um so wahr- 


COMMENTAR. 261 


scheinlicher, dass eben in dieser Lücke „der Bergwald‘‘ erwähnt war, da 
gerade der Athos durch seinen Holzreichtum sich auszeichnete. So wage 
ich nach Anzeichen, die ‚hoffentlich nicht trügerisch, sind, die ‚ganze Stelle 
von ἐξεδέξατο an so zu restituieren: ὕλης δ᾽ ὀρείας δὰς ἐσήμηνει 
πρόσω Ι πεύκῃ προσαιϑρίξουσα πόμπιμον φλόγα, ‚| ὑπερτελής TE, 
πόντον ὥστε νωτίσαι, | ἰσχὺς πορευτοῦ λαμπάδος πρὸς ἡδονὴν | ἐπέ: 
συτο. χρυσοφεγγὲς ὥς τις ἥλιος | σέλας παραγγείλασα, Μακίστου 
σκοπας. 

Im Folgenden ist dann der Berg Makistos in kühner Weise personi-. 
fiziert, sodass er sogar „vom Schlaf nicht bezwüngen“ heisst: wenn aber 
Land und Leute, Schiff und Mannschaft, Stadt und Einwohner schon in 
der gemeinen Sprache häufig mit einander verwechselt werden, so ist bei 
Aeschylos’ grossartiger Phantasie schwerlich daran Anstoss zu nehmen, 
wenn er statt der Wache des Berges diesen selbst als belebtes Wesen 
einführt. Kaum minder kühn ist es, wenn Hor. Od. IV, 14 von .,.der: 
kniebeugenden Alexandrea“ spricht. Dass aber Hermanns Aenderung Me- 
κίστου σκοπῷ (wornach ὁ δ᾽ οὔτι μέλλων auf den σκοπός zurückweisen 
sollte ) nicht richtig sein kann, geht schon daraus hervor, dass sonst 
überall bei den einzelnen Stationen eine Mehrzahl von Wächtern voraus- 
gesetzt wird, und natürlich! denn wie hätte ein einzelner die Zurüstung 
eines so gewaltigen Fanals beschaffen können? — v. 276 aber kann in 
der überlieferten Gestalt παρῆκεν ἀγγέλου μέρος nicht von Aeschylos 
herrühren. Denn Hermann bemerkt sehr wahr dass die Negation in οὔτι 
μέλλων, was soviel wie celeriter sei, nicht auf das Verb bezogen wer- 
den könne; wenn er deshalb aber παρῆκεν deutet alio transmisit nuntü 
officium, so tut er der Sprache Gewalt an: παρῆκεν kann nur heissen 
„vorbeilassen “ oder „ausser Acht lassen“. Der Dichter wird also ge- 
schrieben haben 007x:v „der Berg sandte den Boten weiter“. Aber 
auch ἀγγέλου μέρος ist schwerlich richtig. Natürlich kann dies nicht 
heissen „ein Stück des Boten“, denn damit würde die lebendige Personi- 
fication der Wanderflamme, die sonst so schön durchgeführt ist, ver- 
nichtet werden: aber es kann auch nicht, wie Hermann will, die dem 
Boten zugewiesene Aufgabe bedeuten, denn nicht diese unmittelbar, sou- 
dern den Boten selber befördert der Berg weiter. So denke ich dass 
Aeschylos in schöner Metonymie geschrieben hat ἀγγέλου u£voc „das 
Ungestüm des Boten (des Feuers)“ für „den ungestümen Boten“; die 
Corruption in μέρος konnte sich aber um so leichter machen, wenn über 
ἀγγέλου ein glossierendes πυρός stand. Auch v. 290 hat Rob. μέρει statt 
μένει. - v.285 ist τηλέπομπον aus dem eben vorhergegangenen πομ-. 
ποῦ πυρός corrumpiert; der Dichter wird τηλέπρεπτον geschrieben 
haben. Ebenso statt φάος, das gleich im zweiten Verse wiederkehrt, 
φλέγος. Hesych φλέγος φλέγμα. 

v. 286 las man früher ganz unbefangen nach der Ueberlieferung 
φρουρά. πλέον καίουσα τῶν εἰρημένων, bis Dindorf, an der Nüchtern- 
heit dieser Worte Anstoss nehmend, πλέον — εἰρημένων für Inter- 
polation erklärte und dafür das von Hesych erhaltene Fragment προσαι- 


262 COMMENTAR, 


ϑρίξζουσα πόμπιμον φλόγα in den Text setzte. Der ersten Begeisterung, 
womit diese Aenderung begrüsst ward, ist eine besonnene Erwägung 
gefolgt, der die grosse Unwahrscheinlichkeit von Dindorfs Annahme nicht 
hat entgehen können. Weil hat jenem Fragment seine richtige Stelle an- 
gewiesen und die überlieferte Lesart in Schutz genommen, und in Bezug 
auf letztere pflichtet Ahrens ihm bei. Freilich ist die Erklärung „mehr 
anzündend als die genannten Stationen‘ nicht möglich. Denn warum 
hätte die Wache auf dem Kithäron ein grösseres Feuer als die früheren 
anfachen sollen? ist es etwa vom Kithäron bis nach Megara weiter, als 
vom Athos bis nach Euböa? und wie käme dann Aeschylos dazu, von 
diesem allergrössten Fanal so einfach und nüchtern zu sprechen, während 
er die des Athos und des Messapios so pomphaft beschreibt? Wir müs- 
sen also mit Weil die Worte erklären „mehr verbrennend als geboten 
war“. Da könnte man nun freilich dem Dichter den Vorwurf machen, 
dass er die Königin etwas habe sagen lassen, was sie nicht wissen könne: 
aber auch in den übrigen Teilen des Monologs spricht sie von den eiu- 
zelnen Stationen der Feuerpost gerade so, als ob sie alle Anstalten der 
‘Wächter und die Reise der Botenflamme selbst mit angesehen hätte, und 
es ist ja auch psychologisch vollkommen richtig dass die durch eine 
grosse überraschende Freude lebhaft angeregte Phantasie als mit eigenem 
Auge gesehen malt, was der kühle Verstand nur durch Schlüsse erraten 
würde. Hier aber passt gerade zu der Litotes οὐκ nvalvero die positive 
Wendung ‚mehr verbrennend als geboten war‘ vortrefflich. Einen ganz 
ähnlichen Gedankengang werden wir sogleich im folgenden wiederfin- 
den. — Uebrigens gehört das zu πλέον καίουσα angeführte Scholion n 
τοῦ Κιϑαιρῶνος zu φρουρά und ist zu emendieren in ἡ τοῦ Κιϑαι- 
ὥνος. 
’ v. 288 u. 89 lauten nach der Ueberlieferung ὅρος τ᾽ ἐπ᾽ «Αἰγί- 
πλαγκτον ἐξικνούμενον | ὥτρυνε ϑεσμὸν μὴ “χαρίξεσϑαι πυρός. Aber 
hier ‚vermisst man um so mehr ein Objekt zu ὥτρυνε (denn ϑεσμὸν --- 
πυρός könnte ‚unmöglich davon abhängen), als im folgenden Vers mit 
πέμπουσι δ᾽ ἀνδαίοντες so fortgefahren wird, als wären die Wächter 
auf dem Aegiplankton eben vorher genannt. In ὅρος also, das sich aus 
dem Scholion ὄρος Μεγαρίδος eingeschlichen hat, steckt sicherlich ein 
Fehler: es ist zu lesen οὔρους τ᾽ ἐπ᾽ Alyinh. κτλ. sodass der Acc. 
οὔρους in regelrechter Struktur von ἐξικνούμενον abhängt, ἐπ᾿ Alyl- 
πλαγκτον aber „die Wächter, die über das Aegiplankton verteilt sind “, 
bezeichnet. Hesych erklärt ovgos durch βασιλεὺς φύλαξ σωτήρ, υπά 
zwar mit besonderer Rücksicht auf das homerische οὖρος ᾿Αχαιῶν, ge- 
ταῦθ auf unsere Stelle aber scheint sich die Glosse οὔρους φύλακας zu 
beziehen. Dann sind hier die Wächter ebenso wie v. 278 erwähnt; zu 
ὥτρυνε ist nun aber das Objekt „sie“ aus οὔρους zu entnehmen. — Aber 
wozu treibt nun das Wanderlicht die Wächter? ϑεσμὸν un χαρίξεσϑαι 
πυρός ist sinnlos: über die von Hermann aufgenommene Conjectur von 
Heath μὴ χατίξεσϑαι, die von Musgrave un παρίεσϑαι. die von Martin 
μὴ χρονίξεσθαι urteilt Weil sehr richtig, dass sie alle ungriechisch 


COMMENTAR. 263 


sind, indem sie nach ὥτρυνε wie nach dem lateinischen iubere den pas- 
siven Infinitiv statt des aktiven eintreten lassen. Derselben Verurteilung 
unterliegt auch Dindorfs neueste Conjectur μὴ barlfecdnı „dass die 
Feuerpost nicht zerschnitten, unterbrochen würde“ : die Beispiele, welche 
dieser verdienstvolle Kritiker (Neue Jahrb. 1863, p. 83) aus Scholien und 
dem Neuen Testament beibringt, können uns nicht überzeugen, dass 
Aeschylos hier μὴ ῥαχέξεσθαι für un βαχίζειν gesagt habe. --- Dagegen 
nach Hesychs Glosse yalıorov‘ σκαιὸν ἡ ἀγαϑόν vermutet Ahrens μὴ 
χαλίξεσϑαε,, ἀὰ5 Gesetz des Feuers nicht leichtsinnig zu vernachlässi- 
gen“, aber wie gewagt diese Conjectur ist, sieht jeder. Ausserdem hätte 
man längst fühlen müssen dass ϑεσμὸς πυρός in der hier vermuteten Be- 
deutung ‚, Feuerpost‘“ des Dichters ganz unwürdig wäre: er hätte das 
Wort ϑεσμός, das, wenn es ihm „Gesetz“ heisst, immer die uralte hei- 
lige Satzung der Götter ist, nicht in solcher Weise profaniert. Vielmehr 
gehört ‚ganz evident hierher die Glosse Hesychs ϑεσμούς τὰς συνθέσεις 
τῶν ξύλων, und mit μὴ χαρέξεσϑαι. das völlig unverdorben ist, wird 
eine Litotes, wie wir sie v. 285 gesehen haben, eingeführt. Dies Verbum 
ist an sich keineswegs, wie Karsten und Dindorf meinen, hier anstössig: 

es bezeichnet das willfährige Hergeben und schildert sehr gut (ebenso 
wie οὐκ nvelvero) den freudigen Wetteifer der Wache das befohlene 
auszuführen. Offenbar ist also πυρός als Glosse zu ϑεσμόν auszuschei- 
den und dafür ein Wort zu substituieren, das „gering , unbedeutend “ 
heisst. So schreibe ich ϑεσμὸν un χαρίζεσθαι Bo«yvv „einen gewalti- 
gen Holzhaufen herzugeben“. Dazu stimmt vortrefflich πέμπουσι δ᾽ av- 
ϑαίοντες ἀφϑόνῳ μένει. Zu dem Gebrauch von βραχύς vgl. Soph. El. 

7147 ἐν βραχεῖ χαλκῷ. 1102 ἐν βραχεῖ τεύχει. Ueber die Stellung der 
Negation vgl. Soph. 0.C. 295 λόγοισι, γὰρ οὐκ ὠνόμασται βραχέσι. Aesch. 
ΠΙκ. 925 δεδωμάτωμαι δ᾽ οὐδ᾽ ἐγὼ σμικρᾷ χερί. 

Eine grosse Schwierigkeit wartet unser wieder in dem nächstfol- 
genden. V. 200 —94 geben die codd. so: πέμπουσι δ᾽ ἀνδαίοντες 
ἀφϑόνῳ μένει. | φλογὸς μέγαν πῴγωνα καὶ Σαρωνικοῦ | πορϑμοῦ 
κάτοπτρον πρῶν᾽ ὑπερβάλλειν πρόσω | φλέγουσαν, εἶτ᾽ ἔσκηψεν, εἶτ᾽ 
ἀφίκετο | Αραχναῖον αἷπος. ἀστυγείτονας σκοπάς. Hier sind die ersten 
Worte bis καί vollkommen klar und κάτοπτρον ist durch Canters Emen- 
dation, die durch das Scholion τὸ κατόψιον glänzend bestätigt wird, in 
κάτοπτον verwandelt, aber im Folgenden, namentlich in v. 293, herrscht 
eine heillose Zerrüttung, aus der sich die Hand des Dichters schwerlich 
mit völliger Gewissheit herstellen lassen wird. Ganz verfehlt ist Her- 
manns Restitutionsversuch: er lässt ὑπερβάλλειν von πέμπουσιν ab- 
hängen (sehr hart), φλέγουσαν soll sich dem Sinne nach auf φλογὸς μέ. 
yav πώγωνα beziehen (unmöglich), und indem er dann schreibt ἔστ᾽ 
ἔσκηψεν, eur ἀφίκετο ᾿ἀραχναῖον αἷπος. ἀστυγείτονας σκοπάς » schafft 
er eine gezwungene Structur und eine ebenso schwierige sachliche Ver- 
wicklung. — Ein ganz neues Licht sucht Ahrens über die Stelle zu ver- 
breiten. Er bemerkt, das Gestade des später so genaunten Saronischen 
Golfs sei am Südrande der Bucht von Kenchreä (über diese Bucht führt 


ww 


261 COMMENTAR. 


die gerade Linie vom Aegiplankton nach dem Arachnäon‘ nur 2407 Fuss 
hoch, während das Aegiplaukton im Gebirge Geranea eine Höhe von 
4220 Fuss, das Arachnäon von 36% Fuss habe; demnach habe das Gestade 
der Bucht von Kenchreä kein Hinderniss für die Flamme bilden können. 
Also habe Aeschylos unter πορϑμὸς Σαρωνικός gar nicht den später seit 
Strabo so genannten Saronischen Golf verstehen können, sondern die 
weit südlich liegende Bucht von Trözen (so erklärt allerdings auch der 
Scholiast), und der xaromıoc πρὼν Σαρωνικοῦ πορϑμοῦ sei also die 
Halbinsel Methana, die man von der athenischen Akropolis aus habe sehen 
können. Nun liege zwar jener Punkt für die Fahrt der Signalflamme weit 
seitwärts; aber er sei genannt, um eine Vorstellung von der Stärke des 
Feuers zu geben, das Miene gemacht habe, bis nach Methana zu springen. 
Daher sei die Stelle so zu schreiben: καὶ Σαρωνικοῦ | πορϑμοῦ κατο- 
πτον πρῶν᾽ ὑπερβάλλειν πρόσω | φλύουσ᾽ ἂν εἶτ᾽ ἔσκηψεν., ἔστ᾽ ἀφί- 
κετο κτλ. „und während sie (φλόξ) prahlte, sie könne auch über das die 
Saronische Bucht überschauende Vorgebirge fern hinausdringen, fuhr sie 
hin, bis sie etc.“ — In der Tat! eine ebenso gelehrte, wie unpoetische 
Erklärung! Ich will nicht sprechen von den grammatischen und stilisti- 
schen Bedenken, die sich gegen Ahrens’ Conjectur erheben: aber darf 
man dem einfach grossen Aeschylos die künstliche Spielerei zutrauen, 
dass er, um die Stärke eines in möglichst gerader Linie fortwandernden 
Fackellichtes zu beschreiben, hätte angeben sollen, wie weit der Schein 
nach seitwärts dringen könnte? Sehen wir in diesem ganzen Monolog 
etwas auch nur entfernt ähnliches? Und in Bezug auf den Ausgangspunkt 
dieser neuen Gonjectur, in Bezug auf die Höhenverhältnisse, behandelt 
Ahrens doch denPDichter, als habe dieser schonKiepert studiert. Uebrigens 
hat sich der bei aller Grossartigkeit der Phantasie doch höchst verstän- 
dige Aeschylos wohl hüten wollen, zwischen die Stationen Berge zu legen, 
die jene überragten: er hat eben so gut wie wir gewusst dass der Licht- 
stral in seiner Wanderung keine Krümmungen macht, um über die Berge 
zu klettern. 

So werden wir doch wohl trotz Ahrens und dem Scholiasten glau- 
ben müssen dass schon Aeschylos den ganzen von Argolis Corinthia und 
Megaris umschlossenen, östlich durch Methana Aegina und Salamis be- 
grenzten Golf als „saronischen Meerbusen “ bezeichnet hat (dem wider- 
spricht auch keineswegs Eur. Hipp. 1200) und dass der κάτοπτος πρὼν 
Σαρωνικοῦ πορϑμοῦ das hohe schroffe Gestade an der südlichen Seite 
der Bucht von Kenchreä ist, das durch die grade von Geranea nach dem 
Arachnäon führende Linie geschnitten wird. Ohne Frage beginnt nun mit 
καὶ Zaupwvıxoü ein neuer Satz, in welchem φλογὸς μέγας πώγων Sub- 
jekt ist: das zeigt die Analogie von v. 270 sq., v. 275 sq., v. 279 sq., 
v. 285 sq., wo jedesmal , nachdem von der Wache gesagt ist, dass sie das 
Fanal absendet, eine Beschreibung der Wanderung der Flamme folgt. 
Das fühlte sehr klar und bestimmt Scaliger, indem er für ὑπερβάλλειν 
vermutete ὑπερβάλλων, den folgenden arg zerrütteten Vers aber liess er, 
an einer sicheren Emendation verzweifelnd, unberührt. Mit grossem 








COMMENTAR. 265 


Scharfsinn ist dann Hartung der von Scaliger gefundenen richtigen Spur 
nachgegangen: erkennend dass zu pA&yovoav nun ein weibliches Subst. 
- mit dem Begriff „Glanz“ gehöre, hätte er gern gelesen ῳφλέγουσαν αἴγλην 
σκῆψεν, aber wegen der Unzulässigkeit der augmentlosen Form stützte 
er sich lieber auf Hesychs sehr zweifelhafte (von Schmidt verworfene) 
Glosse afre, πνοήν und las nun φλέγουσαν αἷτ᾽ ἔσκηψεν, ἔστ᾽ ἀφί- 
xero, indem er ἔστε für das zweite εἶτα von Stanley annahm. Den rich- 
tigen Gedanken hat Hartung damit hergestellt, denn der Dichter schildert 
hier offenbar die Wanderflamme unter dem Bilde eines weithin seinen 
Glanz versendenden Kometen, wie er sie oben mit Sonne und Mond 
verglich; auch ist ἔστ᾽ ἀφέκετο sehr gut, aber im übrigen ist die von 
ihm dem Gedanken gegebene Form durchaus unzulässig. Erstlich kann 
der Dichter nicht im Objekt desselbigen Satzes, worin φλογὸς μέγας πώ- 
γῶν Subjekt ist, φλέγουσαν gebraucht haben: dies Wort ist nur ver- 
schrieben aus p&yyovoav, das Hesych zum Glück eben aus dieser Stelle 
erhalten hat, indem er erklärt φέγγουσαν, λαμπρύνουσαν d. h. „Tages- 
helle verbreitend“. Sodann aber, wenn im cod. Alex. dieser Vers so un- 
leserlich war, dass φέγγουσαν in φλέγουσαν. das dazu gehörige Subst. 
in εἶτ᾽ und gleich darnach ἔστ᾽ abermals in εἶτ᾽ corrumpiert ward, kön- 
nen wir dann zweifeln, dass auch ἔσκηψεν nur aus mühseliger Erratung 
verdorbener Zeichen hervorgegangen und unecht ist? Denn wenn der 
Dichter erst v. 287 ἔσκηψεν, v. 295 wieder σκήπτει gebraucht hat, so 
ist es vollkommen sicher dass er nicht dazwischen v. 293 noch einmal 
ἔσκηψεν schrieb. Fällt aber dieses Verbum, so fällt auch die Nötigung 
zu dem sehr gewagten Subst. αἶτα. das Hartung vorgeschlagen, und lie- 
ber werden wir auf seine erste Vermutung αἴγλην zurückgehen. So 
glaube ich dem unzweifelhaft richtig hergestellten Gedanken eine des 
Dichters wenigstens nicht unwürdige Form zu „geben, wenn ich schreibe 
καὶ Σαρωνικοῦ | πορϑμοῦ κάτοπτον πρῶν ὑπερβάλλων πρόσω | φέγ- 
γουσαν αἴγλην (oder ἀτμὴν oder ὄγκην oder «xriv’) nkev, ἔστ᾽ ἀφί- 
xero κτλ. Hesych. ἥιξεν ὥρμησεν, bekanntlich aber kommt diese Form 
öfter transitiv vor. Das Part. Präs. ὑπερβάλλων ist sehr bezeichnend, um 
das gleichsam mühvolle, langsame Hinweggehen des Kometenschweifes 
über das hohe Gestade der Bucht von Kenchreä zu schildern. 

v. 297 ist statt des von Hermann beibehaltenen τοιοέδ᾽ ἕτοιμοι mit 
Schütz ohne Frage τοιοίδε τοί uoı zu schreiben, denn bei ἕτοιμοι wäre 
σαν nicht zu entbehren, während wir zu τοιοέδε τοί uoı ohne Schwie- 
rigkeit εἰσίν ergänzen. Im folgenden Vers aber kann das bisher unan- 
gefochtene πληρούμενοι nicht richtig sein. Denn ἄλλος παρ᾽ ἄλλου 
kann sich doch nicht auf die das Ganze bezeichnenden νόμοι beziehen, 
sondern auf die einzelnen λαμπαδηφόροι: es ist im Nom. hinzugefügt, 
weil λαμπαδηφόρων νόμοι soviel ist als λαμπαδηφόροι τεταγμένοι. Wie 
könnte man nun aber sagen λαμπαδηφόρον πληροῦν) Die einzelnen 
Posten beobachteten einander vielmehr , indem sie sich ablösten, und 
so lese ich ἄλλος παρ᾽ ἄλλου διαδοχαῖς τηρούμενοι. Hesych τηρεῖ, 
φυλάσσει; φρουρεῖ. 





266 ° COMMENTAR. 


Zu v. 289 vgl. Hesych λαμπάς, λαμπάδος ἀγών, καὶ ὃ νικήσας 
λέγεται λαμπαδηφόρος. Darnach ist klar dass Aeschylos trotz der ver- 
schiedenen λαμπαδηφύροι, die eben erwähnt sind, als eigentlichen Sie- 
ger oder λαμπαδηφόρος den Hephästos bezeichnet, der als erster Läufer 
zugleich auch der letzte gewesen sei (vgl. v. 266). 

Ueberblicken wir nun aber den ganzen Monolog, so ist die Gliede- 
rung desselben in correspondierende Teile so einleuchtend, dass, nach- 
dem Weil einmal darauf hingewiesen hat, das bewusste Streben des 
Dichters einen vollkommen symmetrischen Bau herzustellen nicht mehr 
geleugnet werden kann. Der erste V. 266 gehört noch der vorhergehen- 
den Stichomythie an; dann folgen zwei Gruppen von je 10 Versen (jede 
gegliedert in 4, 2, 4), und in diesen bilden namentlich v. 271—74 und 
v. 281 —84 der Form und dem Inhalt nach unverkennbare Gegenbilder ; 
demnächst kommen drei durch bedeutungsvolle Pausen von einander ge- 
schiedene Gruppen von 5, 7, 5 Versen, von welchen die mesodisch ein- 
geschlossene die prachtvollste ist, die beiden correspondierenden aber 
gleichmässig in je 2, 1, 2 Verse sich gliedern. 


Antwort des Chors v. 302— 305. 


Die Lesart der besten Handschrift, des Bess., διηνεκῶς ϑέλοιμ᾽ 
ἂν ὡς λέγεις πάλιν, die mit Blomfields Vermutung völlig zusammentrifft, 
ist so klar und einfach dass kaum zu begreifen ist, warum Hermann 
Bothes Conjectur οὖς λέγεις aufgenommen hat. Es ist zu construieren: 
„diese Worte möchte ich noch einmal ausführlich hören und bewundern, 
wie du sie vorträgst “. Aöyovs τούσδε sollte eigentlich Objekt des ab- 
hängigen Satzes ὡς λέγεις sein, es drängt sich aber im Gegensatz zu 
ϑεοῖς μέν vor. — Heimsoeth „die Wiederherstellung “ p. 398 liest nach 
dem Flor. und Farn. ὡς λέγοις und construiert: „diese Erzählung zu hö- 
ren und zu bewundern, möchte ich, dass du sie noch einmal ausführlich 
vortrügest“. Ich muss aber die Verbindung ϑέλοιεμ᾽ ὧν ὡς Ayoıg „ich 
möchte dass du sagtest‘ für ungriechisch halten, bis ich durch unzweifel- 
hafte Beispiele von, der Zulässigkeit dieses ὡς überzeugt bin. 

Den folgenden Vers Τροίαν ᾽Αχαιοὶ τῇδ᾽ ἔχουσ᾽ ἐν ἡμέρᾳ weisen 
die neueren Herausgeber seit Stanley der Klytämnestra ‚als nachdrückliche 
Wiederholung des von der Einnahme gesagten zu. Aber dann wäre das 
folgende Asyndeton οἶμαι βοὴν ἄμικτον höchst auffällig, man müsste 
mit Auratus οἶμαι βοὴν δ᾽ ἄμικτον schreiben. Ausserdem hätte die 
Königin, wenn sie nachdrücklich das gesagte hätte wiederholen wollen, 
ἔχουσε vorangestellt. Man hat daher den codd. zu folgen, welche ein- 
stimmig die Rede Klytämnestras erst mit οἶμαι βοήν beginnen und v. 305 
mit dem vorhergehenden verbinden. Die Worte gehören noch dem Chor 
im Sinne einer erstaunten Frage, die das Gehörte kaum zu fassen ver- 
mag. Dann spricht der Chorführer seine legitimen 4 Verse, und diese 
stehen mit den genau ebenso gegliederten v. 336—39 in deutlicher Gor- 
respondenz, sodass der zweite Monolog der Königin von zwei symmetri- 
schen Partien umschlossen ist. 











COMMENTAR. 267 


Klytämnestras Rede v. 306 — 335. 


v. 308 nimmt Ahrens mit Recht das überlieferte οὐ φέλως., wofür 
Stanley und nach ihm Schütz, Porson, Blomfield, Hermann οὐ φέλω schrie- 
ben, in Schutz. 

v. 311 sq. geben die codd. so: οὗ μὲν γὰρ ἀμφὲ σώμασεν πεπτω- 
κότες | ἀνδρῶν κασιγνήτων te καὶ φυταλμίων | παῖδες γερόντων 

οὐκέτ᾽ ἐξ ἐλευϑέρου | δέρης ἀποιμώξουσι φιλτάτων μόρον. Hierin 
nahm Hermann Anstoss an der Erwähnung der Greise als Vaterlands- 
verteidiger, weshalb er schrieb καὶ φυταλμίων | παῖδες τεκόντων 9 mit 
Berufung auf Soph. im Etym. M. p. 803, 5 προσῆλϑε μητρὶ καὶ purel- 
ulo πατρί. Aber Weil bemerkt dagegen mit vollem Recht, dass φυταλ- 
ulov τεκόντων eine Tautologie enthalte, die nicht durch φυτάλμιος 
πατήρ gerechtfertigt werden könne; denn πατήρ nenne nur den Vater, 
während 7:x0v sein Wesen erkläre. Sehr bestechend ist dagegen Weils 
eigene Conjectur καὶ φυταλμιοι | παίδων γέροντες, zumal nach dem 
Citat aus Herod. I, 87, wornach im Frieden die Kinder ihre Väter begra- 
ben, im Kriege aber die Väter ihre Kinder. Aber zweierlei ist hier doch 
anstössig: erstlich wenn als Subjekt ausdrücklich die Greise genannt wer- 
den, warum dann doch nicht die Frauen, die bei ἀνδρῶν κασιγνήτων Te 
so offenbar als Trauernde gedacht werden? und dann ist im eroberten 
Troja die Lage der Dinge doch eine ganz andere als im gewöhnlichen 
Kriege: hier begraben die heimgehliebenen Väter ihre todt zurück- 
gebrachten Söhne, aber im verwüsteten Troja ist alles Männliche mit dem 
Schwert gemordet, Klytämnestra denkt sich ja recht geflissentlich die 
Sieger als übermütig hausend, die nur das für die Sklaverei brauchbare, 
Weiber und Kinder, verschont haben. So würden die Greise hier gar 
nicht einmal als Subjekt passen, da nach Virg. Aen. II, 550 selbst der 
wehrlose Priamus fällt, viel drastischer würden die Mütter als um ihre 
Söhne jammernd genannt werden. Dieselben Bedenken gelten gegen 
Ahrens’ Conjectur ἀνδρῶν κασιγνήτων τέκνων φυταλμίων, παῖδες 
γέροντες, gegen welche ausserdem das harte viergliedrige Asyndeton und 
die hässliche Verscäsur sprechen. Vergleichen wir nun aber Sept. 329, 
wo es heisst dass in der eroberten Stadt πρὸς ἀνδρὸς ἀνὴρ καίνεται, 
und 344, wo die Jungfrauen klagen dass sie dem Sieger als Sklavinnen 
folgen müssen, ferner Virg. Aen. II, 766, wo als Kriegsgefangene pueri 
et pavidae longo ordine matres geuannt werden, oder Ovid. Met. XII, 
412, so scheint es unzweifelhaft zu sein, dass die Corruptel der ganzen 
Stelle nur im Ausfall eines Verses gesucht werden darf, eines Verses, 
in welchem auch die Frauen als Wehklagende genannt waren; denn 
Frauen und Kinder allein denkt Klytämnestra sich als Kriegsgefangene. 
So glaube ich dass die Partie ohne irgend eine Aenderung des über- 
lieferten so zu restituieren ist, dass wir nach φυταλμέων etwa folgenden 
Vers einschieben πατέρων γυναῖκες, νυμφέων νεάνεδες. Daun sagt die 
Königin: „die einen (natürlich ohne Unterschied des Geschlechts zunächst 
als Troer im Masc. bezeichnet) halten die Leichen der Ihrigen umschlun- 


268 COMMENTAR. 


gen, Weiber ihre Männer, Brüder und Väter, Bräute ihre Verlobten, Kin- 
der Greise, aber sie alle, Weiber und Kinder, sind jetzt Kriegsgefangene. 
v. 318 sq. las man früher: ἀλλ᾽ ὡς ἕκαστος ἔσπασεν τύχης πάλον, 

ἐν αἰχμαλώτοις Τρωϊκοῖς οἰκήμασιν ναίουσιν ἤδη κτλ. Das.hiess also: 
„sie frühstücken nicht nach irgend einem Merkmal in Reih und Glied, 
sondern sie wohnen ganz nach Zufall in den eroberten Häusern“. Dann 
hätte der Dichter mit „sondern“ nicht einen Gegensatz eingeleitet, viel- 
mehr hätte er damit einen Nebenweg eingeschlagen. Aber so incorrect 
spricht Aeschylos nicht. Unzweifelhaft richtig hat daher Weil nach παά- 
λον ein Punktum gesetzt, sodass wir nun den correcten Gegensatz haben: 
„nicht in Reih und Glied, sondern ganz nach Zufall“. Wenn er dann 
weiter schreibt ἐν δ᾽ αἰχμαλώτοις, so könnte es zwar bedenklich schei- 
nen, durch δέ die Präposition von ihrem CGasus zu trennen, aber auch 
v. 725 heisst es ἐς δ᾽ ἀγαϑᾶς τύχας γένει βλαστάνειν — οἰξύν. 

Jedenfalls beginnt nun aber der neue Satz nach ναίουσιν ἤδη. Denn 
Kiytämnestra spricht diese Worte ja am ersten Morgen nach der Erobe- 
rung Trojas; wohl kann sie also sagen „die Griechen wohnen nunmehr 
in den eroberten Häusern“, aber sie schon jetzt „befreit vom Tau und 
Reif des Himmels“ zu nennen wäre deshalb unpassend, weil sie noch 
keine Nacht dort geschlafen haben. Uuzweifelhaft also sind die Worte 
τῶν ὑπαιϑρίων κτλ. mit εὐδήσουσι zu verbinden, denn nur in der Nacht 
kümmert einen Tau und Reif. Es ist darum aber nicht nötig nach τῶν 
ein δ᾽ einzuschieben, da dieser neue Satz die Folgerung aus dem vorher- 
gehenden enthält. Aber was ist nun mit dem unglücklichen ὡς δυσδαί- 
uoves, das die codd. bieten, zu machen? Jedenfalls muss hier das durch 
Conjecturen hereingebrachte δέ beseitigt werden, da der Satz nicht mit 
ὡς beginnt. Schon darum sind die auch aus „anderen Gründen zu ver- 
werfenden Conjecturen ὡς δὲ δαίμονες und ὡς δ᾽ ἁλήμονες zurückzu- 
weisen: wenn man aber neuerdings fast allgemein ὡς εὐδαέμονες liest 
und den Satz als Ausruf fasst, so vergisst man dass dafür Klytämnestras 
Rede zu würdevoll ist. Ganz verfehlt ist die Vermutung von Heimsoeth 
„die Wiederherstellung‘‘ p. 253: ὡς ἐν evöiz „wie im Friedenszustande“, 
denn εὐδία kanı nur tropisch den Frieden bezeichnen, in einer Verglei- 
chung aber einen tropischen Ausdruck statt des eigentlichen zu setzen 
wäre ein arger Stilfehler. Nur darin hat Heimsoeth richtig gefühlt, dass 
ὡς hier notwendig eine Vergleichung einführe. Da nun aber die Griechen 
in Feindesland sind, so müssen sie, wenn es von ihnen heisst dass sie 
ohne Wachposten schlafen, mit den Eingeborenen oder ihren Freunden 
verglichen werden. Als die leichteste würde sich daher die Aenderung 
ὡς αὐϑαίμονες empfehlen, wenn sich aus dem Zusammenhang der Dativ 
τοῖς αἰχμαλώτοις ergänzen liesse; so aber seh’ ich keine andere Möglich- 
keit, als mit stärkerer Abweichung von der Ueberlieferung ὡς αὐτόχϑο- 
vec zu lesen. Bestätigt wird diese Vermutung durch das folgende: denn 
eben Idadurch dass die Griechen mit den Landeskindern verglichen wer- 
den, ist der Gedanke an die Landesgötter, in deren Schutz sich die Sie- 
ger gestellt haben, gefordert. 


COMMENTAR. 269 


v.325 schreibt Auratus statt αὖϑις αὖ ϑάνοιεν ἄν (Bess. ἂν ϑάνοιεν 
ἀν) mit herrlicher Emendation αὖϑις ἀνθϑαλοῖεν ἀν. Aber der Anfang 
des Verses, in welchem Bess. οὐκ ἀνελόντες. die anderen codd. οὐκ ἂν 
γ᾽ ἑλόντες ‚geben, scheint bis jetzt noch nicht geheilt zu sein. Hermann 
schreibt οὐτὰν ἑλόντες, allein die Versicherung stimmt nicht zu dem 
vorsichtig reservierten Wesen der Königin, welche im Gegenteil jede 
Möglichkeit ersinnt, wie dem Heere Unglück erwachsen könne. Ich lese 
daher mit sehr geringer Aenderung der Lesart des Bess. οὐχ ἀνελόντες: 
den Artikel würden wir nur ungern entbehren. 

Gewiss aber ist v. 327 nach Bess. πορϑεῖν statt des von Hermann 
aus Vict. aufgenommenen ποϑεῖν zu lesen. Demu es soll ja eben der Ge- 
gensatz zur Verehrung der Götter und ihrer Tempel bezeichnet werden: 
diesen Gegensatz drückt sehr deutlich πορϑεῖν ὰ μὴ χρή. aber keines- 
wegs ποϑεῖν ἃ μὴ χρή aus. Und v. 505 prahlt ja gerade der Herold, 
die arglistige Ahnung der Königin bestätigend, dass die Tempel der Göt- 
ter umgestürzt seien. Nur das folgende κέρδεσιν νικωμένους giebt der 
Conjectur ποϑεῖν einen Anstrich von Wahrscheinlichkeit, aber es passt 
ebenso gut zu πορϑεῖν : denn mit der Verwüstung der Heiligtümer iden- 
tisch ist ihre Plünderung, zu welcher die Gewinnsucht verlockt. Wenn 
übrigens Hesych nach unserer Stelle κέρδεσι durch πανουργίαις erklärt, 
so ist auch diese Glosse eine Bestätigung der Lesart πορϑεῖν 9 indem sie 
zeigt, wie man bemüht gewesen ist κέρδεσιν νικωμένους mit πορϑεῖν 
in einen vernünftigen Zusammenhang zu bringen. 

Hinter diesen Vers gehören aber ohne Zweifel die Worte πολλῶν 
γὰρ ἐσθλῶν τὴν ὄνησιν eiAounv, welche in den codd. die Rede Kiy- 
täınnestras schliessen (bei Hermann v.335), denen aber trotz der verschie- 
densten Aenderungen an jener Stelle bisher kein genügender Sinn hat 
abgewonnen werden können. Die ganze Rede muss in legitimer Weise 
schliessen mit den zwei Versen τοιαῦτα τοι γυναικὸς ἐξ ἐμοῦ κλύεις" τὸ 
δ᾽ εὖ κρατοίη μὴ διχορρόπως ἰδεῖν, namentlich aber durfte diesem letzten 
Segenswunsche, der gleichsam ein Amen enthält, nichts mehr hinzugefügt 
werden. Hinter v. 327 dagegeu passen jene Worte vortrefflich, wenn 
wir sie ändern in πολλῶν γὰρ ἐσϑλῶν τὴν ὄνησιν εἷλον &v „denn 
(wenn sie die Tempel zerstörten) würden sie sich damit den Genuss vieler 
Güter veruichten, nämlich die Freude an ihrem Siege, die sie in der 
Heimat ‚geniessen sollen“. Daran schliesst sich nun wunderschön δεῖ 
γὰρ πρὸς οἴκους κτλ, an. εἶλον steht dann im Sinne von ἀνεῖλον, wie 
in Eur. Alc. 1075 un μ᾽ ἕλῃς nonuevov. Auch Hesych und Etym. M. 
erklären afgeiv durch πέρϑειν. 

Das folgende geben nun die codd. so: δεῖ γὰρ πρὸς οἴκους νοστέ- 
μου. σωτηρίας | κβμψαι διαύλου ϑάτερον κῶλον πάλιν" Ι. ϑεοῖς δ᾽ 
ἀναμπλάκητος εἶ μόλοι στρατός, | ἐγρήγορον τὸ πῆμα τῶν ὀλωλό- 
των | γένοιτ᾽ ἂν, εἰ πρόσπαια μὴ τύχοι κακά. Hier sind die beiden 
ersten Verse völlig verständlich und schön, wenn wir erklären: „denn 
noch gilt es, wieder nach Hause das andere Glied der Doppelbahn, näm- 
lich das Glied der glücklichen Heimkehr, zurückzulegen‘“. So erklärt auch 


270 COMMENTAR. 


der Scholiast. Aber wegen der imFolgenden sich ergebenden Schwierig- 
keiten stellt Ahrens in kühnerer Weise die Verse so um: δεῖ γὰρ πρὸς 
οἴκους νοστίμου σωτηρίας" | ϑεοῖς δ᾽ ἀναμπλάκητος εἰ μόλοι στρα- 
106, | κάμψαι διαύλου ϑάτερον κῶλον σάλιν | γένοιτ᾽ ἂν, εἰ πρόσ- 
παια μὴ τεύχοι κακὰ | ἐγρήγορον τὸ πῆμα τῶν ὀλωλότων. und Weil 
stimmt ihm hierin neuerdings bei. Aber erstlich wäre es nicht äschy- 
lisch, κάμψαι ---- γένοιτ᾽ ἄν zu sagen für κάμψειεν ἄν (ganz anders ist 
die Wendung, wo das wünschende γένοιτο dem Inf. vorangestellt wird, 
wie v. 34), sodann aber wäre der Gedanke „wenn das Heer sich nichts 
gegen die Götter zu Schulden kommen liesse, so würde es wohl heim- 
kehren‘ nur eine müssige Wiederholung des schon in v. 323—25 gesag- 
ten. An der überlieferten Reihenfolge der Verse ist also um so weniger 
zu rütteln, da das μόλοι ganz deutlich auf die wirkliche Heimkehr sich 
bezieht: mit wahrer Angst sucht Klytämnestra, die ihren Gemahl zu ver- 
derben trachtet, alles auf, was dem Heer und seinem Führer vorher Scha- 
den bringen und diesen ihrer Rache entziehen könnte, und so ergeht sie 
sich, nachdem das Thema von den Sünden gegen die Götter abgetan ist, 
in der weitereh Befürchtung ‚ja, selbst wenn das Heer, den Göttern un- 
verschuldet, heimkehrte, so wäre noch Schlimmes zu befahren ““. Daher 
ist die von Hermann aufgenommene Conjectur Stanleys ϑεοῖσι δ᾽ ἀμ- 
πλάκητος unbedingt zurückzuweisen, auch ist das überlieferte ἐγρήγο- 
00v, das sich bei Hesych findet, von Ahrens mit Recht verteidigt gegen 
Porsons und Hermanns ἐγρηγορός, aber ich verstehe nicht, wie „das den 
Todten widerfahrene Leid wieder aufwachen kann“, denn die Rache 
der Genmrdeten schläft nie, sie ist immer lebendig. So heisst es Ch. 
320: „o Kind, den Geist des Todten bändigt niemals der Zahn des 
Feuers: später zeigt er jedenfalls seinen Zorn. Aus der Klage um den 
Todten springt der Schadenstifter, der ἀλάστωρ, ans Licht“. Deshalb ist 
es notwendig ἐγρήγορον mit zum Subj. τὸ πῆμα (vielleicht φρόνημα 
nach Ch. 320) zu ziehen „das nie schlummernde Leid der Todten“. Dann 
aber ist γένοιτ᾽ ἄν ohne Prädikat und es ist hier eine Lücke indiciert, 
dadurch entstanden, dass der Abschreiber nach γένοιτ᾽ ἄν auf die ent- 
sprechende Stelle des folgenden Verses übersprang. So erhalten wir zu- 
gleich die Möglichkeit , die zweite nachträglich eingeführte Hypothesis εἰ 
πρύσπαια un τύχοι κακά mit dem ungern vermissten καί einzuleiten. 
Die ganze Stelle also versuch’ ich ohne eine Aenderung des überlieferten 
so zu restituieren: ϑεοῖς δ᾽ ἀναμπλάκητος εἶ μόλοι στρατός. | ἐγρήγο- 
ρον τὸ πῆμα τῶν ὀλωλότων | “γένοιτ᾽ ἂν αὐϑις ὀλέϑριον νικηφόροις 
πρόμοισι, KEl πρόσπαια μὴ τύχοι κακά: „ja, wenn das Heer auch ohne 
Schuld gegen die Götter heimkehrte, so könnte noch immer das nie 
schlummernde Weh der Todten den Siegern wiederum verderblich wer- 
den, selbst wenn neues (Schol. „erst jetzt sie treffendes‘“‘) Unheil nicht 
einträte“. 

Ueberblicken wir nun die ganze Rede der Königin, so ergiebt sich 
von selbst folgende Symmetrie der Perioden: Auf zweimal fünf Verse fol- 
gen zwei Sätze von je vier Zeilen; dann kommen zwei correspondierende 











COMMENTAR. . 271 


Gruppen von je drei Versen, in welchen namentlich das im dritten Verse 
am Ende stehende ἂν auf die Responsion hinweist; der Schluss endlich 
wird durch 2, 4, 2 Zeilen gebildet. 


Anapäste v. 340 — 351, 


während deren Klytämnestra mit ihrem Gefolge sich in den Palast be- 
giebt, der Chor aber zum Stasimon sich um die Thymele gruppiert. Sie 
zerfallen durch die 3 Paroemiaci deutlich in 3 Gruppen, die sich auf die 
Führer der 3 Rotten verteilen. Eine Responsion der beiden letzten Sy- 
steme ahnte schon Reisig, der hinter μέγα δουλείας ergänzen wollte 
δειλειοτάτας (tn), unter Beistimmung Ritschls. Auch Weil erkennt 
jetzt die früher von ihm athetierten Worte μέγα δουλείας an und glaubt 
an eine Correspondenz der beiden letzten Gruppen, aber die Symmetrie 
würde unvollständig sein, wenu im vorletzten Verse der zweiten Gruppe 
der Dimeter nicht ausgefüllt würde. Aber eine Lücke des Textes wird 
auch durch eine unbefangene Betrachtung „der Ueberlieferung erwiesen. 
Die codd. geben ν. 844 54. so: μήτ᾽ οὐν νεαρῶν τιν᾽ ὑπερτελέσαι 
μέγα δουλείας γάγγαμον ἅτης παναλώτου. Zunächst wird statt νεαρῶν 
zu schreiben sein νεαρόν, sodass τινα sich auch auf μέγαν bezieht. So- 
dann aber kann μέγα nicht vom Dichter herrühren: nicht bloss ist dieser 
Begriff müssig, sondern auch das Wort würde nach dem eben vorher- 
gegangenen μέγαν kakophonisch sein. Andrerseits aber ist δουλείας 
nicht mit Schütz und anderen für ein Glossem zu halten, vielmehr ist 
nach v. 311 sq. unverkennbar, dass der Chor im engsten Anschluss an 
Kiytämnestras Worte sowohl von der Knechtschaft als vom 
Tode der Troer redet und dass er den letzteren durch ἄτης πανα- 
λώτου („das ganz vernichtende Verderben “) bezeichnet, ähnlich wie 
Hermes Prom. 1082 vom ἀπέραντον δίκτυον ἅτης spricht. Werden also, 
wie nach dör Schilderung v. 311 54. zu erwarten ist, δουλεία und arm 
πανάλωτος einander entgegengesetzt, so ist klar, dass wir nicht mit 
Hermann construieren dürfeu yayyauov ἄτης παναλώτου τῆς δουλείας 
(dann würde der Chor annehmen dass kein Troer getödtet sei), son- 
deru dass nach δουλεέας ein Participium ausgefallen ist, in welchem von 
einem Entfliehen aus dem Netze des Todes die Rede war. So vermute 
ich dass Aeschylos geschrieben hat ὑπερτελέσαι | Alva δουλείας. ἐκ- 
δυσάμενον | γάγγαμον ἄτης παναλώτου „sodass weder Gross noch 
Klein das Garn der Knechtschaft übersprang, wenn er auch der Reuse 
des Todes entgangen war“. So steht yayyauov „das enge Netz‘ nach- 
drucksvoll den Alva gegenüber, in welche hineingerät, wer dem ersteren 
entronnen ist. Zu ἐκδυσάμενον vgl. Io. Malal. p. 182, 21: ᾿ἀποτιναξά- 
μενος τὴν τῆς σῆς δουλείας τύχην καὶ τὸν ταύτης ἐκδυσάμενος ξυγὸν 
ἔνδυσαι Ῥωμαϊκῆς ἐλευϑερίας ϑώρακα. 

v. 350 ist das überlieferte ὑπὲρ ἄστρων, das noch Hermann durch 
das Sprüchwort εἰς οὐρανὸν τοξεύειν zu schützen und zu erklären sucht, 
durchaus unhaltbar. Trefflich ist Engers Emendation und ὑπεραῖρον, 
geschützt durch Pol. 9, 14, 11: ὑπεράρας τὸν καιρόν. Vgl. v. 751 un9’ 


2712 . COMMENTAR. 


ὑπεράρας μήϑ᾽ ὑποκάμψας καιρὸν χάριτος, (Der Ausdruck ist ent- 
lehnt von der Rennbahn: wer über das Ziel.des δέαυλος zu weit hinaus 
schwenkte, war ein ὑπεραίρων, wer trügerisch zu früh umkehrte, ein 
ὑποκάμπτων.) 


Chorgesang v. 852 ---- 453. 


Erstes Strophenpaar. — v. 352 vermutet Ahrens nach des 
Flor. Lesart ἔχουσαν sehr gut Διὸς πλαγὰν ἔχοις ἂν εἰπεῖν. Gewöhnlich 
liest man nach Triclinius’ Conjectur ἔχουσιν, da jedoch in den Anapästen 
eben vorher Alexandros als bestrafter Verbrecher genannt ist, so wäre 
schwer zu sageu, welche dritte Person im Plur. hier gemeint sei. Die 
Troer könnten schun darum nicht füglich als Subjekt zu ἔχουσιν gedacht 
werden, weil die meisten von ihnen gefallen sind, also von Zeus’ Schlag 
nicht mehr reden können. (Dies erkennt auch Enger an, doch hat mich 
dieser treffliche Interpret fast überzeugt dass auch ἔχοις ἂν εἰπεῖν noch 
nicht die echte Lesart ist, sondern einem ähnlichen Schreibfehler, wie 
v. 444 aus παλιντριβεῖ τύχᾳ βίου hervorgegangen ist παλιντυχῇ τριβὰ 
Piov, seine Entstehung verdankt und dass Aeschylos geschrieben hat 
Διὸς πλαγὰν ἔχειν ἂν εἴποις „nun kann man sagen dass er den Schlag 
des Zeus empfangen hat, dass der Hieb sitzt“. Denn sehr wahr be- 
merkt Blomfield, welcher Διὸς πλαγὰν ἔχουσιν als selbständigen Satz 
liest: „locutio ex arena desumta, ubi pugil vel gladiator, quum ab ad- 
versario percussus est, dicitur ἔχειν πληγήν. Antiatl. Sangerm. p. 111 
ed. Bekker. πληγὴν ἔχων, ἀντὶ τοῦ τετρωμένος. ᾿Δναξανδρίδης. Terent. 
Andr. I, 1,55 certe captus est: habet, ubi Donatus: Habet. 
Sic dicitur de eo qui letaliter vulneratus est“,) 

Im folgenden Vers ‚giebt Flor. πάρεστι τοῦτ᾽ ἐξιχνεῦσαι,, Triclinius 
in Farn. πάρεστι τοῦτο γ᾽ ἐξιχνεῦσαι., und so lesen Hermann und fast 
alle neuereu Herausgeber. Zunächst aber ist jedenfalls mit Weil zu 
schreiben zagsorıv „quia haec est huius sirophae lex ut quinquies se 
excipiant bini ‚versus eiusdem mensurae‘“‘. Sodann aber ist auch Tricli- 
nius’ τοῦτό γ᾽, das auf das vorhergehende zurückweisen müsste, un- 
gereimt. Denn τοῦτο könnte natürlich nicht auf Διὸς πλαγά sich 
beziehen, sondern nur auf „die Möglichkeit davon zu reden“. Diese 
„Möglichkeit“ aber braucht nicht erst „aufgespürt‘“ zu werden, sie ist 
nach des Chors Meinung klar vorliegend. Notwendig also muss τοῦτο 
auf das folgende gehen, dann aber kaun der Satz πάρεστιν, der nun 
einen Fortschritt der Rede giebt, nicht mehr asyndetisch an den vorher- 
gehenden angeknüpft werden, folglich ist zu lesen πάρεστιν τοῦτο δ᾽ 
ἐξιχνεῦσαι. Die etwas ungewöhnliche Stellung des δέ bewirkte den Aus- 
fall. desselben. Was aber lässt sich nun aufspüren? Die codd. geben 
ὡς ἔπραξεν ὡς ἔκρανεν — unrhythmisch. Hermann und Franz schrei- 
ben unter allgemeiner Beistimmung ἔπραξαν ὡς Engavev „den Troern 
erging es wie Zeus es fügte“. Aber es ist hier nicht von den Troern, 
sondern von Paris die Rede, und der Wechsel des Subjekts in diesen 
beiden kurzen Sätzen wäre sehr dunkel. Vielmehr schrieb Aeschylos: 








COMMENTAR. 273 


ἔπραξεν ὡς ἔκρανεν, sodass der Chor sagt: „das ist leicht aufzuspüren, 
dass es Paris ergangen ist nach seinen Handlungen, dass 
er also von den Göttern nach Verdienst gestraft ist“. In einem selbstän- 
digen Satze statt in abhängiger Rede folgt also das, was sich leicht auf- 
spüren lässt: in diesem Fall setzt aber Aeschylos immer das Pron. dem., 
z.B. Ch. 310 δράσαντι nadeiv, τριγέρων μῦϑος τάδε φωνεῖ. Vgl. Weil 
in den Add. zu den Eum. p. 131. Daher also τοῦτο im vorhergehenden 
Verse, zugleich aber erhellt die Ursache der Corruptel i in den codd. Ein 
Erklärer nämlich, der ganz richtig ἔπραξεν ὡς ἔκρανεν auf Paris bezog 
und diesen Satz als Objekt von ἐξιχνεῦσαι fasste, suchte durch das vor- 
gesetzte ὡς „dass“ die Abhängigkeit von ‚diesem Verbum auszudrücken. 

v. 356 lesen alle nach den codd. ὅσοις ἀϑέκτων χάρις πατοῖϑ᾽. 
Aber ich mühe mich vergeblich ab, χάρες in diesem Zusammenhange zu 
erklären. Die Gedankenyerbindung verlangt hier den Begriff des Hohen 
und Heiligen, aber nicht den des Anmutigen. Wenn nicht alles teuscht, 
so schrieb der Dichter ἄϑιεκτον γέρας „denen ein unantastbares Vorrecht 
mit Füssen getreten war“. Denn ein solches γέρας, das des gastlichen 
Zeus, hatte Paris durch Helenas Entführung angetastet. So erhält zu- 
gleich ὅσοις die richtige und grammatisch einzig mögliche Beziehung auf 
ϑεούς, während nach der bisherigen Lesart es meistens wohl auf βρο- 
τῶν bezogen und in dem Sinne von dp ὧν gefasst wird. 

Bis hierher ist die Emendation der Strophe einfach und sicher; von 
hier aber bis v. 364 geraten wir in einen wahren Sumpf der Ueberliefe- 
rung, worin fast nirgends der Fuss fest hintreten kann. Hier einen völlig 
sicheren Boden zu schaffen wird schwerlich gelingen, wenn wir in den 
bisherigen Grenzen der äschylischen Ueberlieferung eingeengt bleiben. 
Aber seit Hermann ist hier doch schon manches negative Resultat gewon- 
nen; vielleicht gelingt auch mir ein kleiner Beitrag zur Herstellung die- 
ser im cod. Alex. arg zerrütteten Stelle. Die beiden Handschriften also, 
auf welche wir für den grössten Teil des Agamemnon angewiesen, sind, 
geben ν. 358—61 so: πέφανται δ᾽ ἐγγόνους ἁτολμήτων "Ἄρη πνεόντων 
μείζον ἢ δικαίως, φλεόντων δωμάτων ὑπέρφευ, nur dass Farn. über 
dem ersten γ in &yyovovg ein % geschrieben hat. Das Scholion zu dieser 
Stelle, ohne Zweifel erst byzantinischen Ursprungs, sucht jenen sinnlosen 
Wust von Wörtern in heilloser Weise zu interpretieren, giebt uns also 
keine Förderung , ausser dass es die Lesart ἐκγόνους als ältere Variante 
zu ἐγγόνους beglaubigt. Hermanı nun macht daraus πέφανται δ᾽ ἐκγό- 
νοις ἀτολμήτως "Ἄρη πνεόντων μείζον᾽ ἢ δικαίως κτλ. und dies soll 
heissen: „Apparuit (sc. vindicta Iovis, aber woher entnimmt Hermann 
dies Subjekt?) natis intolerabiliter maiorem quam fas erat Martem 
spirantium, nimis affluente opibus domo“. Zunächst aber hat Hartung 
mit vollem Recht geltend gemacht dass die ἔκγονοι hier gar nichts zu 
schaffen haben, weil Aeschylos in diesem Strophenpaar gerade den Ge- 
danken durchführt, dass der Schuldige selber nach Gebühr von den Göt- 
tern gestraft werde, nicht erst seine Nachkommen. Seine Conjectur aber 
πέφανται δ᾽ ἐκτίνου --- σὰ τόλμη vov”"Agn κτλ.. die von Enger auf- 


AESCHYL. AGAMEMNON. 18 


274 * COMMENTAR. 


genommen ist (in die Ausgabe von 1855), ist schon darum evident unrich- 
tig, weil ἐκτένουσα auf zwei rhythmisch ganz geschiedene Reihen verteilt 
werden müsste. Aber auch Ares hat in diesem Zusammenhang nichts zu 
tun, denn es handelt sich hier, wenn der Gedauke auch allgemein gehalten 
ist, doch wesentlich um Paris, der keineswegs ein’ Aon πνέων war. Dies 
zuerst hervorgehoben zu haben ist das Verdienst Weils, der die Stelle 850 
herzustellen versucht: πεφύσηται δ᾽ ὁ νοῦς ἀτολμήτῳ ϑράσει πνεόντων 
μεῖξον 1 N δικαίως κτλ. Die Conjectur ist höchst geistreich und in ἀτολ- 
uno ϑράσει, das so herrlich zu πνεόντων stimmt, hat sie auch wohl 
das Wahre getroffen, aber die Aenderung der ersten Worte entfernt sich 
nicht nur in höchst unwahrscheinlicher Weise von der Ueberlieferung, 
sondern sie genügt auch dem Zusammenhange nicht. Denn nach dem 
Wort: „Man hört wohl die unfromme Aeusserung, dass die Götter es 
nicht der Mühe wert halten sich darum zu kümmern, wenn ihr heiliges 
Vorrecht angetastet wird“ — erwarten wir mit Entschiedenheit den aus 
der Erfahrung geführten Gegenbeweis, denn das einfache ὁ δ᾽ οὐκ εὐσε- 
βής genügt nicht als Gegengewicht gegen die gotteslästerliche Ansicht. 
Und dass Aeschylos die Widerlegung der Gottesleugner nicht schuldig 
bleibt, zeigt das sicherlich unverdorbene repavraı „sie, uämlich die 
Götter, sind offenbar geworden “. Denn lässt sich πέφανται sonst auch 
nicht als 3. Pers. Plur. in dieser Bedeutung nachweisen, so genügt hier 
doch die Autorität Hesychs, der,, vielleicht eben aus unserer Stelle, die 
Glosse hat πέφανται πεφανέρωνται. Dem Zusammenhang also genügt 
weit besser die Conjectur von Ahreus, die, gestützt auf Hesychs Glosse 
ἐγκόνως ταχέως ἐσπευσμένως, so schreibt: πέφανται δ᾽ ἐγκόνως ἀτολ- 
uno βάρει πνεόντων μεῖζον ἢ δικαίως κτλ. ,,516, die Götter, sind 
schnell mit unwiderstehlicher Wucht offenbar geworden, wenn Menschen 
übermütig trotzten, wenn Häuser übermässig strotzten“. Das ist in der 
Tat blendend, aber die Hand des Dichters ist dadurch doch nicht her- 
gestellt: das ἐγκόνως ist schon deshalb unrichtig, weil bei Paris die 
Strafe des Zeus über zehn Jahre hat auf sich warten lassen, und sollten 
πνεύντων und φλεόντων zwei parallele Gen. abs. sein, so würden wir 
bei dem ersteren im Gegensatz zu δωμάτων das Subjekt ἀνδρῶν ver- 
missen. 

Indem ich nun davon ausgehe, dass πέφανται sicher unverdorben 
ist, dass aber zur Einführung des Gegenbeweises nicht sowohl de als 
vielmehr δή sich eignet (wodurch auch die von Weil vermisste Gleichheit 
mit der Gäsur der ‚Gegenstrophe uslaunayng πέλει hergestellt würde) 
und dass in ἀτολμήτῳ ϑοάσει das ‚Richtige schon gefunden ist, versuche 
ich die Corruptel so zu heben: πέφανται δὴ κτενεῖς ἀτολμήτῳ ϑράσει 
πνεόντων μεῖξον ἢ δικαίως „ich will es meinen, sie haben sich eifrig 
erwiesen gegenüber dem unerträglichen Trotz solcher, die über das Maass 
stolz waren, weil ihr Haus überreich war“. Da hätten wir die correcte 
Widerlegung derer, die da sagten dass die Götter sich um Frevel nicht 
kümmerten; ἐκτενεῖς aber braucht Aesch. auch Hik. 952 (wo freilich 
Hermann ἐκγενεῖς schreibt) und Hesychs Glossen ἐκτενεῖ ἐπιμελεῖ (viel- 








COMMENTAR. 275 


leicht ἐκτενεῖς ἐπιμελεῖς ἢ) oder ἐκτενές διατεταμένον oder ἐκτενῶς 
προϑύμως n διατεταμένως stimmen vollkommen überein mit der hier 
dem Worte vindicierten Bedeutung, wodurch den Göttern das Gegenteil 
lässiger Gleichgültigkeit gegen Frevel beigelegt wird. Wie leicht aber 
aus δὴ κτενεῖς durch Undeutlichkeit der Zeichen δ᾽ ἐκγόνους entstehen 
konnte, liegt auf der Hand. 

Die folgenden Verse lauten nach den codd.: ὑπὲρ τὸ βέλτιστον. 
ἔστω δ᾽ ἀπήμαντον ὥστ᾽ ἀπαρκεῖν (Farn. ὥστε καπαρκεῖν) εὖ πραπί- 
δων λαχόντα. Dafür schreibt Hermann ὅπερ τὸ βέλτιστον, im übrigen 
nach Farn., und übersetzt: „quod est quidem praestantissimum: sed 
vacuum esio crimine, ita ul δα 8 sit prudenti homini“. Wunderbar, 
wie sich der grosse Mann da verirrt hat: in diesem Zusammenhange kann 
es nichts ungereimteres geben, als den übermässigen Reichtum das vor- 
züglichste zu nennen — hebt der Dichter ja doch so klar und entschie- 
den die Verlockung und Verführung des zu grossen Wohlstandes hervor. 
Aber auch die Conjecturen Anderer befriedigen in keiner Weise: das 
schlimmste Missverständniss nämlich liegt darin, dass alle mit ἔστω δ᾽ 
ἀπήμαντον einen Wuusch oder gar Befehl des Chors eingeführt glauben, 
während die Greise doch in diesem Strophenpaar mit der Nachweisung, 
wie der Frevler durch immer grössere Sünden sich selbst zu Grunde 
richte und so die göttliche Strafe leide, in der Weise beschäftigt sind, 
dass sie zu Wünschen und Betrachtungen, wie sie am Schluss des Ge- 
sanges v. 450 mit κρίνω δ᾽ ἄφϑονον ὄλβον folgen, hier durchaus keine 
Zeit und Gelegenheit haben. Ausserdem bezieht sich das γάρ im Refrain 
der Strophe οὐ γὰρ ἔστιν ἔπαλξις auf den in πέφανται δὴ ᾽ κτενεῖς aus- 
gesprochenen Hauptgedanken, dass die Götter den aus Uebermut sündi- 
genden strafen, und so steht es mir als Ueberzeugung fest, dass v. 358— 
364 Einen ununterbrochenen Satz bilden, in welchem höch- 
stens beiläufig das Glück der goldenen Mittelstrasse erwähnt werden 
konnte. Der Hauptfehler muss also in dem auf jeden Fall ungereimten 
Imperativ ἔστω liegen, und wir haben in diesen Zeichen vielmehr den 
Begriff &oro „, Vermögen, Existenz“, gleichbedeutend mit οὐσία. zu 
erkennen. Das Wort ἐστ ist sonst freilich nur aus Archytas bei Stobäus 
überliefert, aber da unserem Dichter εὐεστώ geläufig ist, ἀπεστώ bei 
Herodot, ἀειεστώ und κακεστώ bei Hesych vorkommen, so kann nicht 
bezweifelt werden dass in einem Chorgesange auch ἐστώ für οὐσία 
erlaubt war. Sodann hat Weil aus der an sich völlig unrhythmischen 
Lesart des Farn. ὥστε κἀπαρκεῖν richtig herausgefühlt dass schon in 
dieser Zeile der logaoedische Numerus, der den Refrain beherrscht, an- 
fängt, aber statt seines ὥστ᾽ ἂν ἀπαρκεῖν lese ich mit leichterer Aende- 
ruug ὥστε καταρκεῖν. So glaube ich so ziemlich die Hand des Dichters 
hergestellt zu ‚haben, indem ich, in unmittelbarem Anschluss an  phzovrov 
δωμάτων ὑπέρφευ schreibe ὑπὲρ τὸ βέλτιστον, ἐστοῦν ἀπήμαντον 
ὥστε καταρκεῖν εὖ πραπίδων λαχόντα ἃ. h. „weil das Haus in Ueber- 
fülle strotzte, weit über das beste Mass, ein in der Weise leidfreies Loos, 
dass ein Verständiger damit völlig ausreicht‘. Nur wegen der ionischen 


18* 


276 COMMENTAR. 


Form des Acc. ἐστοῦν bin ich bedenklich, aber da Hesych jedenfalls 
κακεστοῦν, wahrscheinlich auch ἀειεστοῦν (cod. ἀειεστόν, Schmidt 
ἀειεστύν) überliefert, so dürfte jene Form im Chorgesange wohl zuläs- 
sig sein. 

Der Refrain οὐ γὰρ ἔστιν ἔπαλξις | πλούτου πρὸς κόρον ἀνδρὶ | 
λακτίσαντι μέγαν ‚so nach Canter die Neueren, codd. μεγάλα) Al- 
κας | βωμὸν εἰς ἀφάνειαν schliesst sich nun vollkommen correct an 
den Hauptgedanken ‚dass die Götter wohl auf die Frevler Acht geben“ 
an, nur sollen wir der Wortstellung gemäss so deuten: „deun nicht 
giebt es eine Schutzwehr für den, welcher im Uebermut des Reichtums 
Dike’s Altar ins Dunkel stösst, als wäre dieser Altar für ihn nicht vor- 
handen “. Hermann verbindet dagegen οὐ γάρ ἐστιν ἔπαλξις εἰς ἀφά- 
γείαν „denn nicht beut der Reichtum eine Schutzwehr gegen die Ver- 
nichtung“. Aber erstlich ist diese Deutung von ἀφάνεια eine höchst 
gezwungene, sodann hätte keine Kunst des Vortrags es dem Zuhörer 
möglich gemacht, εἰς ἀφάνειαν mit dem soweit davon entfernten ἔπαλ- 
&c zu verbinden, endlich aber wäre der ganze Gedanke „dass der Frevler 
vernichtet würde‘ hier durchaus verfrüht, er gehört erst dahin, wo er 
wirklich ausgesprochen wird, in v. 381, während an unserer Stelle nur 
gesagt werden soll, dass der Frevler keine ἔπαλξις gegen weitere 
Sünden hat, sondern dass er, eben zur Strafe, in immer schwerere 
Verbrechen gedrängt wird durch die τάλαινα πειϑώ, Ist also meine 
Deutung von εἰς ἀφάνειαν richtig, so erhellt auch, wie nichtig Canters 
Conjectur μέγαν für μεγάλα ist. „Dike’s Altar“ braucht kein Epitheton, 
am wenigsten das bedeutungslose μέγαν. aber wenn der Frevler den 
Altar des Rechts in die dunkle Ecke stösst, als wäre er dann beseitigt, 
so handelt er kindisch, töricht (διώκει παῖς ποτανὸν ὄρνιν), statt des 
corrupten μεγάλα ist also wohl zu lesen μάταν. 

In der Gegenstrophe ist zunächst v. 369 in βιᾶται δ᾽ ἃ τάλαινα 
πειϑώ der Artikel störend: Aeschylos wird geschrieben haben βιᾶται δὴ 
τάλ. π.. indem man aber fälschlich las βιᾶται δ᾽ ἡ. musste der Artikel 
natürlich die dorische Form annehmen. — v. 370 codd. προβουλόπαις 
ἀφερτος ἅτας. ohne Zweifel verkehrt, wie die Rhythmen und der Sinn 
beweisen. Denn προβουλόπαις könnte nur erklärt werden, wie der 
Scholiast es tut mit den Worten: πρόνοιαν δῆϑεν τοῦ πλουτίσαι τοὺς 
παῖδας ποιουμένη, dass ein solcher Gedanke aber nicht hierher gehört, 
liegt auf der Hand. Richtig schreibt Hartung daher προβούλου παῖς 
ἄφερτος ἅτας: Frau Ate führt im Kopfe des Frevlers den Vorsitz. 
Hesych: πρόβουλος ἔξαρχος τοῦ βουλευτηρίου. — v. 371 codd. ἄκος δὲ 
παμμάταιον. wofür Musgrave richtig πᾶν μάταιον schreibt. Natürlich 
ist aber unter πᾶν ἄκος nicht das Heilmittel zu verstehen, das der Frevler 
anwendet, um der Strafe zu entgehen — davon ist erst v. 379 die 
Rede —, sondern das Mittel, das seine Freunde versuchen, um ihn von 
der Bahn der Torheit abzubringen, wie z. B. Paris von Kassandra gewarnt 
ist. Sehr unglücklich geht es an dieser Stelle Weil, der ἄγος δὲ παμ- 
μάταιον οὐκ ἐκρύφϑη schreibt mit Beseitigung der Interpunktion vor 








COMMENTAR. 277 


οὐκ ἐκρύφϑη., die der strophischen vor 00% ἔφα τίς so genau ent- 
spricht. 

v. 372 geben die codd. πρέπειν δὲ φῶς αἰνολαμπὲς σίνος. Wäre 
dies richtig, so müsste σένος metonymisch für σέντης stehen, denn ge- 
meint ist ohne Zweifel der Frevler, der, unbeirrt auf seiner Lasterbahn 
vorwärts stürmend, mit seinen Erfolgen prahlt und durch sein Glück den 
grossen Haufen blendet, bis — er stürzt. Aber da im folgenden μελαμι- 
παγὴς πέλει ein Masc. als Subjekt gedacht wird, so schreibe ich lieber 
nach Schütz und Auratus πρέπει δὲ φώς, αἰνολαμπὲς oflec „nicht ver- 
birgt sich der Mann, nein! er tritt hervor in unheimlichem Glanze“. Die 
Corruptel erklärt sich dadurch, dass φῶς statt φώς geschrieben ward, 
dann aber für σέλας die Conjectur ofvog sich eindrängte, doch so dass 
σέλας sich daneben als Variante behauptete. Deun wenn der Scholiast 
anmerkt σένος. τοῦτ᾽ ἐστι σέλας, so kann diese Erklärung nicht, wie 
Hermann meint, zu φῶς gehören — wohl wird bei Hesych das unge- 
wöhnlichere σέλας durch φῶς umschrieben, aber nicht umgekehrt — 
als zu σένος gehörig aber ist jene Anmerkung nur begreiflich, wenn wir 
annehmen dass der Scholiast über σίνος jenes σέλας als Variante ge- 
schrieben fand, aber als Erklärung deutete. 

v. 376 steht δικαιωϑείς in seiner ganz eigentlichen Bedeutung 
„verurteilt“, nämlich „von den Göttern‘, deren Gericht nun über den 
Frevler ergeht. Gerade so heisst es v. 512 von Paris ὑῳλὼν γὰρ ἄρπα- 
γῆς τε καὶ κλοπῆς δίκην. Wenn also die Verurteilung des Sünders 
erfolgt ist und nun die Schicksalsschläge kommen, dann steht er, der 
sonst so dreiste und glänzende Mann, fassungslos und ohumächtig da, 
indem er das Unmögliche will (δεώκεν ποτανὸν ὄρνιν) und seine Stadt 
mit sich ins Elend reisst. 

v. 380 heisst es in den codd. τὸν δ᾽ ἐπίστροφον τῶνδε | par’ 
ἄδικον καϑαιρεῖ, das, wie unrhythmisch und sinnlos es auch ist, den- 
noch bis in die neueste Zeit unangefochten geblieben ist. Enriorgopos 
soll nach Hermann aktiv den Urheber bezeichnen, τῶνδε sull auf πρόσ- 
τριμμα hinweisen, das Subjekt des Satzes soll erst aus dem vorher- 
‚gehenden οὔτις ϑεῶν gewonnen werden — lauter Unmöglichkeiten. 
Erst der treffliche Weil hat hier Licht geschaffen. Er fühlte dass das 
Objekt mit φῶτ᾽ ἄδικον deutlich und stark genug bezeichnet wäre, dass 
aber das Subjekt notwendig ausgedrückt sein müsse und dass ἐπίστρο- 
φον eben ein Teil dieses Subjekts sei. So schrieb er, recht aus Aeschylos’ 
Geiste heraus: τὸν δ᾽ ἐπίστροφον οἶδμα | par’ ἄδικον xadeıpei „ihn 
aber, den ungerechteu Mann, vernichtet die Brandung des Schicksals “. 
Sehr gut bemerkt er dazu: „translationes a rebus maritimis petitae 
Graecis familiares erant, neque talem audaciam, si qua est, ab 
Aeschylo alienam iudicabis collato Suppl. 127 ποῖ τόδε κῦμ᾽ ἀπάξει“; 
— Unbequem ist aber doch in dieser Emendation die Stellung des Arti- 
kels: ich schreibe τῶν δ᾽ ἐπίστρ. οἶδμα, sodass τῶν auf die Götter zu- 
rückweist. So erklärt sich auch die Corruptel: über τὸν δ᾽ war als 
Variante τῶν δ᾽ geschrieben, diese verschob sich aber, bis sie über 


4 


278 COMMENTAR. 


οἶδμα zu stehen kam und dann dies unentbehrliche Substantiv ganz ver- 
drängte. 


Zweites Strophenpaar v. 386 — 417. 


Was zunächst v. 387 betrifft, in welchem das überlieferte xAovovg 
λογχίμους τε καὶ ναυβάτας ὑπλισμούς der Gegenstrophe nicht ent- 
spricht, so schliesse ich mich mit ‚Enger der Vermutung von Ahrens an, 
dass zu lesen sei κλόνους τε καὶ λογχίμους ναυβάτας ϑ᾽ ὁπλισμούς 
d. h. κλόνους ἀσπίστοράς τε καὶ λογχίμους. Denn wenn das 9 vor 
ὁπλισμούς, wie nur zu leicht möglich, untergegangen war, so musste 
die vulg. fast notwendig entstehen. Die Vermutung dagegen, welche 
Heimsoeth ‚‚die Wiederherstellung “ p. 226 vorträgt, dass Aeschylos ge- 
schrieben habe ἀσπίστορας | τε καὶ κλόνους λογχίμους ναυβάτας 8᾽ 
ὁπλισμούς,, ist trotz der geschmackvollen Wortstellung entschieden zu- 
rückzuweisen, da sie das von ἀσπίστορας untrennbare τέ in den Anfang 
des neuen Verses bringt. Freilich steht auch Eum. 374 τὲ καί gewöhn- 
lich zu Anfang der Zeile, aber dort bilden die Worte μένει γάρ" εὐμή- 
χανοί τε καὶ τέλειοι, κακῶν TE μνήμονες nur einen einzigen aus mehreren 
rhythmischen Reihen bestehenden Vers, sodass Zeuval nachdrucksvoll 
an die Spitze des neuen Verses kommt. — Hermann liest an unserer 
Stelle nach den codd., neuert dagegen, auf unsicheren Argumenten 
fussend,, sehr bedenklich in der Gegenstrophe. Ihn hat Heimsoeth sehr 
gut widerlegt. 

v. 389 entspricht das überlieferte βέβακε (Farn. βέβακεν) δίμφα 
nicht dem an sich in jeder Beziehung unverdächtigen παραλλάξασα der 
Gegenstrophe, das Hermann sehr gewaltsam in παραλλαγαῖσι geändert 
hat. Aber βέβακε ist auch sinnlos. Was man vom aoristischen Gebrauch 
dieses Perfekts spricht, versteh’ ich nicht. Das Perfekt kann immer nur 
so ein Präteritum darstellen, dass das Resultat oder die Folge desselben 
noch für die Gegenwart des Sprechenden Gültigkeit hat. Wie sollte nun 
aber der Chor, statt von Helena zu erzählen, am Ende des Krieges von 
ihr sagen „sie ist weg?“ — Hier also ist zu ändern, sodass die Strophe 
der Gegenstrophe entspricht. Ich schreibe demnach ßeßaxsı „sie war 
gegangen“, damals nämlich, als des Hauses Priester ihr Klagelied an- 
stimmten. 

v. 390 liest man allgemein nach Triclinius’ Conjectur πολλὰ δ᾽ 
ἔστενον, während Flor. πολὺ δ᾽ ἀνέστενον giebt. Dies ist aber das 
einzig richtige, in der Gegenstrophe ist vielmehr das sinnlose οὐ μεϑύ- 
στερον zu corrigieren. Die aufgelöste Arsis malt in unserer Stelle die 
Gemütsbewegung der Hauspriester, in der Gegenstrophe das flüchtige 
Zerrinnen des Traumbildes. 

Aber wer sind nun δόμων προφῆται ἢ Welcker und Schneidewin 
haben die neue Ansicht aufgestellt, dass darunter Helenos und Kassandra 
zu verstehen seien, die ganze Prophetenlitanei also im Hause des Priamos 
vor sich gehe. Ich will nicht fragen, woher der Chor von solcher 
Orakelei der troischen Seher habe wissen können; es giebt bessere Argu- 


COMMENTAR. 279 


mente zur Widerlegung. Wie würde ῥέμφα passen zu Helenas Einzug in 
Troja, da sie nach v. 680 mit feierlichem ‚Pomp dort empfangen ward? 
Und wie sollen wir v. 408 τὰ μὲν κατ᾽ οἴκους ἐφ᾽ ἑστίας ἄχη mit 
Schneidewin auf Priamos’ Haus beziehen, da doch der folgende Vers un- 
verkennbar im Gegensatz zum vorhergehenden die Leiden des gesam- 
ten Griechenlands einführt? Dazu kommen noch die inneren Schwächen 
der neuen Erklärung: v. 396 soll πόϑος „Liebreiz‘“ sein, während es 
‚„Liebessehnsucht‘“ bedeutet; namentlich aber v. 398 — 401 werden die 
höchst materiellen κολοσσοί in allzu geistreicher Weise zu φαντάσματα, 
εἴδωλα. zu einem Sinnbild von Helenas Blendwerk, verflüchtigt! 

Weg also mit dieser Neuerung, wie romantisch sie auch sich ge- 
berdet! Wir haben unter δόμων προφῆται wieder die Hauspriester und 
Sänger des Meuelaos zu verstehen, die mit Sang und Klang ‚des Lebens 
wechselvolles Spiel begleiten“. Und sie schildern die krankhafte Liebes- 
sehnsucht des verlassenen Gatten. Schueidewin meint freilich, das passe 
nicht zu dem ritterlichen Charakter des Mannes. Aber eben diese „Ritter- 
lichkeit“, die um eines ehrlosen Weibes willen Tausende von Tapferen 
opfert, tadelt der Chor als weibische Schwäche, wie er denn auch mit 
unverkennbarer Bitterkeit den gewaltigen Zug gegen Troja v. 212 γυναι- 
κόποινος nenut. 

Aber warum hat der Dichter die Schilderung von Menelaos’ Liebes- 
gram in diese Form gekleidet? Einmal wohl, wie schon andere bemerkt 
haben, weil der Chor durch eine unmittelbare Erwähnung der knechten- 
den Empfindsamkeit die Ehrfurcht gegen den Herrscher verletzt haben 
würde, sodann weil Menelaos uns in völliger Einsamkeit des 
Thalamos vorgeführt wird und von seinem dortigen Fühlen und Trei- 
ben natürlich Niemand wissen konnte ausser den Sehern. Denn trotz 
aller Erhabenheit ist unser Dichter verständiger, als man gewöhnlich 
glaubt. — Zugleich aber hoffe ich erweisen zu können dass Aeschylos 
diese Gelegenheit benutzt hat, um durch den Mund der Seher einige be- 
deutungsvolle Hinweisungen auf den Ausgang der Tragödie zu geben. 

Gleich v. 392 hätte man sich nicht so allgemein bei der Lesart des 
Farn. ἰὼ ἰὼ δῶμα δῶμα καὶ πρόμοι beruhigen sollen, denn da Flor. 
ἰὼ δῶμα καὶ πρόμοι bietet, so ist es klar, dass jene ganz unerträgliche 
Verdoppelung von io und δῶμα nur metrische Conjectur des Triclinius 
ist. Dieser und der folgende Vers sind rhythmisch einander völlig gleich, 
beide fangen mit ἰὼ an und zeigen in genauer Symmetrie καὶ πρόμοι 
und καὶ orißoı — Beweis genug für denjenigen, der unseres Dichters Sinn 
für Ebenmass kennt, dass er beide Verse in genauestem Parallelismus gehal- 
ten hat. Und da nun eben vorher erst δόμων steht, so würde Aeschylos 
nicht hier das stammverwandte und gleichklingende δῶμα geschrieben 
haben: dies ist nur Glosse für das dem λέχος im folgenden Verse genau 
entsprechende τέγος. wie das aus Hesychs Erklärung τέγος στέγη δῶμα 
aufs deutlichste erhellt. Sicherlich also schrieb der Dichter ἰὼ τέγος καὶ 
πρόμοι; das viersylbige Adj. aber, das dem φιλάνορες im folgenden Vers 
entsprach, ging wegen Unleserlichkeit im cod. Alex. verloren. Wie 


280 COMMENTAR. 


die Lücke nun zu ergänzen sei, lässt sich natürlich nicht mit Sicherheit 
ermitteln: da jedoch unter πρόμοι ohne Zweifel die beiden zusammen- 
wohnenden Atriden zu verstehen sind, welche beide von ihren Gattinnen 
Unheil erlitten, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass in genauer Cor- 
respondenz mit φιλάνορες etwa yuvamuaveig „die von törichter Liebe 
zum Weib ergriffenen‘“‘ zu schreiben ist. So würde schon dieses Seher- 
wort einen Hinweis auf Agamemnons Ausgang enthalten. 

v. 393 führt unsere Vorstellung nun unzweideutig in den Thalamos 
des Menelaos hinein: der König sieht das verwaiste Lager und erkennt 
die Spuren von Helenas Flucht. Ohne Künstelei werden sich also die 
στίβοι φιλάνορες nicht anders deuten lassen, als wie schon Klausen sie 
fasste: „gressus amaltoriü, fuga Helenae cum Paride““. 

Aber im Folgenden bietet die Ueberlieferung wieder einen Tummel- 
platz für die geistreichsten und geistlosesten Conjecturen. Die codd. 
geben πάρεστι σιγᾶς ἄτιμος ἀλοίδορος | ἄδιστος ἀφεμένων ἰδεῖν --- 
ebenso sinnlos wie unrhythmisch. Daraus macht Hermann mit sehr ge- 
waltsamer Aenderung πάρεστι σιγὰς ἀτίμους ἁλοιδόρους | αἴσχιστ᾽ 
ἀφειμένων ldeiv „licet videre silentia sine honore, sine vituperatione 
turpissime desertorum i. e. eorum quae turpiter missa fecit Helena‘. 
Der Gedanke weicht im Ganzen nicht weit ab von des Dichters Wegen, 
denn dieser will, wie der ganze Zusammenhang zeigt, den weichlichen 
Menelaos als ganz in seinen Sehnsuchtsschmerz versunken darstellen: 
aber weder wird man sich mit dem Ausdrucke πάρεστε σιγὰς ἰδεῖν be- 
freunden können, noch auch ist der Rhythmus des ersten Verses statt- 
haft. Denn allerdings hat Hermann im Gegensatz zu so vielen anderen 
Kritikern den richtigen Takt gehabt, die verdorbenen Zeichen auf den 
iambischen Rhythmus, der durch die beiden ersten Strophenpaare abge- 
sehen vom Refrain herrscht, zurückzuführen , aber, wer ein Ohr hat für 
Wohlklang, muss fühlen dass in dem Verse πάρεστε σιγὰς ἀτίμους 
ἀλοιδόρους eine Sylbe fehlt, und dass statt der iambischen Heptapodie 
mit Synkope der dritten und der fünften Thesis eine katalektische Okta- 
podie, wie wir sie v. 387 und 403 haben, notwendig ist. Dies rhyth- 
mische Bedenken und die überlieferte Accentuierung von σιγᾶς führen 
dann fast von selbst auf folgende von den codd. nicht stark abweichende 
Emendation: πάρεστι σιγαῖς ἁἀμώμοις ἀλοιδόροισιν | ἄδιστος ἐφεμένων 
ideiv „ihn (Menelaos, der Helenas Lager aufsuchen wollte und es leer 
fand) könnte man in tadellosem vorwurfslosem Schweigen sehen als den 
sanftesten (gutmütigsten) der Sehnsüchtigen‘“. Menelaos ist nämlich der 
Helena so ganz hingegeben, dass er jetzt so wenig, wie später (Hom. 
Od. IV), ein Wort des Vorwurfs für sie hat. Zu dieser weibischen Stim- 
mung passt sehr gut das Attribut &dıorog, indem er von aller so natür- 
lichen Bitterkeit entfernt ist. — Man fragt vielleicht, warum ich nicht 
ἀτίμοις beibehalte und mit Schneidewin erkläre „in schmählicher vor- 
wurfsloser Stille“. Aber wenn Aeschylos zwei mit « privativum zusam- 
mengesetzte Adj. neben einander stellt, so cumuliert er immer, wie 
ἄχορον ἀκέϑαριν Ἄρη, ἄμαχος ἀπόλεμος δαίμων, ἄκλαυστος ἄιστος, 


FU [0 απ - 





COMMENTAR,. 281 


ἄναγνον ἀνίερον, ἀκέλευστος ἄμισϑος. ἄμοιρος ἄκληρος ι. 5. w. Statt 
ἀτίμοις müssen wir also ein Synonymum zu ἀλοιδόροισιν haben, und 
dies bietet sich am bequemsten in ἁμώμοις. 

Durch das von mir hergestellte ἐφεμένων ist nun der Uebergang zu 
dem Gedanken πόϑῳ δ᾽ ὑπερποντίας φάσμα δόξει δόμων ἀνάσσειν 
gegeben. Aber was unter dem φάσμα zu verstehen sei, darüber gehen 
die Meinungen sehr auseinander. Meistens glaubt man, es sei ein Schein- 
bild Helenas gemeint, indem Menelaos in seinem Liebesgram die Gattin so 
lebhaft sich vorstelle, dass sie gegenwärtig zu sein scheine: aber dieser 
Erklärung widerspricht erstlich das Fut. δόξει (das Heimsoeth „die Wie- 
derherstellung“ p. 77 durch die Conjectur φάσμ᾽ ἔοικεν δόμων ἀνάσ- 
σειν zu ‚beseitigen sucht), zweitens aber auch der Ausdruck ἀνάσσειν, 
der zu einem im Hause webenden schwebenden‘ Phantasiebild nicht wohl 
stimmen würde, endlich aber steht jene Erklärung in direktem Wider- 
spruch mit dem Anfang der Gegenstrophe. Denn sah Menelaos ein Phan- 
tasiebild seiner Geliebten, so konnte er sich ja damit trösten, und es hätte 
nicht erst der Traumerscheinungen bedurft, um ihm eine nichtige Freude 
zu bringen. So glaub’ ich denu mit Ahrens dass mit dem φάσμα zu- 
nächst Menelaos selber gemeint ist, der, weil alle seine Gedanken bei 
Helena weilen, als ein ὄναρ ἡμερόφαντον, wesenlos, des Hauses zu 
walten scheinen wird. Fassen wir φάσμα so, dann ist das Fut. δόξει 
nicht bloss nicht anstössig, sondern notwendig, denn die Seher schauen 
den König ja im Thalamos, sodass bis jetzt von einem δόμων ἀνάσσειν 
noch gar nicht die Rede ist, sondern erst für die spätere Zeit. — Wenn 
aber auch der Chor die Erwähnung des φάσμα so verstehen muss, so 
glaub’ ich doch dass der Dichter absichtlich sich so dunkel ausgedrückt 
hat, um für den Zuschauer den Sehern zugleich die Prophezeihung in den 
Mund zu legen ‚dass infolge der Sehnsucht nach der Entflohenen später 
Helena als Phantom in diesem Hause schalten und Agamemnou tödten 
wird“. Denn gerade in diesem Licht, als dämonische Mörderin Aga- 
memnons, betrachtet sie v. 1418 54. der Chor selbst. 

An den κολοσσοί v. 398 ist nicht zu rütteln: es sind wirkliche Mar- 
morbilder, die, im Thalamos aufgestellt, sonst einen schönen Chor zu den 
ehelichen Freuden bildeten, nun aber dem Menelaos widerwärtig sind. 
Aber jetzt die überlieferte Lesart ὀμμάτων δ᾽ ἐν ἀχηνίαις ἔρρει πᾶσ᾽ 
’Ayoodlre. Wäre sie richtig, so könnte sie nur nach dem alten Schütz 
erklärt werden „in den leeren Augenhöhlen der Marmorstatuen schwindet 
jede sinnliche Lust“, aber der Gedanke ist doch wunderlich. Lieber 
schreib’ ich daher, was mir einzig in den Zusammenhang zu passen 
scheint, στρωμάτων δ᾽ ἐν ἀχηνίαις ἃ. h. „in der Verlassenheit des ehe- 
lichen Lagers schwindet ihm jede Lust an allem, was ihn sonst er- . 
freut hat“, 

In der Gegenstrophe ist zunächst das überlieferte πενϑήμονες, ein 
sonst nicht vorkommendes Wort, anstössig. Denn die Traumbilder, brin- 
gen sie auch nichtige Freude, sind doch nicht leidvoll, sondern erfreu- 
lich. Darum schlägt Hartung vor πενθήμονι zu lesen, aber das ist 


282 COMMENTAR, 


metrisch wohl kaum möglich, die letzte Arsis in diesen Reihen kann nicht 
doppelzeitig sein. Ich schreibe daher πενθϑήμασιν, „seinem Kummer“ 
erscheinen Traumbilder. 

v. 404 hat ein äusserst geringfügiger Schreibfehler grosse Wirren 
veranlasst. Die codd. geben μάταν γὰρ eur ἂν ἐσϑλά τις δοκῶν ( ορᾶν, 
da jedoch kein Conjunktiv folgt, der von εὖτ ἂν abhängen: könnte, so 
haben die Meisten unwahrscheinliche Conjeeturen versucht, Hermanı aber 
will aus ὁρᾶν noch einmal ὁρῷ ergänzt wissen, und Schneidewin sieht in: 
jenem unvollendeten Satz eiue Aposiopesis, die er, aus dem folgenden etwa 
χεῖρας ἐπορέξῃ ergänzend, in die nicht-schweigende Sprache hinüber- 
führt. Letzterer hat am feinsten aus dem Zusammenhang herausgefühlt, 
welcher Begriff hier vermisst wird, aber diesen hat Aeschylos ohne 
Aposiopesis so ausgedrückt: μάταν γὰρ εἶτ᾽ av ἐσϑλά τις δοκῶν ὁρᾶν 
„denn umsonst würde sich Einer, der Schönes (im Traum) zu sehen 
glaubt, sehneud darnach ausstrecken“. Denn das ist ja die eigentliche 
Bedeutung von ieua: „sich nach etwas recken“. Daran schliesst sich dann 
vortrefflich mit explicativem Asyndeton παραλλάξασα διὰ χερῶν βέβακεν 
ὄψις „weg ist das Bild, in den Händen zerrinnend“. Aber wer nimmt 
nicht Austoss an οὐ μεϑύστερον ὃ „nicht hinterher“ soll heissen „auf der 
Stelle“. Wie unklar wäre das, zumal da das Traumbild doch immer erst 
nach dem Schlaf, sobald man sich besinnt, entschwindet! Dass hier eine 
Corruptel vorliegt, bezeugt auch die Strophe πολὺ δ᾽ ἀνέστενον, wo die 
Auflösung der Arsis erst durch Triclinius’ grobe Conjectur. beseitigt ist. 
So zweifle ich nicht dass Aeschylos geschrieben hat ὄνομ᾽ ἔϑ᾽ ὕστερον 
„hinterher nur noch ein blosser Name“. Dadurch wird das Wesenlose 
der ὄψες aufs allerwirksamste bezeichnet. Aehnlich sagt Attinghausen in 
Schillers Tell IT, 1: ‚Mein Schatten bin ich nur, bald nur mein Name“. 

v. 407 geben die codd. πτεροῖς ὁπαδοῖς ὕπνου κελεύϑοις. höchst 
klar und verständlich, nur dass die dreimal wiederholte Endung — 015 
übelklingt. Aber dieser Fehler ist leicht zu heben, wenn wir πελεύϑῳ 
setzen, Hermann schreibt mit stärkerer Aenderung, aber unschön ıre- 
00000’ ὁπαδοῦσ᾽ ὕπνου κελεύϑοις. ---- Mit diesem Verse schliesst übri- 
gens das von den Sehern gesprochene Wort, genau an derselben Stelle, 
wo es in der Strophe anhob. 

Nach v. 408 hat zuerst Halm ‚Fichtig interpungiert und im folgenden 
Verse für red’ ἐστί hergestellt τὰ δ᾽ ἐστί. Aber ich ‚glaube doch nicht, 
dass v. 409 schon ganz geheilt ist, wenn man liest τὰ δ᾽ ἐστὶ καὶ τῶν δ᾽ 
ὑπερβατώτερα. Zunächst erregt mir die kurze Schlusssylbe Bedenken, sie 
ist schwerlich in diesen Reihen zulässig. Sodann ist der wunderliche 
Comparativ ὑπερβατώτερος durch keine Notiz der Grammatiker beglaubigt, 
wiewohl andere ungewöhnliche Formen der Art sorgfältig von ihnen 
verzeichnet werden, vgl. Herm. Fragm. 453 und 407. So wage ich die 
Vermutung, dass der Dichter geschrieben hat τὰ δ᾽ ἐστὲ καὶ τῶνδ᾽ ὑπερ- 
βατῶν rege „die folgenden Leiden aber gehen noch über diese schon ausser- 
ordentlichen hinaus. “ Aehnlich Platon πέρα τοῦ μεγίστου φόβου. Arist. 
Av. 416 ἄπιστα καὶ πέρα κλύων. (Darnach ist der Text zu berichtigen.) 











COMMENTAR. 283 


Mit Recht aber bemerkt Weil dass, wenn man Halms unzweifelhafte 
Verbesserung aufnimmt, wornach τὰ δέ auf das Nachfolgende hinweist, 
nicht v. 410 mit δέ angeknüpft sein kann. Es ist aber nicht ‚nötig das 
überlieferte τὸ πᾶν δ᾽ ap Ἑλλάδος αἴας mit ihm in τὸ πᾶν γὰρ κτλ. τὰ 
ändern, es genügt, einfach das δ᾽ zu streichen, wodurch die Abschreiber 
so häufig Aeschylos’ markige Asyndeta verdorben haben. — Für Ελλάδος 
‚alas aber fordert der Rhythmus die treffliche Emendation von Franz 
Ἕλλανος αἴας, für συνορμένοις ist es notwendig συνορμένοισιν zu lesen, 
vgl. v. 394. 

v. 411 ist das überlieferte πένϑεια τλησικάρδιος absolut unhaltbar, 
zumal da die Strophe die Auflösung der zweiten Arsis fordert. Schnei- 
dewin vermutet δακεσικάρδιος., dem Buchstaben der Ueberlieferung aber 
werden wir treuer bleiben, wenn wir lesen ταμεσικάρδιος, cf. ταμεσίχρως. 
Freilich finde ich kein Beispiel, wo τέμνειν von einer Verwundung des 
Gemüts gebraucht wäre, aber es ist keine Frage, dass Aeschylos sich 
diesen Ausdruck wohl erlaubt haben kann, zumal hier, wo er den schnei- 
denden Schmerz der eingelaufenen Todesnachricht viel wirksamer be- 
zeichnet als der Begriff δάκνειν oder τήκειν. 

Ganz im Argen aber lag bisher die ‚Interpretation von v. 418, Man 
las nach den codd. πολλὰ γοῦν ϑιγγάνει πρὸς ἥπαρ: und obwohl 
Schneidewin auf die unerträgliche Mattigkeit des ϑιγγάνει und die uner- 
hörte Syntax des πρός aufmerksam machte, so zog man dennoch seiner 
Conjectur ϑηγάνει die vulgata vor. Freilich ist auch Inyaveı nicht mit 
πρός zu verbinden und an der Leber kann nichts „gewetzt‘“ werden, aber 
der wunde Fleck war doch bloss gelegt und eine Heilung versucht. Un- 
zweifelhaft steckt nun in dem verschriebenen ϑιγγάνει entweder οἰδάνει 
oder οἰδανεῖ. deun dieser Begriff ist es, der hier, wo von einem gegen 
die Atriden schwillenden Unmut des Volkes die Rede ist, einzig, zu 
ἧπαρ passt. Man vergleiche Il. IX, 646 ἀλλά μοι oldaveras κραδίη χόλῳ 
und Hesychs Glossen oldatveı οἰδεῖ ἐπαίρεται φλεγμαίνει, οἰδαίνουσι 
φλεγμαίνουσι φυσῶσι, οἰδαίνεσϑαι ϑυμοῦσϑαι und Hor. Od. I, 18, 4 
fervens difficili bile tumet iecur. Dann aber muss ἧπαρ Subjekt zu 
oldavsı sein und πολλά, wie so häufig, die intensive Stärke der Auschwel- 
lung bezeichnen, πρός aber wird verschrieben sein aus 70%. Demnach 
schreibe ich die Stelle πολλὰ γοῦν οἰδανεῖ mod" no „freilich stark 
wird der Unmut einst schwillen (während bis jetzt noch der Schmerz um 
den Verlust die Oberhand hat)“. Dabei aber ist nicht zu übersehen dass 
die besorgnissvolle Voraussagung in diesem Verse genau mit dem Seher- 
worte φάσμα δόξει δόμων ἀνάσσειν correspondiert. 


Drittes Strophenpaar v. 418 --- 458. 


᾿ Wie Ares im ersten Verse χρυσαμοιβὸς σωμάτων „der Leichen- 
banquier‘ genannt wird (vgl. Shakespeare Richard III, Act IV, Sc. 4, wo 
es von Richard heisst: ‚their factor to buy souls and send them thither 
— zur Hölle“), so muss auch im folgenden das bei μάχῃ überflüssige 
δορός zu ταλαντοῦχος gezogen werden, damit dadurch die Eigentümlich- 


284 COMMENTAR, 


keit dieses ταλαντοῦχος „des Speer-Wagehalters‘, dessen Goldwage eben 
die horizontal schwebende Lanze ist, erläutert wird. Im Uebrigen ist der 
Anfang der Strophe sehr gut von Schneidewin, dem ich mich unbedingt 

anschliesse, erklärt: nur scheint es mir notwendig Schütz’ treffliche 
Emendation βραχὺ für βαρὺ aufzunehmen. 

Aber v. 425 54. liest man bisher ohne allen Anstoss nach den codd.: 
στένουσι δ᾽ εὖ λέγοντες ἄνδρα τὸν μὲν ὡς μάχης ἴδρις" τὸν δ᾽ ἐν 
φοναῖς καλῶς πεσόντ ἀλλοτρίας διὰ (Herm. richtig, διαὶ) γυναικός" 
τάδε σῖγα τις Pausen. ‚Statt τάδε schreibt Hermann τὰ δέ, so dass ein 
drittes an τὸν μέν, τὸν δέ angereiht werde, während τάδε des Gegen- 
standes der Hinweisung entbehre. Aber diese fehlgehende Conjectur be- 
ruht nur auf einem völligen Missverständniss des ‚vorhergehenden Verses. 
Dort steht, was wohl zu bemerken ist, nicht ἐν μάχαις, sondern ἐν φοναῖς 
„im Gemetzel ‚““ und als Ursache des mörderischen Wütens ist verächtlich 
ἀλλοτρίας διαὶ γυναικός hinzugefügt, und trotz dieser vom heftigsten 
Unwillen zeugenden Ausdrücke will man sich überreden, dass die Griechen 
einen in solchem Kampf gefallenen καλῶς πεσόντα genannt hätten? Un- 
möglich. Vielmehr müsste man, wenn die Ueberlieferung richtig wäre, 
καλῶς notwendig ironisch fassen, wie es so oft ähnlich unserem „herr- 
lich‘ gebraucht ist. Wie misslich aber eine solche Fassung wäre in der 
Abhängigkeit des Satzes von στένουσι δ᾽ εὖ λέγοντες, liegt auf der Hand. 
Dass jedoch eine schwere Corruptel hier vorliegt, wird schon äusserlich 
erwiesen durch die unerträgliche, in solchen iambischen Reihen fehlerhafte 
Lähge der ersten Sylbe in τὸν δ᾽ ἐν φοναῖς (Gegenstrophe τιϑεῖσ᾽ auav- 
00v, Enger macht in seiner neuen Ausgabe auf den Fehler aufmerksam). 
Ich glaube daher auf Zustimmung rechnen zu dürfen, wenn ich schreibe 
τὸ δ᾽ ἐν φοναῖς καλῶς πεσεῖν ἀλλοτρίας διαὶ γυναικός" τάδε σῖγά τις 
βαύξει. Dann folgt auf das klagende Lob des einen Kämpfers mit leichter 
Anakoluthie wegen des Uebergangs in die direkte Rede „Und wieder 
„.„o ein herrlicher Tod im Gemetzel um eines fremden ;Weibes willen!“ “ 
so murrt mancher in der Stille“. Ueber den exclamativen Infinitiv mit 
τό als Ausdruck des Aergers und des Unwillens vgl. Krügers Gramm. 
$55,1,6. Zugleich stellt sich nun das überlieferte τάδε als notwendig 
heraus: nach dem zu v. 353 und 54 erörterten Gesetze durfte bei der Hin- 
weisung auf die in oratio recia angeführten Worte eines anderen das 
pron. dem. nicht fehlen. Bestätigt aber wird meine Emendation durch 
das nicht genug beachtete Scholion zu dieser Stelle, das auf das deut- 
lichste v. 427 und 28 mit 429 in Verbindung setzt, indem es sagt: ὅτι δι᾿ 
ἀλλοτρίαν ἀπώλλυτο γυναῖκα, σιωπηλὼς βοᾷ μετὰ ὀργῆς δίκην κυνός 
(die letzten Worte βοᾷ δίκην κυνός sollen natürlich Bav£eı „er bellt“ 


_ nu 


erklären). — Die Veranlassung zu der Corruptel ist zu suchen in der | 


leichten Anakoluthie (vgl. Burgard Quaest. gramm. Aesch. Part. I, $ 17 


bis 27), dass dem τὸν μέν nicht das gewohnte τὸν δέ entspricht. 

v. 434 behält Hermann noch das überlieferte, aber völlig sinnlose 
εὔμορφοι bei. Schneidewin hat zuerst auf den richtigen Weg geführt 
durch seine geistreiche Conjectur γαμόροι, deren Wortlaut jedoch un- 








COMMENTAR. ΕΝ 285 


_ haltbar ist wegen des unmittelbar vorhergehenden γᾶς. Wieseler schreibt 
᾿ ἔμμοιροι, Weil ἔμμοροι, am besten Ahrens εὕμορτοι nach Hesychs 
Glossen woprav, τὴν γενομένην καταβολὴν ἀπὸ τῶν καρπῶν und ἐπί- 
μορτος᾽ λέγεται οὕτω καὶ ὁ μέρει ἐργαξόμενος, μορτὴ γὰρ τὸ μέρος 
ἐκαλεῖτο. Dann ist aber εὔμορτοι natürlich πὶ Ἰλεάδος γᾶς zu verbinden: 
die bei Troja Bestatteten heissen mit shakespearescher Ironie „die eine 
starke Abgabe zahlenden Pächter des Bodens von Ilion“, nämlich für die 
sechs Schuh Erde, die sie einnehmen, haben sie ihr Leben bezahlt. 

Im Anfang der Gegenstrophe stoss’ ich „sogleich, auf erhebliche 
Schwierigkeiten. Die codd. geben βαρεῖα δ᾽ ἀστῶν φάτις σὺν κότῳ. 
Dafür schreibt Hermann φάτις ξὺν κότῳ und dies soll soviel als φάτις 
ἔγκοτος sein. Möglich, aber viel schöner und deutlicher hätte sich 
dann Aeschylos durch ein Adj. ausgedrückt. Auch vermissen wir ungern 
einen Dativ, auf den sich βαρεῖα beziehe. Viel wichtiger aber ist es, dass 
der folgende Vers des rechten Subjekts entbehrt. Wie die Worte nämlich 
überliefert sind, müssen wir als Subjekt zu τένει die ἀστῶν φάτις fassen, 
aber ziverv, wohl inmmer nur von Personen gebraucht, heisst doch stets 
„zahlen, was man selbst schuldig ist“, während hier von einem „sich 
bezahlen lassen“ die Rede wäre. Ich ändere daher σὺν κότῳ in δυσκότῳ 
„dem mit schwerem Zorn beladenen,‘“ womit allgemein derjenige be- 
zeichnet wird, gegen welchen der φϑόνος heranschleicht (über die Cor- 
ruptel vgl. zu v. 786). Damit gewinnen wir denn zugleich das einzig zu 
τίνει χρέος passende Subjekt. Aber welche Schuld büsst „der zorn- 
beladene“? dnuoxgarov δ᾽ ἀρᾶς geben die codd., wofür Porson und 
Hermann schreiben δημοκράντου. Aber κραίνειν ἀράν heisst nach 
Prom. 914 „einen Fluch erfüllen“, während wir hier den Begriff eines 
vom Volk gesprochenen, ‚ verhängten Fluches verlangen. Daher schreibe 
ich lieber δημαράτου δ᾽ ἀρᾶς. das für den im Zusammenhang notwendigen 
Begriff „vom Volk verhängt‘ die feierliche malerische Umkleidung liefert. 
— Auf das Wort ‚Inugarog kommt auch Weil; aber seine CGonjectur 
ὁ δημάρατος δ᾽ ἀρὰς τίνει χρέος macht erstlich eine höchst unwahr- 
scheinliche Aenderung der Strophe (ὁ καὶ ταλαντοῦχος) notwendig, sodann 
enthält sie den selbstverständlichen Gedanken, dass der Verfluchte die 
Schuld des Fluches zahlt, endlich aber darf der Chor nie und nimmer 
Agamemnon als einen δημάρατος bezeichnen, er darf höchstens andeuten 
dass ein vom Zorn des Volkes beladener, wie Agamemuon, gar leicht so 
schwer büsse wie ein verfehmter. 

v. 438 sind wir‘nach Dindorfs Bemerkung im Philol. XIII p. 481 un- 
bedingt berechtigt, für das überlieferte μοῦ, welches mit μέρεμνα im fol- 
genden Verse zu verbinden wäre, das viel passendere μοί zu schreiben. 

v. 444 geben die codd. malıvruyn (Farn. παλιντυχῇ) τριβὰ βίου, 
wofür man seit Scaliger und Grotius allgemein liest παλιντυχεῖ τριβᾷ 
βίου. Aber das scheint mir sinnlos zu sein. Denn wenn Schneidewin er- 
klärt „durch rückgewandtes Lebensloos“, so ist das ungenau: in „Lebens- 
1005“ könnte allerdings der hier notwendige Begriff der Katastrophe 
angedeutet sein, aber keineswegs in τρεβὴ βίου, das immer nur die lange 


286 “ COMMENTAR. 


Dauer des Lebens bezeichnen würde. Ich emendiere daher mit einiger 
Zuversicht παλιντριβεῖ τύχᾳ βίου „durch ein Lebensloos, das den falschen 
Glanz (vgl. v. 373—75) wieder abreibt.“ Dazu stimmt vortreffllich das 
sogleich folgende τιϑεῖσ᾽ ἀμαυρόν „sie lasseu seinen Glanz erblinden“. 
Die τύχαι βίου wie συμφοραὶ βίον sind bekannt genug, vgl. Eum. 911. 
1002, auch Ag. 549 τύχης παλιγκότου. Was aber παλιντριβής betriffi, 
so kommt es bei Soph. allerdings in anderer Bedeutung vor „durch 
Schaden gewitzigt, gerieben‘ oder auch „glatt wie eine Schlange,“ aber 
Hesych hat gerade die Form, welche wir hier gebrauchen, παλιντριβεῖ, 
und wenn er auch irrtümlich, in Reminiscenz der Bedeutung bei Sophokles, 
das unserer Stelle gehörige Wort erklärt durch xaxsvroeyei „arglistig‘, 
so sind wir doch ohne Zweifel berechtigt πάλλεν hier als rursus zu fassen 
und so dem Wort eine Bedeutung zu vindicieren, die es nach v. 374 not- 
wendig haben muss. — Die Corruptel aber ist leicht zu erklären: war 
zuerst aus Versehen, indem das Auge von einem r zum andern übersprang, 
etwa παλιντυχῇ βίου geschrieben und ward daun von einem Corrector 
τριβεῖ über παλιντυχῇ gesetzt, so konnte ein nachfolgender Abschreiber 
gar zu leicht daraus machen, was wir jetzt in den codd. lesen. Möglich 
indessen auch, dass im Kopfe eines gewandten aber flüchtigen Schreibers, 
der in einem Blicke die Worte παλεντριβεῖ τύχᾳ βίου auffasste, diese 
umsprangen in παλιντυχεῖ τριβᾷ βίου. 

v. 445 missversteht man gewöhnlich in wunderbarer Weise die Worte 
ἐν δ᾽ ἀίστοις τελέϑοντος οὔτις ἀλκά. Die Bemerkung „dass der im Un- 
bedeutenden verweilende, d. h. der von seiner Höhe gestürzte ohnmächtig 
sei“ enthielte eine Trivialität, die den Eindruck des gewaltigen Egıvves 
τιϑεῖσ᾽ ἀμαυρόν in unerträglicher Art abschwächen würde. Ich erkläre 
τελέϑοντος als Gen. des Neutrum und verstehe unter τὸ ἐν αἴστοις τελέ- 
ϑὸν „die im Dunkel des Hades lebende Macht der Ermordeten“, gegen 
die es keinen Schutz giebt. So schliesst sich der Satz ἐν δ᾽ αίστοις κτλ. 
erklärend an das vorhergehende an, als eine Illustration des obigen τῶν 
πολυχκτόνων γὰρ οὐκ ἄσκοποι ϑεοί. Vgl. Ch. 320 φρόνημα τοῦ ϑανόν- 
τος οὐ δαμάζει πυρὸς μαλερὰ γνάϑος; φαίνει δ᾽ ὕστερον ὀργας. 

v. 448 sucht Hermann das überlieferte βάλλεται γὰρ ὕσσοις ΖΔιόϑεν 
κεραυνός zu schützen — aber operam perdidit. Statt ὄσσοις verlangen 
wir durchaus den Begriff der „ragenden Höhen“. Glücklich hat diesen 
Ahrens gefunden durch seine Emeudation βαλλεταί γ᾽ ὀρόχϑοις, aber 
noch besser ist der Begriff, den wir suchen, ausgedrückt in der anderen 
von Hesych überlieferten Form ὀρόγκοις. Das sind „die Anschwellungen 
der Berge‘. 

Der Schluss der Gegenstrophe lautet nach den codd. μήτ᾽ οὖν αὐτὸς 
ἁλοὺς ὑπ᾽ ἄλλων βίον κατίδοιμι. Zu dem letzten Worte bemerkt Her- 
mann: „invenustissime Valckenarius conüciebat nartdoıwı“, und Weil 
sagt, diese Conjectur würde vortrefflich sein, wenn $vu0v vorherginge. 
Wie hat man doch eine so einleuchtende Verbesserung ungenutzt las- 
sen können, dafür das farblose leere βίον κατέδοιμε vorziehend! Kar- 
sten schun erklärte richtig „möchte ich nicht selber das Brod der Ge- 








COMMENTAR. 287 


fangenschaft essen!“ und verwies dabei auf v. 1000, wo es von Herakles 
heisst πραϑέντα τλῆναι δουλίας μάξης ϑιγεῖν. Woran nahm denn Weil 
hier Anstoss, dass er das hoch poetische κατέδοιμιε nur bildlich fassen 
wollte? Meinte er vielleicht dass βίον nicht für σῖτον stehen könne? 
Aber βίος steht ja unendlich oft für „Lebensunterhalt“, und das ganz 
synonyme βέοτος wird geradezu mit κατέδουσιν verbunden Od. I, 160. 
So sehe ich denn gar kein Bedenken Valckenaers Besserung aufzunehmen, 
doch stört mich noch das überlieferte vr’ ἄλλων. Mit ἁλούς verbunden 
wäre es völlig überflüssig und nichtssagend, denn man kann doch überall 
nicht anders als „von anderen‘ gefaugen werden. Ich schreibe daher 
ἀπ᾿ ἄλλων und verbinde dies mit βίον κατέδοιμι. Las man irrtümlich 
κατίδοιμι. so musste auch am ἄλλων in ὑπ᾽ ἄλλων verändert werden. 
— Karsten schlägt vor ὑπ᾽ ἄλλῳ, recht gut, äber meine Conjectur ist 
besser. 


- „Epodos“ v. 454—466. 


Sicherlich hat 0. Müller (vgl. Hermann zu v. 454) Recht, wenn er den 
eigentümlichen Ideengang dieser „Epodos‘“ sich daraus erklärt, dass 
plötzlich zu Ende des Chorgesanges v. 453 hinter der Scene jene Jubelrufe 
von Weibern erschallen, die Klytämnestra (nach v. 573) auf die freudige 
Siegesnachricht hin veranlasst hat. Unmöglich könnte sonst der Chor von 
seinen feierlichen Betrachtungen so plötzlich in den kühlen, reflectierenden, 
ironisch-unwilligen Ton übergehen; unmöglich könnte er; der noch v. 337 
so gläubig von πιστὰ τεκμήρια der Einnahme Trojas gespruchen hat, 
jetzt mit ungläubigem Spott die Königin verfulgen. Vollkommen motiviert 
ist dagegen der jähe Wechsel in der Stimmung des Chors, wenn der Jubel 
der Weiber ihn von den im Ewigen weilenden Betrachtungen plötzlich 
auf die Erde zurückruft: nun, da er die Zeichen der stürmischen Freude 
vernimmt, erwacht der Zweifel in ihm, ob die Freude auch sicheren Grund 
habe, uud in steigendem Unwillen spottet er des leichterregten Weiber- 
volkes, das allzu rasch die Hoffuung mit der Wirklichkeit verwechsele. 
Aber sein Unwillen gilt nicht sowohl der Königin — gegen sie direkten 
Tadel auszusprechen ist er zu respektvoll — als vielmehr jenen Weibern, 
die durch ihren leichtfertigen Jubel die Gottheit gewissermassen heraus- 
fordern die Bestätigung der Siegesnachricht zu versagen. 

Auch darin hat O. Müller Recht, dass diese sogenannte Epodos sich 
auf mehrere Gruppen der Choreuten verteilt: nur hätte er nicht drei, 
sondern mit Hermann vier solcher Gruppen annehmen sollen. Denn un- 
verkennbar gliedern sich diese Chorverse in vier durch die Interpunktion 
scharf von einander geschiedene Partien, und da jedesmal der neue Satz 
ohne Conjunction sich an den vorigen auschliesst, so ist klar dass jedes- 
mal ein Wechsel der Sprecher eintritt. Soweit also ist von Müller und 
Hermann das Richtige gefunden: aber wunderbar ist es, dass noch Nie- 
mand den Versuch gemacht hat aus diesen vier Gruppen, von denen dem 
Inhalt nach die erste der zweiten, die dritte der vierten so genau ent- 
spricht, auch die rhythmische Correspondenz herauszufinden. Und doch 


. 288 COMMENTAR. 


wäre es rätselhaft, ja unbegreiflich, wenn Aeschylos, der selbst im ge- 
sprochenen Trimeter den unabweislichen Drang zu antithetischer Gestal- 
tung fühlt, diese lyrischen Maasse, zwischen denen der ὀλολυγμὸς εὐφη- 
μούντων gehört wird, in chaotischer Verwirrung hingestreut hätte, statt 
sie in feste und sichere Gesetze einzuschliessen. Es kann nicht sein. 


Aber dieser Glaubenssatz findet auch trotz der Textzerrüttung, 
welche die beiden codd. hier bieten, sicheren und festen Grund in man- 
chen unzweifelhaften Indicien der rhythmischen Symmetrie. Gehen wir 
aus von der am wenigsten verdorbenen Gruppe, der zweiten. Hier sind 
die wenigen Schreibfehler der Ueberlieferung glücklich geheilt, und in 
jeder Beziehung untadelig stellen sich in ihr folgende drei Verse heraus: 


τίς ὧδε παιδνὸφ ἢ φρενῶν κεκομμένος, 
φλογὸς παραγγέλμασιν 
νέοις πυρωϑέντα καρδίαν, ἔπειτ᾽ ἀλλαγᾷ λόγου καμεῖν; 


Der erste Vers ist eine rein iambische Hexapodie, der zweite eine iam- 
bische Tetrapodie mit Synkope der dritten Thesis, der letzte besteht aus 
einer iambischen Hexapodie (mit Synkope der dritten Thesis) und einer 
solchen Tetrapodie (mit Synkope vor der ersten Arsis), fasst also die 
beiden vorhergehenden Verse in sich zusammen. Anders diese Reihen 
abzuteilen ist unmöglich, denn dass die letzte Hexapodie mit der folgenden 
Tetrapodie nur einen Vers bildet, geht sowohl aus der Elision des α von 
ἔπειτα (die unmöglich am Ende eines Verses stattfinden könnte) als auch 
daraus hervor, dass sonst αλλαγᾷ λόγου καμεῖν eine hier ganz fremd- 
artige trochäische Reihe bilden würde. Genau denselben Vers treffen wir 
Ch. 615 πόνων, ἄκαιρος δ᾽ ὁ δυσφιλὲς γαμήλευμ᾽ ἀπεύχετον δόμοις. 
Vergleichen wir hiermit nun die erste Gruppe, so entspricht der 
Vers τίς οἶδεν, εἴ τι ϑεῖόν ἐστι un ψύϑος (codd. εἴ τοι oder Nror, doch 
ist dies τοι offenbar nur aus einem zur Berichtigung über ein verschriebe- 
nes τό gesetztes ı entstanden) um so deutlicher dem ersten Verse der 
zweiten Gruppe, als beide mit τίς anfangen; der erste Vers aber correspon- 
diert ebenso deutlich mit φλογὸς παραγγέλμασιν. Statt der vereinigten 
Hexapodie und Tetrapodie jedoch, welche die zweite Gruppe am Schluss 
aufweist, finden wir in der Mitte der ersten Gruppe nur zwei vereinigte 
Tetrapodien πόλιν διήκει ϑοὰ βαξις" εἰ δ᾽ ἐτήτυμος. Hier fehlt also 
zur Herstellung völliger Symmetrie nach ϑοά eine iambische Dipodie. 
Aber dass hier eine Lücke in den codd. ist, muss man auch ohne die Er-. 
innerung von Seiten des Rhythmus fühlen: an und für sich ist eine ge- 
nauere Bezeichnung der βάξις notwendig, und im Verhältniss zu dem 
vorausgegaugenen πυρὸς εὐαγγέλου erfordert der äschylische Stil durch- 
aus einen volleren Umfang für den Begriff Px&ıs, denn ϑοά gehört zum 
Prädikate διήκει. Beispielsweise ergänze ich die Lücke durch πρὸς Ἰλίου. 
Nun hat die erste Gruppe drei Verse, die denen der zweiten Gruppe 
völlig gleichartig sind, aber die einander entsprechenden Reihen stehen 
nicht in gleicher Ordnung, sondern auf a, ὃ, c folgen ο΄, α΄, δ΄. Wie ist 
das möglich? fragt man, und welche Symmetrie ist darin erkennbar? Die 





COMMENTAR. 289 


Antwort liegt nahe. Es stehen sechs Choreuten in zwei Reihen von je 
drei Personen hinter einander, und jede Gruppe von je drei Versen verteilt 
sich derartig auf die drei Choreuten einer Reihe, dass im raschesten 
Wechsel die zweite und die dritte Person den von der ersten begonnenen 
Satz fort- und zu Ende führen. Natürlich hebt der Koryphäos, in der 
Mitte der ersten Reihe stehend, an, ihm folgt der zur Linken, es 
schliesst der zur Rechten stehende. In der zweiten Reihe geht es dann 
ununterbrochen von rechts nach links. Die Verse also, die ich mit a, ὃ, c 
und a’, δ΄, οε΄ bezeichnet habe, werden von dieser Stellung der Choreuten 
aus gesprochen: 
bac oder 2.1. 3. 
"ac 6. 5. 4. 

Hier giebt die Stellung des Koryphäen für die Correspondenz von 2 und 6, 
1 und 5, 3 und 4 einen so einleuchtenden Grund, dass ich hoffe den anti- 
strophischen Bau der beiden ersten Gruppen bewiesen zu haben. Zugleich 
erhellt nun aber dass im dritten Verse nach τίς oidev nicht interpungiert 
werden darf, weil auch im vierten Verse keine Pause stattfindet, es ist also 
zu lesen τίς oldev εἴ τι ϑεῖόν ἐστε un ψύϑος „wer weiss, ob es nicht 
eine göttliche Täuschung ist?“ nämlich des Hephästos, worauf ja auch 
schon Klytämnestra v. 258 hingedeutet hatte mit un δολώσαντος HeovV. 
Im zweiten Verse ist also nach εἰ δ᾽ ἐτήτυμος ein Gedankenstrich zum 
Zeichen der unterbrochenen Rede zu setzen. Den nur angedeuteten Zweifel 
des fünften Choreuten spricht der letzte klar aus. 

Wir kommen nun zu den beiden letzten Gruppen, die, weın ein ein- 
heitliches Gesetz die ganze Partie von v. 454—466 durchdränge, sich not- 
wendig auf die beiden hinteren Reihen des Chors so verteilen müssten, 
dass die Bewegung in der dritten Reihe wieder eine rückläufig von links 
nach rechts geheude werden, die in der vierten abermals umwenden und 
von rechts nach links gehen müsste. Die Reihenfolge der Sprechenden 
müsste also sein 

7. 8. 9. 
12. 11. 10. 


und 7 müsste mit 12, 8 mit 11, 9 mit 10 correspondieren. — Dass nun aber 
der Dichter dies Gesetz auch wirklich durchgeführt hat, dafür haben wir 
trotz der argen Verstümmelung der dritten Gruppe einen entscheidenden 
Beweis darin, dass der siebente Vers mit γυναικός, der zwölfte aber, der 
nach unserer Vermutung ihm entsprechen müsste, mit γυναικογάρυτον 
anhebt. Wer Aeschylos kennt, muss hierin eine volle Bestätigung unserer 
Ansicht erblicken. 

Gehen wir deun, um einen sicheren Boden für die Restitution der 
dritten Gruppe zu gewinnen, von der ziemlich gut erhaltenen vierten aus. 
Sie lautet nach den codd.: 

πιϑανὸς ἄγαν ö ‚Indus ὅρος ἐπινέμεται 
ταχύπορος" ἀλλὰ ταχύμορον 
γυναικογήρυτον ὄλλυται κλέος. 


AESCHYL. AGAMEMNON. 19 


290 COMMENTAR. 


Hier ist alles verständlich bis auf ὅρος. das, wenn es auch decretum 
heissen könnte, wie Hermann will, dennoch unerträglich wäre. Ver- 
geblich beruft man sich auf v. 1113 πόϑεν ὄρους ἔχεις ϑεσπεσίας ὁδοῦ: 
dort hat 0005 seine einzige und wirkliche Bedeutung „Grenze“, deun der 
Chor fragt mit Erstaunen „woher hast du diese Grenzen des göttlichen 
Pfades?“ d.h. „wie kommt es, dass du trotz deiner Verzückungen dennoch 
innerhalb der Schranken der Kunst bleibst?“ Hier an unserer Stelle aber 
wird 0006, wenn man sich nicht etwa mit des byzantinischen Scholiasten 
Erklärung, dass „die weibliche Definition“ hier poetisch für „das Weib“ 
stehe, zufrieden geben will, durchaus unhaltbar sein. Wir werden mit 
Blomfield zu lesen haben ὁ ϑῆλυς ἔρος, aber nicht mit Ahrens deuten 
„die weibliche Liebe zu den Männern‘, sondern „die weibliche Leiden- 
schaftlichkeit“, das „weibliche Trachten“. Von dieser „leichten Erreg- 
barkeit‘ heisst es mit Recht, dass sie „allzu leichtgläubig rasch um 
sich greift“. — Statt yuvaıxoyıjovrov wird die dorische Form herzu- 
stellen sein. 


Die Rhythmen sind an sich untadelig und stimmen vollkommen zu 
dem Charakter der beiden ersten Gruppen. Der erste Vers ist eine rein 
iambische Hexapodie, der zweite eine eben solche Tetrapodie: die zahl- 
reichen Auflösungen der Arsen dienen zugleich um die Haltlosigkeit der 
weiblichen Leidenschaft zu malen, zugleich verkünden sie die steigende 
Aufregung der CGhoreuten; sie haben also hier einen rein lokalen Grund, 
sodass wir sie in der Gegenstrophe nicht erwarten können. Der dritte 
Vers ist eine iambische Hexapodie mit Synkope nach der zweiten Arsis: 
Auflösungen waren darin eben der Synkope wegen nicht statthaft. 


Gehen wir nun zur dritten Gruppe über. Sie lautet i in der Ueber- 
lieferung ἐν γυναικὸς αἰχμᾷ πρέπει πρὸ τοῦ φανέντος χάριν ξυναινέσαι. 
Das ἐν hat Porson getilgt als sinnlos und unrhythmisch, und ihm sind mit 
Recht die Neueren gefolgt, doch hat Niemand zu erklären versucht, woher 
jenes ἔν in den Text gekommen sei. Den Rest aber hält man ziemlich 
allgemein für unverdorben und erklärt eiwa mit Schneidewin: „eines 
Weibes Herrschaft geziemt es, vor genauer Kunde der Tatsache Dank zu- 
zuerkennen‘“. Aber Aeschylos hätte seine Choreuten, die v. 243 54. so 
respektvoll die Königin anreden, sicherlich nicht so direkt dieselbe Frau 
jetzt schmähen lassen; Aeschylos hätte die αἰχμὴ nicht etwas „zuer- 
kennen“ lassen; Aeschylos hätte nicht so ins Blaue hinein von einem 
χάριν ξυναινέσαι gesprochen, ohne zu sagen, wem der Dank gelte. 
Vielmehr muss der Dichter in diesem Zusammenhang, da die Choreuten 
unwillig sind über die vorzeitigen Jubelrufe der Weiber, sagen: „ja für 
solche freilich, die unter einem Weiberscepter stehen, ziemt es sich, in 
törichter Hoffnung das Lieblichschmeichelude mehr als das Wirkliche zu 
preisen“. Und dies „unter dem Weiberscepter stehen‘ mochte ein Scho- 
liast etwa erklären durch &v γυναικὸς ἀρχῇ» sodass bei der Zerrüttung, 
welche hier später den Text ergriff‘, jenes ἐν in die Worte des Dichters 
hineingetragen ward. — So wage ich denn, fest überzeugt dass die drei 


COMMENTAR. 291 


Verse der dritten Gruppe denen der vierten in umgekehrter Reihenfolge 
rhythmisch entsprechen müssen, folgende Restitution des Torso: 
γυναικὸς αἰχμᾷ πρέπει [γ᾽ ὑπηκόους 
κενοφρόνων di ἐλπίδων) 
πρὸ τοῦ φανέντος εὔχαρι ξυναινέσαι. 


So hat sich denn diese bisher sogenannte Epodos iu zwei genau mit 
einander correspondierende Strophenpaare aufgelöst; jede Gruppe aber 
zerfällt wieder in drei Verse, von denen auf jeden Choreuten in der Reihe 
einer kommt. Die Stellung des Chors war also, wenn wir die Reihenfolge 
der Sprechenden mit fortlaufenden Zifferu bezeichnen, folgende: 


| 2. 1. | 8. } 
6. 5.) 4. 

(5 τ δι 

12. 11.) 10. 
Von diesen zwölf Personen sprechen die in der Mitte stehenden jedesmal 
eine iambische Tetrapodie, die zur Rechten jedesmal eine Hexapodie, 
ebenso die zur Linken, nur dass 2 und 6 mit der Hexapodie noch eine 
Tetrapodie vereinigen. Jedenfalls aber ist die Symmetrie dieser wie ein 
Pelotunfeuer durch die Chorreihen hin und wieder laufenden unwilligen 
Aeusserungen eine so vollständige, dass nicht nur die strophische Ein- 
teilung der „Epodos‘ als bewiesen gelten darf, sondern hinfort auch 
nicht mehr gezweifelt werden kaun dass die Zahl der Choreuten in dieser 


Tragödie zwölf betrug, wie sich dies Resultat uns auch schon oben aus 
der Betrachtung der Parodos ergab. 


V. 467—480. 


In den codd. werden die v. 467—478 der Königin zugeteilt. Allein 
Scaliger, Wellauer, Hermann, Schneidewin, Euger, Weil sprechen sie ihr 
aus sehr gewichtigen Gründen ab. Erstlich zeigt sich in dieser ganzen 
Scene keine Spur von Kiytämnestras Anwesenheit: nachdem sie v. 340 
die Bühne mit ihrem Gefolge verlassen hat, betritt sie dieselbe, wie es 
scheint, erst v. 563 wieder, sonst wäre namentlich ihre Ignorierung von 
Seiten des Herolds gauz unbegreiflich. Für ihre Anwesenheit in dieser 
Scene könnte nur der Umstand zu sprechen scheinen, dass es fast aus- 
sieht, als bezöge sie sich v. 568—570 auf die unwilligen Aeusserungen 
des Chors, die wir eben gemustert haben: aber hierin liegt keineswegs 
ein zwingender Beweis, denn da die Greise das ganze Volk und dessen 
Stimmung repräsentieren, so konnte Kiytämnestra bei ihrem Opfergange 
durch die Stadt (zwischen v. 83 und v. 242) gar leicht ähnliche Aeusse- 
rungen wie die des Chors gehört haben. — Aber auch Ton und Inhalt 
der v. 467 ----478 machen es höchst unwahrscheinlich, dass die Königin sie 
spricht: nicht nur wäre die Aukündigung des Herolds ihrer königlichen 
Würde nicht wohl anständig, sondern es zeigt sich auch in der Häufung 
der Ausdrücke v. 467 und 68 eine Ironie, die, wie leicht sie auch sein 
mag, doch unmöglich aus ihrem Munde gehört werden kann. Auch die 


19* 


292 COMMENTAR. 


Aposiopesis v. 476 und 77 verträgt sich der Form nach mit dem Adel 
ihrer Sprache nicht, dem Inhalt nach aber widerspricht sie völlig ihrer 
Sinnesart, denn in ihrer Seele hat der Zweifel, ob Troja auch genommen 
sein könne, gar keinen Raum (vgl. v. 300 und 565). 

Darin also stimme ich den genannten Kritikern aus voller Ueber- 
zeugung bei, dass jene Verse nicht der Königin gehören und dass diese 
überhaupt vor v. 563 nicht wieder auf der Bühne erscheint; aber ebenso 
wenig können die fraglichen Worte dem Chor oder seinem 
Führer beigelegt werden, und zwar aus dem einfachen Grunde, 
weil v. 478 εὖ γὰρ πρὸς εὖ φανεῖσι προσϑήκη πέλοι ganz offenbar ein 
Redeschluss ist, die beiden folgenden Verse aber, die einen so ganz 
anderen Charakter tragen und ohne Conjunktion sich an das vorhergehende 
anschliessen, notwendig von einem anderen gesprochen sein müssen. 
Dieser „andere“ kaum Niemand sein, als der Chorführer; ihm gehören also 
die vorhergehenden Verse nicht. 

Wer spricht denn diese? — Nun, ich wundre mich dass bisher noch 
Niemand das gesehen hat, was doch auf der Hand liegt. Ein Wächter 
ist es, entweder jener, der das Drama einleitet, oder ein anderer, der ihn 
ablöst: das Heer wird ja erwartet, natürlich also hat die Königin auf dem 
Dache ihres Hauses einen Späher, der ihr rechtzeitig die Ankunft ihres 
Gemahles melde. Nur in dieser so einfachen Annahme lösen sich alle 
Schwierigkeiten. Erstlich deutet der Stil der fraglichen Verse darauf hin, 
dass ein Mann von untergeordnetem Range sie spricht: die erwähnte leise 
Ironie, die Bezeichnung des Staubes als Bruder des Schlammes (ähnlich 
Sept. 475 im Munde des Boten), die besprochene Aposiopesis — alles 
dies steht dem Wächter, aber auch nur ihm, wohl an. Wer sollte ferner 
besser als der Späher auf dem Dache des Hauses geeignet sein, nicht nur 
den Herold, sondern auch den fernen Staub zu gewahren? Endlich aber 
nur dann, wenn der Wächter mit v. 475 von seiner Warte ins Innere des 
Palastes hinabsteigt, um der Königin die Ankunft des Heeres zu melden, 
nur dann erklärt es sich, dass Klytämnestra bei ihrem Auftreten v. 563 
gar nicht überrascht ist den Herold zu sehen, dass sie ihm gar keine Be- 
grüssung widmet, keine Frage an ihn richtet, sondern nur mit den Vor- 
bereituugen zum Empfang ihres Gemahls beschäftigt ist. Deun mit der 
Ankunft des Herolds ist ihr zugleich das Nahen des Heeres und Agamem- 
nons vom Wächter gemeldet worden, da ja das ganze Auftreten jenes 
ölzweigbekränzten Mannes nur die religiöse Bedeutung haben kann, dass 
er im Namen des ihm auf dem Fusse folgenden Heeres die 
Heimat und ihre Götter mit Gebet begrüsst. Mit seiner Ankunft 
ist die des Heeres identisch. Vgl. Od. π, 328. K. Fr. Hermann Gottes- 
dienstl. Alterth. $ 21, 6. 

In den Worten des Wächters aber, wie sie überliefert sind, steckt 
ein schwerer Fehler. Das sinnlose ξύνουρος freilich v. 473, das schon 
der ionischen Form wegen verdächtig sein musste, hat Karsten verbessert 
in ξύνωρος nach Hesychs Glosse σύνωρον σύμφωνον... ἢ συγγενῆ: 
und richtig erklärt er κασις ξύνωρος durch „Zwillingsbruder“. Aber 














COMMENTAR, 293 


wenn es nun heisst μαρτυρεῖ δέ μοι κάσις πηλοῦ ξύνωρος διψία κόνις 
τάδε, ὡς οὔτ᾽ ἄναυδος οὔτε σοι δαίων φλόγα ὕλης ὀρείας σημανεῖ 
sen evoog „der Staub bezeugt mir dass der Herold weder stumm 
noch durch Feuerrauch Zeichen geben, sondern klar sprechen wird‘, so 
muss man sich wundern, wie man diesen baaren Unsinn, da doch die 
blosse Erscheinung des Herolds schon jene Gewissheit geben musste 
und es dazu des feierlich umschriebenen Staubes nicht bedurfte, dem kla- 
ren und correcten Dichter hat zutrauen können. Da urteilte viel feiner 
doch der alte Schütz, der, ὅς statt ὡς schreibend, nach τάδε ein Punktum 
setzte und dies Pronomen auf das vorhergehende bezog. Allein auch 
diese Erklärung kann nicht genügen: denn sieht der Wächter den Herold 
schon so nahe, dass er ihn mit τόνδε bezeichnet und dass er die von ihm 
getragenen Oelzweige erkennt, so braucht ihm der Staub das Herannahen 
des Mannes nicht erst zu verkünden. Unäbweisbar ist daher die Annahme 
dass nach μαρτυρεῖ — τάδε ein Vers ausgefallen ist, der in einem gram- 
matisch unabhängigen Satze (daher τάδε. vgl. zu v. 353) das Objekt zu 
μαρτυρεῖ enthielt. Und auch über den Inhalt dieses Verses kann nicht 
Zweifel herrschen. Denn vergleichen wir Sept. 81 αὐθερία κόνις μὲ πεί- 
FE φανεῖσ᾽ . ἄναυδος σαφὴς ἔτυμος ἄγγελος und Hik. 166 ὁρῶ κόνιν, 
ἄναυδον ἄγγελον στρατοῦ, in welchen beiden Stellen aus dem aufwir- 
belnden Staube auf das Herannahen eines Heeres geschlossen wird, 
so ist es auch an unserer Stelle gewiss, dass dem Wächter der in der 
Ferne sich erhebende Staub die Bestätigung giebt dass das griechische 
Heer dem Herold auf dem Fusse folgt. Indem ich also nach τώδε ein 
Komma setze, ergänze ich die Lücke etwa so: αὐτοῦ στίβοισιν ἕψεται 
πλῆϑος στρατοῦ „den Schritten des Herolds selber wird das Heer fol- 
gen“. Statt ὡς ist dann natürlich im Folgenden zu schreiben ὁ δ᾽ οὔτ᾽ 
ἄναυδος κτλ... und ἄναυδος findet nunmehr seine Erklärung darin, dass 
der Herold nicht wie „der stumme Bote Staub“ bloss Zeichen geben 
werde. — Die Corruptel aber hat an dieser Stelle, wo die Ueberlieferung 
im Ganzen so gesund ist, nicht in einer Zerrültung des cod. Alex. ihren 
Grund, sondern in blosser Nachlässigkeit eines Abschreibers, der aus 
Versehen einen Vers übersprang und so die Verwandlung von ὁ δέ in ὡς 
veranlasste. 

v. 474 ist nun, da wir den Wächter als ‚Sprecher erkannt haben, 
natürlich kein Grund mehr, das überlieferte οὔτε σοι δαίων φλόγα mit 
Hermann in οὔτε του δαίων φλόγα zu verwandeln: der Wächter spricht 
zum Chor, dessen Ungläubigkeit er aus v. 454 sq. kennen gelernt hat. — 
Uebrigens zerfällt jetzt seine Rede in drei vollkommen symmetrische 
Gruppen von je vier Versen; der Segenswunsch εὖ γὰρ κτλ. bildet den 
für sich stehenden Schluss. 


Gebet des Herolds v. 481— 515. 


Ohne den Chor zu beachten (denn die religiöse Aufgabe ist in An- 
dacht zu vollziehen) wendet sich der auftreteyde Herold zunächst im 
Namen des Heeres an die Heimat und ihre Gölter, sodann im Namen 





294 COMMENTAR. 


Agamemnons au das Haus und dessen Schutzmächte. Dadurch zerfällt sein 
Begrüssungsgebet in zwei Teile, die beide mit ἐῶ beginnen (v. 481 und 
496). — Die Ueberlieferung ist iu dieser Partie verhältnissmässig sehr 
gesund, doch sind noch einige Fehler derselben bisher unberichtigt ge- 
. blieben. 

v. 482 geben die codd. δεκάτῳ oe φέγγει τῷδ᾽ ἀφικόμην ἔτους, 
was man bisher unangetastet gelassen hat. Man scheint also φέγγει 
ἔτους als einen Begriff gefasst zu haben, ungefähr wie λυκάβας, sodass 
der Herold sagte „in diesem zehnten Lichtgange, ἃ. ἢ. Jahre komm’ ich“. 
Aber dagegen spricht schon die Stellung von ἔτους. das zu weit von 
φέγγει getreunt ist, um mit ihm einen einheitlichen Begriff zu bilden. 
Ich sehe daher nicht, wie wir uns der Form δεκάτου. die wir nach 
Schneidewin „erwarten“, irgend erwehren können. Dann heisst φέγγει 
τῷδε einfach und correkt „an diesem Tage des zehnten Jahres “, wie 
Pers. 258 φάος geradezu für „Tag“ gebraucht ist-in νόστιμον βλέπω φάος. 

v. 489 hat Flor. ἅλις παρὰ Σπάμανδρον ηλϑ᾽ ‚gvagoıos, aber ἦλϑ᾽ 
mit übergeschriebenem es, Farn. giebt nAdes ἀνάρσιος. Da nun das 
letztere unmetrisch ist, der Uebergang aber zur dritten Person durchaus 
unstatthaft schien, so schrieb Hermann unter allgemeinem Reifall 709° 
&vaocıog „du schrittest als ein Würger einher“. Das wäre sehr schön, 
‚ wenn nur irgendwie die Beziehung auf die Griechen, denen Apollon 
verderblich gewesen, angedeutet wäre. Ich schreibe deshalb mit viel ge- 
ringerer Aenderung 719 ἀναρσίως, sodass in der Parenthese gesagt 
wird, die Pfeile des Apollon seien unheilvoll genug am Skamandros 
gekommen. Dann wird auch der heilige reine Gott nicht selber geradezu 
ἀνάρσιος genannt (εὔφημον nuag οὐ πρέπει ---- μιαίνειν). Daran dass 
ἀναρσίως sonst nicht als Adv. gefunden wird, ist natürlich kein Anstoss 
zu nehmen; ἐλϑεῖν aber wird ‚häufig gerade von den βέλη gebraucht, 
wie Prom. 360 ἀλλ᾽ ἦλϑεν αὐτῷ Ζηνὺς ἄγρυπνον βέλος und Pers. 264 
τὰ πολλὰ βέλεα παμμιγῆ — ἦλϑ᾽ ἐπ᾽ alav. 

ν. 498 halte ich φέλον κήρυκα für allzu cordial. Ich verbinde φίλον 
κήρυκα κηρύκων σέβας „ihn, der als Herold der Herolde dulce de- 
cus ist‘. 

v. 497 sind die σεμνοὶ ϑᾶκοι nach Schneidewin „die steinernen 
Ehrensessel der Könige, auf denen sie zu Gericht sassen oder die Volks- 
versammlung leiteten“. Allerdings denkt sich Aeschylos den Markt un- 
mittelbar vor dem Königspalast (v. 491 ἀγωνίους — ἀγοραίους), aber 
jene ϑᾶκοι sind wohl nicht Sessel, sondern einfache Bänke aus Marmor, 
wie die ξεστοὶ λέϑοι (Od. y, 406), of’ οἵ ἔσαν προπάροιϑε ϑυράων ὑψη- 
λάων,. λευκοί, ἀποστίλβοντες ἀλείφατος. Vgl. Nitzsch zu dieser Stelle. 

Nach δαίμονές τ΄ ἀντήλιοι heisst es nun weiter in den codd. ἥπου 
πάλαι (Flor. hat über dem ersten ἃ ein v, giebt also die Variante πύλαι) 
φαιδροῖσι τοισίδ᾽ ὄμμασιν | δέξασϑε κόσμῳ βασιλέα πολλῷ χρόνῳ. 
Vergeblich hat man sich bemüht aus diesen Worten einen befriedigenden 
Sinn zu gewinnen: τοισίδ᾽ ὄμμασιν widerspricht dem Gebrauch des 
Dichters und ist mit δέξασϑε nicht zu vereinigen. Ahrens schreibt φαι- 














COMMENTAR. 295 


δροῖσί τοισιν Ouuaoıv, selbst freilich nicht ohne Bedenken wegen dieser 
Form des Pron. indef., aber Aeschylos hätte auf seinem Kothurn nie so 
straucheln können, den Herold in seiner hochgehobenen Stimmung sagen 
zu lassen: „empfangt so zu sagen mit glänzendem Auge den Herr- 
scher‘. Nehmen wir nun aber auch die ziemlich gewaltsamen Aenderun- 
gen von Auratus an und lesen εἶ που πάλαι, φαιδροῖς ἰδόντες ὄμμασιν 
δέξασϑε κτλ.. so sind wir dennoch keineswegs aus der Verlegenheit. 
Denn pun soll εἴ που πάλαι soviel sein als εἶ ποτε. die Schwierigkeit 
dass im Nachsatze dann das „notwendige καὶ νῦν fehlt (dagegen Soph. 
0. R. 165 εἴ more καὶ προτέρας — ἔλθετε καὶ νῦν) berührt man gar 
nicht, κόσμῳ erklärt man für κατὰ κόσμον „nach Gebühr“ und lässt den 
Herold also die Aufforderung an die Götter richten, „gebührlich“ den 
‚König zu empfangen (bloss Weil fühlt dass dies nicht satis reverenter 
gesagt wäre). Ueber alle diese Schwierigkeiten vermag ich nicht hinweg 
zu kommen; ich verzweifle an dem Verse ἢ ποὺ πάλαι φαιδροῖσι τοισίδ᾽ 
ὄμμασιν. Lassen wir aber diese wunderlichen Buchstaben einmal ganz 
bei Seite, so schliessen sich die Worte δέξασϑε κόσμῳ κτλ. wunderschön 
an die Vokative an: dann sagt der Herold zum Palaste und den Haus- 
göttern „emnpfangt i im Festschmuck den König nach der langen Zeit“ 
(denn πολλῷ χρόνῳ ist völlig gesichert durch Soph. ΕἸ. 1273 μακρῷ 
χρόνῳ). Wie also bei festlichen Gelegeuheiten z. B. Hochzeiten die Häu- 
ser geschmückt wurden mit Kränzen u. dgl. (vgl. Hermann Privatalterth. 
$ 31, 16), so wünscht der Herold auch jetzt, dass zum Empfang des Kö- 
nigs der Palast sich festlich schmücke, und wirklich breitet ja auch nach- 
her Klytämnestra die Purpurteppiche für ihren Gemahl hin. So werden 
wir keinen Augenblick zweifeln, dass die Worte n που πάλαι φαιδροῖσι 
τοισίδ᾽ ὄμμασιν unecht sind, wenn sich nur nachweisen lässt, wie dieser 
sinnlose Vers habe entstehen können — deun eine absichtliche Fäl- 
schung könnte hier nur aus Wahnsinn hervorgegangen sein. Nun bietet 
aber cod. Flor. die Variante 7 που πύλαι, woraus offenbar erst πάλαι 
gemacht ist: und darin erkenne ich ein Glossem zu 90x0s im vorher- 
gehenden Verse, indem ein Erklärer bemerklich machen wollte dass unter 
jenen „Bänken‘‘ das Eingangstor zu verstehen sei; denn die Ruhesitze 
werden noch in ‚der Wölbung des äusseren Tors ‚gestanden haben. Ebenso 
ist φαιδροῖσιν ὄμμασιν Glosse zu ἀντήλιοι: ein Erklärer fasste nämlich 
dies Wort in dem Sinne, worin es Eurip. Ion 1550 steht, denn hier ist 
ἀντήλιον πρόσωπον „das sonnengleiche Antlitz der Athene“, ohne Zwei- 
fel von dem stralenden Auge so genannt. Fand ‚also ein Abschreiber 
hinter v. 497 die Glossen ἡ που πύλαι φαιδροῖσιν ὄμμασιν neben einan- 
der geschrieben, so mochte er in gutem Glauben die Worte für einen 
etwas defekten Trimeter nehmen und mit einem kleinen Flicken in den 
Text des Dichters setzen. Ich aber glaube dem Aeschylos einen Dienst 
zu erweisen, wenn ich ihn von dieser Zutat eines ehrlichen Byzantiners 
befreie. 

Dagegen scheint mir der in neuerer Zeit wieder hart angefochtene 
v. 505 βωμοὶ δ᾽ ἄιστοι καὶ ϑεῶν ἱδρύματα im Zusammenhange durch- 


296 EOMMENTAR. 


aus notwendig zu sein. Weil Pers. 813 steht βωμοὶ δ᾽ ἄιστοι; δαιμό- 
νῶν 9° ἰδρύματα | πρόρριξα φύρδην ἐξανέστραπται βάϑρων., so ver- 
mutete Salzmanı dass daraus unser v. 505 durch Interpolation entstanden 
sei. Hermann ist daher nicht abgeneigt den Vers zu tilgen, Hartung aber 
und neuerdings auch Weil erklären ihn mit Entschiedenheit für unecht. 
Aber die blosse Wiederholung ähnlicher Worte in verschiedenen Dramen 
kann doch noch nicht den Gedanken an eine Interpolation rechtfertigen. 
„Wie werden wohl die Kritiker“, fragt Döderlein zu Hor. Ep. 1,.1, 56, 
„in 2000 Jahren mit Schillers Vers das Volk ist länger nicht zu 
bändigen! verfahren, der sich in der Maria Stuart und in der Jung- 
frau von Orleans findet?“ Nur darauf kommt es an, ob die verdächtigten 
Worte hier in den Zusammenhang passen oder nicht. Die Struktur der- 
selben ist untadelig (denn das Verbum εἰσί, fehlt auch Pers. 813 und dass 
zu ἔδρύματα aus dem vorhergehenden @ıore wiederholt wird, ist doch 
wohl nicht unerlaubt?), und den Gedanken würden wir höchst ungern 
hier vermissen, da er die Antwort auf die von Klytämnestra v. 323 sq. 
geäusserten Besorgnisse enthält. Aber, wenden die Gegner ein, es ist 
doch merkwürdig, dass, wenn v. 505 getilgt wird, v. 504 und 506 so 
sicher und fest sich an einander schliessen. Wirklich? fast sollte man 
glauben dass Hermann Hartung und Weil aus ἐξαπόλλυται ein Perfect. 
herausgelesen haben (wie denn auch alle Uebersetzer, die mir zur Hand 
sind, das Verbum wiedergeben, als hätte ἐξαπόλωλεν dagestanden). 
Sonst hätten sie schwerlich behauptet dass der Vers καὶ σπέρμα πάσης 
ἐξαπόλλυται χϑονός sich so fest an τῇ κατείργασται πέδον anschlösse. 
Der Herold kann von „der Hacke des Zeus‘ eben nur sagen dass von ihr 
der Boden verarbeitet ist, nimmermehr aber dass noch jetzt, nach der 
Rückkehr von Ilion, durch sie des Landes Same getilgt werde. So wenig 
also schliesst sich v. 506 an v. 504 an, dass v. 505 notwendig dazwischen 
treten muss. — Was will denn aber der Herold sagen mit den Worten 
καὶ σπέρμα πάσης ἐξαπόλλυται χϑονός ἢ Mir scheint dass dies sich nur 
auf dieGefangenen beziehen kann, die Agamemnon mit sich führt: von 
diesem Reste der unglücklichen Stadt sagt der Herold dass der letzte 
Same des Landes jetzt hinwelkt. Nur wenn wir so die Worte fassen, ist 
der Uebergang zu dem folgenden Bilde vom ξευκτήριον motiviert, wäh- 
rend nach der gewöhnlichen Erklärung der Dichter dem Vorwurfe nicht 
entgehen könnte, ohne alle Vermitteluug von einer Metapher in die an- 
dere übergesprungen zu sein. 

Aber dennoch nehme ich v. 507 an τοιόνδε Τροίᾳ Anstoss, nicht 
nur weil erst v.503 Τροίαν stand, sondern hauptsächlich, weil der König 
sein ξευκτήριον in Wirklichkeit doch nicht der Stadt, sondern nur den 
Frauen und den Kindern übergeworfen hat. Der Dichter wird also ge- 
schrieben haben τοιόνδε Τρωσὶ περιβαλὼν κτλ. 

v. 509 sehe ich nicht, wie sich τέεσϑαι δ᾽ ἀξιώτατος rechtfertigen 
lässt, denn da ἀνὴρ ἥκει davor steht, so kaun sich ἀξιώτατος nicht an 
εὐδαίμων anreihen. Es wird zu lesen sein τέεσϑαί γ᾽ ἀξιώτατος., sodass 
der Herold das „geehrtwerden “ hervorhebt, um seine frühere Aufforde- 








COMMENTAR. 297 


rung an den Palast sich festlich zu schmücken noch einmal zu wieder- 
holen. 

v. 515 fasse ich ϑάμάρτια mit Ahrens als μισϑὸν τῶν ἁμαρτη- 

ἅτων. 

Ueberblicken wir nun das ganze Gebet des Herolds, so springt 
zunächst in die Augen, nachdem Weil darauf aufmerksam gemacht hat, 
dass v. 481 und v. 496 das lo zwei symmetrisch gebaute Partien einleitet, 
die erste bis v. 495, die andere bis v. 511 reichend. Aber durch die Aus- 
stossung von v. 498, die mir notwendig schien, und durch die unzweifel- 
haft notwendige Beibehaltung des von Weil verurteilten v. 505 kommen 
wir zu einer viel einfacheren und schöneren Symmetrie der beiden Hälf- 
ten, als wie Weil sie zu finden glaubte. Jede Partie von 15 Versen zer- 
fallt nämlich gleichmässig in 3 Gruppen von je 5 Versen, wobei nur 
v. 490 ἄναξ Ἄπολλον nachdrücklichst in die folgende Gruppe übergreift, 
und zwar stehen der Reihe nach die drei Gruppen der ersten Hälfte mit 
denen der zweiten in genauester Correspondenz des Inhalts. Dem νῦν 
χαῖρε μὲν χϑών v. 486 entspricht genau ἀλλ᾽ εὖ νιν ἀσπάσασϑε v. 502, 
aber während dort Segen erfleht wird, schildert hier der Herold den über 
Troja verhängten Fluch — dieser soll ja jenen vergiften. Gleichmässig 
zerlegt sich ferner jede Gruppe von 5 Versen in 3 + 2, nur dass v. 509 
τῶν νῦν wieder mit Nachdruck übergreift. — Die letzten 4 Verse, die 
den Schluss bilden, gehören nicht mehr zum Gebet: der Herold spricht 
sie berichtend zum Chor gewandt, den er nun erst anblickt. 


Unterredung zwischen dem Herold und dem Chorführer 
v. 516—528. 


v. 517 geben die codd. χαίρω" redvavaı δ᾽ οὐκ ἔτ᾽ ἀντερῶ ϑεοῖς 
(Flor. lässt aus Versehen ἔτ᾽ weg). Aber Hermann zweifelt mit Recht, ob 
Aeschylos τεϑνᾶναι mit langer mittlerer Sylbe gebraucht habe, und die- 
ser Zweifel kann nicht durch die wunderlichen Notizen jüngerer Gram- 
matiker (vgl. Hermann zu diesem Verse), noch auch durch Ahrens’ Einrede 
dass τεϑνᾶναι ein erlaubter Archaismus sei, wie sich bei Homer noch 
διδοῦναι statt διδόμεναι finde, beseitigt werden. ‘Wenn aber Hermann 
nun schreibt χαίρω ϑεοῖσι τεϑνάναι δ᾽ οὐκ ἀντερῶ, so bemerkt 
Schneidewin dagegen sehr richtig dass in dieser Stellung θεοῖσι viel zu 
stark hervorgehoben werde. Heimsoeth »» (16 Wiederherstellung‘“ p. 91 
schreibt χαίρω re τεϑνάναι τ᾽ οὐκ ἔτ᾽ ἀντερῶ Beois, und dies billigt 
wunderbarer Weise Meineke (Philol. XIX, 2), obwohl das fünfmal sich 
wiederholende 7 jedes Ohr verletzen muss. Die richtige Emendation hat 
Enger gegeben mit χαίρω γε" τεϑνάναι δ᾽ οὐκ ἔτ ἀντερῶ ϑεοῖς. Ge- 
rade so tritt v. 519 in der bestätigenden Antwort γέ ein, vgl. Baeum- 
lein Griech. Partikeln p. 62. 

v. 519 giebt Flor. ἐνδαπρύειν, Farn. ἐκδακρύειν. Welches das 
richtige sei, darüber lässt sich streiten, doch zieh’ ich das erstere vor, 
weil es mir für die Situation passender scheint: der Herold bricht nicht 
in Tränen aus, sondern allmählich füllt sich ihm das Auge mit Trä- 


298 COMMENTAR. 


nen. — Aber wie hat man ὄμμασιν ertragen können? Als ob man mit 
etwas anderem als mit dem Auge weinen könnte! Dies ist ein Seiten- 
stück zu dem λέγει δὲ τοῦτ᾽ ἔπος διὰ στόμα; das man Sept. 560 solange 
geduldet hat. Gewiss schrieb Aeschylos ὄμμα νῦν, sodass der Gegensatz 
gegen das Prät. ἐγύμνασεν gebührend hervorgehoben ward. 

v. 520 hat Flor. ἔστε (nicht haltbar, weil ἐπήβολοι nicht die Stelle 
eines Partic. vertreten kanı), Farn. nre. Ahrens erklärt beide Lesarten 
durch Herstellung der älteren Form note. Aber was ist regmvn νόσος 
Gewiss hat Schneidewin Recht, wenn er reomvng prädikativ fasst, aber 
gar nicht gehört seine Erinnerung an Catulls dulcis amarities hierher. 
Sollte das Heimweh an und für sich als „süsses Wehe “ bezeichnet wer- 
den, so trug es diesen Namen auch ohne die in v. 522 sich anschliessende 
Erklärung: da nun aber diese Erklärung sagt dass erst durch die Gegen- 
seitigkeit der Sehnsucht das Wehe zu einem „süssen‘‘ ward, so muss 
v. 520 heissen: „erfreulich also (für uns) war das Wehe, an dem ihr 
kranktet‘“. 

v. 525 hat das überlieferte πόϑεν τὸ δύσφρον τοῦτ᾽ ἐπῆν στύγος 
στρατῷ; viele Conjecturen hervorgerufen, ohne dass die Stelle bisher 
geheilt ist. Die meisten Herstellungsversuche richten sich auf στρατῷ, 
so ändert noch Heimsoeth („die Wiederherstellung “ p. 423) das Wort in 
λεὼ : aber völlig unhaltbar in diesem Zusammenhange ist στύγος. Dies 
Wort kann immer nur eine solche Furcht (und ihren Gegenstand) be- 
zeichnen, die mit Abscheu identisch ist, während in den Worten des 
Chors bisher nur von banger Besorgniss, von Schwermut die Rede war. 
Dasselbe fühlt Ahrens, welcher vorschlägt πόϑεν τὸ δύσφρον τοῦτ᾽ ἐπῆν 
στέργος στρατοῦ; „Aeschylos liebe die neutralen Verbalsubstantive auf 
-0°“. Aber wieviel diese Conjectur auch in lexikalischer Beziehung wagt, 
so befriedigt sie dennoch in keiner Weise: στέργειν heisst nicht „sich 
sehnen ‘“, und zu ἐπὴν ist ein Dativ ‚notwendig. Ich schreibe daher πό- 
ϑὲν τὸ δύσφρον τοῦτ᾽ ἐπῆν σοί γ᾽ ὡς στρατῷ „woher dir wie dem 
Heere diese Traurigkeit?“ τὰ δύσφρονα findet sich substantivisch auch 
bei Pind. Ol. 2, 97. 

v. 528 codd. ὧν νῦν τὸ σὸν δή, wofür man seit Scaliger allgemein 
schreibt ὡς νῦν κτλ. Aber es fehlt ein von πολλὴ χάρις abhängiger 
Dativ. Richtig daher Ahrens ᾧ νῦν κτλ. 


Des Herolds Siegesruhm v. 529— 561. 


Vor v. 529 vermutet Weil den Ausfall eines Verses, in welchem der 
Herold esagt habe dass man der Traurigkeit nicht nachgeben müsse. 
Allein εὖ γάρ κτλ. schliesst sich unmittelbar an v. 528 an, worin der 
Chor gesagt hat dass die Gegenwart ihn völlig befriedige. 
Dies bestätigt der Herold in der ganzen folgenden Rede, deren Thema ist 
„Ende gut, alles gut“. Dies Thema stellt er voran: mit richtigem Gefühl 
für das Erforderliche übersetzt Naegelsbach „nun ist alles gut“. Aber 
das kaun εὖ γὰρ πέπρακται, wie überliefert ist, nicht heissen. Aeschylos 
wird vielmehr geschrieben haben su γὰρ κέκρανται, Hesych κέκρανται 








COMMENTAR. 299 


τετέλεσται. Mit ταῦτα δ᾽ ἐν πολλῷ χρόνῳ fasst daun der Herold im Ge- 
gensatz zum endlichen Ausgang die sämtlichen Ereignisse der Heerfahrt 
zusammen. Der Aenderungen. von ταῦτα bedarf es nicht; sehr richtig 
bemerkt Weil: „teure ... τὰ μέν .... τὰ δέ valet idem quod τούτων 
τὰ μέν... τὰ δέ“, Trotzdem conjiciert noch Meineke im Philol. XIX, 2 
κάρτα δ᾽ ἐν πολλῷ χρόνῳ. 

Aber fürchterlich verdorben sind die acht Verse von 533540. Die 
codd. geben sie in dieser Gestalt: μόχϑους γὰρ εἰ λέγοιμι καὶ δυσαυ- 
Mag | σπαρνὰς παρήξεις καὶ κακοστρώτους (Flor. κακοτρώτουρ) , τί δ᾽ 
οὐ | στένοντες, οὐ λαχόντες ἤματος μέρος; | τὰ δ᾽ avre χέρσω καὶ 
προσῆν πλέον στύγος" εὐναὶ γὰρ ἦσαν δηίων πρὸς τείχεσιν" | ἐξ οὐὖ- 
ρανοῦ γὰρ κἀπὸ γῆς λειμώνιαι (Flor. λειμωνίαι) | δρόσοι κατεψέκαζξον. 
ἔμπεδον σίνος | ἐσθημάτων, τιϑέντες ἔνϑηρον τρίχα. Diese Worte 
übersetzt Naegelsbach, indem er für οὐ λαχόντες liest οὗ λαχόντες und 
δαΐων für δηΐων. folgendermassen: „deun wollt’ ich von den Plagen 
reden und von schlechtem Quartier, wollt’ ich sagen, wie wir die selte- 
nen und übelbettenden Landungen und überhaupt jede Stunde beklagten, 
die uns beschieden war — Anderes aber und noch Abscheulicheres bot 
uns das Festland. Denn da wir unter der feindlichen Mauer lagerten,. 
durchnetzte uns von oben des Himmels, von unten der Wiese Thau; ein 
Unheil, das sich in die Kleider sog und unser Haar verwilderte“. — 
Bedarf es nach dieser Uebersetzung des verewigten Naegelsbach (der 
schönere und edlere Gaben besass als kritischen Scharfsinn) noch des Be- 
weises, dass die ganze Partie jener 8 Verse heillos verdorben ist? Wel- 
che Gewalt tut der Uebersetzer dem von ihm statuierten Texte an, und 
wie kümmerlich herausgestammelte, teilweise drollige Gedanken sind 
dennoch das Resultat dieser Vergewaltigung! — Wohlan denn, ver- 
suchen wir die Pietät gegen den grossen Aeschylos dadurch zu bewäh- 
ren, dass wir „schneiden und brennen “, wo die faulen Schäden der 
Ueberlieferung ein φάρμακον παιώνιον fordern. 

Zunächst machen die Worte τὰ δ᾽ αὐτε χέρσῳ v. 536 es ganz un- 
zweifelhaft, dass im vorhergehenden von der Seefahrt nach Troja und 
dem Aufenthalt auf den Schiffen gesprochen ist; in dem Texte aber, wie 
er vorliegt, deutet darauf auch nicht das geringste hin, es sei denn dass 
sich Jemand entschliessen könnte πάρηξις für „Landung“ zu. nehmen. 
v. 533 muss also schwer corrumpiert sein: im Gegensatz zu τὰ δ᾽ αὖτε 
χέρσῳ ist es unmöglich, dass der Herold nicht sogleich zu Anfang des 
Satzes die Leiden der Seefahrt bezeichnet haben sollte. . Ich schreibe 
also, dem Zwange äschylischer Logik folgend, μόχϑους γὰρ εἰ λέγοιμί 
coı vovxAnolas „denn wollt’ ich dir die Mühseligkeiten der Seefahrt 
erzählen“. Dass an die Stelle der unleserlich gewordenen Zeichen 00s 
ναυκληρίας gerade καὶ δυσαυλίας von dem Abschreiber des cod. Alex. 
gesetzt ward, wird sich später hoffentlich erklären. Was sind nun aber 
onegvas παρήξεις καὶ κακοστρώτους ἢ Πάρηξις soll „Landung“ sein, 
aber selbst wenn dies Wort so heissen könnte (was’ unmöglich ist, da 
παρήκειν nie „landen“ uder auch nur „ankommen“ heisst und es 


300 COMMENTAR. 


schwerlich ein Subst. ἧξις gegeben hat), so würde sich damit das Epi- 
theton κακοστρώτους schlechterdings nicht vertragen, denn beim Landen 
denkt der Schiffer doch eher an alles andere, als an ein beqtiemes Nacht- 
lager. Jenes Adj. beweist vielmehr dass in dem verdorbenen παρήξεις 
ein Begriff des Ruhens oder Schlafens steckt. Diese unzweifelhafte 
Wahrheit ist bisher nur Hartung einleuchtend gewesen, der σπαρνάς re 
λέξεις καὶ κακοστρώτους schreibt. Aber weder hat λέξεις die Bedeu- 
tung des „sich niederlegens “, noch auch macht diese Gonjectur die Ent- 
stehung der Corruptel erklärlich. Aeschylos wird vielmehr geschrieben 
haben onagvas re δέγξεις καὶ κ΄ „und die seltenen und noch dazu auf 
schlechter Streu stattfindenden Atemzüge tiefen Schlafes“. 6&y&ıs „das 
Schnarchen “ ist überliefert aus Hippokrates, der überhaupt so manches 
Wort unserem Aeschylos entlehnt hat: kürzer und drastischer aber 
konnte der Herold den „ihm so selten zu Teil gewordenen tiefen Schlaf“ 
nicht bezeichnen. Und damit Niemand einwerfe dass der Ausdruck nicht 
zur Würde der Tragödie stimme, verweise ich auf Eum. 55 δέγκουσι δ᾽ 
οὐ πλαστοῖσι φυσιόμασιν. --- Nun folgt in der Ueberlieferung τέ δ᾽ οὐ, 
das man mit den beispiellos in der Luft schwebenden Partieipien στέ- 
νοντὲες οὐ «λαχόντες, wie es denn irgend gehen will, zu verbinden 
pflegt. Aber Beispiele wie v. 258 ἔστιν" τί δ᾽ οὐχί; Pers. 987 πέ- 
πληγμαι. τί δ᾽ οὔκ; ὕλωλεν μεγάλως τὰ Περσᾶν und fragm. 308 λευκός 
τί δ᾽ οὐχί; mussten zeigen dass auch an unserer Stelle τέ δ᾽ οὔ; am 
Ende des Verses für sich allein zu fassen sei in dem Sinne „natürlich, 
wie sollten sie nicht?‘ Der Herold wollte es eben als selbstverständlich 
bezeichnen dass die ῥέγξεις κακόστρωτοι waren. Nun erwarten wir eine 
Erklärung, warum nur von schlechter Streu auf dem Schiff habe die Rede 
sein dürfen. Diese kann in den verdorbenen Worten στένοντες ου λα- 
χὄντες unmöglich liegen, aber siehe da! jener v. 537 εὐναὶ γὰρ ἤσαν 
δηΐων πρὸς τείχεσιν, den man trotz des gleich darauf folgenden γάρ; 
trotz des angeblichen Subst. δηΐων. trotz der historischen Unwahrheit, 
dass das Lager der Griechen unmittelbar vor Trojas Mauern gewesen 
sein sollte, solange zu verteidigen die Verwegenheit gehabt hat, giebt 
in einleuchtender Emendation jene Erklärung: jener Vers gehört hinter 
τί δ᾽ οὔ; Denn das als Subst. und gar in dieser Form unerträgliche 
δηΐων erweist sich sogleich als Schreibfehler für vnfov navalium, und 
dies Versehen erklärt auf der Stelle, warum dieser Vers im cod. Byz. sei- 
nen richtigen Platz hat verlassen müssen: natürlich wussten die byzan- 
tinischen Gelehrten mit ‚‚den feindlichen Mauern“ auf der Seefahrt nichts 
anzufangen. Wir möchten nun wohl lesen εὐναὶ γὰρ ἤσαν vnlov πρὸς 
τειχέων „denn unser Lager war hart an den Schiffswänden “ (πρὸς mit 
Gen. ist unverfänglich, vgl. Herodot I, 110 ἡ Μηδικὴ χώρη πρὸς Σα- 
σπείρων ὀρεινή &orı „in der Nähe der Saspeiren “ und so öfter), allein 
τεῖχος wird von der Schiffswand sonst nicht gebraucht, und τείχεσιν 
oder τειχέων muss also Glosse für ein seltneres Wort sein, das die 
Schiffsbekleidung und zugleich die Mauer bezeichnen kann. Als solches 
bietet sich φράγματα, das in der Regel munimenta bedeutet, von Hesych 





any 


COMMENTAR. 301 


aber durch καταστρώματα (cod. καταστεώματα) erklärt wird. Diese Erklä- 
rung ist freilich offenbar nicht genau: φράγματα kann nicht eigentlich das 
Verdeck bezeichnen, sondern nur die „Umhegung des Verdecks, Schanz- 
bord“ (cf. Od. V, 256 φραξε δέ μὲν ῥίπεσσι). Aber dennoch ist uns 
Hesychs Glosse von ausserordentlicher Wichtigkeit, denn sie erklärt uns, 
wie das wunderbare Scholion zu dem verdorbenen παρήξεις entstanden 
ist, und bestätigt indirekt meine Textconstituierung. Indem nämlich 
Aeschylos, wie ich bewiesen zu haben glaube, schrieb μόχϑους γὰρ εἰ 
λέγοιμί σοι ναυκληρίας ] σπαρνάς τε δέγξεις καὶ κακοστρώτους, τί δ᾽ 
οὔ εὐναὶ γὰρ ἡσαν νηΐων πρὸς φραγμάτων, ‚gab ein Scholiast zu den 
beiden letzten Versen die ganz correcte und im Einklang mit Hesych 
stehende Anmerkung λέγει τὰς δυσαυλίας ἐπὶ τοῦ καταστρώματος τῶν 
νεῶν : da jedoch dies Scholion mit dem Text im cod. Alex. zerrüttet 
worden war, setzten byzantinische Gelehrte für das unleserliche ναυκλη- 
φίας vom Rande δυσαυλίας in den Text, und ἐπὶ τοῦ καταστρώματος 
τῶν νεῶν bezogen sie auf das aus re δέγξεις. herausgelesene παρήξεις, 
sodass sie durch die tolle Erklärung παρήξεις ἀντὶ τοῦ παραδρομὰς ἐπὶ 
τοῦ καταστρώματος τῶν νεῶν dennoch eine Ahnung der Wahrheit auf 
unsere Zeit retteten. 

Bis soweit also glaube ich die Hand des Dichters wiederhergestellt 
zu haben, aber es fehlt uns nun noch der Nachsatz zu μόχϑους γὰρ εἰ 
λέγοιμι. Denn dass hier eine Art von Aposiopesis, wie man sie gewöhn- 
lich statuiert, vorliege, kann ich nicht glauben. Ganz anders verhält es 
sich doch v. 545, wo der Herold mit τί ταῦτα πενϑεῖν δεῖ; die Reihe 
seiner Klagen völlig abbricht; an unserer Stelle aber, wo er mitten im 
Klagen ist, erfordert die äschylische Correctheit zu εἰ λέγοιμι unabweis- 
bar einen Nachsatz, der einen Opt. mit ἄν enthält. Der Herold muss sei- 
nen Satz schliessen mit einem Gedanken „so würden die Klagen kein Ende 
nehmen “ oder dergleichen. Oder, da die Griechen so gern die Fülle der 
Leiden durch die Länge der Zeit, die zu ihrer ‚Erzählung gehört, bezeich- 
nen (z.B. Od. XIV, 196 ῥηιδίως κεν ἔπειτα καὶ εἰς ἐνιαυτὸν ἀπαντα οὔτι 
διαπρήξαιμι λέγων ἐμὰ κήδεα ϑυμοῦ), so konnte der Herold auch sa- 
gen „so würde ich heute mit der Erzählung nicht fertig werden “. Und 
dass er dies gesagt hat, beweisen die verdorbenen Zeichen στένοντες οὐ 
λαχόντες ἤματος μέρος. aus denen mit Veränderung eines Buchstaben 
sofort der gewünschte Begriff στενὸν 106 .... ἤματος Epos „diese 
enge Spanne eines Tages‘ uns entgegentritt (vgl. Menand. ap. Stob. Fl. 
108, 32: στενὸν ξώμεν χρόνον). Der ganze Vers mag demnach gelautet 
haben στενὸν τόδ᾽ οὐ χάδοι γ᾽ ἂν ἤματος μέρος „so würde diese enge 
Spanne eines Tages es nicht fassen“. Ueber das Verbum freilich, das 
in οὐ λαχόντες steckt, lässt sich zweifeln : vielleicht giebt hier noch eine 
bisher unbeachtet gebliebene Glosse Gewissheit. 

So sind denn die Leiden der Seefahrt klar und deutlich in 4 Versen 
geschildert: in ebenso vielen erzählt der Herold jeizt das Ungemach des 
Festlandes. Aber in dem überlieferten τὰ δ᾽ αὖτε χέρσῳ καὶ προσῆν 
πλέον στύγος ist keine Construction: καὶ muss vor πλέον stehen, und 


302 COMMENTAR. 


wäre προσὴν richtig, so müsste man mit Hartung τοῖς δ᾽ αὖτε schrei- 
ben. Aber Aeschylos hat, wenn nicht alles täuscht, gesagt τὰ δ᾽ avre 
χέρσῳ ᾿πόρισε καὶ πλέον στύγος „der Aufenthalt auf dem Festland schuf 
noch mehr Widerwärtigkeit“. Die Weglassung des Augments nach vor- 
ausgegangenem Diphthoug ist für die Botenreden unzweifelhaft zulässig 
nach diesen sicheren Beispielen Sept. 440. 500, Pers. 305. 485. In Betreff 
des Verbum vgl. Prom. 938 ἀλλ᾽ ἄϑλον ἄν σοι τοῦδέ y ᾿ ἀλγίω πόροι. 
Die Corruptel aber erklärt sich nun sehr einfach aus einem Versehen, 
wodurch πόρεσεν geschrieben ward: dies ward verlesen in προσῆν. das 
dann von den Byzantinern des Metrums wegen hinter καί gestellt wurde. 

Im Folgenden nun hat Schütz nach Anleitung des Accentes im Fler. 
λειμωνέαε richtig, wie es scheint, in Asıuovieg verwandelt, auch ist von 
Dindorf mit Recht die attische Form κατεψαάκαξον hergestellt worden, 
aber nun lässt man weiter nach der Ueberlieferung den Dichter δρόσοι 
mit τεϑέντες verbinden, lässt den Tau sowohl vom Himmel als vom 
Wiesengrunde herabträufeln und lässt schliesslich den Herold als eine 
besonders schwere Klage die Unwahrheit vorbringen, dass Nässe das Haar 
verwildere. Das sind lauter Unmöglichkeiten, von denen die dritte be- 
reits Hartung mit beissendem Spotte gegen die abergläubische Inter- 
pretation des τεϑέντες ἔνϑηρον τρέχα bewiesen hat. Zunächst kann 
Aeschylos nicht gesagt haben δρόσοι τεϑέντες. Eine ähnliche gramma- 
tische Verbindung findet sich bei keinem der Tragiker, nur Ch. 570 an 
einer höchst zweifelhaften Stelle lesen wir ἀνεμοέντων αἰγέδων. Aller- 
dings führt Lobeck im Agl. I, 216 unzweifelhafte Beispiele von der Ver- 
bindung eines männl. Partic. mit einem weibl. Subst. an, aber diese alle 
gehören einer viel späteren Zeit. Wir werden uns also au dieser äschy- 
lischen Stelle, die von der ärgsten Zerrüttung des cod. Alex. zeugt, bei 
000608 τιϑέντες mit Hermanns Wort „Indulserunt talia sibi poetae vel 
metri vel suavioris soni causa‘ um so weniger beruhigen, da δρύσοι 
hier ein ganz verkehrter Begriff ist, der gar nicht zu ἐξ οὐρανοῦ passt. 
Denn im Gegensatz zum Wiesentau soll ἐξ οὐρανοῦ natürlich den Regen 
bezeichnen. Ich halte es daher für sicher, dass der Dichter statt δρόσοι 
ein Subst. masc. geschrieben hat, das den Gattungsbegriff für ‚Nässe “" 
enthielt und sowohl den Regen wie den Wiesentau bedeutete, das aber 
wegen seiner Seltenheit durch δρόσοι verdrängt ward. Vermutlich ge- 
brauchte er ßosyuol, ein Wort, das zwar in den wenigen Stellen, wo es 
sich sonst findet, nur die (bei Kindern sich lange feucht erhaltende) 
Mitte des Kopfes bedeutet, aber unzweifelhaft ebenso gut wie sein Dop- 
pelgänger βρέγμα (Diod. Sie. 3, 32 ποτῷ δ᾽ οἵ μὲν ἰδιῶται συγχρῶνται 
παλιούρων βρέγματι) die Nässe bezeichnen konnte. ‚Möglich indessen 
auch dass der Dichter veonol schrieb (Hesych νασμούς τὰς ἀπορροίας 
und νασμῶν ῥευματων). 

Ferner kanı κατεψάκαξον nicht heissen „sie träufelten herab“, 
weil dieser Begriff dem ἀπὸ γῆς λειμωνίας absolut widersprechen würde: 
das Verbum muss vielmehr, wie so manche mit κατά zusammengesetzte 
Intransitiva die transitive Bedeutung annehmen, hier heissen „sie be- 


COMMENTAR. 303 


sprengten“, in welchem Sinne es auch an den beiden Stellen, wo es sich 
sonst findet, steht, Plut. Alex. 35 στενωπὸν ἐλαφρὼς τῷ φαρμάκῳ κατε- 
ψέκασαν und Geopon. 5, 39, 2 τὰς ἀμπέλους — καταψεκαστέον. Dann 
aber bedürfen wir zu κατεψάκαξον ein Objekt. Dies hat mit glück- 
lichem Takte Weil gefunden, indem er unter Meineke’s Zustimmung das 
völlig unhaltbare τρίχα in χρόα verwandelt. Denn dass der Herold hier 
nicht über die Verwilderung des Haares (wie lächerlich wäre das!), son- 
dern über die Verderbung der Haut und ihrer Jugendfrische klagt, geht 
doch auch aus dem verstümmelten Scholion zu ἔμπεδον σίνος: τὸ 
ἑδραῖον, ἤγουν (φϑεῖρον) τὸ περιβεβλημένον ἡμῖν καλλος deutlich her- 
vor. Aber auch den ganzen Vers 540 scheint Weil mir ganz ausgezeichnet 
emendiert zu haben, nur ist seine Interpunktion falsch: wenn er vor- 
schlägt ἔμπεδον σίνος | ἐκϑυμάτων, τιϑέντες ἀνθηρὸν χρόα, so ist das 
ziemlich sinnlos und mit Recht verwirft Meineke bei solcher Interpunktion 
avdnoov, denn die Nässe macht die Haut nicht „‚blühend“; aber vermut- 
lich wollte Weil schreiben ἔμπεδον σίνος, ἐπϑυμάτων τιϑέντες ανϑη- 
00v, χρόα und dann giebt seine Emendation den einzig passenden Sinn 
„Regen und Tau besprengten, ein tief sich einfressendes Verderben, 
unsere Haut, sie voll von Geschwüren machend“. Sonst heisst die Haut 
ἀνθηρά. weil sie in Jugendfrische hlüht, hier wird mit Herbigkeit ge- 
klagt dass sie von Aussätz blühte. Dass aber der Dichter berechtigt war 
ἀνϑηρός nach Analogie der Adj. der Fülle mit dem Gen. zu verbinden, 
kann nicht zweifelhaft sein. Und was die ἐκϑύματα betrifft (die Hesych 
durch ἐξανϑήματα erklärt), so ist es nicht nur eine bekannte medizini- 
sche Erfahrung, dass das Lagerleben der Soldaten durch die viele Nässe 
eine Menge von Hautkrankheiten, namentlich Pusteln und Karbunkeln, 
erzeugt, sondern eine Species dieser Krankheiten führt auch noch in der 
Wissenschaft den Namen Ekthyma. 

| So glaube ich denn mit Hülfe der ausgezeichneten Weilschen Emen- 
dation zu v. 540 der ganzen schwer zerrütteten Partie von v. 533—540 
ihre ursprüngliche Schönheit wieder gegeben zu haben. Sollte aber Je- 
mand die Sprache des Herolds, wie ich sie hergestellt, namentlich die 
ῥέγξεις und die ἐκθύματα, zu derb finden, so möge er sich in Aeschylos 
und seinen Geistesbruder Shakespeare mehr hineinlesen. 

Der Rest der Rede wird uns nicht lange mehr aufhalten. — v. 546 
verlangt Rauchenstein in der Epanaphora statt παροέχεται δέ mit vollem 
Recht παροίχεται δή. Uebrigens wird dies und das folgende noch von 
Hermann und Schneidewin schwer missverstanden, wenn sie erklären: 
„nicht einmal wenn es ihnen verliehen würde wieder aufzuerstehen, wür- 
den sie es wollen — so überschwänglich mühselig ist ihr Leben ge- 
wesen“. Das ist nicht griechisch gedacht, aber noch viel weniger im 
Sinne des Herolds: ihm ist das Leben der Güter höchstes, wie sollten also 
die Todten nicht gern wieder auferstehen wollen, wenn sie nur könnten? 
Sie wollen es nur deshalb nicht, weil sie in ihrer Bewusstlosigkeit über- 
haupt nichts wollen. Mit fröhlichem Witz also, im Bewusstsein 
dass der Lebende Recht hat, sagt der Herold: „Für die Todten ist die Not 


304 COMMENTAR. 


so gründlich vorüber, dass nicht einmal das ihnen Sorge macht, was 
ihnen sonst das höchste sein würde, die Auferstehung “. Uebrigens ist 
nach τεϑνηκόσιν ein Komma zu setzen, indem τὸ μήποτε sich in ähnlich 
prägnanter Fügung (es schlummert darin ein Begriff der Verhinderung) 
an παροίχεται anschliesst, wie v. 15 τὸ μή an παραστατεῖ. 

Hinter v. 547 gehören aber, wie Elberling zuerst erkannt hat, v. 551 
und 52: die Umstellung der Verse ist, wie neuerdings auch Enger an- 
erkennt, unabweisbar, weil τοῖσι μὲν τεϑνηκόσιν durchaus den soforti- 
gen Gegensatz ἡμῖν δὲ τοῖς λοιποῖσιν verlangt und v. 548 —550 erst 
daun sich erklären, wenn ihnen der fröhliche Gedanke „wir Lebenden 
sind beneidenswert‘“ vorausgeht. An diesen schliesst sich τί τοὺς ave- 
λωϑέντας mit explicativem Asyndeton an. — Dass hier in der Anordnung 
der Verse byzantinische Willkür geschaltet hat, wird jetzt eher Glauben 
finden, als früher, da man sich überzeugt haben muss, dass auch v. 537 
von einem oberflächlichen Erklärer umgestellt ist. 

v.549 schreibt Ahrens mit herrlicher Emendation ἄλγους χρὴ τυχεῖν 
παλιγκότου statt des überlieferten ἀλγεῖν χρὴ τύχης παλιγκότου: erst 
so ist παλιγκότου verständlich geworden und an den rechten Platz ge- 
stellt. Die Corruptel ist eine ähnliche wie v. 444. 

v. 550 ist es notwendig mit Blomfield συμφορὰς statt συμφοραῖς 
zu schreiben; denn der Herold darf nicht sagen „ich fordere dass man 
sich über die Ereignisse freue“, sondern ihm gebührt der Gedanke „ich 
fordere dass die (schlimmen) Ereignisse ihr Lebewohl bekommen “ d.h. 
„ich gebe ihnen den Abschied“. 

v. 553 und 54 geben die codd. ὡς κομπάσαι τῷδ᾽ εἰκὸς ἡλίου φάει; 
ὑπὲρ ϑαλάσσης καὶ χϑονὸς ποτωμένοις ; aber Ahrens macht mit Recht 
darauf aufmerksam, dass es unpassend sei „am heutigen Tage“ mit etwas 
zu prahlen, das noch nicht geschehen sei, auch sei ποτωμένοις sinnlos, 
wenn es von den rückkehrenden Griechen, die doch jetzt nicht mehr 
„über Meer und Land ‚fliegende “ seien, verstanden werde. Indem er so- 
dann Theugn. 237 ἐπ᾿ ἀπείρονα πόντον πωτήσῃ καὶ γῆν πᾶσαν ver- 
gleicht, vermutet er dass v. 554 sich auf die Verbreitung des Ruhmes der 
Griechen über die ganze Erde beziehe und schreibt nach älterer Conjectur 
von Heath: norwuevo, sodass es vom Sonnenlicht heisse, „dass es über 
Land und Meer fliegend den Ruhm der siegreichen Argiver verkünden 
werde‘. Das ist sehr geistreich, aber gerade die vortrefflich herangezo- 
gene Stelle aus Theognis beweist dass ποτωμένοις nicht anzutasten ist. 
Wie nämlich bei jenem es von Kyrnos persönlich heisst dass er 
über Land und Meer fliegen werde, gerade so heisst es hier von den mit 
ihrem Ruhm identificierten Griechen „uns, die wir über Land und 
Meer fliegen ἃ. ἢ. deren Name die Welt erfüllt“. So gefasst ist 
auch das Part. Präs. vollkommen richtig. Vgl. auch Ennius bei Cic. Tusc, 
Ι, 15, 34: Nemo me lacrumis decoret nec funera fleiu faxit. cur? vo- 
lito vivu’ per ora virum. Aber τῷδ᾽ ἡλίου φάει ist zu schwach: viel 
kräftiger ist Ἡλίου φάει, denn immer soll es dem Sonnenlicht gerühmt 
werden. Zugleich ist ein Pron. dem. erforderlich, das auf den Inhalt der 





COMMENTAR. 305 


nachfolgenden Inschrift hinweist (vgl. zu v. 353 und 473). Weil vermutet 
daher ὡς κομπάσαι τάδ᾽ εἰκός, näher an die Ueberlieferung heran käme 
τόδ᾽ εἰκός. 

v. 555 — 57 hat Weil vortrefflich gedeutet als Inschrift eines Denk- 
mals, die sich in die Zeit des künftigen Lesers so versetze, dass sie ihn 
gleichsam anrede und ihm aus der Vergangenheit erzähle. Daher seien 
mit τοιαῦτα κλύοντας v. 558 die künftigen Leser gemeint, welche Argos 
(πόλιν) und die Atriden zu preisen hätten ob solcher Erfolge. Hiermit 
im Einklang schreibt er statt δήποτ᾽ auch δή ποτ᾽ und erklärt ποτέ durch 
„einstmals“, nicht, wie man sonst tat, durch „endlich“. 

Aber v. 557 ist das überlieferte δόμοις ἐπασσάλευσαν ἀρχαῖον γά- 
vog mit Hartung notwendig zu ändern in δόμων — ἀρχαέων γάνος. 
Denn ἀρχαῖον γάνος sucht Hermann vergeblich zu deuten als „dauernden 
Schmuck“. Allerdings können die späten Enkel, welche der Herold sich 
als Leser der Inschrift denkt, die λάφυρα als ἀρχαῖα bezeichnen, aber nie 
kann es von ihrem Standpunkt aus heissen „dass einst die Eroberer 
Trojas die Beutestücke als alten Schmuck aufgehängt haben‘. Des- 
halb schlug schon Porson ἀρχαίοις vor, aber in diesem Falle wäre die 
Corruptel schwer zu erklären. Nehmen wir dagegen an dass Aeschylos 
schrieb δόμων --- ἀρχαίων. so erklärt sich δόμοις sehr einfach aus dem 
Bestreben, es mit τοῖς x«9 Ἑλλάδα zu verbinden. Und welch’ ein schö- 
ner, echt äschylischer Gedanke ist es, die Beutestücke als eine Labung 
und Erquickung für die alten Tempel, wodurch sie gleichsam verjüngt 
werden, aufzufassen. 

Die ganze Rede des Herolds zerfällt nun in zwei vollkommen gleiche 
Hälften von 16 Versen, von denen die erste den Rückblick in die Ver- 
gangenheit enthält und sich in zwei Partien von je 8 Versen (4 + 4) 
gliedert, die zweite aber von fröhlicher Aussicht in die Zukunft beseelt 
ist und gleichfalls zwei Partien von je 8 (ὅ - 3) Versen umfasst. Eine 
schönere und zugleich einfachere Symmetrie ist nicht denkbar. 


iKlytämnestras Auftreten v. 561— 592. 


In seinen legitimen 4 Versen erklärt der Chor seine Zustimmung zu 
der Ansicht des Herulds dass man jetzt nur Ursache habe sich zu freuen. 
Er erblickt die aus dem Palast tretende Königin (die wir uns auch hier 
nicht ohne Gefolge zu denken haben) und lenkt die „Aufmerksamkeit des 
Herolds auf sie. Wenn aber v. 562 überliefert ist ἀεὶ γὰρ ἡβᾷ τοῖς γέ- 
θουσιν εὖ μαϑεῖν, so ist nicht nur der Artikel anstössig, sondern vor 
allem vermissen wir das Subjekt zu ἡβᾷ. denn „das Lernen‘ kann doch 
nicht jung bleiben. Vortrefflich schreibt daher Enger ἀεὶ γὰρ ἡβᾷ νοῦς 
γέρουσιν su uadeiv „denn immer bleibt der Geist den Greisen für gute 
Lehre jung “. 

Unbegreiflich würde es nun sein dass die Königin gar kein Wort 
der Ueberraschung spricht, als sie den Herold gewahrt, dass sie gar nicht 
fragt, wann das Heer komme u. s. w., wenn wir nicht aus den Worten 
des Wächters (vgl. zu v. 467) und seinem Herabsteigen ins Innere des 


AESCHYL. AGAMEMNON. 20 


306 COMMENTAR. 


Palastes schliessen könnten dass sie von der Ankunft des Herolds und 
dem Herannahen des Heeres völlig uuterrichtet ist. So zerfällt ihre Rede 
an den Herold iu zwei ganz gleiche Hälften: in der ersten (v. 565—577) 
erklärt sie, von des Königs Ankunft schon längst unzweifelhafte Kunde 
gehabt zu haben, und auch jetzt bedürfe sie nicht der näheren Nachricht 
durch den Herold; in der zweiten (v. 578—590) handelt sie vom Empfang 
ihres Gemahls und giebt dem Herold Aufträge an ihn. Beide Hälften zer- 
fallen gleichmässig in 6, 5, 2 Verse. Den legitimen Schluss bilden die 
stolzen Worte v. 591 und 92. 

Der Text ist merkwürdig gesund erhalten in dieser Partie. Nur 
v. 573 findet sich noch ein kleiner Fehler, der wunderliche Wirren ver- 
anlasst hat. Die codd. geben ὅμως δ᾽ ἔϑυον καὶ γυναικείῳ νόμῳ | ὀλο- 
λυγμὸν ἄλλος ἄλλοϑεν κατὰ πτόλιν | ἔλασκον εὐφημοῦντες, ἐν ϑεῶν 
ἕδραις | ϑυηφαγον κοιμῶντες εὐώδη φλόγα. Das fasst Hermann mit 
den meisten so: „dennoch opferten sie ‚(Naegelsbach: opferte ich), und 
auf mein Frauenwort huben sie (ἄλλος @AAodev, also Männer) allerorten 
in der Stadt bei den Götterwohnungen heiligen Jubel an, wenn man die 
duftige Weihrauchflamme löschte“. Nun bemerkt aber Hermann mit 
Recht dass hier sehr verkehrt vom Löschen der Opferflamme gespro- 
chen werde, man erwarte vielmehr den Begriff „der Bedienung, Unter- 
haltung des Feuers“. Also meint er, es müsse entweder ein Vers aus- 
gefallen sein, oder κοιμῶντες sei verdorben; er vermutet ποεώντες. 
Ahrens sugar behauptet ‚dass κοιμώντες verkehrt sei ist anerkannt“, 
und wirklich hat man hier in Conjecturen gewetteifert: Ahrens giebt xv- 
vovvres, Schneidewin xıvovvres, Weil xıgvovres, Meineke steuert 
κομοῦντες bei, von anderen völlig verfehlten Versuchen ganz zu schwei- 
gen. Bei dieser Verfolgung von κοιμῶντες nahm man aber gar keinen 
Anstoss daran, dass γυναικείῳ νόμῳ heissen solle „auf mein Frauen- 
wort‘ statt dessen, was es allein heissen kann, „nach Frauenweise “, 
und man liess es ruhig geschehen, dass hier Männer einen ᾿ὀλολυγμός 
anstimmten. Und doch „sagt Hesych ὀλολυγή φωνὴ γυναικῶν ἣν ποι- 
οὔνται ἐν τοῖς ἱεροῖς εὐχόμεναι (5. K. F. Hermann Gottesdienstl. Alterth. 
$ 28,17); doch kommt 6AoAvyuog Ag. 28, Ch. 382, Sept. 251, kurz 
überall, nur vom Aufkreischen der Weiber vor. — Aber alle diese 
Wunderlichkeiten sind mit einem Schlage beseitigt, wenn wir ὀλολυγμὸν 
in ὀλολυγμὸς verwandeln. "OkoAvyuös ἄλλος ἄλλοϑεν ist dann mit dem 
Plural des Verbum verbunden, wie Pers. 355 ἐπενθορόντες ἄλλος ἄλλοσε 
— βίοτον ἐκσωσοίατο oder Eurip. Phoen. 1248 παρεξιόντες δ᾽ ἄλλος 
ἄλλοϑεν φίλων λόγοισι ϑαρσύνοντες ἐξηύδων τάδε. Aber gerade diese 
nicht ganz gewöhnliche Verbindung gab den Abschreibern den Anlass 
ὀλολυγμὸς τὰ verderben. Nun heisst das Gekreisch selber εὐφημῶν wie 
v. 28 ὀλολυγμὸν εὐφημοῦντα, nun ist auch das soviel verfolgte κοιμῶν- 
τες ganz in der Orduung. Denn die Königin sagt jetzt: „dennoch opferte 
ich, und nach Frauenweise ertönten aller Orten durch die Stadt an den 
Sitzen der Götter heilige Jubelrufe, die duftige Weihrauchflamme be- 
sänftigend‘. (Eum. 818 κοίμα κελαινοῦ κύματος πικρὸν μένος.) Wie 








COMMENTAR. 307 


nämlich beim Fallen des Opfertiers die 0AoAvyn der Weiber erscholl und 
überall da, wo die weibliche Erregbarkeit Anlass zum lauten Ausbruch 
des Gefühls fand (vgl. Od. VI, 116 βαϑείῃ δ᾽ ἔμβαλε δίνῃ, αἱ δ᾽ ἐπὶ μα- 

κρὸν ἄυσαν), so ist es fast selbstverständlich, dass beim Brandopfer das 
„Gekreisch‘ nur dann sich erhob, wenn die Flamme plötzlich und jäh auf- 
schoss; wenn dieselbe dagegen, wie sie sollte, ruhig und klar brammte 
(φψαρμασσομένη χρίματος ἁγνοῦ μαλακαῖς ἀδόλοισε παρηγορίαις v. 95), 
so hat sicherlich kein lauter Ruf die andächtige Stille unterbrochen. Na- 
türlich also ward den ὀλολυγμοῖς ein Einfluss auf die Besänftigung der 
Weihrauchflamme zugeschrieben. — Meine Verbesserung muss demnach 
jedem einleuchtend sein, wie denn nun auch klar ist, dass das Komma 
nicht mit Hermann hinter εὐφημοῦντες, sondern hinter ἕδραις gesetzt 
werden muss. 

v. 580 liest man allgemein nach den codd. τί γὰρ γυναικὶ τούτου 
φέγγος ndıov δρακεῖν, ἀπὸ στρατείας ἄνδρα σώσαντος ϑεοῦ πύλας 
ἀνοῖξαι; und interpretiert dies: „welchen schöneren Tag könnte es für 
ein Weib geben, als diesen, nämlich ihrem Gemahl — die Tore zu öff- 
nen?“ ἀνοῖξαι soll also Epexegese zu τούτου sein. Das wäre nun frei- 
lich grammatisch nicht unmöglich (wiewohl es für des Aeschylos gran- 
diose Einfachheit viel zu künstlich wäre), aber wie kann man sich an 
dem grossen Dichter so versündigen, dass man ihm zutraut, das Oeffnen 
der Tore ein φέγγος und gar ein φέγγος ἥδιστον δρακεῖν genannt zu 
haben? Nein sicherlich ist nach δρακεῖν (ebenso wie in der ersten Hälfte 
der Rede mit dem drilten Verse der Satz schliesst) ein Fragezeichen zu 
setzen, sodass τούτου auf πόσιν — πάλιν μολόντα zurückweist: der 
heimgekehrte Gemahl ist das φέγγος ἥδιστον Öganeiv. Dann ist 
statt πύλας ἀνοῖξαι (das zur Not erklärt werden könnte „Öffnet die 
Tore‘“‘) zu schreiben πύλας ἀνοίξω, und dies mit dem Finalsatz ὕπως δ᾽ 
ἄριστα xrA. in Verbindung zu setzen. | 

Dass nämlich gerade an dieser Stelle „eine ‚Corruptel vorliegt ,. ist 
indiciert durch das sogleich folgende ταῦτ᾽ ἀπάγγειλον πόσει, das auf 
keine Weise haltbar ist. Dies ταῦτα soll offenbar auf das folgende gehen 
„der Gemahl möge schleunigst kommen “, sonst hätte nxe1v nichts, wo- 
von es abhinge, und das Asyndeton, womit ἥκειν eingeführt ist, , wäre 
unerträglich. Weist also „dieses“ auf das folgende hin, so kann ἁπάγ- 
γειλον unmöglich asyndetisch au ἀνοῖξαι oder ἀνοίξω sich anreihen: ein 
δέ ist unentbehrlich. Demnach ist es notwendig zu lesen τάδε δ᾽ ἀπαγ- 
ysılov πόσει (Hesych, τάδε ταῦτα; die Corruptel ist eine sehr gewöhn- 
liche) oder ταῦτα δ᾽ ἄγγειλον πόσει. 

v. 590 habe ich i in der Uebersetzung wiedergegeben nach der Erklä- 
rung des Schol. ὥσπερ οὐκ οἶδα τὰς βαφὰς τοῦ σιδήρου, ὥστε οὐδὲ 
ἡδονὴν ἑτέρου ἀνδρός und nach Welckers bekannter Hypothese dass zu 
.Aeschylos’ Zeiten die Färbung des Eisens ein erst kürzlich erfundenes 
und nur von wenigen gekanntes Geheimmittel gewesen sei (denn dass die 
Auffassung Hermanns, der χαλκοῦ βαφάς von blutiger Färbung des Ei- 
sens durch Mord versteht, unstatthaft ist, liegt auf der Hand). Indessen 


20 Ὁ 


308 COMMENTAR. 


verkenne ich nicht dass nach. jener Erklärung den Dichter der Vorwurf 
treffen müsste, sich nicht einfach und natürlich ausgedrückt zu haben. 
Vielleicht bedarf die Stelle noch einer Heilung. Doch ist sicherlich die 
Conjectur von Auratus ἢ χαλκὸς Papas, die von Hartung Karsten und 
Enger gebilligt wird, zurückzuweisen. Darnach würde nämlich Klytämne- 
stra sagen: . „ich kenne Ehebruch so wenig, wie das Eisen die Farbe 
(denn dieses nimmt nicht wie die Wolle sie an)‘; aber Soph. Aj. 651 ist 
ja ganz ausdrücklich von einer βαφὴ σιδήρου die Rede. Eher würde ich 
glauben dass Aeschylos geschrieben hat ἡ φελλοὶ βαφάς „ich kenne 
Ehebruch so wenig, wie der Kork das Untertauchen “. Das wäre ein 
völlig correcter Ausdruck, und dass das hier gebrauchte Bild ein den 
Griechen geläufiges gewesen ist zeigen Stellen wie Pind. P. 2, 146 ἀβα- 
πτιστός εἰμι φελλὸς ὥς oder Anth. Pal. 6, 192 ἀβαπτιστόν τε καϑ' ὕδωρ 
φελλόν oder Aesch. Ch. 500 φελλοὶ δ᾽ ὡς ἄγουσι δίκτυον, τὸν ἐκ βυ- 
ϑοῦ κλωστῆρα σώζοντες λίνου. 

Mit v. 592 geht Kiytämnestra wieder in den Palast, ihre Vorberei- 
tungen zum Empfange des Gemahls zu treffen. Die beiden Verse 591 und 
592, welche in den codd. dem Herold zugewiesen sind, hat Hermann mit 
sehr richtigem Gefühl der Königin wieder zugeteilt, weil sonst ihre Rede 
des würdigen Abschlusses entbehre und jene Worte dem Herold nicht 
wohlanständig seien. . Weil, der in seiner Ausgabe Hermann beistimmt, 
hat neuerdings seine Meinung geändert: „der Herold spreche jene Worte 
zum Chor, nachdem Klytämnestra schon abgegangen sei“. Aber selbst 
dann dürfte dieser nicht so reden: sollte τῆς ἀληϑείας γέμων heissen 
„wenn der Selbstruhm wahrhaftig ist“, so spräche der Mann unschick- 
lichen Zweifel über seines Fürsten Gemahlin aus; wollte er aber sagen 
„weil er wahrhaftig ist‘, so würde er, der solange fern gewesene, ein 
vorwitziges Urteil fällen. Völlig entscheidend aber sind die Worte des 
Chors: αὕτη μὲν οὕτως, womit er nach feststehendem äschylischen Ge- 
brauche auf das unmittelbar vorhergehende zurückweisen muss; 
da nun aber «vr und οὕτως beide auf die Königin und ihre Worte zei- 
gen, so müssen diese letzteren bis λακεῖν reichen. — Ansprechend ist 
Meineke’s Conjectur πῶς ἀληϑείας γέμων für τῆς ἀληϑείας γέμων, worin 
der Artikel anstössig ist. 


Unterredung zwischen Chor und Herold v. 593 — 613. 


Viel ist gesündigt worden iu der Erklärung der Verse 593 u. 94. 
Zunächst ist evident dass die beiden neben einander unerträglichen Ad- 
verbien οὕτως und εὐπρεπῶς dergestalt auf zwei Sätze zu verteilen sind 
dass nach αὕτη μὲν οὕτως interpungiert und daun mit explicalivem 
Asyndeton fortgefahren wird. Diese Art von Ellipse liebt Aeschylos, vgl. 
v. 917 τούτων μὲν οὕτως und v. 1407 ὁ μὲν γὰρ οὕτω:ξ. --- μανϑάνοντι 
σοί ist dann mit Enger in dem Sinne zu fassen: „dir, dem Lernenden, 
Hörenden, der du vielmehr ein Herold oder ἕρμηνεύς sein solltest“. 
Diese ironische Wenduug steht dem Chor, der durch Klytämnestras 
heuchlerische Worte, namentlich v. 589 und 90, misstrauisch geworden 


COMMENTAR. 309 


ist, wohl an. Ein τορὸς ξρμηνεύς ist nach v. 1021 ein klarer verständ- 
licher Dollmetsch; der Dativ kann aber nicht als Instr. aufgefasst werden, 
denn die Worte „klare Ausleger“ zu nennen, wäre für die nüchterne 
Ironie, welche hier herrscht, eine viel zu kühne und phantasiereiche 
Metapher, auch wäre dann εὐπρεπῶς, für sich allein in dem Sinne „gleiss- 
nerisch‘ zu fassen, durchaus respektwidrig. So bleibt nichts anderes 
übrig, als mit Klausen den Dativ von εὐπρεπῶς abhangen zu lassen: (vgl. 
v. 882 ἀπουσίᾳ μὲν εἶπας εἰκότως ἐμῇ. Plat. Legg. III, 6005 σαυτῷ 
καὶ τῇ πατρίδι πρεπόντως) und zu erklären: „wie es sich für klare Aus- 
leger wohl geziemt‘“ d. ἢ. „ausführlich“. Offenbar nämlich ärgert sich 
der Chor an der stolz ablehnenden Manier der Königin, welche, ohne den 
von allen ersehnten Herold einer Frage zu würdigen, ihm nur eine Be- 
stellung an den König aufträgt. 

Soweit also ist alles in bester Ordnung, und weder Aeschylos noch 
die Ueberlieferung haben die vielen wunderlichen Deutungen der bespro- 
chenen Worte verschuldet. Aber jeder mit dem Stil des Dichters ver- 
traute muss fühlen dass nun im Verhältniss zu dem Prädikat εἶπε mit 
seinem Adverbiale das Objekt λόγον unerträglich nackt dasteht, während 
wir gerade am Ende des Satzes einen gewichtigen volltönenden Begriff 
verlangen. Da nun aber das αὕτη μέν so deutlich dem σὺ δέ entspricht, 
auch das wiederholte sis und εἰπέ einen vollständigen Parallelismus der 
beiden Sätze indiciert, so zweifle ich nicht, dass nach λόγον ein Vers aus- 
gefallen ist, den ich in Aeschylos’ Geiste etwa so restitujeren zu dürfen 
glaube: τὸν ἀμφ᾽ ξαυτῆς καὶ γυναικείων νόμων. Dann sagt der Chor in 
3 Versen: „die Königin bekümmerte sich nicht um deine Nachrichten ; 
als ob du von ihr zu lernen hättest, sprach sie ausführlich nur von sich 
und ihrer Weise“ — und in 3 folgenden: „du aber erzähle mir vom Heere 
und namentlich von Menelaos, ob er mit euch heimkehrt“. Das überlieferte 
εἰ voorıuos γε mit Hermann in εἰ νόστιμός te zu ändern, ist nicht der 
mindeste Grund vorhanden. Aber v. 597 kann das überlieferte τῆσδε γῆς 
φίλον κράτος unmöglich richtig sein. Denn unter jenem Ausdrucke 
„dieses Landes liebe Obergewalt‘“ konnte der Chor (worauf zuerst 
A. Ludwig aufmerksam gemacht hat) nur Agamemnon, nicht Menelaos ver- 
stehen. Dazu kommt auch das Bedenken dass κράτος sonst nicht metony- 
misch für „Herrscher“ gebraucht wird. Der Dichter hat wohl geschrieben 
ἥξει σὺν ὑμῖν, τῆσδε γῆς φίλῳ στρατῷ, wodurch Menelaos, der Herr- 
scher von Sparta, in Gegensatz zu dem argivischen Heer gestellt ward. 


Des Herolds Bericht vom Sturm v. 614— 658. 


Zunächst sondern sich als Einleitung der längeren Rede die ersten 
14 Verse bis ξυνώμοσαν γάρ ab, wie denn derScholiast, in dem richtigen 
Gefühl dass hier ein wesentlicher Abschnitt der Rede ist, zu v. 628 be- 
merkt ἐκῳφράξει τὴν τοῦ χειμῶνος χαλεπότητα. Betrachten wir zunächst 
diese Einleitung. 

Nach der überlieferten Ordnung der Verse soll der Herold also sagen: 
„Den Tag der Weihe soll man nicht durch Unglücksbotschaft entheiligen. 


310 COMMENTAR. 


Wenn aber ein Bote die Nachricht von einer Niederlage bringt, so ziemt 
.es ihm, einen Päan der Erinyen anzustimmen. Aber ein Bote fröhlicher 
Nachrichten, der zur erfreuten Stadt kommt — wie soll ich euch den 
Sturm schildern und se Fluch mit Segen mischen?“ Und trotz dieser 
letzten Worte beginnt er jetzt die Beschreibung des Sturms. Also auf die 
Frage des Chors nach dem Hergang bei der Vernichtung der Flotte soll 
der Herold zuerst sagen „ich kann euch nicht antworten“, sodann: „ja 
wenn ich eine Niederlage zu berichten hätte, so könnte ich euch den 
Sturm schildern“, hierauf: „aber als Bote fröhlicher Mähr kann ich es 
nicht“ und endlich erfüllt er doch die Bitte des Chors. — In der Tat, 
wenn der Dichter so den Herold hätte reden und handeln lassen, so könnte 
man nur glauben .dass er ihn als geistesschwach hätte darstellen wollen. 
Aber sicherlich hat Aeschylos Niemanden in so kindischer, so allen Ge- 
setzen der Logik widersprechender Art stammeln lassen: ihm derartiges 
zuzutrauen heisst sich an seinem Genius versündigen. Zum Glück ist aber 
auch die grammatische Structur des ihm aufgebürdeten Satzes σωτηρίων 
δὲ πραγμάτων εὐάγγελον ἤκοντα — πῶς συμμίξω so unerhört anako- 
luthisch, dass Niemand solchen Bau einem auch nur mittelmässigen 
Sprachkünstler ungerägt hingehen lassen dürfte: die Anakoluthie wäre 
hier eben durch nichts entschuldigt. Es hat also hier eine Verwirrung 
der vom Dichter gegebenen Satzordnung stattgefunden, und dass gerade 
die strukturlosen 4 Verse 624—627 an eine falsche Stelle geraten sind, 

dafür haben wir ein kaum trügendes Merkmal in dem παιᾶνα τόνδ᾽ Ἐρι- 
νύων v. 623. Denn jenes bisher unerklärte τόνδε weist eben hin auf die 
mit v. 628 beginnende Schilderung des Sturmes: in diesem Fall aber darf, 
wie auf der Hand liegt, zwischen v. 623 und 628 kein anderer Gedanke 
treten, der die Beziehung des τόνδε verdunkelt. — Wohin gehören denn 
nun jene verirrten 4 Verse? Die Antwort ist nicht schwer. Υ. 626 u. 27 
πῶς κεδνὰ τοῖς κακοῖσι συμμίξω, λέγων χειμῶν᾽ ᾿Αχαιῶν οὐκ ἀμήνιτον 
ϑεοῖς ; (von Hermann sehr hart geändert i in χειμῶν᾽ ᾿Δχαιοῖς οὐκ ἀμήνι- 
τον ϑεῶν statt in χειμῶν᾽ ἀραῖον οὐκ ἀμήνιτον ϑεοῖς, Hesych erklärt 
ἀραῖος durch βλαβερός) erweisen sich auf der Stelle als. unmittelbare 
Antwort des Herolds auf die letzte Frage des Chors πῶς γὰρ λέγεις χει- 
μῶνα ναυτικῷ στρατῷ ἐλϑεῖν τελευτῆσαί τε δαιμόνων κότῳ; Schon 
in der äussern Form, in der Wiederholung derselben Begriffe tritt hier die 
Correspondenz zwischen Frage und Gegenfrage so deutlich hervor, dass 
sie nicht zu verkennen ist, wenn einmal jemand darauf hingewiesen hat; 

ausserdem aber können jene Worte des Herolds, in deneu die Erkundigung 
des Chors noch abgelehnt wird, nirgendwo anders Platz haben, als zu 
Anfang seiner Rede. Nur bei dieser Stellung der v. 626 und 27 gewinnt 
auch der Artikel in τοῖς κακοῖσι seine Bedeutung; es wird damit auf den 
vom Chor genannten Sturm hingewiesen. — Weiter aber verbinden sich 
nun die v. 624 und 25 (indem σωτηρίων δέ nur in σωτηρίων γε zu ändern 
ist) i in tadelloser Struktur mit v. 614 uud 15, und so findet erst das δέ in 
ὅταν δ᾽ ἀπευκτά v. 616 seine Erklärung , während wir nach der über- 
lieferten Ordnung der Verse statt δέ vielmehr μέν im ersten Gliede er- 











COMMENTAR. | 311 


warten müssten. Namentlich aber ist nun ein 80 sicherer und klarer Ge- 
dankengang in den Einleitungsversen, dass ich hoffen darf kundige Leser 
von der Notwendigkeit der Umstellung überzeugt zu haben. 

Wie aber, fragt man nicht ohne Bedenken, hat jene Verschiebung 
eines so klaren Gedankenganges sich in den codd. machen können? Nicht 
eine Zerrüttung des cod. Alex., infolge deren v. 624—27 zuerst als un- 
leserlich überschlagen, dann am Rande nachgeholt wären, kann hier die 
Verwirrung verschuldet haben; dafür ist diese ganze Einleitungspartie, 
in der sich sonst keine groben Schäden finden, zu gesund. Vielmehr wird 
hier byzantinische Kurzsichtigkeit ihr Wesen getrieben haben, indem 
christliche Gelehrte, sich an das bekannte εὐφημέαν κηρύττειν heidnischer 
Opferfeste und christlicher Andachtsübungen erinnernd, dafür hielten dass 
in der feierlichen Heroldsrede jenes εὔφημον nuag die erste Stelle ein- 
nehmen müsste. | 

Dass aber nun in demselben Satze εὐάγγελον und κακαγγέλῳ nur 
wenig von einander entfernt stehen, wird man nicht nur nicht anstössig, 
sondern schön finden müssen, wenn mau bedenkt dass der IIerold den 
Gegensatz zwischen εὐάγγελος und der γλῶσσα κακάγγελος scharf her- 
vorheben will. — Das überlieferte χωρὶς ἡ rıun ϑεῶν v. 615 erklärt der 
Scholiast vollkommen richtig und dem Zusammenhang angemessen durch 
ταῦτα λέγοντες ἀτιμάξομεν τοὺς ϑεούς. Aber freilich ist sowohl der 
Artikel, als auch namentlich die Wortstellung so anstössig, dass die wun- 
derliche Erklärung Hermanns (ἡ τιμὴ χωρὶς ϑεῶν ἐστί praemium sine 
diis esii. 6. praemium accipit malorum in re laeta nuntius tale cui non 
favent dii) dadurch entschuldbar wird. Aeschylos wird geschrieben haben 
χωρὶς ἀξία ϑεῶν, sodass ἡ τιμή nur Glosse für das seltnere ἀξία ist. 
Hesych ἀξία τιμή. 

v. 618 ist, das überlieferte πόλει μὲν ἕλκος ἕν τὸ δήμιον τυχεῖν als 
Apposition zu ἀπευκτὰ πήματα unerträglich, zumal da die Hauptverscäsur 
nach ἕν eintreten müsste. Alle Interpretationskünste sind hier fruchtlos. 
Der Dichter schrieb vielmehr πόλει μὲν ἕλκος ἕν τι, δήμιον τύχην (civitati 
unum quoddam vulnus, publicam calamitatem); die Verderbung von 
τι in τό zog die von τύχην notwendig nach sich. 

v. 620 muss nach τὴν "Aong φιλεῖ jedenfalls ein Komma stehen. 
Hermann und die meisten der übrigen Erklärer scheinen δέλογχον ἄτην 
κτλ. als Epexegese zu τήν aufzufassen, sodass die Doppelgeissel nun „ein 
zweispeerig Unheil, ein blutig Zwiegespann‘“ genannt würde. Aber diese 
Erklärung scheint mir in sachlicher Beziehung so wenig wie in gramma- 
tischer empfehlungswert. Die διπλὴ μάστιξ des Ares, Schwert und Pest, 
ist an und für sich schon deutlich genug bezeichnet; würde sie nun aber 
plötzlich δίλογχος ἄτη genannt, so wäre in dieser Verschwommenbheit 
der Begriffe die sichere Plastik äschylischer Bildlichkeit nicht mehr zu er- 
kennen. Setzen wir dagegen nach φιλεῖ ein Komma, so erscheint δίλογχον 
ἄτην κτλ. als grossartige Zusammenfassung der beiden Glieder πόλει μέν 
— πολλοὺς δέ. 

Dass παιᾶνα τόνδε nunmehr unmittelbar auf die nachfolgende 


312 COMMENTAR. 


Schilderung des Sturmes hinweist, ist schon oben bemerkt; beachtens- 
wert ist aber der feine dichterische Zug, dass der Herold, indem er nun 
den „Päan der Erinyen“ wirklich anhebt und das εὔφημον ἦμαρ ent- 
weiht, sich getrieben zeigt von jenem dämonischen Instinkt, der so häufig 
als Ironie des Schicksals erscheint. Denn gerade jener ruhmredige Mann, 
der v. 555—57 su stolz von dem Ausgang des Krieges sprach, stellt sich 
nun unabsichtlich als den hin, der er wirklich ist, als einen Herold der 
eine δίλογχος ἄτη zu berichten habe. 

Es folgt nun der „Erinyenpäan‘“, welcher von v. 6828—648 reicht. 
Die ersten drei Verse 628—30 sind völlig gesund, aber mit dem nun fol- 
genden ἐν νυχτὶ δυσκύμαντα δ᾽ ὡρώρει κακά beginnt eine Verwirrung 
und Zerrüttung der Ueberlieferung, dass auch wir gleichsam die Trümmer 
aus einem Schiffbruche zu sammeln und aus der Zusammensetzung von 
Teilen des Wrackes auf den Bau des herrlichen Kunstwerkes, das hier in 
dem Sturm der Zeiten untergegangen ist, zu schliessen haben. 

Schon Hermann fühlte dass in dem Verse ἐν νυκτὶ δυσκύμαντα δ᾽ 
ὠρώρει κακά, abgesehen von der Stellung des δέ, der Begriff ἐν νυκτί 
viel zu stark hervorgehoben wäre und dass, wenn der Vers hier seinen 
richtigen Platz hätte, jedenfalls nach νυκτί interpungiert werden müsste. 
Folgen wir ihm darin einstweilen und betrachten wir als selbständigen 
Satz die Worte δυσκύμαντα δ᾽ ὠρώρει use. „es hatte sich aber des 
schlimmen Wogendranges Unheil erhoben“. Bei diesem Satze aber, der 
das gewichtigste Moment der ganzen Schilderung euthält, 
muss jeder mit Aeschylos oder auch nur mit dichterischem Stil überhaupt 
vertraute fühlen dass er unerhört kurz abfällt und unseres Dichters er- 
habene volltönende Sprache sich völlig darin verläugnet. Es ist gar nicht 
anders möglich, als dass uns dieser Satz verstümmelt überliefert ist; aber 
sehen wir uns nun in dem weiterfolgenden Texte um, so gewahren wir 
bald einzelne Trümmer, die mit jenem Fragment unverkennbar Einen Satz 
gebildet haben. Zunächst gehört v. 648 στρατοῦ καμόντος καὶ κακῶς 
σποδουμένου hierher. Denn nicht nur hängt er au der Stelle, wo er in 
den codd. steht, vollständig über, da die dreizeilige Periode v. 645— 47 
mit ἐβουκολοῦμεν φροντίσιν νέον πάϑος rein und klar abgeschlossen ist, 
sondern in jenem Zusammenhange wäre das Part. Präs. σποδουμένου 86- 
radezu falsch gebraucht (wie denn auch Meineke statt κακῶς σποδουμένου 
vorschlägt κατεσποδημένου). Weiter aber steht der. wunderlich struktur- 
lose Vers 634 χειμῶνι τυφῶ σὺν ξάλῃ τ᾽ ὀμβροκτύπου nicht an seiner 
richtigen Stelle, wie sich klar erweisen lässt. Denn die Periode 632—35 
will, wie aus der folgenden Erwähnung der Leichen und der Schiffs- 
trümmer evident hervorgeht, sagen dass die Schiffe in dem Wellenge- 
schaukel einander mit den Schnäbeln stiessen (κεροτυπούμεναι βίᾳ) und 
so leck geworden versanken (ῴχοντ᾽ apavroı). Damit aber hat 
nicht unmittelbar der Sturm, noch viel weniger der Regen zu tun, sun- 
dern jenes Leckwerden und Versinken ist Folge der gewaltigen Bewegung 
der See, des στρόβος ποιμένος κακοῦ, der „seine Widder sich mit den 
Hörnern stossen lässt“. Die Einschiebung der Worte zeınwvı τυφῶ κτλ. 





COMMENTAR. 313 


an ihre jetzige Stelle haben byzantinische Gelehrte verschuldet, welche 
das ὥχοντ᾽ ἄφαντοι so missverstanden, als ob damit gesagt re, dass 
die Schiffe einander aus der Sicht gekommen seien (sie dach- 
ten dabei au den auf solche Weise verschwundenen Menelaos). Nehmen 
wir aber v. 634 von dem in den codd. ihm angewiesenen Platze weg, so 
sagt die nunmehr dreizeilige Periode v. 632—35 auf das deutlichste, was 
sie nach dem folgenden sagen muss, dass nämlich ‚‚die Schiffe im Wellen- 
geschaukel sich an einander rieben und sich mit den Hörnern gewaltsam 
stiessen, sodass sie spurlos versanken in dem vom schlimmen Hirten er- 
regten Strudel“. Demnach ergänze ich das Satzfragment v. 631 aus den 
in v. 634 und v. 648 zerstreuten Trümmern zu folgender Periode, die man 
des „äschylischeu Genius nicht unwürdig finden wird: δυσκύμαντα δ᾽ 
ὠρώρει κακὰ | στρατοῦ καμόντος καὶ κακῶς σποδουμένου | χειμῶνι 
τυφῶ σὺν ζάλαις ὀμβροκτύπῳ „es hatte sich aber indessen ein furcht- 
barer Seegang erhoben, indem die Mannschaft schwer litt und heillos 
durchwalkt wurde vom Brausen des Gewittersturms (Hik. 544 τυφῶ μένος), 
das zugleich mit Hagelschauern in Regenströmen prasselte‘“. So wird 
durch die beiden letzten Verse motiviert dass in dem fürchterlichen Wellen- 
schaukeln “tie Mannschaft ihre Schiffe vor der schlimmsten Beschädigung 
nicht schützen konnte. Die ursprüngliche Gestalt des v. 634 lässt sich 
nicht mehr mit Sicherheit ermitteln (die ganze Stelle war im cod. Alex. 
so verdorben, dass die beiden Verse 648 und 634 erst überschlagen, dann 
aber mit Mühe entziffert und am Rande nachgetragen wurden, sodass sie 
von späteren Abschreibern des cod. Byz. ihren jetzigen Platz angewiesen ἡ 
bekamen), doch glaube ich die Hand des Dichters einigermassen hergestellt 
zu haben; jedenfalls ist das überlieferte σὺν ζάλῃ τ᾽ unhaltbar, denn 
sollte σύν Adverb sein, so müsste nach feststehendem Gebrauch σύν re 
ξάλῃ gesagt werden. Ueber die Bedeutung von ζάλη vgl. zu v. 1349. 
Aber wohin beziehen wir nun das Bruchstück ἐν νυκτέ von v. 631? 
Es mit v. 630 φϑεέροντε τὸν δύστηνον ᾿Αργείων στρατόν zu verbinden 
ist unmöglich, da ἐν νυκτί in solchem Zusammenhange durch see Satz- 
und Versstellung ein für seine Bedeutung viel zu grosses Gewicht erhielte. 
Schon dadurch wird die Vermutung nahe gelegt, dass durch dieselbe Be- 
schädigung des cod. Alex., wodurch v. 631, 634 und 648 versprengt wor- 
᾿ den, auch einige Verse zwischen 630 und 631 ganz verloren gegangen 
sind. Diese Vermutung wird zur Gewissheit durch die Erwägung, dass 
das Plusq. ὠρώρει sich nur an einen vorausgegangenen Aorist oder ein 
Imperf., worin ein einzelnes Moment des Sturms beschrieben war, in der 
Weise hat anschliessen können, dass es bedeutete „indessen hatte sich 
erhoben“. Aber auch über deu allgemeinen Inhalt der hier zu statuieren- 
den Lücke können wir nicht in Zweifel sein: nicht nur sehen wir z. B. 
aus Hik. 36 dass Donner und Blitz ein wesentliches Moment in einem 
Seesturm bildet, sondern namentlich die Erwähnung von πὺρ καὶ ϑάλασσα 
v. 629 fordert nach Gesetzen des äschylischen Stils unbedingt dass, wie 
das Wogen der ϑαλασσα in drei Versen ausgeführt ward, so auch das 
himmlische Feuer, der Blitz, in einem gleich langen Satze beschrieben 


314 COMMENTAR. 


wurde. Unter dieser Voraussetzung wird auch erst das nachdrückliche ἐν 
νυκτί verständlich: der Dichter muss gesagt haben dass die Lohe des 
himmlischen Feuers Tageshelle inmitten der Nacht hervurbrachte. 
Nach diesen hoffentlich nicht „trügerischen Indicien wage ich denn die 
Lücke etwa so zu ergänzen: ἅπας δ᾽ ἐμνκᾶτ᾽ οὐρανὸς βροντήμασιν, | 
στεροπαῖς τε λαμπραῖς καὶ κεραυνίας φλογὸς | ῥιπαῖς ἰδεῖν ἦν φέγγος 
ἡμερήσιον | ἐν νυκτί" δυσκύμαντα κτλ. 

Ueberblicken wir nach dieser Restitution der schwer verdorbenen 


Stelle die ganze Beschreibung des Seesturms, den „Erihyenpäan“, so er- - 


geben sich von selbst zwei correspondierende Hälften, deren zweite mit 
ἐπεὶ δ᾽ ἀνῆλϑε v. 636 beginnt: die erste schildert das Ungewitter selber 
in viermal drei Versen (nur v. 631 greift ἐν νυχτί nachdrucksvoll in die 
folgende rhythmische Periode über), die zweite beschreibt in ebensovielen 
völlig gleichgegliederten Versen die Folgen des Sturmes. 

Im Einzelnen sind jetzt nur noch Kleinigkeiten zu besprechen. 
V. 635 ist nun natürlich ‚das von Hermann durch ‚«Gonjectur verunstaltete 
handschriftliche χοντ᾽ ἄφαντοι ποιμένος κακοῦ στρόβῳ wiederherzu- 
stellen: „die Schiffe, durch die Stösse geborsten, versanken im Strudel 
des schlimmen Hirten“. Der schlimme Hirte ist der im vorhergehenden 
genugsam geschilderte Sturm, dessen „thrakische Hauche“ die Schiffe 
auf einander werfen. Das Bild ist vollkommen correct und des Dichters 
würdig. -Wenn der Wind die Menge der flatternden Segel vor sich her- 
treibt, so muss er einem phantasievollen Zuschauer von selbst als ein 
Hirte erscheinen, der seine Lämmer auf der ihm eigenen Weide hütet: 
schlägt er aber um in Sturm, so ist.er natürlich „der schlimme Hirte“, 
der seine Heerde ins Verderben führt. 

v. 638 ist allerdings das überlieferte ναυτικῶν τ᾽ ἐρειπίων uner- 
träglich nach νεκροῖς "Ayaımv. (was Naegelsbach zur Verteidigung vor- 
bringt „vicinitas genitivi omnem sententiae vim ac ralionem superavit‘ 
würde sich zur Entschuldigung der gröbsten Sprachschnitzer benutzen 
lassen), aber warum ändert man nicht statt in ναυτικοῖς τ᾽ ἐρειπίοις," wie 
nach Auratus fast alle Herausgeber schreiben , vielmehr in ναυτικῷ τ᾽ 
ἐρειπίῳ, wodurch sich die Corruptel so einfach erklärt? Allerdings ist 


der Sing. ἐρεέπιον selten (Hesych ἐρίπιον τὸ Nuintorov οἴκημα ἡ πτῶμα, 


Ορρ. Hal. 5, 324 ἐρείπιον ὠμηστῆρος)., aber war das nicht eben ein 
Grund für Aeschylos diese Form zu wähleu, zumal da der collective Sing. 
„Trümmerwerk‘ so schön die unterschiedslose Masse bezeichnet? 

v. 640 hat Hermann die Unhaltbarkeit des handschriftlichen ἢ ᾿ξῃτή- 
σατο trefflich nachgewiesen, aber die einleuchtende Verbesserung von 
Schütz 7 ᾿᾽ξηγήσατο verschmäht. Wunderbar; denn welcher Ausdruck 
könnte zu dem Subjekt ϑεός τὸς mit dem Attribut οζακος θιγών besser 
passen ‚als „er führte uns hinaus‘? Aber zu diesem zweiten Satzgliede 
bildet ἦτοι τις ἐξέκλεψεν keineswegs einen correcten Gegensatz: „jemand 
stahl uns heraus‘ ist im Verhältniss zum andern Satzteile zu unklar und 
allgemein gesagt. Richtig hat man daher in neuerer Zeit gefühlt dass 
ἤτοι corrupt sei: aber Karstens 7 τις τύχη (ohnehin eine viel zu gewalt- 


COMMENTAR. 315 


same Aenderung) passt schon darum nicht, weil gleich nachher Τύχη 
σωτήρ genannt wird, und Weils ἥρως τις ἐξέκλεψεν, unzweifelhaft die 
beste von allen zu dieser Stelle bisher vorgebrachten Conjecturen, will 
mir darum nicht geiallen, weil ein solcher ἥρως doch nur einer der Dios- 
kuren hätte sein können, denen das Prädikat ἐξέκλεψεν um so weniger 
anständig gewesen wäre, als sie, im leuchtenden St. Elmsfeuer sich offen- 
barend, nicht verborgen geblieben sein würden. Ganz verkehrt ist Ahrens’ 
ἡών tig: ein sandiges flaches Ufer kann wohl einmal ein Schiff retten, 
aber gewiss nie „herausstehlen“, und am allerwenigsten könnte hier das 
todte „Ufer“ dem lebendigen Gotte parallel gestellt werden. — Es scheint 
mir vielmehr unzweifelhaft dass der Dichter sich als Subjekt zu ἐξέκλεψεν 
eine Meeresgottheit gedacht hat, die, den Kiel von unten anfassend 
und schiebend, von den Schiffern nicht gesehen ward, sodass auf sie 
jenes Prädikat einzig passte. So erzählt Apoll. Rh. Arg. IV, 930 sq. dass 
Thetis das Steuerruder des Schiffes fasst, während die Nereiden den Kiel 
heben und leiten, bis die Gefahr glücklich überstanden ist. Darnach ver- 
mutete ich früher dass der Dichter geschrieben habe Κητώ τις ἐξέκλεψεν 
(Keto wird von Apollodor als eine der Nereiden angeführt), aber es wäre 
auffallend dass gerade diese Nereide speciell genannt wäre, und dazu ist 
durch das vorhergehende ναῦν 7’ ἀκήρατον σκάφος, was man unmöglich 
erklären kann „und das am Rumpfe unbeschädigte Schiff‘, deutlich 
indiciert dass in dem verdorbenen ἤτοι ein Partic. steckt, von welchem 
σκάφος abhängt. Das ist um so evidenter, da dieses Part. mit ! σκάφος, 
die Tätigkeit der Meeresgottheit bezeichnend, den Gegensatz zu οζακος Bı- 
γῶν bilden muss. Und da nun in jener Stelle des Apoll. Rh. die Tätigkeit 
der Nereiden namentlich mit ἠἡρήρειντο bezeichnet ist, so vermute ich mit 
Bestirgmtheit dass Aeschylos hier ein synonymes Verbum, zu dem das 
Objekt, σκάφος 80 einzig passen würde, gebraucht hat. Er schrieb also 
wohl ἡμᾶς γε μὲν δὴ ναῦν τ᾽ ἀκήρατον σκάφος | σκήπτων τις ἐξέκλεψεν 
ἢ ’Enynioaro κτλ. „uns freilich und unsere unbeschädigte Barke stahl 
jemand heraus, indem er unsichtbar den Bauch des Schiffes vorwärts 
stemmte, oder jemand (ein Gott, gewiss nicht ein Mensch), führte uns, 
das Steuer fassend, heraus“. In den Beispielen, welche die Lexika für 
σκήπτειν mit Akkusativ anführen, bezeichnet das Verbum jedesmal, seinem 
Begriffe gemäss, „ein Vorwärtsbewegen durch Anstemmen“, und nach 
Hesych ist es synonym mit ἐρείδεσϑαι. Die starke Alliteration in σκάφους 
σκήπτων malt die Anspannung der Kraft des rettenden Meergottes. 

v. 642 ist unbedingt Casaubonus’ Besserung ναυστολοῦσ᾽ für ναῦν 
ϑέλουσ᾽ aufzunehmen; aber auch das folgende ἐν ὅρμῳ kann nicht rich- 
tig sein. Wunderbar ist Hermanns Erklärung „ul neque in portu fluc- 
tibus jactaretur navis quo impedirelur escensio in terram elc.“‘: denn 
war das Schiff erst wirklich im Hafen, wie konnte dann noch von einer 
ξάλη (Sturzsee) die Rede sein? Butler vermutet dafür ἀνόρμους : ich 
schreibe lieber ἀνόρμου κύματος ξαλην „eine Sturzsee, wie sie nur 
ausserhalb des Hafens vorkommt‘. ᾿ 

v. 646 hat zuerst Weil das Komma nach ἡμαρ gestrichen. 





316 COMMENTAR. 


Der Schluss der Heroldsrede v. 649—658 umfasst zweimal fünf 
Verse. v. 651 schreibt Ahrens statt ἡμεῖς τ΄ ἐκείνους richtig ἡμεῖς γ᾽ 
ἐκείνους, aber ein arger Fehler steckt noch v. 652 und 53 in Μενέλεων 
γὰρ οὖν | πρῶτόν τε καὶ μάλιστα προσδόκα μολεῖν. Die Absurdität 
dieser Aufforderung auf Menelaos’ baldige Rückkehr zu hoffen, die mit den 
übrigen Worten des Herolds im handgreiflichsten Widerspruch steht, hat 
Ahrens sehr gut nachgewiesen; aber seine Conjectur προσδοκῶ μέλειν 
„ich vermute dass M. dir besonders am Herzen liegt‘ bessert nichts: was 
der Herold nach v. 595 wusste, brauchte er nicht erst so feierlich zu 
vermuten, und dazu hätte σοί bei μέλειν nicht fehlen dürfen. — Nach 
dem ganzen Zusammenhang ist vielmehr klar dass der Herold für Menelaos 
nichts anders als gute Wünsche haben kann, und namentlich muss er 
beten dass jener aus dem Sturm in Sicherheit gekommen sei. Dass 
ein solcher Wunsch hier auch nach dem Optativ γένοιτο durch den Akk. 
und Inf. ausgedrückt werden konnte, ist unzweifelhaft ; vgl. Sept. 236 
ϑεοὶ πολῖται, un με δουλείας τυχεῖν. Herod. 5, 105 ὦ Ζεῦ ἐκγενέσϑαι 
μοι ᾿Αϑηναίους τίσεσϑαι. namentlich aber Od. ‚9, 854: Ζεῦ ἄνα, Τηλέ- 
μαχόν μοι ἐν ἀνδράσιν ὄλβιον εἶναι καί οἵ πάντα γένοιτο ὅσα φρεσὶν 
ἦσι μενοινᾷ. Darnach hat Aeschylos sicherlich geschrieben γένοιτο δ᾽ 
ὡς ἄριστα, Μενέλεώ γε ναῦν πρῶτόν τε καὶ μάλιστα προσβολὴν 
μολεῖν „vor alleın und aın liebsten möchte ich dass Menelaos’ Schiff einen 
Landungsplatz erreicht hätte“. Hesych προσβολή ὁρμή. Dass nämlich in 
dieser Partie (die im cod. Alex. auf der Rückseite von v. 631 stand) wieder 
stärkere Corruptelen stattfinden, ist ohnehin bewiesen durch das aus 
Hesych gerettete χλωρόν re καὶ βλέποντα, wofür die heutigen codd., 
weil es im cod. Alex. unleserlich war, die metrisch aufgestutzte Glosse 
καὶ ξῶντα καὶ βλέποντα bieten. 

v. 656 fällt οὕπω auf, wofür wir im hypothetischen Satze μήπω er- 
warten sollten. Nach Bäumlein „Ueber die griech. Partikeln‘ p. 278 muss 
οὕπω demnach so aufgefasst werden, dass nur der Begriff „noch“ negiert 
wird. Der Herold sagt also: „durch die Lenkung des Zeus, der später 
erst das Geschlecht ganz vertilgen will“. Unabsichtlich scheint, er also 
seine Rede mit einem bösen Omen zu schliessen, wie er auch das εὔφημον 
ἥμαρ durch seinen „Erinyenpäan“ widerwillig vergiftete. 


Chorgesang v. 659— 748. 


Erstes Strophenpaar v. 659—690. Das Imperf. ὠνόμαξεν, 
das die codd. bieten, kanı nicht wohl von Aeschylos herrühren. Hermann 
sucht es zwar zu retten durch die Uebersetzung „coepit nominare“, aber 
diese Auslegung wäre nur dann statthaft, wenn der Namengeber in sei- 
nem Versuch Helena zu benennen gestört und nicht damit zu Stande 
gekommen wäre. Schneidewin ferner führt Beispiele aus Euripides 
an, in denen gerade das Imperf. ὠνόμαξεν vorkömmt, aber in diesen 
Stellen ist immer von einem durch die ganze Jugendzeit hindurchgehenden 
Nennen die Rede, während es hier auf das erste Setzen, das Erfinden 
des Namens ankommt. Es scheint mir daher ganz notwendig, die dorische 











ECOMMENTAR. 317 
Form ὠνόμαξεν, die Hermann mit einigem Zögern vorschlägt, hier aufzu- 
nehmen: Hik. 38 findet sich σφετεριξάμενοι und Ag. 751 bietet der Flor. 
πῶς σε σεβέξω; 

v. 663 bemerkt Naegelsbach zu ἐν τύχᾳ: „Substantivum usurpalum 
est ut verbum in τί σ᾽ ἂν καλῶν τύχοιμι; “ Aber nie hat τύχη die Be- 
deutung „glücklicher Treffer“. Vielmehr heisst ἐν vuy& „im Geleise des 
Geschickes“, sodass die neunende Zunge mit dem Wort nicht aus der 
Bahn des πεπρωμένον herausweicht. 

v. 665 bessert J. Schwerdt (im Programm von Coblenz 1860) ἐπεὶ 
πρεπόντως, dem keine schickliche Deutung abzugewinnen ist, ganz vor- 
trefflich in ἐπείπερ ὃ ὄντως. Er verweist aufBabr. ed. Lachm. XVI, 6 αὐτὸς 
δὲ πεινῶν καὶ λύκος χανὼν ὄντως „und recht in Wahrheit ein Wolf 
mit aufgesperrten Rachen“. Vgl. ausserdem Hesych ὄντως ἀληϑῶς. — 
Ebenso ist v. 667 das überlieferte ἁβροτίμων schon längst durch Salma- 
sius aus Lykophr. v. 863 in ἀβροπήνων verbessert. Wuuderbar dass 
einer so evidenten Emendation gegenüber Naegelsbach noch immer mit 
wahrhaft abergläubischer Hartnäckigkeit das sinnlose aßgoriuwv festhält. 
Und doch ist die Entstehung der Gorruptel so leicht nachweisbar. Eust. 
zu Il. ı, 762 bemerkt, μίτος sei das διασαφητικὸν von πηνίον — 
wie also Hesych z. B. πολύφερνος durch das sunst nicht vorkommende 
mokvedvog glossiert, 80 ward auch zu ἀβροπήνων als Erklärung ἀβρο- 
μίτων hinzugeschrieben und jenes durch dieses verdrängt. Byzantinische 
Metriker aber änderten dann, die kurze penultima als unrichtig erkennend, 
ἁβρομίτων in ἁβροτίμων. 

Aber auch die metrische Constitution der v. 664—67 ist bis jetzt 
noch nicht geglückt. Ganz falsch ist es offenbar, wenn Hermann die 
Worte τὰν δορίγαμβρον ἀμφινεικῆ 9° rhythmisch trennt von Ἑλέναν 
ἐπείπερ ὄντως, sodass der Dichter vom logaoedischen plötzlich in den 
ionischen Rhythmus überginge: natürlich kann mit $’ nicht ein Vers ab- 
schliessen, Richtig verbinden 1 dagegen Rossbach und Westphal (II, p. 172) 
τὰν δορίγαμβρον ἀμφινεικῆ 9 Ἑλέναν ἐπείπερ ὄντως zu einem aus 
zwei logaoedischen Tetrapodien bestehenden Verse, aber das folgende 
ἑλέναυς, ἕλανδρος, ξλέπτολις ἐκ τῶν ἁἀβροπήνων nennen sie ebendaselbst 
ein metrisches Problem. Und doch lag es so nahe, nach den beiden vor- 
ausgegangenen Glyconeen das System derselben weiter fortzusetzen. Ich 
verbinde die fraglichen Worte, die nach der gewöhnlichen Schreibart 
ganz ohne Rhythmus sind, mit dem vorhergehenden so zu einem System, 
dass auf drei Glyconeen ein Pherecrateus mit anapästischer Basis folgt 
(ev. - -ὖὖ - Ὁ). Der dritte Glyconeus ist dann von den beiden ersten 
nur dadurch unterschieden, dass er zwei Dactylen hat, während jene πρὸς 
Evi gebildet sind. Allerdings bietet jetzt die dritte Tetrapodie — τῶς 
ἑλέναυς ἔλανδρος ἐλέπτ — die ungewöhnliche Erscheinung dar, dass die 
beiden kyklischen Füsse durch den Trochäus von einander getrennt sind, 
aber dass dies durch das Prjncip logavedis@her Reihen keineswegs ausge- 
schlossen ist, beweist der Umstand, dass sich bei Pindar in logaoedischen 
Pentapodien und Hexapodien dieselbe Erscheinung findet «vgl. Rossbach 


318 COMMENTAR, 


u. W. II, p. 478). — Die von mir gegebene Constituierung ist aber an 
sich so wohllautend und steht mit dem in den letzten fünf Versen der 
Strophe und im Anfang des zweiten Strophenpaares herrschenden logaoedi- 
schen Rhythmus so sehr in Einklaug, dass man gewiss schon früher auf 
dieselbe Anordnung gekommen wäre, weun nicht in der Gegenstrophe die 
kurze Endsylbe des überlieferten τέοντας Schwierigkeiten eutgegengestellt 
hätte. Ich werde aber zeigen dass dort auch aus sachlichen und gramma- 
tischen Gründen τέοντας nicht haltbar ist. 


v.669 geben die codd. ξεφύρου γίγαντος αὔρα, aber trotz der Glosse 
Hesychs ylyavrog, μεγάλου, ἰσχυροῦ, ὑπερφυοῦς die man seit Wake- 
field auf unsere Stelle bezieht, halt’ ich es für eine Unmöglichkeit, dass 
der Dichter die Geschmacklosigkeit gehabt haben sollte, dem gestaltlosen 
unsichtbaren Winde ein Epitheton zu geben, das seiner Natur nach nur 
auf übermässige Leibesgrösse und Körperkraft bezogen werden kann. 
Gewiss schrieb Aeschylos ξεφύρου mıngavros αὔρᾳ „mit dem Hauch 
des blasenden Westwinds“. Vgl. Hesych πρῆσαι φυσῆσαι und πρῆσεν 
ἐνέπρησεν ἐφυσησεν. Od. B, 427 ἔπρησεν δ᾽ ἄνεμος μέσον ἴστίον. 
ll. 4, 481. Dass aber der Dichter das euphonische μ in πιμπράντος des 
Metrums wegen weglassen kounte, ist unzweifelhaft naclı Ch. 356, wo 
man seit Heatlı statt des überlieferten πεμπλάντων uhne Widerspruch 
πιπλάντων liest. 


In dem folgenden πολύανδροί τε φεραάσπιδες κυναγοί κτλ. ist zu- 
nächst das Metrum zu ordnen. Man teilt gewöhnlich den Vers ab nach 
xvvoyol, sodass auf eine logaoedische Pentapodie mit anapäst. Basis ein _ 
ionischer Rhythmus und hierauf wieder logaoedischer folgen würde. Dass 
diese Arrhythmie nicht von Aeschylos herrührt, beweist schon die dadurch 
notwendig gewordene Zerreissung von κεπλήσκουσα in der Gegenstrophe. 
Es ist also κυναγοί zum folgenden Verse zu ziehen, sodass auf die logave- 
dische Tetrapodie mit auapäst. Basis eine ähnliche Pentapodie mit iambi- 
schem Anlaut folgt.‘ 


Aber wo ist nun zu πολύανδροί ve φεράσπιδες κυναγοί das Ver- 
bum? Hermann suppliert höchst unpassend εἰσί, während die Jagd doch 
längst beendet ist. Ansprechender ist es mit den anderen Erklärern aus 
v. 668 ἔπλευσαν zu ergänzen: aber dazu wäre doch’ erstlich ein Adverb 
wie „hinterher‘‘ notwendig, indem man sonst die Einschiffung Helenas 
und ihrer Verfolger als gleichzeitig fassen müsste; sodann ist zu bedenken, 
dass die vorhergehenden ionischen Verse die sorglose leichtfertige Heiter- 
keit malen, womit Helena sich aus der behaglichen Ueppigkeit heraus 
dem Brausen des Windes anvertraut hat, wogegen von v. 670 an die auf- 
geregteren Rhythmen das Ungestüm: der verfolgenden Jagd schildern, 
sodass zwischen v. 669 und 670 eine gewaltige Kluft.liegt. Es ist daher 
eine stilistische Notwendigkeit dass der neue Abschnitt sein eigenes Ver- 
bum erhalte. Aber leicht und’einfach bietet sich dies auch dar, wenn wir 
κυναγοί in xvvayovv verwandeln. Dann-steht pegaszıdeg „Schildträger“ 
als Subst., und. wir entgehen dem Uebelstande die beiden Adj. πολύανδροε 


COMMENTAR. 319 


und φερασπεδες unverbunden hinnehmen zu müssen ; das Imperf. κυνάγουν 
aber malt vortrefllich das lange vergebliche Suchen der Jagd. 

Weiter ist nun statt des überlieferten und von Hermann beibehalte- 
nen xar’ „Envos πλάταν ἄφαντον mit Heath natürlich zu lesen κατ᾽ ἔχνος 
πλατᾶν &p., „die Verfolger stöberten längs der verschwundenen Ruder- 
fährte‘“. Ein schönes echt äschylisches Oxymoron: auf dem Festland 
stöbert man längs spürbarer Fährte, die Ruderspur aber ist sofort ver- 
schwommen. — Κελσάντων, das jetzt hoffentlich nicht mehr durch unge- 
reimte Gonjectur heimgesucht werden wird, hängt nun sehr einfach von 
πλατὰν ab: gemeint sind Paris und seine Begleiter, die also nach der 
Ueberlieferung gelandet sind „an den laubnährenden Gestaden des Simois.‘ 
Das ist so klar und verständlich und.die Rhythmen sind so wohllautend 
(κελσάντων Σιμόεντος ἀκτὰς ἐπ᾽ ἀεξιφύλλους., Priapeus wie Pers. 569 
u. 70), dass wir uns durch Ahrens’ Einwendung, dass bei Homer keine 
Andeutung von Wald in der unteren Gegend des Simois zu finden sei, 
nicht irre machen lassen werden. — Aber was heisst nun dı ἔριν αἷμα- 
τόεσσαν ὃ Man verbindet es gewöhnlich mit dem erst zu ergänzenden 
ἔπλευσαν oder mit dem durch Conjectur gewonnenen χέλσαντες : wir 
hätten es demnach auf xvvayovv zu beziehen. Aber abgesehen von der 
Schwierigkeit die Worte von eiuem soweit entfernten Verbum abhängen 
zu lassen, so können sie gar nicht einmal bedeuten „zum blutigen Streite“: 
wenigstens bei Aeschylos führt διὰ immer den reell schon vorhandenen 
Grund ein, nie das erst vorschwebend® Ziel, um dessen willen etwas ge- 
tan wird. Auch zogen ja die Schildträger, welche Menelaos unmittelbar 
nach Helenas Flucht ihr nachsandte, nicht „zu blutigem Streite‘“ aus, 
sondern um die flüchtige heimzubringen, denn natürlich sind die πολύ- 
ανδροι φεράσπιδες nicht erst die nach langer Zeit aufgebrochenen Heer- 
schaaren des trojanischen Krieges (wie noch Naegelsbach erklärt), sondern 
die unmittelbar κατ᾽ ἴχνος nacheilenden Verfolger. Notwendig also 
müssen die Worte δε ἔρεν αἱματόεσσαν (deren Echtheit äusserlich schon 
dadurch verbürgt ist dass die Sylbe aöfu — in Strophe und Gegenstrophe 
an gleicher Stelle steht) der Wortfolge gemäss mit ἀεξεφύλλους ver- 
bunden werden: dann heissen die Ufer des Simois „laubnährend infolge 
blutigen Streites“. Mit diesem jedem Athener sogleich verständlichen 
. Ausdruck wird hingewiesen auf den Kriegszug des Herakles, der um des 
eidbrüchigen Laumedon willen schon früher am Simois gemordet und deh 
Boden mit Troerblute gedüngt hatte. Dieser Gedanke, dass der Boden 
vom Blut der Erschlageuen befruchtet werde, ist dem Altertum weder 
fremd, noch ist er ihm ‚unpoetisch vorgekommen: so ruft Sept. 568 
Amphiaraos ἔγωγε μὲν δὴ τήνδε πιανῶ χϑόνα., so heisst es bei Horaz 
„Quis non latino sanguine pinguior campus?“ Die Erinnerung aber an 
die frühere Besträfung Laomedons war hier höchst passend: so wurden 
die Stätten, an denen Paris und Helena landeten, als ominös bezeichnet 
— „mala ducit avi domum quam multo repetet Graecia milite“. 

So klar aber’ der Gedaukengang der Strophe und so evident die dazu 
vorgebrachten Textverbesserungen sind, so überaus schwierig und dunkel 








320 COMMENTAR. 


ist die Gegenstrophe, die namentlich gegen das Ende von so schlimmen 
Corruptelen gelitten hat, dass eine ganz sichere Restitution vielleicht nie 
geliugen wird. Wie Liebe in Leid umgeschlagen ist, führt sie aus. „Deun 
indem Helena landete, brachte der Götterzorn Ilion nicht Ehe, sondern 
Wehe; sie war die Erinys (wie die dritte Strophe diesen Gedanken weiter 
ausführt), welche des Paris Frevel rächte“. Τελεσσίφρων μῆνις ist natür- 
lich nicht, wie manche sehr prosaisch deuten, der Zurn der Griechen, 
welcher mit dem Heere κῆδος bringt, sondern es ist die ewige Nemesis, 
die in der scheinbar so holdseligen Heleua Trauer für Hion herbeiführt. 
Diese Nemesis rächte wirklich schon in dem Augenblick, als sie Helena 
landen liess, des Paris Frevel, indem sie die Erinys brachte; das Part. 
Präs. πρασσομένα ist also vollkommen richtig und nicht mit Karsten in 
πραξομένα zu ändern. Dann muss aber ὑστέρῳ χρόνῳ heissen „in der 
unmittelbar auf den Frevel folgenden Zeit‘, „sogleich nachher‘ oder „un- 
gesäumt‘“, wie es bei Plut. Amat. Narr. 7740 unverkennbar diese Bedeu- 
tung hat, eine Bedeutung, die auch v. 58 in ὑστερόποινος Εἰρινύς und in 
ὑστερόπους Νέμεσις, ὑστερύπους Ἐρινύς durchklingt. Wenn man nun 
aber weiter nach den codd. liest πρασσομένα τὸ νυμφότιμον μέλος 
ἐκφάτως τίοντας ὑμέναιον; so ist nicht bloss aus metrischen Gründen 
die kurze Endsylbe in τέοντας unerträglich: τέοντας müsste Objekt zu 
πρασσομένα sein, aber wie äusserst schwerfällig wäre die Häufung der 
Akkusative, indem τίοντας wieder τὸ νυμφότ. μέλος regierte und zu 
μέλος als Apposition ὑμέναιον hinzuträte. Darin wäre des Aeschylos Hand 
nicht zu erkeunen. Aber τέυντας giebt auch einen unhaltbaren Gedanken: 

fasst man es mit Hermann (sprachwidrig) als „Zuentes“ , so hat man die 
Tautologie „die Nemesis rächte des Paris Frevel an den Büssenden“; 
fasst man es aber als „honorantes“, so kommt der unwahre Gedanke her- 
aus, dass des Paris Frevel an den das Hochzeitlied preisenden Troern ge- 
rächt wird, während doch für Paris’ Schuld er selber büsst, die Stadt aber 
für ihre Mitschuld (die Nichtauslieferung Helenas). Vielleicht liegt hier 
eine schwerere .Corruptel vor, doch glaube ich einen annehmbaren Zu- 
sammenhang herzustellen, wenn ich τέοντας in τεόντων ändere und nach 
πρασσομένα ein Komma setze. Dann sagt der Chor: „die Nemesis brachte 
in Helena schweres Leid für Ilion, indem sie des Paris Frevel unmittel- 
bar nach vollbrachter Tat rächt, während jene (die Troer) das Brautlied 
in ihrer Verblendung übermässig priesen, den Hochzeitssang, der den 
Schwähern vum Schicksal beschieden war“. Daran schliesst sich das 
Folgende vortrefflich an. 

Der ionische Rhythmus in v. 684 und 85 stimmt in seinem heiteren 
Täudeln sehr schön zu der Ironie, womit gesagt wird dass die greise 
Veste Priams jetzt noch im hohen Alter die Sangweise umlernen muss; 
aber man scheint übersehen zu haben dass der Chor bei dieser halb iro 
nischen, halb mitleidigen Beschreibung des jetzigen Zustandes auf die 
Schilderung, welche Klytämnestra v. 811 --- 14 von den klagenden Troerin- 
nen gegeben hat, Rücksicht nimmt. Aus jener Stelle aber οὐκέτ᾽ ἐξ ἐλευ- 
ϑέρου δέρης ἀποιμώξουσι φιλτάτων μόρον ist vielleicht ein Mittel zu 





COMMENTAR. 32] 


gewinnen zur Verbesserung des verdorbenen πολύϑρηνον μέγα που στέ- 
νει. Denn πολύϑρηνον kann nicht von Aeschylos herrühren, da dies 
Wort schen v. 688 wiederkehrt; es ist eben nach Anleitung dieser zwei- 
len Stelle von einem Abschreiber für unleserliche Schriftzeichen gesetzt 
worden. Die beiden ersten Sylben πολυ- sind aber echt, da in der Strophe 
an gleicher Stelle πολύανδροι steht. Also wird Aeschylos, mit Rücksicht 
darauf dass im eroberten Troja nur Weiber und Kinder übrig sind, die 
nicht mehr aus freier Kehle jammern (vgl. zu v. 311 sq.), geschrieben 
haben πολύδειρος μέγα που στένει, αἷς greise Troja, die noch im Alter 
umlernen muss, jammert wohl laut aus vielen Kehlen, immer wieder Paris, 
den Wehegatten, rufend‘“ (während sie beim Hymenäus ihm ganz andere 
Namen gegeben hatte). 

Schwer aber sind die drei letzten V. 688—% in der ‚Ueberlieferung 
verdorben. Die codd. geben παμπρόσϑη πολύϑρηνον αἰῶν᾽ ἀμφὶ πολίταν 
μέλεον αἷμ᾽ ἀνατλᾶσα. Rhyihmisch wären das drei Pherecrateen, der 
Strophe nicht entsprechend, aber da παμπρόσϑη ganz sinnlos, πολέταν 
evident aus πολιτῶν verdorben ist und ἀμφί mit der Erklärung des 
Scholiasten nicht stimmt, so kann es nicht fraglich sein dass die metrische 
Corruptel hier und nicht in der Strophe zu suchen ist. Für richtig halte 
ich nun Seidlers Con). παμπορϑή (correct von πορϑέω gebildet wie 
2. B. δυσπενϑής und πολυπενϑής von πενϑέω) für παμπρόσϑη. aber 
nicht bloss aus metrischen Gründen ist entschieden abzuweisen die Con]. 
von Schwerdt und Ahrens παιῶν᾽ für αἰῶν᾽, denn darnach würde der 
Chor sich mit unwürdiger Schadenfreude über die armen Troer ausspre- 
chen, indem er die gemütliche Ironie des μεταμανϑάνουσα δ᾽ ὕμνον zum 
herbsten Sarkasmus ‚verschärfte. Sicherlich ist zu verbinden παμπορϑὴ 
πολύϑρηνον αἰῶν᾽ ἀνατλᾶσα, wie aber ἀμφί metrisch zu corrigieren ist, 
zeigt die Erklärung des Scholiasten: αἰῶνα πολύϑρηνον καὶ μέλεον 
αἷμα ἀνατλᾶσα. Für ἀμφί muss der Dichter ein Wort geschrieben haben, 
das sich deuten liess durch „um‘‘ oder „wegen“, aber auch erklärt wer- 
den konnte „zu dem Blute hinzu“. Demnach schreibe ich, im Einklang 
mit den Rhythmen der Strophe, παμπορϑῆ πολύϑρηνον αἰῶν᾽ ἔτι πρὸς 
πολιτᾶν | μέλεον αἷμ᾽ ἀνατλᾶσα,,οἷπ ganz verstörtes jämmerliches Leben 
noch immer tragend im Hinblick auf das umsoust geflossene Blut der 
Bürger“. War etwa ἔτι in ἐπὶ verdorben, so konnte für ἐπὶ πρὸς gar 
leicht ein glossierendes ἀμφί eindringen. 

Zweites Strophenpaar v. 691—710. Dieselbe Beschädigung 
des cod. Alex., welche den Schluss der ersten Gegenstrophe so corrum- 
piert hatte, hat auch im Anfang der zweiten Strophe schlimme Wirren 
hervorgebracht, aber hier ist die Heilung zum Teil schon gelungen. Da 
nämlich die codd. bieten ἔϑρεψεν δὲ λέοντα σίνιν δόμοις ἀγάλακτον 
οὗτος ἀνὴρ φιλόμαστον ---- unrhythmisch und sinnlos ---, hat Conington 
nach den Spuren der Gegeustrophe logavedischen Rhythmus hergestellt 
(zwei Glyconeen mit Pherecrateus wie Hik. 546—48) durch die Lesung 
ἔϑρεψεν δὲ λέοντος ἵνιν δόμοις ἀγάλακτον οὕτως ἀνὴρ φιλόμαστον -- 
im Wesentlichen gewiss richtig. Denn λέοντος ἦνεν entspricht, wie Ahrens 


AESCHYL. AGAMEMNON. 21 


322 COMMENTAR. 


bemerklich macht, viel besser der herkömmlichen Fassung der Fabel, als 
λέοντα Glvıv, und dazu würde der Löwe an dieser Stelle ganz unpassend 
der räuberische genannt. Aber weder ἀγάλακτον noch οὕτως ist in dieser 
Fassung zu erklären. Ueber jenes hat am besten noch Ahrens geurteilt, 
indem er meint, das Löwenjunge sei ἀγάλακτος genannt, indem es gleich 
nach der Geburt geraubt sei, noch ehe es die gefährliche Muttermilchı 
genossen habe. Das liesse sich hören, wenn hier nicht gerade von der 
Ernährung des jungen Löwen die Rede wäre: aber diese Ernährung 
musste doch auch durch Milch stattfinden, und im Gegensatz zu dieser 
hätte die Entbehrung der Muttermilch deutlicher als durch ayalaxıov 
ausgedrückt werden müssen. Ueber οὕτῶς schweigt Ahrens, und doch ist 
es gar nicht zu erklären. Denn sollte es auf die vorhergehende Strophe 
zurückweisen, so hätte es gauz an der Spitze des Satzes stehen müssen; 
aber überhaupt jede Zurückweisung auf das vorhergehende wäre hier 
fehlerhaft, da gerade zu Anfang der dritten Strophe mit πάραυτα δέ eben 
auf diese Löwenfabel zurückgedeutet wird. Am besten leuchtet die Un- 
haltbarkeit von οὕτως ‚ein nach Naegelsbachs wuuderbarer Erklärung: 
καὶ ἔϑρεψεν οὕτως ἀνὴρ λέοντα ἀγάλακτον ἢ. 6. γαρίμπι a malris 
uberibus domi suae nutrivil, ὥστε ἀγάλακτον γενέσϑαι καίπερ ἔτι φιλό- 
μαστον ὄντα“. Ist also οὕτως unzweifelhaft verkehrt, so werden wir 
auf Hesychs Erklärung von ἀγάλακτος, ὁμόϑηλος ὁμογάλακτος, zurück- 
kommen und in dem verdorbenen οὗτος einen Genitiv oder Dativ erkenneu 
müssen, der, von ἀγάλακτον abhängig, die jungen Tiere bezeichnete, 
deren Milchbruder das Löwenjunge ward. So schreibe ich ἀγαάλακτον 
ἀρνῶν „als Milchbruder der Lämmer“ (die er nachher zerreisst v. 704). 
Natürlich ist nicht anzunehmen dass aus “ἀρνῶν durch einen Lesefehler 
οὗτος entstanden sei: vielmehr war ἀρνῶν im cod. Alex. völlig, unleser- 
lich geworden, der Abschreiber füllte aber die Lücke durch ovrog aus, 
indem er glaubte, mit ἀνήρ sei der genannte Priamos gemeint. Auf 
diesen Irrweg aber leitete ihn das törichte Scholion: ἤγουν ἀνέϑρεψεν 
αὐτὸν τὸν ᾿Δ4λέξανδρον τις ἐκτεϑέντα. 

In der Gegenstrophe ist dann nach Conington nur ἔϑος in das viel 
schönere n80g „die Sinnesart‘ zu ändern, im übrigen aber ganz nach dem 
Farn. zu lesen: χρονισϑεὶς δ᾽ ἀπέδειξεν ηϑος τὸ πρὸς τοκέων᾽ χάριν 
γὰρ τροφεῦσιν ἀμείβων κτλ. Diese Stelle beweist übrigens dass der 
cod. Farı. seinen selbständigen Wert für die Kritik behauptet neben 
dem Flor., deun dass das „richtige τοκέων und τροφεῦσιν (übereinstim- 
mend mit dem Scholion ἤγουν ἀμοιβὰς διδοὺς τοῖς ϑρέψασιν αὐτόν), 
wofür Flor. τοκήων und τροφᾶς bietet, nicht Conjecturen des Triclinius 
sind, erhellt daraus dass im Farn. sowenig wie im Flor. Uebereinstim- 
mung zwischen den Rhythmen der Strophe und denen der Gegenstrophe 
herrscht. 

v. 704 giebt Flor. μηλοφόνοισιν araıs, Farn. @reıcıv, beides un- 
rhythmisch. Gestützt auf die Glosse im „Farn. πολέμοις, bessert Ahrens 
sehr schön die Worte in: unlopovoicıv ἀυταῖς. Viel gewagler "und diplo- 
matisch unwahrscheinlicher ist Meineke’s Conj. μηλοφόνοις ἀάταισιν. 





COMMENTAR. 323 


v. 705 und 6 haben in den codd. ihre richtige Stellung verloren: 
v. 706 gehört vor 705. Denu mit ἄλγος und σίνος wird der Löwe selbst 
bezeichnet; ginge aber das Subjekt οἶκος unmittelbar vorher, so verlöre 
die Apposition μέγα σίνυς allen Sinn. Der Satz aiuarı δ᾽ οἶκος ἐφύρϑη 
ist also parenthetisch in den Hauptsatz einzuschieben. Vgl. v. 869. 

Am Schluss der Gegenstrophe nimmt Meineke an ἐκ Heov Anstoss, 
weil die Basis des Glycoueus nicht genau der Strophe entspreche; er 
kommt daher zu sehr gewaltsamen Aenderungen. Aber sein Bedenken, ist 
ungegründet, wie der logaoedische Refrain des Chorgesanges v. 352 54. 
zur Genüge beweist. Wie strenge sonst Aeschylos in der Respousion 
auch ist, so lässt er doch sehr häufig in der Basis logaoedischer Verse den 
Trochäus für den Spondeus und umgekehrt eintreten. 

Drittes Strophenpaar :v. 711—732. πάραυτα heisst nach 
Hesych soviel als παραχρῆμα, εὐθέως. παραυτίκα. Notwendig ist aber 
hier der Begriff „ebenso“; auch ist die Conjunction de in diesem Zusam- 
menhang logisch nicht wohl zu rechtfertigen. Ich schreibe daher mit 
Wieseler παρ᾽ αὖ τάδ᾽ ἐλϑεῖν. 

Auch die bisherige Versabteilung zu Aufang der Strophe ist nicht 
richtig: man zog bisher λέγοιμ᾽ ἂν und in der Gegenstrophe τέτυκται 
zum zweiten Verse, sodass dieser eine katalektische Oktapodie mit Syn- 
kope nach der ersten, zweiten und vierten Arsis bildete. Aber in beiden 
Strophen erweist die durch den Sinn gebotene Pause nach λέγοιμ᾽ av 
und τέτυκται dass diese Worte noch zum ersten Verse gehören. Dann 
bilden v. 712 und 13, 714 und 15 reinliche Paare von Gegensätzen, und 
in der Gegenstrophe löst sich der alte Spruch μέγαν τελεσϑέντα κτλ. 
klar und rund aus seiner Umgebung heraus. v. 711 aber ist nun eine 
katalekt. iambische Oktapodie mit Synkope nach der zweiten Arsis (zu 
lesen ._.2 -ν- v2.2.-.-.. 

In v. 713 steckt noch eine kleine, aber den schönen äschylischen 
Gedanken ganz vernichtende Corruptel. Die codd. bieten ἀκασκαῖον 
ἄγαλμα πλούτου. aber sowohl das Gesetz des Rhythmus au und für sich, 
als auch die Gegensir. beweisen, dass die letzte Sylbe von ἀκασκαῖον 
durch Position gedehnt werden muss. Daher hat Porson ein δ᾽ einge- 
schoben, aber mit Recht hat Hermann dies fehlerhaft genannt. Denn das 
μέν v. 712 stellt natürlich nicht φρόνημα in Gegensatz zu ἀκασκαῖον κτλ., 
sondern es bereitet den Gegensatz παρακλίνασ᾽ ἐπέκρανεν δέ v. 716 vor. 
Nicht viel besser jedoch ist, was Hermann selber schreibt: ἀκασκαῖον τ᾽ 
ἄγαλμα. Denn wie das folgende Paar von Gegensätzen asyndetisch zu- 
sammengestellt ist, so verbietet der puvetische Stil auch zur Verbindung 
von v. 712 und 13 jede Conjunction. Der Fehler in der Ueberlieferung liegt 
also ganz auderswo, als Porson und Hermann gemeint haben. Nach 
Hesych heisst ἀκάσκα ἡσύχως μαλακῶς βραδέως, und da wir diese Deu- ᾿ 
tung bestätigt finden durch die Ableitung von ἀκήν, aus dem jenes durch 
Reduplikation hervorgegangen ist, so übersetzen wir zuversichtlich das 
Adj. ἀκασκαῖος durch „ganz leise, linde“ und verwerfen unbedingt des 
Scholiasten dem ἄγαλμα angepasste Erklärung λίαν κεκοσμημένον. Wie 


21* 


324 COMMENTAR. 


aber würde „leise, linde“ zu ἄγαλμα stimmen? und was wäre ἄγαλμα 
zsAovrov? Doch wohl nur „ein Bild, wie es der Reichtum hervorbringt“, 
also etwa „Luxusbild‘“ — eine geschmacklose Bezeichnung Helenas und 
um so unpassender, da hierin gar nicht wie in den übrigen Attributen 
ihre milde Wirksamkeit angedeutet wäre. Sicherlich also ist ἄγαλμα 
falsch. Der Dichter schrieb vielmehr, im schönsten Gegensatz zu dem 
„Weben der Meeresstille‘, in einem zweiten aus der elementaren Welt ent- 
lehnten Bilde ἀκασκαῖον στάλαγμα πλούτου „das linde Träufeln des Feld- 
segens“; die Abschreiber aber machten, da im cod. Alex. or unleserlich 
geworden war, aus ἄλαγμα in Erinnerung an Prom. 467 mit einigem 
Anschein von Wahrheit ihr ἄγαλμα. Unter πλοῦτος ist nun der aus der 
Wolke quillende Segen zu verstehen, wie denn auch Hesych die Glosse 
hat πλοῦτος ἡ ἐκ τῶν σπερμάτων ἐπικαρπία und die Alten πλοῦτος von 
πλέον ἔτος ableiten. — v. 715 ist das schöne δηξίϑυμον, das mit ἔρωτος 
ἄνϑος ein herrliches Oxymoron bildet, ebenso wie μαλϑακόν mit βέλος, 
nicht anzutasten: Helena heisst ein Pfeil; der statt wehzutun labt, und 
eine Rose, die statt zu erfreuen mit ihrem Dorn ins Herz sticht. 

v. 716 giebt der Farn. παρακλίνουσ᾽, Flor. aber παρακλίνασ᾽, das 
Hermann mit Recht vorzieht, denn das Momentane, Urplötzliche des Um- 
schwungs iu Helenas Wesen muss hervorgehoben werden. Richtig erklärt 
Hermann auch ‚‚declinans i. 6. a pristina via decedens‘. Um so wunder- 
barer aber dass Meineke trotzdem παρακλινϑεῖσ᾽ verlangt in dem Sinne 
„neben Paris gebettet“. Das würde herrlich stiminen zu den vorherge- 
gangenen köstlichen Bildern und zu συμένα! - 

v. 731 begründet das zweite γάρ nicht, wie noch Naegelsbach meint, 
den eben vorausgegangenen Erklärungssatz, sondern γάρ steht hier wie 
so häufig das lateinische nam in der occupatio (Seyffert schol. lat. 1, 

22): „ich habe bisher nur von der Fortzeugung des Bösen gesprochen, 
denn von dem Gerechten versteht es sich von selbst, dass es in den Kin- 
dern und Enkeln wieder erscheint“. 

Viertes Strophenpaar v. 733—748. Dass zu Anfang der Str. 
und der Gegenstr. auf die beiden synkopierten iambischen Tetrapodien 
folgt -Sovoav ἐν κακοῖς βροτῶν vßeı, ist allerdings eine in rhythmischer 
Beziehung sehr auffällige Erscheinung: einen ähnlichen Vers findet man 
wohl nicht leicht bei den Tragikern wieder. Auch meinem Ohr würde 
ein aus drei Tetrapodien bestehender Vers viel vertrauter und schöner 
klingen, aber da die codd. übereinstimmend in Str. und Gegenstr. die 
Pentapodie überliefern, so wage ich nicht ὕβριν und das entspre- 
chende βίον (da der Gedanke es nicht verlangt) auszustossen, wiewohl 
beide Wörter entbehrlich sind. Unser Ohr muss sich eben in den Klaug 
der schwer und feierlich abschliessenden Pentapodie hineingewöhnen. 
Ganz unzulässig aber scheint mir das Verfahren von Ahrens und Heimsoeth 
(die Wiederherstellung p. 347), welche in der Gegenstrophe βέον als 
Glossem ausstossen, in der Strophe aber die gewünschte Tetrapodie da- 
durch herstellen, dass sie vßgıv in die folgende Hexapodie mit hinein- 
ziehen. Dadurch würde das bloss der Deutlichkeit wegen wiederholte 








COMMENTAR. 325 


ὕβριν einen viel zu grossen Nachdruck bekommen, während τότ᾽ ἢ τότε, 
das, wie wir bald sehen werden, mit stärkster Betonung hervorgehoben 
werden muss, ganz zurückgedrängt würde. 

ἐν κακοῖς βροτῶν heisst natürlich „in deu Schlechten unter den 
Menschen“. vgl. Pind. Ol. 2, 65 παρὰ rıuloıs ϑεῶν. Dass der Dichter 
nicht ἐν κακοῖς βροτοῖς schrieb, war teils durch den Wohllaut bedingt, 
namentlich aber sollte scharf hervorgehoben werden, dass nur in einer 
gewissen Menschenklasse die Hybris mit ihrer Brut sich einzunisten ver- 
möge. 

Nun aber kommen wir zur schwierigsten und verdorbensten Stelle 
des ganzen Chorgesanges, wo freilich die völlige Sinnlosigkeit der Ueber- 
lieferung beweist dass die Abschreiber, weit entfernt willkürlich zu 
ändern, sich redlich bemüht haben das ihnen unleserlich gewordene zu 
entziffern und unverändert der Nachwelt zu überliefern. Die Kritik hat 
daher auch ihrerseits sich genau an die Ueberlieferung zu halten, und 
uur diejenige Emendation wird genügen können, die, den notwendigen 
Gedanken herstellend, zugleich die Corruptel erklärlich macht. 

Die codd. geben nun v. 736 sq. so: τότ᾽ ἢ τόϑ᾽ ὅταν τὸ κύριον 
μόλῃ νεαρὰ φάους" κότον δαίμονά τε τὸν ἄμαχον κτλ. Die verdorbenen 
Buchstaben νεαρὰ φάους κότον änderte man auf verschiedene Weise, in- 
dem die einen νεαρά, die anderen κότον als Glossem (zu welchem Wort?) 
ausstiessen, aber statt δαίμονά re τὸν ἄμαχον schrieb man allgemein 
nach Hermanns Note zu Humboldt’s Uebersetzung δαίμονά τε τὰν ἄμαχον. 
Aber eben in jenem δαίμονά re übersah man einen ganz wesentlichen 
Fehler der Ueberlieferung. Dadurch ward nämlich der Dämon, der im 
folgenden näher als Ate charakterisiert wird, coordiniert mit ὕβοιν, und 
man liess also den Dichter sagen: „der alte Uebermut erzeugt neuen 
Uebermut und die ihren Eltern gleichende Ate“. Aber einen solchen 
Gedanken hätte man dem Aeschylos nie zutrauen dürfen. Erstlich beweist 
der Ausdruck εἰδομέναν τοκεῦσιν dass nicht von einer einzelnen ὕβρις, 
sondern von mehreren als „Eltern“ der Ate die Rede gewesen ist. So- 
dann durfte Ate, diese zugleich verblendende und zu neuen Verbrechen 
reizende, zugleich aber auch rächende und strafende Macht, dieser Höllen-' 
geist im Dienst des Zeus, auf keine Weise durch τέ mit ὕβρες cvordiniert 
werden, denn ὕβρις wird nie von unserem Dichter als persönliches Wesen 
aufgefasst ; vielmehr ist ihr Verhältniss zur” τη dies, dass erst aus einer 
Reihe von Ausflüssen des durch Sättigung hervorgebrachten Uebermuts 
jenes dämonische Wesen erzeugt wird, das ähnlich wie der ἀλάστωρ zu 
wahnsinnigem, die eigne Kraft verkennendem Tun reizt und so dem 
Uebeltäter Verderben bereitet. 

Erst Heimsoeth hat mit feinem Sinne den in diesem Zusammenhang 
ganz notwendigen Gedanken „erkannt, indem, er vorschlägt zu schreiben: 
ὕβριν, τότ᾽ ἢ τόϑ᾽ ὅτε τὸ κύριον μόλῃ, 

νεατόκον 
δαίμονα τίταν ἄμαχον ἀπόλεμον κτλ. 
d. h. „einen neuen Uebermut, der, sobald die entscheidende Stunde 


326 COMMENTAR. 


kommt, neu wieder einen rächenden Dämon gebiert, einen unbekämpf- 
baren u. s. w.“ Gewiss, da haben wir äschylische Anschauungen, die 
einzig hierher gehören; aber die von Heimsoeth gegebene Wortfassung 
kaun weder an und für sich genügen, noch auch macht sie die Corruptel 
erklärlich. Statt δαίμονά τε τόν ist vielmehr, wie ich schon in den Ver- 
handlungen der Frankfurter Philologenversammlung erörterte, δαίμονα 
τεκεῖν zu lesen, aber während ich ‚damals für das verdorbene vexo« mit 
Weil vermutete τότ᾽ ἢ τότ᾽ ἡμαρ ὅτε τὸ κύριον μόλῃ, erkenne ich jetzt 
in μόλῃ νεαρά mit Beseitigung des einzigen Buchstaben ἃ, der von den 
Abschreibern hinzugefügt scheint, um aus νεὰρ nur irgend ein Wort zu 
bilden: μολεῖν ἔαρ. Der Dichter hat also gesprochen von dem Kommen 
des entscheidenden Frühlings, denn da fast alles neue Leben, auch das 
animalische, im Frühjahr beginnt, so war es nicht unpassend statt der 
entscheidenden Stunde oder des entscheidenden Tages die Jahreszeit 
zu nenuen. Von κύριον Exp hängt dann der Inf. τεκεῖν ab: „der Früh- 
ling, der entscheidend ist für die Geburt der Ate“. Nun ist es klar dass 
die Hauptcorruptel des μολεῖν ἔαρ in μόλῃ νεαρ(α) herrührt von dem 
schon durch das Metrum verurteilten ὅταν, und mit einiger Bestimmtheit 
ergiebt sich daraus dass ; Aeschylos ‚geschrieben hat φιλεῖ δὲ τέκτειν ὕβοις 
-- ὕβριν τότ᾽ ἡ τότ᾽ ἔστε κύριον μολεῖν ἔαρ „der alte Uebermut 
pflegt immer wieder (das liegt im Inf. Präs. tixveıv) einen jungen Ueber- 
mut zu gebären, hier oder dort, bis der für die Geburt der Ate entschei- 
dende Frühling kommt“. So heisst die Ate mit Recht εἰδομένα τοκεῦσιν. 
Dieser Gedanke aber trägt ein so äschylisches Gepräge und schliesst sich 
so eng an die Ueberlieferung an, dass man .hoffentlich keinen Austoss 
nehmen wird an der Verbindung von ἔστε mit dem Inf., die, wie sprach- 
gemäss sie auch ist, sonst sich erst bei Arrian findet. Wie aber ἔστε in 
ὅταν co verdorben sei, „zeigen die Scholien ‚zu Prom. 458 und 657, wo 
ἔστε erklärt wird durch ἕως οὐ; ἕως ὅτου; ἄχρι ὅτου. — Es bleibt nun 
übrig die verdorbenen Zeichen φάους πότον zu deuten. Gewiss scheint 
es mir dass, dem παλιντρόποις ὄμμασι der Gegenstrophe entsprechend, 
darin ein zu δαίμονα gehöriges Adj. verborgen liegt, und so schreibe.ich 
mit Schneidewin, nur einen einzigen Buchstaben ändernd, φαεσκότον 
δαίμονα „einen das Licht verdunkelnden d. ἢ. dem Glücke Todesschatten 
bringenden Dämon“. So scheinen alle Schwierigkeiten befriedigend ge- 
löst zu sein. 

- v. 738 lässt sich streiten, ob ἀνέξρον als drittes Epitheton zu δαίμονα 
oder ob es zu 900005 gehöre. Für das letztere spricht die Gewohnheit 
des Dichters, nur zwei synonyme mit α privat. zusammengesetzte Adj. 
zu cumulieren, namentlich aber auch der Einschnitt der Gegenstrophe, 
wo duvauıv οὐ zum folgenden Verse gehört. — Dass ϑράσος — ἴάτας 
für Ioaoeiav”Arav gesetzt ist (woran man nie hätte zweifeln sollen) be- 
weist Heimsoeth durch Prom. 426 δαμέντα --- Τιτῶνα, “Ἄτλαντος ὑπέρο- 
χον σϑένος κραταιὸν ὅς κτλ. 

In der Gegenstrophe wollen Ahrens und Heimsoeth, wie schon oben 
angeführt ist, in τὸν δ᾽ ἐναίσιμον τίει βίον das letzte Wort tilgen, 








- COMMENTAR. 327 


‘namentlich aus Gründen der Eurhythmie. Heimsoeth nimmt indessen auch 
an dem Artikel in jenem Satze Austoss und meint nicht mit Unrecht, im 
dichterischen Stil hätte jener Gedanke lauten müssen τέξει δ᾽ _Evaloınov 
βίον. Dies Bedenken ist aber leicht zu erledigen: man lese τῶν δ᾽ ἐναι- 
σίμων τίει βίον. 

v. 744 geben die codd. τὰ χρυσόπαστα δ᾽ ἐσϑλὰ (Farn. χγρυσόπαστ᾽ 
ἐσϑλὰ) σὺν πίνῳ χερῶν. Natürlich ist ἐσϑλά verdorben, aber die mit so 
allgemeinem Beifall aufgenommene Conj. von Auratus ἔδεϑλα (die zu dem 
Metrum der Strophe, wie ich sie hergestellt habe, nicht stimmt) kann ich 
auch aus sachlichen Gründen nicht für richtig halten. ἜἜ δεϑλα könnte 
nach allem, was wir über dies Wort wissen, nicht „Sessel“, sondern nur 
„Fussböden“ bedeuten, dazu aber würde das Epitheton nicht passen. Ich 
vermute τὰ χρυσόπαστα δ᾽ a9An „die golddurchwirkten Siegespreise, an 
denen Schmutz der Finger klebt“. Die „Siegespreise‘“ bezeichnen aufs 
schönste den höchsten Glanz äusseren Glückes, aber gerade hier ist eben 
dieser Ausdruck wirksamer als jeder andere, weil der Zuhörer die allge- 
meinen Betrachtungen des Chors auf den gerade jetzt im höchsten Sieges- 
glanz (aber σὺν πένῳ χερῶν) einziehenden Agamemnon anzuwenden hat. 
Hesych ἀϑλα τὰ ἔπαϑλα. 

v. 746 haben die codd. ὄμμασι λιποῦσ᾽ ὅσια προσέβα τοῦ. ebenso 
sinnwidrig wie unrhythmisch. Ahrens hat gesehen dass in dem wunder- 
lichen τοῦ eine mediale Endung steckt, und so vermutet er sehr geistreich 
ὅσια πρὸς Esvro, wodurch der Rhythmus mit dem der Strophe in Ein- 
klang gebracht wird. Aber wie passend auch der Aor. ist, so würde doch 
von Dike sehr unwürdig gesagt „sie stürmt zu Reinem hin“. Nur daun 
wäre ἔσυτο angemessen, wenn Dike’s Flucht vor der befleckten Pracht 
dargestellt würde. Ueberhaupt aber kaun der ganze Gedanke „sie sucht 
das Reine auf“ nicht hierher gehören, er wäre tautologisch mit dem An- 
fang dieser Strophe. An unsere Stelle gehört nur das negative Gegen- 
bild, wie sie vor dem Unreinen flieht, und so zweifle ich kaum, dass der 
Dichter geschrieben hat λιποῦσ᾽ avooı ἀπόσυτο (Hesych ἀνόσι᾽ ἄδικα 
&vouc) „sie verlassend als unrein stürmt sie hinweg“. Bei dieser Annahme 
erklären sich in der Tat alle Corruptelen sehr einfach: man as zunächst, 
verkehrt abteilend und πο in προς verdrehend, λιποῦσαν ὅσια πρὸς τὸ, 
und schrieb das ausgelassene v über ro (woher τοῦ), dann aber verwuchs 
eine alte Glosse zu σύτο, ἔβα. natürlich mit πρός, und da der Acc. 
λιποῦσαν handgreiflich verkehrt war, so entstand die Lesart, die jetzt die 
codd. bieten. 

v. 748 ist überliefert πᾶν δ᾽ ἐπὶ τέρμα voud. Hermann verbindet 
πᾶν τέρμα und schreibt ἔπι. Das versteh’ ich nicht. Der Zusammenhang 
fordert durchaus den abschliessenden Gedanken „sie leitet alles ans Ziel“, 
und wenn Hermann behauptet, in diesem Sinne hätte es πάντα statt πᾶν 
heissen müssen, so behauptet er ohne Frage zu viel: aber dennoch glaube 
ich dass Aesch. geschrieben hat πάντ᾽ ἐπὶ τέρμα vous. Denn nach mei- 
nem Gefühl ist bei dieser gewichtigen Sentenz, welghe die ganze feier- 
liche Betrachtung gross und voll abschliesst und gleichsam die Summe 


328 COMMENTAR. 


aus dem Ganzen zieht, zugleich aber bedeutungsvoll ist für den nun auf- 
tretenden König, den morilturus, das summative Asyndeton durchaus 
notwendig. Unzählige Beispiele aber bezeugen, wie die Abschreiber, 
mit und ohne Absicht, geschäftig gewesen sind die Schönheit des Asyn- 
deton in Aeschylos’ Diction zu zerstören. 


Anapäste beim Einzug Agamemnons v. 749 — 776. 


v. 751 ist sicherlich neben πῶς σὲ προσείπω ; in dem ganz paralle- 
len Fragesatze aus Flor. der Aor. in der Form σεβέξω herzustellen. Vgl. 
zu v. 659. Wie aber πῶς oe προσείπω; πῶς δε σεβίξω; in einen Vers 
gehören, so aueh die parallelen Glieder μήϑ᾽ ὑπεράρας und und" ὑπό- 
κάμψας: dann aber würde der Gedanke mit dem Monometer καιρὸν χά- 
oırog abschliessen. Das kann nicht sein: der Abschluss des Gedankens 
verlangt gebieterisch auch den Abschluss des anapästischen Systems, 
καιρὸν χάριτος ist also zum Paroemiacus (den die Byzantiner so stark 
verfolgt haben) zu vervollständigen, vgl. zu v. 75. Ich schreibe demnach, 
zugleich ein wesentliches Moment dem Gedanken einfügend, καιρὸν χά- 
gırog πολυτίμου; 

v. 753 geben die codd. τὸ δοκεῖν εἶναι προτέουσι, wozu „Hermann 
bemerkt dass εἶναι von δοκεῖν abhange. Aber dann wäre εἶναι ganz 
überflüssig, deun das Scheinen ist immer ein Scheinen des Seins. Ver- 
gleicht man indessen οὐ γὰρ δοκεῖν ἄριστος ἀλλ᾽ εἶναι ϑέλει (Sept.573), 
so kann es kaum zweifelhaft sein dass auch hier der Dichter das Sein im 
Gegensatz zum Schein aufgefasst hat, und da nun das blosse εἶναι 
nicht als Gen. verstanden werden kann, so wird zu schreiben sein τὸ 
δοκοῦν ὄντος. Das Part. ist logisch hier ebenso statthaft wie der Inf., 
jenes ist nur mehr concret. War aber τὸ δοκοῦν frühzeitig in τὸ δοκεῖν 
verlesen, so musste zu ὄντος bald die Glosse τοῦ εἶναι aufkommen uud 
daraus die überlieferte Lesart entstehen. 

οὖ. 755 84. lautet die vulg. τῷ δυσπραγοῦντι δ᾽ ἐπιστενάχειν Ι πᾶς 
τις ἕτοιμος; δῆγμα (Flor. δεῖγμα) δὲ λύπης | οὐδὲν ἐφ᾽ ἧπαρ προσ- 
ἐκνεῖται (Farn. προσεφικνεῖται) | καὶ ξυγχαίρουσιν ὁμοιοπρεπεῖς | ἀγέ- 
λαστα πρόσωπα, βιαξόμενοι" | ὅστις κτλ. Diese Verse führt auch Stob. 
Flor. 112, 12 in derselben Reihenfolge an, nur statt καὶ ξυγχαίρουσιν 
liest er καὶ νυκτὶ δὲ χαίρουσιν. Vergeblich hat früher Hermann, iu 
neuester Zeit Weil diese Lesart in der Form νυκτὶ δὲ yalgovaıv oder 
vunti τε χαίρουσιν zu schützen gesucht, die Vergleichung mit der Nacht 
kann auf keine Weise hierher gehören; vielmehr scheint Stobaeus’ Ueber- 
lieferung, zusammengehalten mit der der codd., zurückzuführen auf καὶ 
νῦν χαίρουσιν. Ein über νῦν geschriebenes & mochte die Varianten ξύν 
und νύξ (woraus dann durch Conjectur νυκτί gemacht ward) hervor- 
rufen. Aber die Verse 758 und 759 können vom Dichter nicht an der in 
der Ueberlieferung ihnen zugewiesenen Stelle geschrieben sein. Mag 
auch der Hiatus zwischen βιαξόμενοι und ὅστις seine Entschuldigung 
finden in der vor ὕφτις eintretenden Pause, so ist es doch ganz undenk- 
bar dass der Dichter in der Mitte des Gedankens einen Parvemiacus ge- 














COMMENTAR. 329 


setzt haben sollte, ohne den Abschluss der ganzen Sentenz durch einen 
solchen zu markieren. Ausserdem aber ist der Satz καὶ νῦν χαίρουσιν 
oder χαὶ ξυγχαίρουσιν κτλ. an der Stelle, wo wir ihn bisher lesen, sinn- 
los: fassen wir χαίρουσιν nämlich als Dat., so fehlt das Verbum, fassen 
wir es aber als 3. Pers. Plur., so fehlt der notwendig zu ὁμοιοπρεπεῖς 
gehörige Dativ. Endlich ist nach der bisherigen Stellung der Verse das 
δέ hinter τῷ δυσπραγοῦντι fehlerhaft, weshalb Hermann und die Neue- 
ren τῷ δυσπραγοῦντί τ᾽ ἐπιστενάχειν haben schreiben müssen. Aber 
alle diese Austössigkeiten sind mit einem Schlage beseitigt, wenn wir 
v. 758 und 59 vor v. 755 stellen. Dann ist nach παραβάντες ein Komma 
zu setzen, und das Part. βιαζόμενοι schliesst sich nun vollkommen cor- 
rect an πολλοί — προτέουσιν an, sodass ein zweiter Choreute, den Ge- 
danken roAAol — προτίουσι fortsetzend, mit Anspielung auf Klytämnestra 
und Aegisthos sagt, „indem sie auch jetzt, den fröhlichen scheinbar ähn- 
lich, ihre finstere Miene bezwingen‘. Daran schliesst sich nun τῷ dvo- 
πραγοῦντι κτλ. richtig mit δέ an, und gleichzeitig endigen der Gedanke 
und das anapästische System. Die verkehrte Stellung aber, die überliefert 
ist, verdankt man wohl dem Missverständniss, als ob v. 761—64 nur von 
Teilnahme an der Freude die Rede wäre, weshalb man glaubte, vom 
συγχαίρειν dürfe erst nach dem ἐπιστενάχειν gesprochen werden. Dass 
aber auch Stobaeus die fehlerhafte Stellung der Verse giebt, beweist 
nichts gegen meine Emendation : er schöpfte eben schon aus verdorbenem 
Texte, während der ihm ungefähr gleichzeitige Hesychius unzweifelhaft 
eine Menge von Glossarien, in welchen manches unverdorben erhalten 
war, benutzt hat. Uebrigens ist zu beachten, dass zwei codd. von Sto- 
baeus die ganze Stelle nur bis & ἕτοιμος wiedergeben. 

v. 764 geben die codd. τὰ δοκοῦντ᾽ εὔφρονος ἐκ διανοίας ὑδαρεῖ 
σαίνειν φιλότητι. Dazu bemerkt Naegelsbach: „za δοκοῦντα non apte 
conspirat cum ὑδαρεῖ φιλότητι. Etenim qui videntur oculi ex animi 
'benevolentia blandiri, ii non ὑδαρεῖ blandiuntur φιλότητι sed veri ar- 
dentisgque amoris speciem simulanl; qui vero ὑδαρεῖ φιλότητι blan- 
diuntur, ii ne videntur quidem benevoli animi indices esse. Igitur duo 
suni enunciata in unum contracta: τὰ δοκοῦντα μὲν εὔφρονος ἐκ δια- 
νοίας σαίνειν, σαίνοντα δὲ ὑδαρεῖ φιλότητι“. — Dieser Versuch zur 
Verteidigung der vulg. enthält ‚Ihre entschiedene Verurteilung: schon 
Casaubonus hat gesehen dass τὰ als ‚pron. rel. zu fassen und dann zu 
schreiben ist σαίνει. Zu τὰ δοκοῦντ᾽ εὔφρονος ἐκ διανοίας ward ganz 
richtig die Glosse σαένειν hinzugesetzt, daher die vulg. 

v. 767 hat zuerst Ahrens die richtige Bedeutung von ἦσϑα γεγραμ- 
μένος „du warst mir eingeprägt“ (wir sagen „es stand mir fest dass 
du‘) herausgestellt ; zugleich verdanken wir ihm die richtige Verbindung 
von ἀπομούσως οὐδ᾽ &U „unverständig und nicht heilsam das Ruder 
lenkend‘“. 

Aber v. 769 liegt eine bis jetzt noch nicht geheilte schwere Cor- 
rupte] vor. Denn dass mit dem überlieferten ϑράσος ξκούσιον (Farn. 
ϑάρσος ἑκούσιον) ἀνδράσι ϑνήσκουσι κομίζων nichts anzufangen ist, 


330 COMMENTAR. 


zeigt zur Genüge namentlich Hermanns Erklärung „vehens ad Troiam 
spontaneam audaciam ‚mori volentibus viris“. Ebenso wenig ist Can- 
ters Conjectur. 900005 ἀκούσιον irgendwie probabel: ϑράσος κομίέξειν 
kann nicht heissen „Mut einflössen“, und wie sollte Agamemnon erst den 
„sterbenden Männern“ Mut beigebracht haben? Dazu wäre der ganze Ge- 
danke so dunkel wie möglich. Klar genug ist dagegen der Gedanke, den 
Hartung und Karsten durch gewaltsame Conjecturen hergestellt haben: 
ϑύμαϑ᾽ ἑκούσιος ἀνδράσι ϑρησκοῦσι noul&ov „indem du das Opfer su 
gern zuführtest dem weihenden Pfaffen “; aber diese Herren machen aus 
dem frommgläubigen Aeschylos einen lichtfreundlichen Demokraten der 
Neuzeit, als ob sich bei ihm auch nur eine Spur davon fände, dass er in 
Kalchas einen pfäffischen Heuchler gesehen hätte. Und welch’ ein ἀπό- 
μουσον wäre es von Seiten des Chors, den siegreichen Herrscher so- 
gleich beim Empfange mit der für ihn grauenvollsten Erinnerung zu 
begrüssen: so das evonuov ἡμὰρ zu entweihen, ward fürwahr nicht durch 
die Wahrheitsliebe geboten. Aus diesem Grunde ist auch Ahrens’ sonst so 
glänzende Conjectur, an der er noch immer festhält, 900005 ἐκ ϑυσιῶν 
ἀνδράσι ϑνήσκουσι xoul&ov, unbedingt zu verwerfen: Iphigenias Opfe- 
rung kann gerade hier der Dichter unmöglich erwähnt haben. Ausserdem 
wären die in Aulis missmutig zurückgehaltenen Männer doch nur sehr 
unklar und mit starker Uebertreibung als ἄνδρες ϑνήσκοντες bezeichnet. 
Ganz dunkel ist mir, was Heimsoeth (die Wiederherstellung p. 46) mit 
seiner Conjectur ἄρος ἀκούσιον sagen will; er vermutet dass sich eben 
hierauf Hesychs Glosse ἄρος ὄφελος -- καὶ βλάβος ἀκούσιον beziehe 
und zwar so, dass &006 ἀκούσιον zusammen durch βλάβος erklärt sei. 
Aber so unklar mir der von Heimsoeth gewollte Gedanke ist, so deutlich 
ist mir bei Hesych die Erklärung von ἄρος durch βλάβος ἀκούσιον : denn 
„der Ertrag‘ einer Torheit z. B. kann sehr füglich „ein wider Wunsch 
und Erwartung eintretender Schade “ sein. 

Bevor wir nun aber unsrerseits an eine Emendation der schwierigen 
Stelle geheh, ist zunächst die Frage zu beantworten, was denn eigent- 
lich der Chor in diesem Zusammenhang dem Agamemnon vorwerfen könne 
und müsse, und warum dieser ihm ein οὐκ εὖ πραπίδων olana νέμων 
heisse. Von Iphigenias Opferung, die allerdings Agamemnons schwerste 
Schuld war, kann an unserer Stelle, wie gesagt, nicht die Rede sein: 
eine solche Erwähnung wäre dem verehrten König gegenüber und zumal 
bei der ersten Begrüssung desselben eine unerhörte Taktlosigkeit 
gewesen. Vielmehr kann der Chor jetzt, nachdem alles glücklich voll- 
bracht ist, im Einklang mit seinen sonstigen Aeusserungen nur dies sa- 
gen, dass er früher den ganzen Feldzug gegen Troja ge- 
missbilligt habe. Denn allerdings war der Krieg nach v. 60 auf 
Autrieb des Ζεὺς ξένιος unternommen, allerdings klagt der Chor v. 72 
dass er wegen Altersschwäche am Zuge nicht habe teilnehmen können: 
aber das erstere ist nur in Bezug auf die Troer gesagt, denen freilich die 
gerechte Vergeltung durch den Kriegszug kam, und an der anderen Stelle 
seufzt der Chor nur über die Ursache seines Zurückbleibens, die Alters- 


N 


COMMENTAR. 331 


schwäche. Dagegen nennen die Greise mit unverkennbarem Unwillen 
v. 212 den Krieg einen γυναικόποινος. und ähnlich spricht er sich öfter 
mit Bitterkeit dahin aus, dass Helena so vielen Tapferen das Leben ge- 
kostet habe (v. 1415—20). Namentlich aber v. 425 ‚sg., wo die unwilli- 
gen Reden des Volkes erwähnt werden, heisst es τὸ δ᾽ ἐν φοναῖς καλῶς 
πεσεῖν ἀλλοτρίας διαὶ γυναικός. und im eigenen Namen fügt der Chor 
hinzu τῶν πολυκτόνων γὰρ οὐκ ἄσκοποι Beol. „Aehnlich heisst es Eur, 
Andr. 611 in einer Anrede an Menelaos: ἀλλ᾽ οὔ τι ταύτῃ σὸν φρόνημ᾽ 
ἐπούρισας" ψυχὰς δὲ πολλὰς κἀγαϑὰς ἀπώλεσας, παίδων T ἅπαιδας 
γραῦς ἔϑηκας ἐν δόμοις πολιούς τ᾽ ἀφείλου πατέρας εὐγενῆ τέκνα. 

Darnach kann es nicht zweifelhaft sein dass der Chor den Kriegszug 
gegen Troja von vornherein gemissbilligt hat und zwar aus dem Grunde, 
weil um eines fremden Weibes willen soviele Tapfere dabei ihr Leben lassen 
mussten. Dass diese Polyktonie Agamemnons nun eben auch an unserer 
Stelle erwähnt ist, erhellt aus den unverdorbenen Worten ἀνδράσι ϑνή- 
σκουσι xoulfov, aber es versteht sich von selbst dass der Chor sich 
möglichst milde darüber ausgesprochen haben muss, weil er sonst die 
Ehrfurcht gegen den Herrscher verletzt hätte. Nun aber kann ἀνδράσι 
ϑνήσκουσι nicht der Instrum. sein, ein solcher Dativ, durch den lebende 
Persönlichkeiten bezeichnet wären, liesse sich nicht durch äschylische 
Beispiele belegen. Demnach sagt der Chor „den Männern im Sterben 
bringend, verschaffend“. Hesych: κομέξων βασταξων ἐπιφέρων. Das 
Objekt aber zu κομίξων kann nunmehr kein anderes sein als „Grund- 
besitz im feindlichen Lande‘, so dass der Chor hier mit gemütlicher Iro- 
nie ähnliche Worte gebraucht, wie er mit bitterem Sarkasmus v. 433—35 
von Ἰλιάδος γᾶς evwogros „Erbgrundpächtern in Feindesland‘“ spricht. 
Demnach muss der Chor sagen: „du schienst mir damals, als du den Zug 
gegen Troja unternahmst, nicht weise zu sein, indem du damit umgingst, 
den Männern erst im Sterben Grundbesitz in Feindesland (ein Grab) zu 
verschaffen“. Wie dieser Gedanke von Aeschylos ausgedrückt sei, ist na- 
türlich nicht mit Sicherheit zu sagen, doch glaube ich in demi überliefer- 
ten ϑράσος zu erkennen χϑονός, denn war von diesem Wort das x 
unleserlich geworden, so ergab sich fast notwendig ϑράσος. Und da 
nun weiter Lykophron 1060 schreibt ἐσθλῆς ἀρούρης πῖαρ ἔγκληρον 
χϑονός, wo der Schol. ἔγκληρον durch τὸ κληρωθέν erklärt, so ist es 
nicht ganz unwahrscheinlich, dass er diesen Ausdruck wie soviele andere 
dem Agam. entlehnt hat, zumal da Hesych ἔγκληρον durch ἐνούσιον um- 
schreibt, welche Glosse eben in dem überlieferten ἑκούσιον stecken mag. 
So schreibe ich denn die ganze Stelle: χϑονὸς ἔγκληρον πῖαρ δήας ἀν- 
δράσι ϑνήσκουσι κομίξων „indem du fruchtbares Kleruchenland auf 
feindlichem Boden den Männern erst im Sterben verschafftest“. Die Iro- 
nie dieses Ausdrucks scheint mir wohl in den ernsten Zusammenhang zu 
passen: der Chor sucht sich durch ein witziges Wort über die Schwere 
des Vorwurfs, den er dem König hinsichtlich der Polyktonie zu machen 
hat, hinwegzuhelfen. 

v. 771 heisst es nach den codd. νῦν δ᾽ οὐκ ἀπ᾽ ἄκρας φρενὸς οὐδ᾽ 


332 COMMENTAR. 


ἀφίλως εὔφρων πόνος εὖ τελέσασιν (Farn. sicherlich aus Conjectur des 
Tricl. τὶς πόνος). Der Gedanke ist nach dem ganzen Zusammenhang un- 
zweifelhaft dieser: „nun aber bin ich völlig ausgesöhnt mit denen, die 
den Feldzug gut bestanden haben“. Dazu stimmt sehr gut οὐκ ἀπ᾽ 
ἄκρας φρενός,, 8 innerstem Herzen “. das vortrefflich seine Erklärung 
findet in Eur. Hec. 249 οὐ γὰρ ἄκρας καρδίας ἔψαυσέ μου und Caes. 
bell. Gall. 6, 27 tantum ut summa species earum stantium relinqua- 
tur (der oberflächlichste Schein). Aber damit ist nicht vereinbar οὐδ᾽ 
ἀφίλως. Es ist dafür nach Ahrens’ früherer Conjectur, die, er freilich 
jetzt selber fallen lässt, sicherlich „zu schreiben οἶδα φίλ᾽ ὡς. Damit 
aber ist unmittelbar zu verbinden εὔφρων, denn dies Adj. kann unmög- 
lich πόνος zum Subjekt haben: πόνος ist wohl nur verlesen ‚aus ὄντως 
„in Wahrheit‘, das der Dichter im Gegensatz zu δοκοῦντ᾽ εὔφρονος ἐκ 
διανοίας (v. 763) zu εὔφρων hinzufügte. 

‚Nach den von mir aus inneren Gründen als notwendig erkannten 
Aenderungen tritt nun von selbst folgende Gliederung der Empfangs- 
anapäste hervor: die Anrede umfasst die fünf Eingangsverse; sodann fol- 
gen 2, 5, 4 und 2, 4, 5 Zeilen. Offenbar sind diese in vollkommener 
Symmetrie verteilt gewesen; und so ist es höchst wahrscheinlich dass, 
nachdem die drei Zugführer gemeinsam im ersten System den König be- 
grüsst, der in der Mitte stehende Koryphäe (der Führer der mittleren 
Rotte) das sich unmittelbar darau schliessende zweizeilige System ge- 
sprochen hat, dann aber der Führer des zweiten Zugs das fünfzeilige, der 
des dritten das vierzeilige. In der Gegenstrophe ist dann, nachdem der 
Koryphäe wieder die beiden Verse 765 und 66 gesprochen, die Bewegung 
eine im Verhältniss zur Strophe rückläufige: dem Koryphäen folgt der 
Führer der dritten Rotte mit vier Zeilen, und diesem der Führer der 
zweiten mit dem fünfzeiligen System. 


Agamemnons Eintrittsrede v. 777— 821. 


v. 778 nimmt Heimsoeth (die Wiederherstellung p. 97) Anstoss an 
den in drei auf einander folgenden Versen sich wiederholenden Begriffen 
δίκη, δικαίων, δίκας. Allerdings wird Aeschylos so nicht geschrieben 
haben: es ist möglich dass mit Heimsoeth für δίκῃ zu lesen ist ϑέμες 
nach Hesychs Glosse ϑέμες δίκη. aber ebenso gut könnte das mittlere 
δικαίων verdorben sein, indem der Dichter geschrieben hätte νόστου ϑ᾽ 
ὁμοίων 9° ὧν κτλ. Vgl. Hesych: δέκαιον ἔσον und ὅμοια ἴσα. 

Aber v. 780 ---- 82 ist die Ueberlieferung, wie viel man auch daran 
getastet hat, vollkommen gesund, nur scheint die richtige Erklärung bis- 
her nicht gefunden zu sein.: Denn unmöglich ist es mit Hermann den 
Acc. Ἰλίου φϑορας von ψήφους ἔϑεντο, das soviel wie ἐψηφίσαντο 
sei, abhängen zu lassen: „solche Constructionen “, muss ich mit Hartung 
sagen, „giebt es überhaupt nicht, wieviel auch Hermann dafür getan hat, 
den Glauben an sie zu verbreiten“. Auch können wir jenen Acc. nicht 
als Acc. des Inhalts (des inneren Objekts), wie er zu jedem intrans. und 
zu jedem mit Objekt versehenen transitiven Verbum hinzutreten darf, 


COMMENTAR. 333 


auffassen: dann wäre nicht nur der Plural φϑοράς anstössig, sondern 
namentlich auch die Stellung vor ψήφους ἔϑεντο statt hinter dem Ver- 
bum. Die richtige Erklärung hat Ahrens angebahnt, indem er ἀνδροϑνῆ- 
τας mit δίκας verbunden haben will. Aixn ist sonst die Prozessrede: 
hier aber vernehmen die Götter nicht von der Zunge der Parteien, son- 
dern sie sehen von der Faust „die Entscheidungsgründe “ (sehr passend 
vergleicht Karsten Soph. Trach, 746 αὐτὸς βαρεῖαν ξυμφορὰν ἐν ὄμμα- 
σιν πατρὸς δεδορκὼς κοὐ κατὰ γλῶσσαν κλύων). Δίκαι sind also hier 
die einzeluen Schlachtscenen, die in ganz äschylischer Weise, zur Be- 
zeichnung der eigentlichen Natur dieses Plaidoyers, avdgodvnres „in 
Mannentod sich manifestierende‘“‘ genannt werden könnten. Dies Ad). ist 
also nicht anzutasten: Bildung und Gebrauch desselben ist ebenso cor- 
rect, wie z. B. v. 850 in δημόϑρους avapyla „die in Volksgeschrei sich 
kundgebende Anarchie“. Zu dieser Erklärung passt sehr gut auch κλυ- 
vvreg, denn κλύειν (von Hesych durch αἰσϑάνεσϑαι erklärt) heisst ja 
nicht bloss „hören“, sondern überhaupt ‚‚durch die Sinne wahrnehmen‘. 
Weiter aber vermag ich nicht mit Ahreus zu gehen; denn wenn er nun 
schreibt Ἰλίου φϑορᾶς. so ist doch nicht bloss der doppelte Gen. stö- 
rend, sonderu naınentlich ist die Verbindung φϑορᾶς ynpovg „Stimmen 
für den Untergang‘ eine ganz unäschylische. Wie nahe lag es dagegen 
der schönen Ahrensschen Deutung von δίκας — ανδροϑνῆτας, den gan- 
zeu Ausdruck ἀνδροϑνῆτας Ἰλίου φϑοράς als erklärende Apposition zu 
δίκας zu fassen. Da bezeichnet der Dichter nachträglich „die Entschei- 
dungsgründe, die man sonst vielmehr von der Rednerzunge zu verneh- 
men pflegt‘ als „in Mannentod sich bekundende Niederlagen Trojas “, 
womit natürlich nicht der endliche Untergang der Stadt, sondern die wie- 
derholten Schläge vor der Einnahme gemeint sind. Einzig und allein zu 
dieser Deutung passt der Plural g$og«s, aber indem man darin fälschlich 
den Begriff „‚des Untergangs der Stadt“‘ suchte, bedachte man nicht dass, 
wenn nur überhaupt Ilion erwähnt war, die Eroberung und Vernichtung 
desselben schon in den Worten ἐς αἱματηρὸν τεῦχος ---- ψήφους ἔϑεντο 
angedeutet lag. 

Im Folgenden heisst es nach den codd. τῷ δ᾽ ἐναντίῳ κύτει ἐλπὶς 
προσῇει χειρὸς οὐ πληρουμένῳ. Dies sucht neuerdings Ahrens zu ver- 
teidigen durch die Deutung, dass der Richter, während er in die eine 
Urne seinen Stimmstein wirklich warf, doch auch zu der anderen treten 
und sich so stellen musste, als würfe er auch in diese, denn soust würde 
das κρύβδην ψηφίξεσϑαι vereitelt worden sein. Die Stelle sei also zu 
erklären: „zu der anderen Urne schritt nur die Erwartung, welche die 
auf sie zukommende Hand erregte“. — Aber abgesehen von der gezwun- 
genen und unpoetischen Deutung der Worte ἐλπὶς χειρός ist auch die 
Voraussetzung von der täuschenden Handbewegung der Richter, worauf 
diese ganze Erklärung beruht, sicherlich falsch: die Institution des κρύ- 
Bönv ψηφίξεσϑαι musste durch andere Einrichtungen, als wie Ahrens sie 
sich denkt, gewahrt sein, denn durch diese hätte sich Niemand täuschen 
lassen. Die Ueberlieferung ist also nicht wohl haltbar: alle vorgebrach- 


334 COMMENTAR. 


ten Conjecturen aber sind falsch, sofern sie „die Hoffnung sich auf die 
Urne zu bewegen‘ lassen. Die personificierte „Hoffnung “ kaun nur die 
Sehnsucht nach Stimmsteinen sein, diese aber muss, wenn der Dichter 
nicht ganz incorrect gesprochen haben soll, bei der freisprechenden 


Urne sitzen oder steheu und von dort aus nach Stimmen ausschauen.. 


Diesen Gedanken drückt nur Hartungs Conjectur annähernd aus: indem 
er aber schreibt τῷ δ᾽ ἐν ἀντίῳ κύτει Einig προΐει χεῖρας. wird er 
den Forderungen des poetischen "Stils nicht gerecht. Ich vermute dass 
zu lesen ist τῷ δ᾽ ἐναντίῳ κύτει Ἐλπὶς προσῆστ᾽ ἀχρεῖος „bei der an- 
dern Urne sass nur die unnütze, kranke Hoffnung“ — ἀχρεῖος wie 
Prom. 365. 

v. 786 geben die codd. ἄτης ϑύελλαι ξῶσι, συνϑνήσχουσα δὲ σπο- 
δὸς κτλ. Das ist auf keinen Fall richtig, denn dürften wir auch nach 
Weils feiner Erklärung συνθνήσκουσα σποδὸς deuten als „‚favilla quae 
considens emoritur, die in sich ersterbende Asche‘, so würde damit 
doch der Begriff der ϑύελλαι in unlösbarem Widerspruch stehen, deum 
die Stürme verhindern ja eben das Ersterben der Asche. Ich las daher 
früher nach Hermann ἄτης ϑυηλαὶ £@cı „die Brandstätte glimmt noch“, 
obwohl ich mir nicht verhehlte dass das Prädikat ζῶσι zu diesem Subjekt 
nicht recht stimme: jetzt aber sind alle Schwierigkeiten gehoben durch 
Engers schöne Emendation δυσϑνήσκουσα (ein Part., welches auch 
Eurip. gebraucht), denn das langsame Ersterben der Asche ist nuu vor- 
trellich durch das Schnauben der Stürme motiviert. Die Corruptel er- 
klärt sich als eine sehr einfache: umgekehrt ist v. 436 aus δυσκότῳ ent- 
standen σὺν κότῳ. 

v. 788 ist bisher nicht beaustandet das überlieferte τούτων ϑεοῖσι 
χοὴ πολύμνηστον χάριν | τίνειν. Aber richtig kann diese Wortstellung 
nicht sein, da das logisch völlig tonlose riveıv die durch Rhythmus und 
Cäsur am stärksten hervorgehobene Tonstelle einnehmen würde. Wir 
haben hier wieder einen der häufigen Fälle, wo die Abschreiber das von 
seinem Adj. getreunte Subst. mit diesem zusammenschoben. Der Dichter 
wird geschrieben haben πολύμνηστον τίνειν | χάριν γ᾽ oder πολύμνηστον 
τίνειν | τιμήν. 

Im Folgenden geben die codd. ἐπείπερ καὶ πάγας ὑπερκότους 
ἐπραξάμεσϑα, was nach Naegelsbach heissen soll: „weil wir unsere 
Falle siegreich zu Stande gebracht“. Aber das wäre ja gar nichts ande- 
res, als was Agamemnon schun mit τούτων bezeichnet hat, die Erobe- 
rung Trojas. Will man dem Dichter nicht eine schmähliche Tautologie 
aufbürden, so muss man annehmen dass mit ἐπείπερ καί — „prae- 
sertim quum‘“ etwas wesentlich Neues eingeführt wird. Aber der 
hieraus sich ergebenden Forderung wird auch Hermanns scheinbar sö 
glänzende Conjectur nayag ὑπερκότους ἐφραξάμεσϑα͵ in keiner Weise 
gerecht, und doch ist in dem folgenden καὶ γυναικὸς oVvexa πόλιν „um 
eines blossen Weibes willen musste eine ganze Stadt büssen “" der neue 
Gedanke, den der Dichter mit ἐπείπερ καὶ eingeführt, so deutlich indi- 
ciert. Ahrens’ Verdienst ist es, diesen notwendigen Gedanken zuerst klar 





Al are 5 vr _ 











COMMENTAR. ᾿ 335 


ausgedrückt zu haben mit seiner Emendation ἐπείπερ καἀλλαγὰς ὑπερ- 
κόπους ἐπραξάμεσϑα „zumal da wir übermässig reichliche Vergeltung ge- 
übt haben“. Dann ist das folgende καί nur ein weiter ausführendes atque. ἡ 
Denn nur das eine rühmt der von kriegerischem Ehrgeiz verblendete Aga- 
memnon, dass die Rache das Vergehen vielfältig überwogen hat: er rühmt 
sich eben seiner Schuld — echt tragisch. 

v. 790—95 wird nun das Bild von der furchtbaren Verheerung Tro- 
jas ausgeführt. Da ist zunächst das überlieferte Aoyeiov δάπος gegenüber 
der von vielen gebilligten Conjectur Blomfields ἄγριον δάκος in Schutz 
zu nehmen. Zu Aeschylos’ Zeiten mochte es in Argos keine reissenden 
Tiere von der schlimmsten Art mehr geben, jedenfalls fand man keine 
Löwen mehr in Griechenland. Also ist Aoyeiov δάκος ein Oxymoron, 
das die in den Bauch des Pferdes eingeschlossenen griechischen Fürsten 
bezeichnet: in echt äschylischer Weise verdeutlicht dabei das Adj. den 
Begriff, auf welchen die substantivische Metapher zielt. — Im folgenden 
Verse aber kann die Lesart ἀσπιδηστρόφος λεώς nicht richtig sein, wie 
᾿ auch fast allgemein in Bezug auf das Adj. wenigstens, das schon Lobeck 
notiert hat, anerkannt wird. Namentlich aber gehört λεώς nicht hierher: 
Ahrens hat vollkommen Recht, wenn er dies Wort sowie Karstens Con- 
jectur λόχος eine plumpe Unterbrechung der sonst so consequent und 
glücklich durchgeführten Metapher nennt. Aeschylos wird vielmehr in 
einem zweiten Oxymoron geschrieben haben ἵππου vE0600g ἀσπιδηκρό- 
τος (vgl. κωδωνοκρότος),, αἴ6 mit Schilden rasselnde Rossebrut“, wie es 
Virg.. II, 243 heisst „quater ipso in limine portae Substitil atgque utero 
sonitum quater arma dedere“. In dem verdorbenen λεώς aber 
wird ein Adj. stecken, das zu dem folgenden πήδημ᾽ ὀρούσας gehörte: 
der dichterische Stil erfordert ohnehin dass zu dem ‚kahlen πήδημα, das 
als Acc. des Inhalts gar kein neues Moment zu ὀρούσας hinzubringt, ein 
Attribut hinzutrete. Vielleicht schrieb der Dichter λάβρον | πήδημ᾽ 
ὀρούσας „den gierigen Sprung hinstürmend“. Hesych: λάβρον. προπε- 
τές, ταχύ, μαινόμενον, βορόν. Waren von λάβρον die letzten Buch- 
staben verwischt, so konute daraus leicht λαός gelesen werden, das 
demnächst des Metrums wegen in λεώς übergehen musste. — Hinsichtlich 
der viel angefochtenen Zeitbestimmung ἀμφὶ Πλειάδων δύσιν glaube 
ich in den Neuen Jahrb. (1862, 8. Heft) bewiesen zu haben dass der poe- 
tische Zusammenhang zwingt, darin eine Bestimmung der Tages- und 
nicht der Jahreszeit zu sehen (denn die letztere hätte mit der Natur 
des Raubtiers nichts zu tun), und dass,-da die tägliche Πλειάδων δύσις 
sich das ganze Jahr hindurch von Tage zu Tage verschiebt, diese Stunden- 
angabe von derjenigen Himmelsconstellation aus zu verstehen ist, die zur 
Zeit der Aufführung dieser Tragödie, der dem Zuschauer gegenwärtigen 
Zeit, stattfand (vgl. Soph. OT. 1090); dass also, da in der zweiten Hälfte 
des März, wo die grossen Dionysien gefeiert wurden, die Plejaden für 
Griechenland zwischen 10 und 11 Uhr Abends untergehen, eben diese 
Stunde vom Dichter als die Zeit der Einnahme Trojas bezeichnet ist — in 
völligem Einklang mit den Ueberlieferungen anderer Poeten und im Ein- 


336 COMMENTAR. 


klang mit der Natur des Raubtiers, das eine Stunde vor Mitternacht seinen 
Tag beginnt. — Aber ὑπερϑορὼν δὲ πύργον im folgenden kann nicht 
von Aeschylos geschrieben sein. Unter πύργος ohne weiteren Zusatz 
könnten wir nur die Stadtmauer verstehen, aber diese brauchte der Löwe, 
die Rossebrut, nicht erst zu überspringen, da das hölzerne Pferd ja inner- 
halb der Riugmauern war. Der Dichter muss also die Mauer des Königs- 
palastes meinen: dann aber ist zu lesen ὑπερϑορὼν δὲ Πέργαμ᾽ ὠμη- 
στὴς λέων. im genauesten Anschluss an Virg. Aen. 6, 515 „fatalis 
equus saltu super ardua venit Pergama“ und Ennius Alex. fr. 9 
(Ribbeck) „nam maximo Saltu superabit gravidus armatis equus, Suo 
qui parlu ... ardua perdet Pergama“. Alle diese Dichter schöpften 
offenbar aus €iner Quelle: aber merkwürdig tritt hier im Vergleich mit 
den anderen des Aeschylos sichere und correcte Plastik hervor. Er 
konnte es nicht über sich gewinnen das hölzerne Pferd oder seine Brut, 
ein Füllen, den mächtigen Satz über Pergamum machen zu lassen: in 
seiner Phantasie gestaltet sich die Rossebrut zu einem gierigen Löwen. 

v. 801 hat Hermann das überlieferte καρδέαν wohl richtig in καρ- 
δίᾳ verwandelt, vgl. zu v. 170. 

Sehr schwierig und noch keineswegs ins Reine gebracht ist die Er- 
klärung von v. 806 —7. Hermann bezieht nach der Interpunktion der 
älteren Ausgaben, die hinter εἰδὼς λέγοιμ᾽ ἄν ein Kolon setzen, diese 
Worte auf das vorhergehende „dies eben gesagte sprech’ ich aus Erfah- 
rung“. Allerdings scheint für diese Auffassung das Asyndeton zu spre- 
chen; aber da das nachdrückliche &idwg „aus eigener Erfahrung “ fast 
wie eine Versicherungspartikel vorangestellt ist, so war das Asyndeton 
doch auch zulässig, wenn sich λέγοιμ᾽ ἂν mit dem folgenden verband. 
Und gerade dieser Optativ ist der Hermannschen Deutung nicht günstig: 
nach ihr hätte es heissen müssen εἰδὼς λέγω τάδ᾽, während die Formel 
λέγοιμ᾽ av die Neigung zu einer ‚metaphorischen, Benennung ausdrückt, 
vgl. v.712 λέγοιμ᾽ ἂν φρόνημα μὲν νηνέμου γαλάνας und v.863 λέγοιμ᾽ 
av ἄνδρα τόνδε, Vollends aber richtet sich Hermauns Erklärung dadurch 
dass er gezwungen ist ὁμιλίας κάτοπτρον und das überlieferte εἴδωλον 
σκιᾶς als coordinierte Objektsprädikate zu fassen. Also ὁμιλίας κάτο- 
σπτρον müsste nach Schneidewin imago specularis amicitiae, ein wesen- 
loses Schattenbild der Freundschaft, sein. Aber das ist unmöglich: ὁμιλία 
ist nie Freundschaft, sondern nur Umgang, Verkehr, kann also nie die 
Gesinnung und Stimmung des Gemüts bezeichnen, und wenn Aeschylos 
in dem bekannten Wort εἴδους κάτοπτρον χαλκός ἐστ᾽, οἶνος δὲ νοῦ 
den Spiegel auffasst als das Mittel zum Erkennen des wahren Bildes, 
und ähnlich Eurip. Hippol. 429, so kann er dasselbige Wort nicht hier 
gebrauchen, um im Gegensatz zum Wirklichen ein wesenloses Scheinbild 
zu bezeichnen. So bleibt, wenn die ganze Stelle nicht etwa sehr lücken- 
haft ist, nichts übrig als εὖ γὰρ ἐξεπίσταμαι ὁμιλίας, κάτοπτρον als 
Parenthese zu betrachten und das folgende von λέγοιμ᾽ ἄν abhängen zu 
lassen. Καάτοπτρον ist dann, wie immer, der Spiegel, der das wahre 
Bild erkennen lässt; ὁμιλίας aber ist der Gen. definitivus, wie Madvig ihn 





COMMENTAR. 337 


nennt, denn der Umgang oder Verkehr ist selbst der Probierstein, an 
welchem man sich von der Echtheit oder Unechtheit der Gesinnung über- 
zeugt. Agamemnon sagt also mit Beziehung auf des Chors ὅστις δ᾽ ἀγα- 
905 προβατογνώμων κτλ. : „denn ich kenne gar wohl den Probierstein, 
den das fortwährende Zusammensein darbietet“; er erklärt sich also 
selbst mit grosser Sicherheit für einen untrüglichen Richter echter und 
falscher Freundschaft — echt tragisch er, der unmittelbar darnach von 
seinem heuchlerischen Weibe so furchtbar betrogen wird. 

Im Hauptsatze nun aber nennt der König ‚‚die, welche gerade ihm, 
dem Herrscher (ἐμοί mit Nachdruck ans Ende gestellt), sehr wohlgesiunt 
zu sein scheinen “ εἴδωλον σκιᾶς. Ist es da nicht auffallend dass das 
Prädikat zu δοκοῦντας, dem Objekt, im Singular steht? Ich wüsste in 
der Tat auch nicht den mindesten Grund anzuführen, warum Aeschylos 
nicht lieber in correcter Fügung εἴδωλα σκιῶν geschrieben hätte. Aber 
noch mehr: εἴδωλον σκιᾶς ist an und für sich gar kein haltbarer Be- 
griff. Denn fassen wir εἴδωλον als „Abbild“, so ist ein solches „Portrait 
‚ von einem Schatten‘ etwas viel substantielleres als der Schatten selbst; 
deuten wir es aber als „Scheinbild“, ‚Gespenst‘, so zerrinnt εἴδωλον 
- Oxıag als gespenstischer Begriff, der sich nicht fassen lässt, uns unter 
den Händen. Nein, man hat sich durch das völlig correct und sicher ge- 
dachte Pindarische σκιᾶς Ovag „das Traumbild eines Schattens“ verfüh- 
ren lassen, auch in unserer Stelle oxıas als Gen. zu verstehen: der 
Dichter aber schrieb ohne Zweifel εἰδώλων σκιάς, sodass er im Anklang 
an das sprüchwörtliche καπνοῦ σκιὰ die Schmeichler „blosse Schatten 
von wesenlosen Existenzen “ nannte, el. auch Strab. I, p. 36 φελ- 
λοῦ σκιᾶ. 

v. 810 und u ist überliefert εἴτ᾽ οὖν ϑανόντος εἴτε καὶ ξῶντος 
πέρι | λέγω: τὰ δ᾽ ἄλλα, πρὸς πόλιν τε καὶ ϑεοὺς κτλ. Darin ist ein 
zwiefaches höchst anstössig: erstlich darf das tonlose λέγω, das für die 
Declamation von gar keiner Bedeutung ist, auf keinen Fall die Hauptton- 
stelle des Satzes einnehmen; sodann aber fehlt nach τὰ δ᾽ ἄλλα ein Pron. 
dem., wodurch τὰ πρὸς πόλιν τε καὶ ϑεούς als Apposition zu τὰ δ᾽ 
ἄλλα bezeichnet werden müsste. Beide Fehler sind nicht zu ertragen: 
ich vermute vielmehr dass Aeschylos geschrieben hat εἴτ᾽ ovv ϑανόντος 
εἴτε καὶ ξῶντος λέγω. Τὰ δ᾽ ἄλλα, ταῦτα πρὸς πόλιν τε κτλ. Ohne 
Zweifel ist λέγω mit absolutem Gen. zulässig „sei es nun dass ich jetzt 
nach seinem Tode oder noch während seines Lebens spreche “ (vielleicht 
ist so auch v. 650 statt des beispiellos dastehenden und mir ungriechisch 
klingenden λέγουσιν ἡμᾶς ὡς ὀλωλότας zu schreiben λέγουσιν ἡμῶν ὡς 
oAwAorwmv „sie sprechen als ob wir todt wären“; vgl. v. 1340 μαντευσό- 
᾿ μεῦϑα τἀνδρὸς ὡς ὁλωλότος);: wenn aber der Dichter εἴτε καὶ ξῶντος 
λέγω geschrieben hatte, so ist es selbstverständlich dass ein περί oder 
τέρε als Glosse hinzugefügt ward und unter den Händen der Byzantiner 
den Text alterierte. 

v. 814 kann βουλευτέον, da unmittelbar vorher βουλευσόμεσϑα 
steht, nicht richtig sein: es ist Glosse oder Lesefehler für ein seltneres 


AESCHYL. AGAMEMNON. 22 





338 COMMENTAR. 


Wort. Man könnte φρουρητέον oder dergleichen vermuten, aber da mir 
ein Kriterium zur Entscheidung für dies oder jenes Wort fehlt und der 
Gedanke gesund ist, so wage ich nicht zu ändern. 

v. 817 ist überliefert πήματος τρέψαι νόσον. Aber wer Sinn für 
poetische Diction ‚hat, kann nicht zweifeln dass Porson mit der herrlichen 
Emendation πῆμ᾽ ἀποστρέψαι νόδου das Rechte getroffen hat. Denn 
gesetzt auch dass Aeschylos die Schönheit seiner Allegorie dadurch ge- 
stört hätte dass er zu νόσον einen Gen. definitivus oder explic., der die 
eigeutliche Natur der Krankheit bezeichnete, hinzufügte, so hätte er doch 
sicherlich nicht die politischen und religiösen Uebelstände durch das 
kahle und farblose πήματος angedeutet, sondern er hätte durch Worte 
wie ἀπειϑαρχίας und ἀσεβείας sie klar und bestimmt ausgedrückt. 

Die Gliederung der ganzen Rede Agamemnons hat Weil vollkommen 
richtig angegeben: drei Hauptteile sind zu unterscheiden, welche die 
Declamation ohne Zweifel durch starke Pausen von einander abgetrenut 
hat. Der erste Teil, der Gruss an die Götter, besteht aus 3 und 2 x 8 
Versen: die drei ersten Verse enthalten die Einleitung, die erste Gruppe 
von 8 Versen schildert das Rachewerk, die Vernichtung, die zweite Gruppe 
die Ueberschwänglichkeit der Vergeltung. Im zweiten Hauptteil, die 
Reflexion über den Neid als Grund der gleisnerischen Freundschaft ent- 
haltend, treten wieder nach der Einleitung von 3 Versen zwei correspon- 
dierende Gruppen von je 6 Versen hervor. Der Schluss (v. 811 — 821) 
zerfällt in 4, 3, 4 Verse. 


Klytämnestras Begrüssungsrede v. 822 — 880. 


Sie zerfällt ebenso wie das vorhergehende Königswort in drei dem 
Inhalt nach sehr verschiedene Hauptteile, von welchen der erste (v. 822— 
843) an den Chor, der zweite (v. 844—870) an den Gemahl gerichtet ist, 
der dritte aber die Vorbereitung zum Absteigen und Hineingehen des Kö- 
nigs enthält. 

Die ersten sechs einleitenden Verse, in denen Klytämnestra ankün- 
digt ihre unglückliche Lage während der Abwesenheit ihres Mannes 
schildern zu wollen, sind völlig klar, aber mit v. 830 beginnt eine arge 
Corruptel der Ueberlieferung. Im Anschluss an ἦσϑαι δόμοις ἔρημον 
v. 829 geben die ‚codd. πολλὰς πλύουσαν ἡδονὰς (Auratus κληδόναρ) 
παλιγκότους᾽ καὶ τὸν μὲν ἥκειν, τὸν δ᾽ ἐπεισφέρειν κακοῦ κάκιον 
ἄλλο πῆμα, λάσκοντας δόμοις. Da fragt es sich zunächst, was dem 
τὸ μὲν γυναῖκα πρῶτον (v. 828) dem Gedanken nach entspricht. Schuei- 
dewin meint, v. 844 sq., wo die gefährliche Lage der Kinder beschrieben 
werde. Aber das ist unmöglich, denn nicht nur beginnt mit v. 844 eine 
ganz neue, die an Agamemnon gerichtete, Rede, sondern Klytämnestra 
will, wie sie v. 826 ausdrücklich ankündigt, ihre eigene unglückliche 
Lage beschreiben und führt als erste Seite dieser ihrer eigenen Lage die 
Einsamkeit und Verlassenheit an. Dieser ersten Seite kann als zweite 
nur die Häufung der schlimmen Gerüchte, über welche die Königin klagt, 
eutsprechen. Aber dies zweite respondierende Glied, das in ganz for- 


COMMENTAR. 339 


meller Weise mit τὸ δέ oder auch in anakoluthischer Form mit τέ oder 
καί augeknüpft ‚werden konnte (wie Eum. 109 dem ἡ πολλὰ μὲν δή ent- 
spricht καὶ παντα ταῦτα λαξ δρῶ πατούμενα, vgl. Burgard Quaest. 
gramm. Aesch. 1, p. 18), durfte nie und nimmer in Form eines Particips 
κλύουσαν dem ersten Gliede untergeordnet werden. Demnach ist es 
unabweisbar, v. 830, worin die zweite Seite der schlimmen Lage Kly- 
tämnestras in Form eines subordinierten Particips angedeutet ist, ent- 
weder mit Ahrens für interpoliert zu halten, oder anzunehmen dass er 
aus dem nachfolgenden Zusammenhang, in welchen er dem Gedanken 
nach gehört, an diese ungehörige Stelle geschoben ist. Das ist um so 
gewisser, als mit ἔκπαγλον κακὸν der erste Gedanke von der Verlassen- 
heit der einsamen Frau in echt äschylischer Weise völlig abgeschlossen 
ist. Ahrens also hält v. 830 für interpoliert: „er sei aus νυ. 841 τομῶν δ᾽ 
ἕκατι κληδόνων παλιγκότων geschmiedet“. Aber das ist höchst un- 
wahrscheinlich: erstlich hat die Wiederholung derselben Wörter nach 
einem Zwischenraum von etwa 10 Versen nichts anstössiges, zumal da 
v. 841 mit τονῶνδε auf einen schon genannten oder jedenfalls angedeute- 
ten Begriff ‚zurückgewiesen wird; sodann aber spricht gerade die Ueber- 
lieferung ἡδονὰς παλιγκάτους statt κληδόνας ausdrücklich gegen den 
Verdacht einer leichtfertigen byzantinischen Interpolation. Und was hätte 
ein Fälscher durch diese Bereicherung des Aeschylos erreichen wollen? 
Ist dadurch vielleicht mit dem folgenden ein genügender Zusammenhang 
hergestellt worden? Nichts weniger. Nehmen wir aber an dass Ahrens 
Recht hätte: ist dann durch dig Ausstossung des fraglichen Verses etwas 
gewonnen? Sind nun ν. 891 und 832 verständlich geworden? Er inter- 
pungiert diese so: καὶ τὸν μὲν ἥκειν, τὸν δ᾽ ἐπεισφέρειν. κακοῦ κά- 
κιον ἄλλο, πῆμα λάσκοντας δόμοις und erklärt: „und ein anderes 
schlimmeres Unheil (κακοῦ κάκιον ἀλλο) ist es, wenn der eine mit Un- 
glücksbotschaft kommt, der andere sie noch vergrössert“. Aber einen so 
verwurren und unschön ausgedrückten Gedanken hätte kein Zuschauer 
verstehen können, und der klare correcte Dichter hätte hierin völlig sich 
selbst verleugnet. — Ich behaupte also dass v. 831 und 832 nach wie vor 
völlig unverständlich sind und nur durch Heranziehung des v. 830 geheilt 
werden können. Mit feinem Takte hat zuerst Weil den richtigen Weg 
zur Erklärung jener misshandelten Verse eingeschlagen, aber er ist nicht 
weit und entschieden genug vorgedrungen. Er hat richtig gefühlt dass 
ἥκειν und ἐπεισφέρειν durchaus nicht currecte Gegensätze sind, sondern 
dass dem 7%eıv „ein Herannahen “, „ein Bevorstehen “ gegenüber treten 
muss. So vermutet er ἐπέρχεσϑαι statt Emeiop£geiv, aber mit leichterer 
Aenderung und mehr dem poetischen Stil angemessen schreibe ich ἐπερ- 
ρέπειν, ein von der Wagschale entlehntes Bild, das Aesch. in dieser 
Tragödie dreimal gebraucht. Sodann hat er klar gesehen dass die Inf. 
ἥκειν und ἐπιρρέπειν von λάσκοντας abhängen: er construiert schön 
und bündig τὸν μὲν λαάσκοντα ἥκειν. κακὸν πῆμα δόμοις" τὸν δὲ λα- 
σκονταὰ ἐπέρχεσϑαι (ἐπιρρέπειν) κακοῦ κάκιον ἄλλο πῆμα δόμοις. Aber 
damit können wir uns noch nicht zufrieden geben: statt λάσκοντας hätte 


22* 


340 j COMMENTAR. 


es in dieser Structur λάσκοντα heissen müssen, und wenn, wie ich be- 
wiesen zu haben glaube, v. 830 nicht an seiner rechten Stelle steht, so 
fehlt ein Verbum, wovon τὸν μὲν — τὸν δὲ — λάσκοντας abhängen 
könnte. So schreibe ich denn die ganze Stelle mit Versetzung von v. 830 
hinter 832: καὶ τοῦ μὲν ἥκειν, τοῦ δ᾽ ἐπιρρέπειν κακοῦ | κάκιον ἄλλο 
πῆμα λάσκοντος δόμοις. | πολλὰς κλύοις ἂν πληδόνας παλιγκότους. 
Dann entspricht das καί deutlich dem τὸ μέν v. 828, und in klarer äschy- 
lischer Sprache heisst es: „und weiter, wenn der eine dem Hause mel- 
det, ein Unglück sei schon da, der andere, ein zweites schlimmeres hänge 
über dem Haupte, so hört man viele imıner wieder auftauchende widrige 
Gerüchte“. Unter den πήματα sind nun solche zu verstehen, wie Stro- 
phios sie nach v. 848 geschildert haben soll: teils Aufruhr des Volkes, 
teils Gefahren Agamemnons vor Ilion. Mit κλύοις ἄν aber verallgemei- 
nert Klytämnestra, zum Chore redend, in ganz ähnlicher Weise ihre Er- 
fahrung, wie v. 828 mit τὸ — ἦσϑαι ἔρημον. 

Bei dieser, wie mir scheint, unabweisbaren Textesänderung erklären 
sich die schweren Corruptelen des cod. Flor. sehr einfach. Durch Lese- 
fehler entstand aus ἐπερρέπειν zunächst ἐπεισφέρειν und aus "λύοις ἂν 
das Part. κλύουσαν (gerade wie v. 352 der Flor. ἔχουσαν aus ἔχοις ἂν 
gemacht hat). Diese Fehler würde vermutlich auch der Med., wenn er 
hier nicht lückenhaft wäre, noch aufweisen; aber die weitere Verderbung 
ist wohl auf Rechnung kurzsichtiger byzantinischer Gelehrten zu setzen, 
welche, für das Part. κλύουσαν nirgends eine Anlehnung sehend als an 
γυναῖκα, den Vers πολλὰς κτλ. hinter v. 829 setzten, dann aber notwen- 
dig auch den nunmehr ganz in der Luft schwebenden absoluten Gen. τοῦ 
μέν — τοῦ δέ — λάσκοντος in den Acc. verwandeln mussten. 

v. 834 ‚schreibt Hermann richtig ἀνήρ für ἀνήρ. Aber auch das fol- 
gende 06° ὡς ist wohl nicht echt: mit ὡς könute nicht ein Correlat zu 
τύσων eingeführt werden. Sehr annehmbar schreibt daher Meineke: 
ἁνήρ, ὅσων πρὸς οἶκον κτλ. — Auch v. 835 ist es nach Ahrens’ licht- 
voller Erörterung notwendig, τέτρηται stati τέτρωται zu schreiben. 

Aber bei v.838 mit dem vielbesprochenen πολλὴν ἄνωθεν, τὴν κάτω 
γὰρ οὐ λέγω, sind die Interpreten der neueren Zeit, durch Hermann ver- 
führt, gewaltig in die Irre gegangen. Nach jenem nämlich soll ἄνωϑεν 
bedeuten „hier auf der Oberwelt“ und mit der abominativen Formel οὐ 
λέγω soll das Missverständniss, als ob Klyt. von einem wirklichen Begräb- 
niss (τὴν κάτω χλαῖναν) rede, abgewehrt werden. Also die heuchle- 
rische Königin sollte nicht nur von ihrem Gemahl ein böses Omen ab- 
halten wollen (das köuuten wir uus noch als Ausfluss ihrer Verstellung 
gefallen lassen), sondern sie sollte auch in einem hypothetischen Satze, 
in dem sie geradezu den Fall setzt, dass ihr Gemahl öfter gestorben und 
begraben sei, einschalten „verhüte Gott, dass ich von einem wirklichen 
Grabe redete‘? Nein, uach Hermanns Deutung würde Klytämnestra ge- 
radezu faseln, indem sie in demselben Atem vom öfteren Tode ihres 
Mannes und zwar mit schärfster Betonung (als ob sie ein böses Omen 
aussprechen wollte) redete und doch erklärte, von wirklichem Tode rede 


COMMENTAR. 341 


sie nicht. Schneidewin nimmt solche Faselei zwar in Schutz, indem er 
meint „die weithergeholte, überladene und unklare Metapher in den 
dunklen Worten diene zur Charakterisierung der Redenden “: aber wie 
überschwänglich auch Klytämnestra in ihren heuchlerischen Worten ist, 
so begeht der Dichter doch nie den unverzeihlichen Fehler sie unklar und 
incorrect sprechen zu lassen. — Der Grundirrtum Hermanns und seiner 
Nachfolger besteht eben darin dass sie οὐ λέγω hier als abominative 
‘Formel auffassen: zuweilen heisst allerdings οὐ λέγω soviel als „, dictum 
nolo“‘, aber viel häufiger heisst es einfach „ich nenne nicht“, „ich ziehe 
nicht in Betracht‘, und gerade hier, wo Klyt. so recht arglistig von öfte- 
rem Tod und Begräbniss ihres Mannes spricht, kann sie unmöglich sich 
auch nur den Schein geben wollen, als wehre sie ein böses Omen ab. 
Ein anderer Irrtum derselben Erklärer ist es, dass sie πολλὴν — χϑονὸς 
τρίμοιρον χλαῖναν deuten als oftmaliges dreifaches Grab, als wenn die 
hyperbolische Redeweise der Königin an einem dreifachen Tode noch 
nicht genug hätte: und doch vergleicht sie ihren Gemahl mit dem drei- 
leibigen Geryon, doch sagt sie v. 840 ausdrücklich ἅπαξ ἑκάστῳ κατϑα- 
νὼν μορφώματι. 

Nach Widerlegung dieser Irrtümer, die so verbreitet sind dass noch 
kürzlich der verdienstvolle Ahrens sich dadurch zu einer unhaltbaren 
Aenderung hat bewegen lassen und dass der feinfühlige Weil den ganzen 
Vers 838 tilgen möchte, wenn nicht die ratio antithetica ihn zurückhielte, 
wird man ohne Vorurteil zurückblicken auf die alte Erklärung Blomfields: 
„multam superne (non enim eam dico quae substernitur) triplicem ter- 
rae chlamyda cepisset, id est, ter sepultus fuisset“. Hierin wird also 
τρίμοιρον als Epexegese zu πολλὴν gefasst und zwischen der ἄνωϑεν 
χλαῖνα. der oberen Erdschicht, die auf dem Todten ruht, und der Erde 
unter ihm, seinem Lager, unterschieden. Hermann zwar fertigt diese 
Erklärung mit einem unwilligen „quis credat“ ab, und Ahrens nenut 
die von Blomfield aufgestellte Unterscheidung seltsam, aber andrerseits 
schliessen sich Männer von vielem Geschmack, wie Klausen und Naegels- 
bach, ihr an, und wie sie die einzig mögliche ist, so verliert sie auch 
alle Wunderlichkeit, wenn man sich recht in die Anschauung, aus wel- 
cher der äschylische Ausdruck hervorgegangen ist, versenkt. Wie näm- 
lich in den zahlreichen von Blomfield angeführten Beispielen, in denen 
γῆν ἐπιέννυσϑαι bildlich für „begraben werden“ steht, die Metapher 
hergenommen ist von einem sich schlafenlegenden , der die Decke 
über sich zieht (Od. v, 143 ἔδραϑ᾽ ἐνὲ προδόμῳ- χλαῖναν δ᾽ ἐπιέσ- 
σαμεν ἡμεῖς), so ist auch an unserer Stelle χλαῖνα nicht „Kleid‘“ oder 
„Mantel“, wie man gewöhnlich übersetzt, sondern „Decke“, in welcher 
Bedeutung das Wort bekanntlich oft genug steht. Vergleicht man nun, 
wie hier offenbar geschieht, den Tod mit dem Schlaf, so ist die Lager- 
statt, worauf alle Menschen den letzten Schlaf durchmachen, unter- 
terschiedslos eine und dieselbe für alle, verschieden aber ist für jeden 
einzelnen die über ihn "geworfene Decke. Wollte also Klytämnestra 
recht scharf und bestimmt sprechen (wie das zu ihrem berechnenden 








342 COMMENTAR. 


Wesen passt), so musste sie sagen „ein dreileibiger Geryon der zweite, 
könnte er sich rühmen, eine reichliche Erdendecke von oben her — denn 
die untere Lage, die für alle drei Leiber dieselbige wäre, ziehe ich hier 
nicht in Betracht — eine dreifache Decke, bekommen zu haben, einmal 
in jeder Gestalt gestorben“. Und so sagt sie. Weit entfernt also dass 
ihre Rede dunkel und verschwommen wäre, sie ist witzig-scharf, aber 
gerade diese Art liegt, wie namentlich auch der spätere Dialog zwischen 
Klyt. und ihrem Gemahl zeigt, im Charakter der arglistigen Königin. 

Ist aber durch diese Betrachtung, wie ich hoffe, das viel verfolgte 
πολλὴν ἄνωϑεν gegen fernere Anfechtungen sicher gestellt, so ist es 
schon äusserlich nicht wahrscheinlich dass vier Verse weiter, v. 842, 
πολλὰς ἄνωϑεν vom Dichter herrührt ; vielmehr wird statt ἄνωϑεν ein 
Wort von ähnlichen Buchstaben dagestanden haben, das, im cod. Alex. 
unleserlich, unter dem Einfluss des eben vorhergehenden &v@®ev cor- 
rumpiert ward. Diese Vermutung wird zur Gewissheit durch die Erwä- 
gung dass an dieser zweiten Stelle ἄνωϑεν sachlich wie grammatisch 
unhaltbar ist. Sachlich: denn welche ἀρτώνας könnte die Königin mei- 
nen, als „von oben herabhängende?“ also wäre ἄνωϑεν mehr als ent- 
behrlich. Grammatisch aber wird man kaum eine ähnliche Struktur finden, 
wie πολλὰς &vadev ἀρτάνας: der Begriff des „Hängens“ dürfte nicht 
so dunkel angedeutet sein. Ich vermute daher mit Bestimmtheit dass der 
Dichter geschrieben hat πολλὰς ἕωϑεν κτλ. Denn in der Nacht, der 
dunklen, einsamen, fühlt man die Leiden immer am schwersteu, wie auch 
v. 860 ausgeführt wird: in der Nacht also hat Klyt. angeblich, von 
Schwermut übermannt, ihrem Leben ein Ende machen wollen, aber die 
ἕωϑεν in ihr Schlafzimmer tretenden Dienerinneu haben die Schnur von 
ihrem Nacken ‚gelöst. 

Auch in ἔλυσαν ἄλλοι v. 843 steckt ein schlimmer Fehler. Unmög- 
lich kann Klytämnestra einfach sagen „andere lösten die Schnur von 
meinem Nacken “. Denn das verstand sich von selbst dass andere als sie 
selber die Lösenden waren. Nannte sie das Subjekt überhaupt, so musste 
sie es bestimmter bezeichnen: nur ihr Gesinde konnte sie lösen. Daher 
vermutet Meineke δμῶες δέρης ἔλυσαν auol. Sehr bestechend: aber 
erstlich vermisst man ein Pronomen, das die Beziehung auf die Spre- 
chende ausdrückt, denn wessen δέρη soll man nun verstehen? und 
zweitens ist nicht wahrscheinlich dass in das Schlafzimmer der Königin 
männliche Diener eintreten. Ich schreibe daher ἐμῆς δέρης ἔλυσαν ἀξοι. 
Sieph. Thes.: Seleucus ἄξους nominari scribit τὰς ϑεραπαίνας καὶ 
τοὺς θεράποντας, famulas et famulos, ancillas et servos. Itidem est 
apud Eust. p. 1024, 44; 1090, 56.“ — Weiter heisst es in demselben 
Verse πρὸς βίαν λελημμένης. Das Part. ist, wie fast alle Erklärer zu- 
geben, verdorben, aber bei den vielen Emendationsversuchen hat man 
zweierlei ausser Acht gelassen: erstens dass der Gen. sich anschliessen 
muss an ἐμῆς Ö&ong, nicht aber Klytämnestra selber dadurch bezeichnet 
sein kann, weil sonst der Dichter sich eine schlimme Undeutlichkeit hätte 
zu Schulden kommen lassen; zweitens dass das Part. Perf. einen Zustand 


= 


COMMENTAR. 343 


bezeichnen muss, in welchem der Nacken schon beim Lösen war. Er- 
wägt man dies, so wird kaum etwas „anderes übrig bleiben, als mit 
äusserst geringfügiger Aenderung zu lesen πρὸς βίαν δεδμημένης „von 
.dem bereits gewaltsam gelähmten d. h. fast schon entseelten Nacken“. 
Bekannt ist aus der Od. das öftere γούνατ᾽ ἐδάμνα; wodurch das Auf- 
hören der Lebenskraft bezeichnet wird, ebenso δεδμημένος ὕπνῳ; was 
auf das Erschlaffen der Glieder hinzielt; πρὸς βίαν aber, das nun ohne 
einen davon abhängigen Gen. steht, heisst nicht „wider Willen“, sondern 
es ist gleich Pix „gewaltsam“. 

‚Bis soweit geht die an den Chog gerichtete Rede der Königin: sie 
gliedert sich nach den 6 einleitenden Versen in zwei Hälften von jed5 + 
3 Versen. 

ον, 851 ist ὥστε nicht füglich zu ertragen: wir erwarten dafür ὡς. 
Denn die beiden coordinierten Teile der Epexegese zu ἀμφίλεκτα πήματα 
sind τὸν — κένδυνον und „wie es im Falle eines Aufruhrs den Men- 
schen angeboren sei etc.“ Hartung vermutet daher ὥς τί σύγγονον, 
aber das klingt mir nicht recht äschylisch; ich schreibe lieber ὡς τὸ 
ovyyovov, sodass der Artikel im Prädikat auf die bekannte Neigung 
der Menschen, den Gefallenen noch einen Stoss zu geben, hinweist. — 
Im folgenden Verse nimmt Karsten an λακτέσαι πλέον Anstoss als an 
einem unstatthaften Pleonasmus, denn die Gefallenen seien doch nicht 
schon vor dem Sturz mit Füssen getreten. Aber πλέον ist wirklicher 
Acc. des Inhalts und heisst „des ferneren‘, ‚des weiteren‘ in Beziehung 
auf den Sturz; wir können es in solchem Falle durch ‚‚ausserdem‘‘ oder 
„uoch“ übersetzen. 

v. 857 ist sicherlich nicht, wie die meisten Ausleger wollen, von 
den Feuersignalen die Rede: weder könuten diese λαμπτηρουχίαι heissen, 
noch würde Kliytämnestra sie „unbesorgt‘ oder ‚vernachlässigt‘ nennen. 
Sie spricht vielmehr vom Brennen der Nachtlampe, womit sie allabend- 
lich im Schlafgemach ihren Gemahl erwartet habe. Dass also statt #Aal- 
ουσα mit Hartung und Meineke xaovox gelesen werden muss, ist um so 
unzweifelhafter, als vom endlosen Weinen schon im vorhergehenden die 
Rede gewesen ist und mit v. 856 eben etwas Neues eingeleitet wird. 

v. 861 ist ξυνεύδοντος χρόνου nicht nur nicht äschylisch ‚ sondern 
sinnlos: denn es gehört ja eben zum Wesen der Zeit nie zu rasten und 
zu schlafen. Ansprechend ist die Vermutung von Karsten τοῦ ξυνάδον- 
τος χρόνου soviel als συμμέτρου χρόνου. Dann steht der Gen. ganz cor- 
rect für 7 mit dem Nom.: „ich sah mehr Leiden um dich, als die während 
meines Schlafes verlaufende Zeit sah“. 

v. 863 geben die codd. τῶν σταϑμῶν κύνα. was Hermann in dem 
Irrtum dass hiermit schon die Reihe der lobpreisenden Prädikate beginne, 
in βουστάϑμων κύνα änderte, denn der Artikel sei nicht zu ertragen. 
Es ist aber vielmehr zu schreiben τόνδε τὸν σταϑμῶν xuva: „diesen 
Mann, der nun wieder der Wächter des Gehöftes ist, nenne ich ete.“ 
Hier beginnt dann erst die Reihe der Prädikate, die aus zwei dreiteiligen, 
unter sich also symmetrischen Gruppen bestehen. 


344 COMMENTAB. 


v. 866—68 hat Hermann die überlieferte Reihenfolge der Verse καὶ 
γῆν φανεῖσαν πτλ. κάλλιστον nung κτλ. ὁδοιπόρῳ κτλ. völlig auf den 
Kopf gestellt, hauptsächlich weil er an καί in der Mitte der Prädikaten- 


reihe Anstoss nahm. Aber eben dies καί soll die Brücke zwischen den _ 


beiden verschiedenartigen Gruppen von Prädikaten bilden: mit der ersten 
“ Gruppe bezeichnet die Königin ihren Gemahl als Retter. und Erhalter, 
mit der zweiten aber als das unverhoffteste Glück in schwerer Not. 
Hermanns Versumstellung und alle Gonjecturen sind hier also zurückzu- 
weisen: wie καί ganz an seiner Stelle ist, so giebt die Ueberlieferung 
auch die richtige Reihenfolge der Prädikate. Denn γὴν φανεῖσαν bezeich- 
net das unverhoffte Glück schlechthin, ohne Erwähnung einer Not des 
Schiffers; κάλλιστον ἡμὰρ giebt eine Steigerung, indem ἐκ χείματος hin- 
zutritt; das dritte aber ist das höchste, insofern Durst das quälendste 
physische Leiden ist. — Natürlich ist auch v. 867 statt Hermanns γαλη- 
νὸν ἡμαῤ das handschriftliche κάλλιστον ἡμὰρ zurückzurufen: wenn 
dem grosseu Manne dies zu leer und nüchtern vorkam, so scheint er gar 
nicht bedacht zu haben dass zu κάλλιστον noch εἰσιδεῖν gehörte in dem 
Sinne von pulcherrimus adspectu, dass dagegen mit γαληνὸν sich jenes 
εἰσιδεῖν in keiner Weise verbinden könne. 

Dass v. 869 τερπνὸν δὲ τἀναγκαῖον ἐκφυγεῖν ἅπαν nicht an die 
von den codd. ihm angewiesene Stelle gehört, ist so ziemlich von allen, 
neuerdings sogar von Naegelsbach, anerkannt: auch kann es nicht be- 
zweifelt werden, denn τοιοῖσδέ τοί νιν κτλ. muss unmittelbar auf die 
ehrenden Prädikate folgen, wie hinwiederum φϑόνος δ᾽ ἀπέστω sich 
aufs knappste an ἀξιῶ anschliesst. Am passendsten aber weist Enger 
dem Verse seine Stelle hinter v. 862 an: dort dient er zur Erklärung des 
witzig pointierten Gegensalzes ταῦτα πάντα τλᾶσ᾽΄, ἀπενθήτῳ φρενί, 
und zugleich verleiht er der Basis, von welcher aus der Anlauf zu den 
überschwänglichen Lobeserhebuugen genommen wird, grössere Breite 
und Festigkeit. 

Ueberblicken wir nun die an Agamemnon gerichtete Rede v. 844--- 
870, so zerfällt sie in zwei correspondierende Gruppen von je 3-+ 6 Ver- 
sen und eine Epode von 9 Versen. Die erste Gruppe handelt von Orestes, 
: die zweite von der Redenden selbst; der epodische Teil stimmt den voll- 
sten Jubelton an im Hinblick auf die nun beendeten Gefahren. Diese Zer- 
legung ist wichtig für die Interpretation des v.853 τοιάδε μέντοι σκῆψις 
οὐ δόλον φέρει. Denn während Naegelsbach unter der σκῆψις die des 
Strophios versteht, erhellt aus der engen Zusammengehörigkeit des Ver- 
ses mit dem Nachfolgenden dass die Königin ihre eigene eben vorge- 
brachte σκῆψις meint: nur so ist das Asyndeton, womit sie zur Erklärung 
ihres abgehärmten Antlitzes übergeht, erklärlich. Freilich sagt Naegels- 
bach mit Recht „Qui s’excuse, s’accuse‘“, aber das soll ja eben Kly- 
tämnestra, wie fast jedes Wort, das ihr der Dichter in den Mund legt, 
beweist. 

Der Schluss der ganzen Rede v. 871 —880, die Aufforderung und 
Vorbereitung zum Hineingehen Agamemuons enthaltend, zerfällt in 4, 4, 








COMMENTAR. 345 


2 Verse. Heuchlerisch beginnt die Königin mit φϑόνος δ᾽ ἀπέστω, wäh- 
rend sie durch das Ausbreiten der Purpurteppiche gerade den φϑόνος 
ϑεῶν zu erregen sucht. Zugleich aber soll Agamemnon wie ein Opfer 
zum Tode wandeln: die Sklavinnen sind gleichsam die Opferpriesterin- 
nen, welche dem Geweihten den Weg zum Tode schmücken. Daher ist 
auch τέλος v. 875, wofür Farn. τάδε bietet, nicht anzutasten. Denn τέλος 
bezeichnet eben vorzugsweise die heilige, die priesterliche Aufgabe; es 
passt also vortrefllich in den überschwänglichen, von Rachegedanken 
trunkenen Stil der Königin. 


Agamemnons Erwiderung v. 881—896 und die Stichomythie 
v. 897 — 910. 


Jene zerfällt in 4 x 4 Verse, von welchen die beiden ersten. Grup- 
pen dem Inhalte nach chiastisch mit den beiden letzten correspondieren. 
Man bemerke, wie genau an derselben Stelle in der ersten und in der 
vierten Gruppe die Gemeinplätze ἀλλ᾽ ἐναισίμως κτλ. und ὀλβίσαι δὲ 
χρὴ κτλ. sich an das vorhergehende anschliessen. Die zweite Gruppe 
greift mit rider nachdrücklichst in die folgende über: es ist klar dass 
dadurch ride so stark wie möglich betont wird. Warum? Agamemnon 
will offenbar sagen „schon ohnehin ist meine Triumphbahu dem Neide 
- ausgesetzt, mache du sie nicht noch geflissentlich zu einer ge- 
hässigen “. 

Mit v. 897 wendet sich dann Agamemnon, nachdem er die letzten 
Worte mehr an die Zuschauer gerichtet hat, wieder an Klytämnestra, und 
so beginnt mit diesem Verse die 14zeilige Stichomythie, welche für den 
aufmerksamen Beobachter in die beiden correspondierenden Partien 3 4 
und 8 -Ἐ 4 zerfällt. Die erste Partie beginnt Agam., die zweite Klyt. 

v. 897 geben die codd. εἰ πάντα δ᾽ ὡς πρώσσοιμ᾽ ἀμ, εὐθαρσὴς 
ἐγώ, durchaus unverständlich, auch Dindorfs und Hermanns Conjectur, 
wornach εἰ πάντα δ᾽ ὡς πράσσοιμεν, εὐθαρσὴς ἐγώ zu lesen wäre, för- 
dert nicht das Verständniss. Glänzend dagegen hat Weil die Hand des 
Dichters hergestellt, indem er mit Veränderung eines einzigen Buchstaben 
schreibt εἶπον τάδ᾽ ὡς πράσσοιμ᾽ ἂν εὐθαρσὴς ἐγώ, doch möchte ich 
nicht mit ihm erklären „haec ego dixi sic ut fecerim fidenti animo“, 
sondern: „dies habe ich gesagt, für meine Person gutes Muts über mein 
Wohlergehen“. Da nämlich die vorhergesprochenen Worte so trübe 
und ahnungsvoll klingen, dass sie uns wie eine unwillkürliche Weissa- 
gung erscheinen, wendet er sich v. 897 in echt tragischer Verblenduug 
mit beruhigendem Zuspruch an seine Gemahlin. Volle Bestätigun findet 
übrigens Weils schöne Emendation in der Erwiderung καὶ μὴν τόδ᾽ εἰπέ 
κτλ. Der Aorist εἶπον ist gerade so gebraucht, wie v. 796 ϑεοῖς μὲν 
ἐξέτεινα. 

Nunmehr ist auch v. 898 sehr verständlich; καὶ μήν knüpft ganz 
wie das lateinische et quidem (Seyffert schol. lat. I, p. 145) mit feiner 
Ironie die Entgegnung an: „Ganz recht, nur sage mir dies nicht wider 
meine Ansicht“. Worauf Agamemnon, γνώμην prägnant als „bessere 


346 COMMENTAR. 


Einsicht, Vernunft‘ fassend, erwidert: „Sei überzeugt dass ich der Ver- 
nunft nicht ins Angesicht schlagen werde“. Aber den folgenden rätsel- 
haften Vers ηὔξω ϑεοῖς δείσας ἂν ὡδ᾽ ἔρδειν τάδε hat noch Niemand, 

ob man ihn nun als Aussage oder als Frage fasste, ausreichend erklärt. 

Hermann hat den Sinn noch verdunkelt durch seine Conjectur δείσασαν. 
Den glücklichsten Takt hat auch hier Weil bewiesen, der, das Frage- 
zeichen tilgend, übersetzt: „haec res tantum abest ut dis ingrata sit ul 
efiam vovisses te ita faclurum esse, si in periculo versalus esses“. 
Gewiss, das muss in diesem Zusammenhang der Siun des Verses sein: 
Klytämnestra will dem Gemahl ausreden dass er, die Teppiche betretend, 
den Göttern missfällig sei. Aber das blosse δείσας kann unmöglich 
heissen „wenn du in Gefahr gewesen wärest‘: für diesen Begriff ist in 
solcher Kürze eiu Wort von stärkerer Plastik und Prägnanz notwendig. 
Aeschylos wird geschrieben haben ηὔξω Heoig πταίσας av xrk.: „ge- 
rade den Göttern würdest du, wenn dir ein Unfall begegnet wäre, solche 
Teppiche als ‚Opfer zu weihen gelobt haben“. Dass wraleıv „strau- 
cheln“, „anstossen‘ euphemistisch für δυστυχεῖν steht, ist bekannt. 
— Auch in v. 901 ist noch ein entstellender Fehler überliefert. Aga- 
memnon soll antworten εἴπερ τις, εἰδώς γ᾽ εὖ τόδ᾽ ἐξεῖπον τέλος und 
dies deutet man nach Hermanns Vorgang: ‚Wohlerfahren wie keiner, 
sprach ich diesen endgültigen Beschluss (die Teppiche nicht zu betreten) 
aus“. Aber τέλος heisst nie decretum, wie Hermann will, und kann es 
seiner Natur nach nie heissen: Hik. 587 und 608, worauf man sich be- 
ruft, hat τέλος die sonst übliche Bedeutung „Endziel“. Ausserdem würde 
die gewöhnliche Erklärung in diesem Zusammenhang so unpassend wie 
möglich sein: Agamemnon würde dabei gar keine Rücksicht auf das von 
Klytämnestra gesagte nehmen, es würde scheinen als ob er aus Eigen- 
sinn auf seirem Beschluss beharrte, und nach diesem Wort, womit die 
Sache endgültig entschieden wäre, hätte die Stichomythie gar nicht 
weiter fortgeführt werden können. Es ist also ein ganz neuer Weg der 
Erklärung einzuschlagen. Nach dem Satze „du würdest im Unglück den 
Göttern solch’ ein Opfer zu bringen gelobt haben“ kann τόδε τέλος nur 
auf die von Klyt. erwähnte Ovation hinweisen und „diesen Tribut für die 
Götter, diese Huldigung‘“ bedeuten. Ferner zeigt das hinter εἰδώς ste- 
hende γέ dass Agam. die Rede Klytämnestras fortsetzt durch An- 
fügung einer näheren Bestimmung und dass er ihr im Ganzen 
beipflichtet, indem er mit εἰδώς nur eine specielle Reservation macht. 
So Ag. 518 und 519, wo der Chor fragt ἔρως πατρῴας τῆσδε γῆς σ᾽ 

ἐγύμνασεν; und der Herold erwidert ὥστ᾽ ἐνδακρύειν γ᾽ ὄμμα νῦν χα- 
ρᾶς vo „ja freilich und zwar in der Weise dass u. 8. w.“ (Vgl. Baeum- 
lein Partikeln p. 62.) Darnach ist es unzweifelhaft dass das verb. fin. 

ἐξεῖπον verdorben ist und dafür zu schreiben ἐξειπεῖν. abhängig von 
εἰδώς. Dann sagt Agamemnon zustimmend und doch seine Einwendung 
machend: ‚ja freilich hätte ich das getan, aber besser als einer ver- 
stehend in rechter Art diese Huldigung auszusprechen (d. h. ich hätte 
nicht gelobt selber die Teppiche zu betreten)“. Diese Erklärung, wor- 





COMMENTAR. 347 


nach Agamemnons Antwort ebenso wie die nächstfolgende eine halbe 
Concession an Klyt. enthält, wird dadurch schön bestätigt, dass ev nun 
dem Sinne nach an ἐξειπεῖν heranrückt, also zur zweiten Hälfte des 
Verses gehört, wodurch die legitime Cäsur gewahrt ist. 

v. 904 ist der Artikel in τὸν ἀνθρώπειον ψόγον, da nicht auf einen 
bestimmten Tadel hingewiesen wird, nicht wohl zu ertragen; es wird 
zu lesen sein rıv’ ἀνθρώπειον. 

v. 909 geben die codd. N καὶ σὺ νέκην τήνδε δήριος τίεις ; wor- 

3 Κ 

aus man gewöhnlich ἢ καὶ σὺ κτλ. oder N οὐ καὶ σὺ κτλ. macht 
und bei der Erklärung die Stellung des καί vor σύ gar nicht beräcksich- 
- tigt. Aber in dem überlieferten ἢ steckt vielmehr εἰ. und Agamemnon 
sagt mit einem Humor, dem man bereits die Nachgiebigkeit anmerkt: 
„wie? so sagst du? (dass es dem Glücklichen wohl ansteht sich besiegen 
zu lassen?) wenn auch du den Sieg so hoch anschlägst?‘““ Er meint hu- 
moristisch, die Königin verwickle sich in den Widerspruch, dass sie selbst 
sich eine glückliche zu nennen Ursach habe und nun trotz ihrer Sentenz 
„dass es dem Glücklichen wuhl anstehe sich besiegen zu lassen“ den 
Sieg so hartnäckig verfolge. 

v. 910 ist schwer verdorben: denn abgesehen davon ‚dass man nicht 
einsieht wie durch das unbescheidene Wort πιϑοῦ" κράτος μέντοι πά- 
oss γ᾽ ἑκὼν ἐμοί der König sich schliesslich bestimmen lässt seinem 
Weibe zu folgen, so leidet die Ueberlieferung an den vier Fehlern, dass 
der Vers keine Cäsur hat, dass μέντοι sinnlos ist, dass γέ hinter πάρες 
steht statt hinter ἕκών und dass ἐμοί viel zu nachdrucksvoll am Ende 
steht. Auch hier hat Weil zuerst den richtigen Gedanken hergestellt, 
indem er mit Berufung auf Soph. ΑἹ. 1353 παῦσαι" “κρατεῖς τοῦ τῶν φί- 
λων νικώμενος den Vers schreibt πιϑοῦ᾽ κρατεῖς μέντοι παρείς γ᾽ 
ἑκὼν ἐμοί,, ἀὰ siegst, indem du freiwillig mir nachgiebst“, denn diese 
schmeichlerische Sophistik ist wohl geeignet den schwankenden König 
zur Nachgiebigkeit zu bewegen ‚ und sie schliesst sich höchst natürlich 
an das Vorhergehende an. Aber Weil hätte nun auch sehen müssen dass 
der Dichter geschrieben hat παρεὶς ἑκών γέ μοι und dass die Abschrei- 
ber die Stellung des χέ nur verändert haben, um dem verdorbenen πάρες 
eine metrische Stütze zu geben. Und sollte nun in einem Verse, in dem 
Corruptelen und Ueberarbeitung der Abschreiber solche Entstellungen 
hervorgebracht haben, das unmetrische und zugleich sinnlose μέντοι für 
echt gehalten werden dürfen? Gewiss nicht. Vielmehr wird Aeschylos 
geschrieben haben πιϑοῦ" κρατεῖς τοι τόδε παρεὶς ἑκών γέ μοι. 50- 
dass τόδε als Acc. des Inhalts sich mit παρείς verband „in diesem Punkt 
mir nachgebend‘“; aber durch Schreibfehler ward es in cos corrumpiert 
und für τοῦ voı dann μέντοι geschrieben. 


Agamemnons Schlusswort v. 9I1— 24 


enthält in unverkennbar symmetrischem Bau 6 Verse (4 + 2) über das 
Betreten der Teppiche, 6 entsprechende (4-+2) überKassandra und 2 epo- 
dische, die seinen Entschluss ausdrücken. Aber v. 912 kann πρύδουλον 


348 COMMENTAR. 


ἔμβασιν ποδός nicht richtig sein.  Gesetzt das Adj. hätte an sich einen 
zu ἔμβασιν passenden Sinn, so wäre es doch hier, weil es keinen auf 
die augenblickliche Situation bezüglichen Begriff enthielte, viel zu ge- 
dehnt und von störender Breite. Aber es ist geradezu sinnlos: was Ver- 
schlägt es dass Hermann verweist auf Prom. sol. fr. 205) ἵππων ὄνων τ᾽ 
ein καὶ ταύρων γονὰς δοὺς ἀντίδουλα καὶ πόνων ἐκδέκτορα Pferde, 
Esel und Stiere nehmen wirklich Sklavenarbeit auf sich, aber ist auch der 
Schuh Vertreter eines Sklaven? Oder pflegte etwa ein Grieche in orien- 
talisch-barbarischer Weise auf einen Sklavennacken wie auf eine Sohle 
zu treten? Dazu kommt dass Aeschylos nie πρό für ἀντί gebraucht und 
dass er namentlich Gomposita , in denen der Begriff der Stellvertretung 
auszudrücken ist, immer mit ἀντί bildet, wie ἀντέδουλος . ἀντίφερνος, 
ἀντήνωρ; ἀντίκεντρος u. 5. w. Steckte nun in dem verdorbenen πρό- 
δουλον ein zu ἔμβασιν ποδός gehöriges Adj., so könnte es kein anderes 
sein, als ein solches, das die ἀρβύλαι als Reisebeschuhung bezeichnete: 
man könnte dann wagen πρόουδον (vor der Schwelle des Hauses ge- 
präuchlich) zu bilden nach der Analogie von πρόναος, προϑύραιος, πρό- 
χειρὸς u. 5. w. Aber ἔμβασιν ποδός schliesst auch für sich allein schon 
voll genug ‚den Satz ab: „das Gefährt des Fusses‘““ ist ein so voller kla- 
rer Begriff dass die Hinzufügung eines Adj. stilistisch nicht notwendig 
scheint. So halt’ ich es für sicherer für πρόδουλον mit stärkerer Aende- 
rung zu lesen πρὸς οἶμον uud dies mit Avoı zu verbinden „zu dem Wege, 
den ich jetzt wandeln soll“. Denn diese von der Ueberlieferung aller- 
dings ziemlich abweichende CGonjectur erhält eine nicht geringe Wahr- 
scheinlichkeit durch Hesychs bemerkenswerte Glosse πρὸς οἶμον πρὸς 
τὴν ὁδόν, wo der in die Erklärung aufgenommene Artikel gerade der 
Situation unserer Stelle angepasst zu sein scheint. — v. 913 will Nae- 
gelsbach ἁλουργέσιν ϑεῶν verbinden und erklären „Purpurteppiche, wie 
sie den Göttern zukommen“, aber weder könnte diese Structur eine cor- 
recte heissen, noch lässt sich ϑεῶν von μή τις πρόσωθεν abtrennen, 
wie das respondierende ϑεὸς πρόσωϑεν v.019 beweist. Andrerseits aber 
ist die überlieferte Verbindung ϑεῶν μή τις πρόσωϑεν ὄμματος βάλοι 
φϑόνος nicht zu rechtfertigen. Erstlich hätte Aeschylos nicht φϑόνος 
tig, sondern absolut φϑόνος gesagt, denn von diesem giebt es nicht 
verschiedene Arten; sodann ist, die Häufung der Genitive nicht bloss 
lästig, sondern die Verbindung © ὄμματος ϑεῶν wäre geradezu falsch, da 
jeder Gott sein eigenes ὄμμα hat, jedenfalls also ὀμμάτων zu erwarten 
wäre. Leicht und einfach aber bietet sich die Heilung dar, wenn wir 
nach Anleitung des respondierenden ϑεὸς πρόσωϑεν naturgemäss τίς mit 
ϑεῶν verhinden und daun ὄμματος βάλοι φϑόνῳ lesen: das stimmt völ- 
lig überein mit der von ‚Blomfield citierten, aber fälschlich angegriffenen 
Stelle in Eur. El. 901 μή μέ τις φϑόνῳ βάλῃ. Dann ist ὄμματος φϑόνῳ 
ungefähr soviel als φϑονερῷ ὄμματι. 

Im folgenden hat nun Schütz unzweifelhaft richtig für das corrupte 
σωματοφϑορεῖν geschrieben δωματοφϑορεῖν. wobei Blomfield an das 
bekannte οἰκοφϑορεῖν erinnert und bemerkt dass Klytämnestra v. 928 











\COMMENTAR. 349 


und 29 gerade auf dies Wort Agamemnons sich beziehe. Nun wendet 
zwar Ahrens dagegen ein dass wohl οἶκος Hab’ und Gut bezeichne, aber 
δώμα nicht so. Wie aber? wenn das stammverwandte δόμος an vielen 
'Stellen die erweiterte Bedeutung „Hauswesen“, res familiaris, hat, dürfen 
wir dann zweifeln dass einDichter auch δωματοφϑορεῖν habe gebrauchen 
können, um die Verschwendung von Hab’ und Gut zu bezeichnen? Vol- 
lends aber wäre das von Dindorf vorgeschlagene und von Ahrens em- 
pfohlene εἰματοφϑορεῖν hier ganz unerträglich: nicht nur wäre es 
tautologisch mit v. 916, sondern jenes Verbum würde ja auch ein Subst. 
eluaropdogog „Kleiderverderber‘‘ voraussetzen, einen in Agamemnons 
Munde ganz unwürdigen Begriff, während das Wort „ein Gutvergeuder 
sein‘‘ ebenso würdevoll wie bezeichnend ist. — v. 916 beruht φϑεέροντα 
πλοῦτον sicher auf Corruptel: der Gleichklang mit δωματοφϑορεῖν wäre 
unerträglich. Aber unglücklich ist Hermanns Conj. oreißovre, da neben 
diesem das Wort ποσίν mehr als überflüssig wäre. Vielmehr ist der Be- 
griff des „Verderbens‘ hier ganz angemessen, weshalb anzunehmen ist 
dass φϑεέροντα nur Glosse für ein seltneres Wort ist, das auch „verder- 
bend“ hiess. Und da nun Hesych τρύχειν φϑεέρειν bietet, so schreibe ich 
ποσὶν | τρύχοντα πλοῦτον. So erhält ποσίν seine eigentümliche Be- 
deutung, denn gewöhnlich τρύχουσιν οἶκον λάρυγγι. 

v. 917 liesse sich τούτων μὲν οὕτω vielleicht su verteidigen, dass 
man sagte, οὕτω streife aus der qualitativen in die quantitative Bedeutung 
über = „soviel“; aber bis solcher Gebrauch durch Beispiele belegt ist 
(die von Schneidewin angeführten beweisen nichts), halt’ ich es doch für 
geraten mit Emperius zu lesen τοὐμὸν μὲν οὕτω. 


Klytämnestras Schlusswort v. 928 ---- 41. 


Die Symmetrie des Baues dieser Verse ist unverkennbar. Sie zer- 
fallen in 3 »« ὅ + 2, und zwar ist der erste Fünfer, zur völligen Be- 
ruhigung des Königs dienend, an diesen gerichtet, während er vom Wagen 
steigt; mit dem zweiten Fünfer wendet sich Klyt. an den Chor, während 
Agam. die nach der Skene hinaufführende Treppe ersteigt; mit dem dritten 
Fünfer empfängt sie ihren Gemahl auf der Bühne, ihn noch einmal in den 
überschwänglichsten Ausdrücken feiernd. In den beiden Schlussversen 
richtet sie ein Gebet au Zeus, während Agam. in die Palastpforte eintritt. 
Schon diese in die Augen springende Symmetrie der Ueberlieferung, 
schwerlich ein Werk des Zufalls, muss von vornherein misstrauisch 
machen gegen Ahrens’ Conj. (welcher Weil beistimmt), wornach v. 935 
vor 933 zu stellen und v. 936—39 als eine vom Rande eingedrungene 
Parallelstelle zu streichen wären. Auch im Einzelnen ist der Text, wie 
überhaupt am Schluss dieses Epeisodion, ziemlich gut erhalten; dennoch 
aber sind einige Schäden bisher dem Scharfblick der Kritiker entgangen. ' 

v. 927 hat bisher Niemand an dem sonst nirgends erwähnten παγκαί- 
vıorov Anstoss genommen, und doch ist dies Wort ganz unerträglich. 
Man erklärt es durch „stets erneuert‘, aber weder hat πᾶν in der Com- 
position je die ihm hier beigelegte Bedeutung, noch heisst xaıvi$w „er- 








350 COMMENTAR. 


neuern‘, sondern nur „in neuer, ungewohnter Art etwas tun‘ oder „einen 
neuen Zuslaud antreten, einweihen“. Wie ungereimt wäre es noch dazu, 
die beiden Adj. „mit Silber aufgewogen‘“ und „ewig erneuert‘, von denen 
das zweite nach dem ersten ein rhetorisches contrarium enthielte, zu 
cumulieren. Auch die Apposition εἱμάτων ßapas, die nach ἰσάργυρον 
κηκῖδα unerhört nüchtern und kahl erscheint, ist stilistisch nicht zu ‚dul- 
den. Jedenfalls ist das Komma vor εἱμάτων zu streichen, sodass εἱμάτων 
βαφάς Prädikat zum Objekt wird: aber unmöglich kann der Plural βαφας, 
der die wiederholten Akte des Färbens bezeichnen würde, als Prädikat 
(oder als Apposition) des Purpursaftes fungieren. . Sehr begründet war es 
daher, wenn Salmasius, dem wir die Verbesserung von εἰς ἄργυρον in 
ἰσάργυρον verdanken, auch βαφάς in βάφος verwandeln wollte, und sehr 
unbegründet urteilte Hermann mit dem Wort „praeter necessitatem“ 
über diese Conj. ab: doch ist βάφος zu gewagt, da wir von dieser Wort- 
bildung, wenn die Griechen sie gehabt hätten, sicherlich irgend eine Kunde 
haben würden. Auch Karsten wird von einem richtigen Gefühl geleitet, 
indem er παγκαίνιστον εἱμάτων βαφήν schreibt: aber βαφήν ist diplo- 
matisch unwahrscheinlich, da nicht abzusehen wäre, wie die unverfäng- 
liche Endung hätte alteriert werden können, und das Adj. kaun die aktive 
Bedeutung, die Karsten ihm beilegt, „omnia renovans“, auf keinen Fall 
haben. In βαφάς wird vielmehr ein Subst. neutr. auf ας steckeu und für 
παγκαίνιστον wird zu schreiben sein παγκλέϊστον (ein Wort das sich bei 
Niket. erhalten hat, Pindar gebraucht κλεζζώ). Auch εἱμάτων kann nicht 
wohl richtig sein, da dasselbe Wort schon im dritten Verse nachher 
wiederkehrt. So wage ich, um dem Stil des Dichters gerecht zu werden, 
zu schreiben παγκλέϊστον εὐγμάτων σέβας „den angepriesenen Gegen- 
stand der Bewunderung für fromme Gelübde‘. Vgl. v. 900. Klytämnestra 
tut nämlich, als ob sie diese Purpurteppiche durch ein Gelübde ihrem 
rückkehrenden Gemahl geweiht hätte. 

v. 928 geben die codd. οἶκος δ᾽ ὑπάρχει τῶνδε σὺν ϑεοῖς, avak, | 
ἔχειν. „ was Hermann vergeblich verteidigt. Geheilt aber scheint mir die 
Stelle durch Weil, der nur ἔχειν in ἔχων verwandelt und dadurch den 
Schaden so hebt, dass durch den Inf. πένεσθαι sogleich die Entstehung 
der Corruptel erklärt wird. Richtig zwar wendet Karsten ein dass der 
partitive Gen. τῶνδε ---- ἔχων an sich nicht heissen könne „a/fatim ha- 
bens‘‘, sondern nur ‚„‚horum aliquid habens‘, aber wer fühlt denn nicht 
dass Klytämnestra im stolzen Bewusstsein ihrer ᾿ἀρχαιόπλουτα δώματα 
hier wie auch in der Wendung πένεσθαι δ᾽ οὐκ ἐπίσταται δόμος mit 
vornehmer Litotes spricht? Dem Tone, womit ἔχων an die Spitze des 
Verses gerückt ist und zwar mit nachfolgender Pause, hört man es doch 
an dass die Worte „das Haus hat davon“ einen immensen Reichtum be- 
- zeichnen wollen. 

In v. 930 sq. aber ist die Corruptel noch nicht gehoben. Die codd. 
bieten πολλῶν πατησμὸν δειμάτων (δ᾽ εἱμάτων Auratus) ἂν εὐξάμην 
(ηὐξάμην) | δόμοισι προὐνεχϑέντος ἐν χρηστηρίοις | ψυχῆς κόμιστρα 
τῆσδε μηχανωμένης. Da ist zunächst trotz Ahrens, der eine schrecklich 





COMMENTAR. 351 


gekünstelte Erklärung vorbringt, gewiss dass ψυχῆς κόμιστρα ode „der 
Dank für die Zurückbringung Agamemnons“ ist, Kliytämnestra also zum 
Chor spricht ‚(wie sie auch v. 863, zum Chore redend, ihren auwesenden 
Gemahl mit ἄνδρα τόνδε bezeichnet). Folglich ist Klyt. selbst die μηχα- 
νωμένη und dies Wort muss, je nachdem es sich an ηὐξάμην oder an 
προὐνεχϑέντος anschliesst, im Nom. oder im Dat. stehen. Ferner ist 
δόμοισι, das man mit χρηστηρίοις verbinden müsste, von Weil als unecht 
erkannt worden; derselbe bemerkt sehr richtig dass δόμοιεσε als ganz ent- 
behrliches Wort unmöglich in einer Haupttoustelle geduldet werden könne. 
(Ausserdem ist der Umstand, dass v. 929 δόμος. v. 933 δόμους steht, be- 
weisend für die Unechtheit von δόμοισε v. 931.) Aber der bisher nicht 
bemerkte Hauptfehler der Ueberlieferung steckt in ἂν ηὐξάμην. dies 
Wort ist von einem Abschreiber, der noch v. 900 im Gedächtniss hatte, 
durch Lesefehler aus einem ähnlich aussehenden gemacht worden. Denn 
wie man sich auch wende, der Gedanke „ich hätte viele Teppiche zum 
Niedertreten gelobt, wenn es mir in Orakeln als Wille der Gottheit gezeigt 
wäre, als ich auf Dank für Agamemnons Rettung sann‘“ — dieser Gedanke 
wäre hier so unpassend wie möglich und zwar aus drei Gründen. Erst- 
lich gelobt man nicht etwas, dessen Leistung von der Gottheit be- 
fohlen wird, in solchem Falle kann von einem eigentlichen Gelübde 
nicht mehr die Rede sein; zweitens würde der Gegensatz zu den hypothe- 
tisch genannten vielen Teppichen auf eine geringe Anzahl von wirk- 
lich geweihten Decken herauskommen, und doch stimmt dies weder zu 
dem sonstigen grossarligen Wesen der Königin, noch auch machen 
v. 875 und 915 den Eindruck, als ob es sich um wenige Purpurdecken 
handele; drittens aber — und das ist die Hauptsache — steht ἂν ηὐξά- 
unv „ich würde gelobt haben“ in einem unlösbaren Widerspruche mit 
κύόμιστρα μηχανωμένη, denn um „Dank für die Zurückbringung des 
Königs‘ kann sich Klyt. doch erst jetzt, nach seiner Rückkehr, bemühen, 
nicht kaun sie das bereits vorher getan haben. So dürfte denn au der 
Unechtheit von ἂν ηὐξάμην nicht mehr zu zweifeln sein: ich hoffe viel- 
mehr auf Zustimmung, weun ich schreibe πολλῶν πατησμὸν δ᾽ εἰμάτων 
ἂν ηὔξανον | πολλοῖσε προὐνεχϑέντος — μηχανωμένῃ d.h. „ich würde 
(jetzt) die vielen niederzutretenden Teppiche noch um viele vermeh- 
ren, weıun mir bei meinem Bemühen den Dank für Agamemnons Rettung 
zu zahlen ein Wink dazu an Orakelstätten gegeben würde.“ Wie leicht 
ηὔξανον unter dem Einfluss von ηὔξω v. 900 in ηὐξάμην verlesen wer- 
den konnte, liegt auf der Hand; πολλοῖσι aber konnte um so eher in 
δόμοισι corrumpiert werden, da dies Wort als Glosse zu χρηστηρίοις 
hinzugeschrieben sein mochte. 

Die folgenden beiden V. 933 und 34 motivieren nun in correcter 
Weise die Ueberschwänglichkeit der in diesem Falle geschuldeten xot- 
στρα. „Denn“, sagt Klyt., „schon da die Wurzel nur lebte, reichte ihr 
Laub bis hierher ins Haus“. Die 6/f« ist der im Troerlande weilende 
Agamemnon, die φυλλᾶς seine von da bis nach Hause reichende Wirk- 
samkeit, die den Seinen Schutz gegen die Feinde verlieh. Wie gross 


«» 











352 COMMENTAR. 


also müssen die κόμιστρα dieses Lebens sein! — So gefasst ‚tist der Ge- 
danke durchaus nicht tautologisch mit v. 937—39, wo der volle Segen 
des im Hause weilenden Agamemnon geschildert wird. Zu ῥίζης οὔσης 
vgl. Od. VI, 287 πατρὺς καὶ μητρὸς ἐόντων. Aber die gewöhnliche Les- 
art σκιὰν ὑπερτείνασα σειρίου κυνός leidet an einem schweren gramma- 
tischen Fehler; das ὑπέρ in dem Part. kann sich doch nur darauf beziehen, 
dass das Laub den Schatten ü ber das Haus hinbreitet, wovon soll dann 
aber der Gen. osıolov κυνός abhängen? Naegelsbach meint, ὑπέρ sei 
zweimal zu denken: σκιὰν ὑπὲρ δόμων τείνασα ὑπὲρ d. h. ἀντὶ σειρέου 
κυνός. Unmöglich. Vielmehr ist κυνός ohne Frage nur Glosse‘ zu dem 
für sich allein sehr verständlichen Zero/ov, und diese Glosse hat einen 
Acc., von dem Σειρέου abhing, verdrängt. Ich schreibe daher Σειρέου 
σκέπην. Hesych σκέπη σκέπασμα. 

Mit v. 935 wendet sich Klyt. wieder an ihren mittlerweile auf der 
Skene angelangten Gemahl „und vollends da du jetzt wieder an deinen 
heimischen Herd kommst, empfinden wir Wärme im Winter, Kühlung in 
Sommerglut‘“. Dieser Gedanke, nicht im entferntesten eine Wiederholung 
von v. 933, und phantasiereicher und schöner ausgedrückt als der ähnliche 
den Schneidewin aus Goethe citiert („Sonnenhitze war er am kalten Tag, 
und brannte der Sirius, war er Schatten und Kühlung“‘), ist hier so ein- 
zig passend, dass es Versündigung an Aeschylos ist, wenn Ahrens v. 937 
bis 939 als unecht tilgen will. Aber v. 936 enthält noch in σημαένεις 
μολόν einen grammalischen Fehler, den wir dem Dichter nicht aufbürden 
dürfen: die Struktur σοῦ μολόντος — σημαίνεις wäre in einem so knap- 
pen Satz, der keine Anakoluthie zulässt, unerhört. Aber auf die leichteste 
Art ist Heilung geschafft, wenn wir ϑαλπος (wie das correlative ψῦχος) 
als Subjekt fassen und dann σημαένει μολόν lesen d. h. „die Wärme tut 
ihre Ankunft kund“. Diese Struktur liebt Aeschylos sehr, vgl. v. 278 und 
Wunderlich obs. crit. in Aeschyl. p. 100. — Dass der Dichter das Gegen- 
bild von der Kühlung im Sommer (ebenso wie Goethe) in Vorder- und 
Nachsatz voller ausführt, mag seinen Grund darin haben, dass er im 
Winter diese Tragödie schrieb, sodass ihm die Vorstellung von „Wärme 
im Winter‘ näher lag als das Gegenbild. Für τότ᾽ ἤδη wollte der ge- 
schmackvolle Auratus 70% ἡδύ lesen, doch bemerkt Schneidewin sehr 
gut „zor’ ἤδη, schon dann, während das natürliche ψῦχος erst im 
Spätherbst eintritt“. 

Durch ἀνδρὸς τελείου wird Klyt. erinnert ein zweideutiges Gebet an 
Ζεὺς τέλειος zu richten: zwischen solchen ähnlich klingenden Worten 
sahen die Griechen einen mystischen Zusammenhang. Vgl. ausser dem 
von Schneidewin angeführten auch Od. oe, 50 εὔχεο πᾶσι ϑεοῖσε TEAN- 
᾿ ἔσσας ἑκατόμβας ῥέξειν, αἴ κέ ποϑι Ζεὺς ἄντιτα ἔργα τελέσσῃ. 


Chorgesang v. 942—993. 


Erste Strophe. Sicher genug ist es dass der Chor eben jetzt, 
wo Agamemnon auf der Höhe seines Glückes steht, mit Angst an seine 
schwerste Schuld, Iphigenias Opferung, denkt und dass daher die 





COMMENTAR. - 353 


trüben Ahnungen stammen, welche diesen ‚Chorgesaug durchdringen. 
Der Schatten der geopferten Jungfrau steht den Greisen vor Augen: ge- 
nannt werden durfte sie mit dem sich an ‚Ihre Person knüpfeuden Ver- 
brechen nicht, das wäre Entweihung des εὔφημον ἡμαρ gewesen, aber 
nach dem ganzen Verlauf der Tragödie, namentlich nach ν. 233—39, 
konnte kein Zuschauer darüber in Zweifel sein, welches Schreckbild dem 
Chor vor Augen stehe und wo die Quelle seiner bangen Ahnungen sei. 
Darum hätten sich aber die neueren Herausgeber v. 943 nicht mit der 


Conjectur des Triclinius δεῖμα für das unhaltbare δεῖγμα des Flor. zu- . 


frieden geben sollen: nicht eine „Angst“ flattert vor dem hellsehenden 
Herzen, sondern etwas concretes, ein Gespenst; wird dies etwas doch 
geradezu mit „wirren Traumbildern“ v. 947 verglichen. Sicherlich schrieb 
also der Dichter δέργμα προστατήριον „eine vorschwebende Vision‘. 
Hesych δεργμάτων ὄψεων. ‚Dieses δέργμα ist es auch, dessen aoıda 
v. 945 genannt wird: es weissagt, ohne von den Greisen gerufen oder 
gedungen zu sein (ἀμισϑὸς synonym mit ἀκέλευστος, cf. Choeph. 720 
λύπη δ᾽ ἀμισϑός ἐστί σοι ξυνέμπορος). 

Im folgenden giebt nun Flor. οὐδ᾽ ἀποπτύσας δίκαν | δυσκρίτων 
ὀνειράτων | ϑάρσος εὐπιϑὲς ἴξει Ι φρενὸς φίλον ϑρόνον. Farn. ἀπο- 
πτύσαι mit der Glosse ὥστε ἀποβαλεῖν τοῦτο und ἔξει statt ἴξει. Das 
letztere corrigiert Scaliger in ἔξει und ihm folgt Hermann, ἀποπτύσας 
beibehaltend und Porson nebst Blomfield tadelnd, dass sie „construclio- 
nis mutaltione non perspecta‘“ die Gonjectur ἀποπτύσαν aufgenommen 
haben. Aber in dieser Coustituierung des Textes ist noch vieles fehler- 
haft. Zunächst die Rhythmen in ϑάρσος εὐπιϑὲς ἵξει. Die Gegenstrophe, 
welche untadelige Rhythmen in σπλάγχνα δ᾽ οὔτοι ματάξει πρὸς ἐνδί- 
κοις φρεσίν aufweist (katalekt. troch. Tetrameter mit Synkope nach der 
zweiten und der vierten Arsis), ist erst durch Casaubonus verdorben, in- 
dem er οὔτοι in οὔτε verwandelt. Richtig dagegen ändern Rossbach und 
Westphal die Strophe, indem sie εὐπειϑὲς für εὐπιϑὲς schreiben. Aber 
auch die Construction des Hermannschen Textes liegt sehr im Argen. 
Der absolute Nom. ἀποπτύσας. den Hermann hier nach seiner Gewohnheit 
anniınmt, ist darum nicht zu ertragen, weil in diesem kurzen knappen 
Satz nicht von einer Anakoluthie die Rede sein Κη} ; wir haben vielmehr 
im nachfolgenden, da des Flor. ἴξει ohnehin eine Corruptel indiciert, ein 
Subjekt zu suchen, woran sich ANONTVORG, die evident echte Lesart, an- 
schliessen könne. Indem ich nun in ἔξει ΟἼΧΟΕΙ) einfach ein durch 
Versetzung zweier Buchstaben verschriebenes ἴσχει erkenne, muss zu die- 
sem Prädikat „hält fest‘ ϑάρσος εὐπειϑές natürlich Objekt, nicht Subjekt 
sein, und es bleibt nur übrig in φρενὸς φίλον ϑρόνον das Subjekt des 
ganzen Satzes zu suchen. So schreibe ich die Stelle mit völlig correcter 
Struktur οὐδ᾽ ἀποπτύσας δίκαν | δυσκρίτων ὀνειράτων | ϑάρσος εὐπει- 
ϑὲς ἴσχει φίλων φρενῶν ϑρόνος; „und warum hält nicht der Tron 
meines Herzens, das Schreckbild nach Art wirrer Traumbilder abweisend, 
mutige Zuversicht fest?‘ Meine Aenderung aber, die einerseits notwendig 
scheint, ist andrerseits nicht zu kühn. Waren in DIAON OPENON 


AESCHYL. AGAMEMNON. 23 





354 COMMENTAR. 


ΘΡΟΝΟΟ durch ein Versehen der Abschreiber, das nur zu häufig vor- 
kam, die Endungen der beiden letzten Wörter vertauscht, sodass man las 
OPENOC OPONON, so musste auch das vermeintliche φίλον (φέλων) 
an ϑρόνον heranrücken, und die Umstellung von φέλον φρενός erfolgte 
mit einer gewissen Notwendigkeit. Dass übrigens, auch abgesehen von 
dem Zusammenhang unserer Stelle, die Verbindung φέλων φρενῶν mehr 
in  Aeschylos’ Geiste ist, als φίλον ϑρόνον, zeigen Beispiele wie φέλον 
κέαρ) φίλη ψυχή u. 5. w. 

v. 950 84. lauten nun im Flor. χρόνος δ᾽ ἐπεὶ πρυμνησίων ξυνεμ- 
βόλοις ψαμμίας ἀκάτα παρήβησεν. Merkwürdig dass hier fast alle neue- 
ren Herausgeber und Erklärer das verbürgte χρόνος δ᾽ ἐπεί antasten, um 
ein Subjekt zu παρήβησεν zu gewinnen. Selbst der überängstliche 
Naegelsbach nimmt die Conjecturen des Triclinius ἐπί für ἐπεί, ἀκάτας 
für ἀκάτα, ausserdem Schneiders ξυνεμβολαῖς auf, und doch ist χρόνος 
δ᾽ ἐπεί so evident richtig, da der Chor sagen muss: „Und doch ist eine 
lange Zeit verstrichen seit — Iphigenias Opferung“. Das hat erst Ahrens 
gesehen, welcher vergleicht Ag. 40 δέκατον μὲν ἔτος τόδ᾽ ἐπεί κτλ. und 
Soph. Aj. 601 παλαιὸς ἀφ᾽ οὗ χρόνος. Dass aber χρόνος für πολὺς χρό- 
νος steht, erklärt sich einfach aus einer in allen Sprachen erlaubten 
Prägnanz: „es ist eine wirkliche Zeit seitdem etc.‘ d. h. „soviel ist ver- 
strichen, dass man von einer Zeit hier sprechen kann“. Ebenso sagen 
wir „es ist eine Zeit her“, und in dem gewöhnlichen Dativ χρόνῳ, der 
ohne weiteren Zusatz das Gegenteil von βραχεῖ χρόνῳ ist, steckt ganz 
dieselbe Prägnanz. — Auch in den folgenden Worten ist lange nicht 
soviel verdorben, wie man gewöhnlich annimmt. Natürlich sollen sie eine 
Umschreibung für Iphigenias Opferung sein: diese selbst durfte und wollte 
der Chor nicht nennen, er setzt also dafür, was damit identisch war, den 
lang ersehnten endlichen Aufbruch von Aulis. In diesem Ge- 
danken kann πρυμνησίων keinen anderen Siun haben, als dass die Halt- 
taue, mit denen der Schiffsspiegel am Strande befestigt gewesen ist, als 
gelöst oder gekappt bezeichnet werden. Dann leuchtet aber auf der 
Stelle ein dass auch das einstimmig überlieferte ξυνεμβόλοις echt ist, 
nur zu lesen ξὺν ἐμβόλοις. Natürlich sind unter diesen ἔμβολα nicht die 
Eisenschnäbel der Kriegsschiffe zu verstehen, sondern die im Sande ein- 
gerammten Pfähle, an welche in Ermangelung von Bäumen (Ovid. Fast. 
IV, 331 Nox aderat, querno religant a stipite funem) die πρυμνήσια 
festgebuuden wurden. Zufällig ist sonst nirgends ἔμβολον in dieser Be- 
deutung erhalten, aber da es alles, was hineiugesteckt, hineingerammt 
wird, bezeichuen kann und da das Synonymum καταπήξ.9 das selbst die 
Bedeutung „Pfropfreis“ mit ἔμβολον teilt, nachweisbar auch den Ramm- 
pfahl bezeichnet, so ist nicht zu bezweifeln dass auch ἔμβολον die ihm 
hier vindicierte Bedeutung hat. Ergeben sich also aus der Ueberlieferung 
von selbst die Begriffe „Halttaue‘ und ‚‚mit Rammpfählen‘“, so verlangen 
wir durchaus den weiteren Begriff „Verknüpfung“, „Verknotung“, und 
dieser steckt ohne Zweifel in dem verdorbenen ἀκάτα, das ebenso nnios 
wie unrhythmisch ist (denn nur reine Trochäen sind hier statthaft). 


͵ 








COMMENTAR. 355 


muss Aeschylos geschrieben haben πρυμνησίων ξὺν ἐμβόλοις ψαμμίας 
ἁφάς „die im Sande stattfindenden Verknüpfungen der Halttaue mit den 
Rammpfäblen“. (Vgl. Polyb. 6, 23, 11: ἐν τῷ πυϑμένε καὶ τῇ πρὸς τὸ 
ξυλον συναφῇ.) Die Corruptel ἀκάτα aber beruht ohne Zweifel auf der 
Glosse ἄμματα, die ‚als gewöhnlicher Ausdruck für „Verknotung“ zur Er- 
läuterung über &p«s gesetzt ward. Uebrig ist nun noch ein Verbum zu 
suchen, von dem dies Objekt abhängen könne, und zwar muss dies Ver- 
bum den Begriff des Lösens enthalten. Hierfür bietet sich nur noch παῤή- 
Pnsev dar, das allerdings bisher von fast allen Kritikern für den einzigen 
festen und sicheren Punkt in dieser schlüpfrigen Partie gehalten ward, 
aber mit grossem Unrecht. Denn mochte man nun παρήβησεν als Pradi- 
kat zu χρόνος fassen (Hermann und andere) oder zu ναυβάτας στρατός 
oder zu ἀγά (statt ἀκάτα,, Ahrens), so musste man sich immer sagen 
dass der plastische Stil des Aeschylos das Verbum παρηβὰν nie anders 
gebrauchen konnte als in dem einzig natürlichen Sinne „über die Jahre 
der ἥβη hinauskommen“ , dass also an unserer Stelle das so gesund aus- 
sehende Wort παρήβησεν schlechterdings nicht zu gebrauchen war. 
Aeschylos schrieb vielmehr Ψαμμίας ἁφὰς παρέκλυσεν und Subjekt dazu 
ist das Subjekt des Nebensatzes ναυβάτας στρατός. Dann haben wir den 
correkt und sicher ausgedrückten Gedanken: „Und doch ist es schon 
lange her, seit das Schiffsvolk die im Ufersand haftende Verknüpfung der 
Halttaue mit den Rammpfählen längs dem Ufer (παρ-} hin löste, als es 
nämlich gen Ilion aufbrach“. 

Meine Emendation der schwierigen Stelle lehnt sich so genau an die 
Ueberlieferung an und giebt mit geringen diplomatisch höchst wahrschein- 
lichen Aenderungen einen so durchaus befriedigenden Sinn, dass sie schon 
an und für sich Anspruch auf Probabilität haben dürfte: unverhofft aber 
erhält sie auch eine merkwürdige Bestätigung von aussen her. Hesych 
hat unmittelbar nach παρεκλήϑη die rätselhafte Glosse παρέκλησε παρῆλ- 
εν. bei welcher man bisher weder mit dem zu erklärenden Wort noch 
mit der Erklärung etwas anzufangen wusste. Statt παρέκλησε vermutete 
man παρέπλησε oder παρήλασε oder, was nach der Buchstabenfolge das 
einzig wahrscheinliche war, παρέκλυσε: aber auch dazu wollte die Er- 
klärung παρῆλϑεν nicht passen. Vergleichen wir aber die äschylische 
Stelle, welcher offenbar die Glosse entnommen ist, so ergiebt sich sogleich 
dass bei Hesych zu lesen ist παρέκλυσε παρέλυσεν. Wie unter dem Ein- 
fluss des eben vorausgegangenen παρεκλήϑη aus παρέκλυσε jenes rälsel- 
hafte παρέκλησε entstehen konnte, leuchtet ein; aber auch παρῆλϑεν 
oder vielmehr MAPHAYOEN ist nur ein sehr einfacher Lesefehler für 
MAPEAYCEN. — Nach dieser Bestätigung meiner Emendation aus Hesych 
wird es kein Bedenken weiter erregen, dass magexAveıv „der Länge nach 
‚heraus lösen“ sich sonst nicht findet. ’ 

Der Schluss der Strophe lautet nun εὖϑ᾽ ὑπ᾽ Ἴλιον  ὥρτο ναὐβά- 
tag στρατός. Das giebt zwar den πηϊδο] ρθη. Gedanken: „das Schiffs- 
volk löste die Halttaue, als es gen llion aufbrach“; aber dennoch kann 
Aeschylos so nicht geschrieben haben, die kurze Schlusssylbe in Ἴλιον 


23* 


356 COMMENTAR. 


ist unerträglich, denn es ist ein festes Gesetz unseres Dichters dass in- 
mitten katal. trochäischer Reihen selbst am Ende des einzelnen Verses 
nie syllaba anceps steht. Schon a priori ist es nicht wahrscheinlich dass 

eine Kürze den χρόνος reionuos, der die synkopierte Thesis mit enthält, 
sollte vertreten können: aber es giebt auch unter den mehr als 200 Bei- 
spielen katalektisch trochäischer Verse bei Aeschylos nur 5 Fälle, wo 
im Verlauf eines trochäischen Systems eine Kürze statt des χρόνος τρί- 
σημοὸς zu stehen scheiut, und diese 5 Fälle forderu entweder eine 
Emendation oder lassen wenigstens eine solche sehr leicht zu. Am augen- 
scheinlichsten ist dies Eum. 503 μηδέ τις κικλησκέτω | ξυμφορᾷ τετυμ- 
μένος | τοῦτ᾽ ἔπος ϑροούμενῦς:" | ὦ δίκα, ὦ ϑρόνοι τ᾽ Ἐρινύων. Hier 
geben die codd. io δίκα, ἰὼ ϑρόνοι κτλ.» offenbar falsch, wie der Rhyth- 
mus an sich und das Metrum der Gegenstrophe beweisen: aber das durch 
Pauws unglückliche Conjectur hereingebrachte und treu bewahrte ὦ ἰοὶ 
nicht nur wegen der dadurch belassenen Kürze in ϑροούμενος und wegen 
des Hiatus nach δίκα, sondern auch des Gedankens wegen zu verwerfen. 
Aus dem überlieferten ἰώ ist vielmehr herzustellen πῶ δίκα, πῶ ϑρόνοι 
τ᾿ Ἐρινύων; „Weun wir jetzt verachtet werden‘, sagen die Erinyen, 
„so rufe in Zukunft Niemand mehr, wenn er von einem Unglück betroflen 
wird, dies Wort: Wo ist denn Dike? wo der Tron der Erinyen, der mich 
schützen sollte?“ Hesych πῶ ποῦ. Darnach hat Hermann Agam. 1475 
πῶ richtig hergestellt. — Eum. 520 liest man μήτ᾽ ἀνάρχετον βίον | μήτε 
δεσποτοὐμενὸν | αἰνέσῃς. Hier ist die Gorruptel schon dadurch indiciert, 
dass man aus αἰνέσῃς einen eigenen Vers zu machen genötigt ist: es ist 
aber eine rhythmische Notwendigkeit dass αἰνέδῃς noch zum vorhergehen- 
den Verse gehört (wie in der Gegenstrophe μηδέ: vıv) und mit ihm eine' 
trochäische Hexapodie bildet. Es ist also, da der Med. ἄναρκτον bietet, 
zu lesen μήτ ἀνάρκτων βίον | μήτε δεσποτουμένων αἰνέσῃς. Vgl. 
Ag. 743 τῶν δ᾽ ἐναισίμων τίει βίον. In der „Gegeustrophe heisst es dann 
mit Tilgung des üherflüssigen δέ: ἐς τὸ πᾶν σοι λέγω κτλ. — Hik. 154 
ist in νῦν ἔχων παλίντροπον | ὄψιν ἐν λιταῖσιν das Verbum ἔχων viel 
zu kahl (ὄψιν ἔχειν heisst sonst „einen Anblick gewähren“), auch hat 
das stark hervorzuhebende παλίντροπον nicht die ‚rechte Stellung; es 
wird also zu lesen sein νῦν παλίντροπον βλέπων | ὄψιν ἐν λιταῖσιν. — 
Hik. 1034 in Ζεὺς ἄναξ ἀποστεροίη γάμον δυσανορᾶ | δάϊον wäre die 
kurze Schlusssylbe des Verses vielleicht zu ertragen, da ein andersartiger 
Rhythmus folgt, doch wäre sehr einfach die Emendation δυσάνορ᾽ Ἢ 
daiov: die Interjection des Schauders wäre hier ganz an ihrem Platze. — 
Aehnlich ist Ch. 597 μήσατο | πυρδαῆ τινὰ κτλ. zu verbessern in μήσατ᾽ 
ὦ | πυρδαὴ κτλ. (wie Seidler v. 930 statt ἐπολολυξάτω richtig schreibt 
ἐπολολύξατ᾽ ὦ). 

Nach diesen Emendationen der wenigen gegen das Gesetz verstossen- 
den Stellen kann nicht bezweifelt werden dass in εὖὐϑ᾽ ὑπ᾽ Ἴλμον die 
Kürze der letzten Sylbe fehlerhaft ist. Die Verbesserung liegt auf der Hand: 
Aeschylos schrieb mit nachdrücklicher Hervorhebung des nicht Pic! 
tiven, sondern prädikativen ναυβάτας se: eure ναυβάτας | ὦρϑ᾽ © 





COMMENTAR. 357 


Ἴλιον στρατός. die Abschreiber aber rückten nach ihrer Gewohnheit, da 
sie es ohne Beeinträchtigung des Metrum tun zu können glaubten, das 
Adj. an das Subst. heran. Nun bildet also bloss στρατός das Subjekt zu 
παρέκλυσεν und eingeschoben ist der Satz „als es (das Heer) zu Schiffe 
gen llion zog“. 

‚Erste Gegenstrophe. Dass v. 961 nach den codd. σπλάγχνα 
δ᾽ οὔτοι (nicht mit Hermann οὔτι) zu lesen ist, habe ich schon bemerkt, 
doch scheint es mir auch unzweifelhaft dass mit diesen Worten das 
rhythmisch dazu gehörige πρὸς ἐνδίκοις φρεσίν zu verbinden ist, wie 
auch in der Strophe mit ϑρόνος an entsprechender Stelle der Satz ab- 
schliesst. (Die alten Ausgaben haben keine Interpunktion nach uereße:.) 
Eben die ἔνδικοι φρένες, welche wissen παϑεῖν τὸν ἔρξαντα, dass also 
aus Iphigenias Opferung Unheil entspringen muss, motivieren den Satz 
„das Herz treibt sicherlich keine Torheit“. Aber nun heisst es weiter in 
der Ueberlieferung τελεσφόροις δίναις κυκλούμενον κέαρ. und dies soll 
Apposition zu σπλάγχνα sein. Mit Recht nennt Hermann eine solche 
Ausdrucksweise schwülstig, und noch dazu enthielte der Satz „das in er- 
füllungsgewissen Wirbeln umkreisende Herz treibt nicht Torheit“ 
eine unwürdige Tautologie. Aber wann wird man denn aufhören, dem 
correctesten Stilisten, den die Welt gesehen hat, Schwulst und Tauto- 
logien aufzubürden? Man setze nur nach Anleitung der Strophe hinter 
φρεσίν ein Punktum und schreibe mit unbedeutender Veränderung 
τελεσφύροις δίναις κυκλοῦτ᾽ ἐμὸν κέαρ : dann schliesst sich dieser neue 
Satz mit energischem Asynd. advers. an den vorhergehenden an, um den 
. Hauptgedanken des Gesanges in schärfstem Ausdruck hinzustellen. 

Was sind nun aber τελεσφόροι δῖναι. in denen das Herz herumge- 
wirbelt wird? Anzunehmen dass der Dichter die δῖναι nur deshalb 
τελεσφόροι genannt hätte, weil die bildlich angedeuteten Ahnungen als 
erfüllungsgewiss bezeichnet würden, hiesse die äschylische Bilderplastik 
verkennen und statt grossartiger Phantasien Schwulst ihm zuschreiben ; 
es muss für ihn in der Natur oder im Menschenleben wirkliche τελεσφόροι 
δῖναι gegeben haben. Diese finde ich nur bei der Schleuder: von ihr, 
glaub’ ich darum, ist das ganze Bild, auch die folgende Wendung ἐξ 
ἐλπίδος ψύϑη πεσεῖν ἐς τὸ μὴ τελεσφόρον entlehnt. Die herumkreisende 
Schleuder ist die ἐλπές , der herumgeschwungene Stein das Herz mit sei- 
nen treffenden Ahnungen, das Ziel — der Tod Agamemnons. Nichts also 
vom Bild des Würfelfallens bei πεσεῖν. wie z. B. Schneidewin meint; 
nichts von einer Deutung des ἐξ ἐμᾶς ἐλσοίδος als „gegen meine Er- 
wartung‘“, was ganz sprachwidrig wäre. 

v. 965 giebt Flor. εὔχομαι δ᾽ ἐξ ἐμᾶς ἐλπίδος, trotzdem aber gründet 
selbst der conservative Naegelsbach ‚seine Textbildung auf die Gonjectur 
des Triclinius. Es ist einfach , um εὔχομαι („freilich , ich bete‘“) hervor- 
zuheben, zu schreiben εὔχομαι δέ γ᾽ ἐξ ἐμᾶς | ἐλπίδος κτλ. 

Zweites Strophenpaar. --- Die zweite Strophe ist namentlich 
in der ersten Hälfte, weil hier im cod. Alex. eine schlimme Beschädigung 
die Zeichen fast unleserlich gemacht hatte, so lückenhaft und mit Glos- 


358 COMMENTAR. 


semen versetzt, dass die Kritik ins Blaue hinein arbeiten würde, wenn sie 
an eine mehr oder minder wahrscheinliche Restitution ginge, ehe die 
Rhythmen festgestellt sind. Darum ist es notwendig, vorher den Text der 
zweiten Gegenstrophe, die bei weitem weniger verdorben ist, ius Reine 
zu bringen. Deun auch hier fehlt noch viel, dass die bisherigen Heraus- 
geber alles geordnet hätten. 

Zunächst ist es noch immer zweifelhaft, ob v. 981 das verdorbene 
πεσόνϑ᾽ ἅπαξ mit Porson in ἁπαξ πεσὸν oder mit Pauw und Hermann iu 
πεσὸν ἀπαξ zu ändern ist. Rhythmisch sind beide Lesarten gleich be- 
rechtigt, denn auf alle Fälle bildet v. 981 eine trochäische Hexapodie, nur 
dass die Aenderung von Pauw eine Synkope mehr (nach der zweiten Arsis) 
statuiert. Aber die diplomatische Wahrscheinlichkeit spricht für πεσὸν 
ἅπαξ. Zwar bemerkt Weil: „recte Porsonum verba transposuisse , ϑ 
indicio est, quae litlera ex prislino verborum ordine voci 1E00V adhae- 
sit“. Aber dies Argument ist nur scheinbar: gerade wenn πεσόν vor 
ϑανάσιμον gestanden hätte, wäre nie ein Abschreiber in Versuchung ge- 
kommen ein gar nicht existierendes πεσόνϑ' zu schreiben. Dagegen er- 
klärt sich das überlieferte πεσόνϑ᾽ ἅπαξ einfach daraus, dass man fehler- 
haft einmal gelesen hatte τὸν δ᾽ ἐπὶ γᾶν πεσόνϑ᾽ ἅπαξ ϑανάσιμον, 
indem man glaubte, es handle sich um eine Person, die vom Tode zu- 
rückzurufen wäre. Ich lese also τὸ δ᾽ ἐπὶ γᾶν πεσὸν ἅπαξ ϑανάσιμον: 
so kehrt dreimal die trochäische Dipodie in derselben Form ‚wieder 
Bun.) 


„Aber nun lautet die vulg. weiter προπάροιθ᾽ ἀνδρὸς μέλαν αἷμα 


τίς ἂν | πάλιν ἀγκαλέσαιτ᾽ ἐπαείδων. Das wäre ein anapäst. Dimeter . 


mit einem Paroemiacus. Aber wie, fragt erschrocken das an äschylische 
Rhythmen gewöhnte Gefühl, wie kommen anapästische Reihen in diese 
trochäischen Strophen hinein? Nur ein einziges Mal finden sich sonst bei 
Aeschylos Anapäste mit Trochäen in einer Strophe vereinigt, Hik. 144, 
aber dort bilden die alloiometrischen Reihen den scharf begrenzten 
Schlussteil der Strophe, und die Anapäste bewegen sich dort feierlich in 
schweren Contractionen, während wir hier einen regelrechten Dimeter 
mit Paroem. haben und noch dazu zwischen trochäisch-daktylischen 
Reihen. Dieser Wechsel der Tonart, nicht nur in derselben Strophe, son- 
dern in demselben Satze, ist etwas nicht nur bei Aeschylos, sondern bei 
allen Tragikern unerhörtes. Gesetzt nun, diese Metra würden uns von 
unverdächtigen Handschriften rein und klar so dargeboten, dass sie einen 
angemessenen Gedanken schön ausdrückten, so müssten wir ja freilich 
auf Treu und Glauben sie hinnehmen. Aber es ist ja bekannt, wie die 
florent. und die farnes. Haudschrift manche Chorverse in iambische oder 
anapästische Reihen, die ihren Abschreibern geläufigsten Formen, erst 
umgewandelt haben; und (um von der fürchterlich verdorbenen Strophe 
noch nicht zu reden) in der Gegenstrophe hat bloss Farn. (höchst wahr- 
scheinlich nach Triclinius’ Conjectur) die vollen und reinen Anapäste, 
welche in der vulg. gangbar sind, während Flor. statt προπάρονϑ᾽ av- 
ὅδρός ganz sinnlos πρόπαρ ἀνδρός bietet. Selbst jenes προπάροιϑε ist 








COMMENTAR. 359 


noch von Niemandem befriedigend erklärt: ob man es lokal oder temporal 
fasst, immer erscheint es überflüssig , störend, unäschylisch. Da war es 
denn duch in der Tat längst gewiesen, auf das πρόπαρ des Flor. als die 
echtere Lesart zurückzugehen und durch Verbesserung dieser verdorbenen 
Zeichen kyklische Daktylen herzustellen, wie sie einzig und allein — 
das zeigt ein flüchtiger Blick auf die Rhythmik des gauzen Chorgesanges 
— in diese truchäischen Strophen hineinpassen. So zweifle ich denn 
kaum dass πρύπαρ verdorben ist aus πῶς (das zunächst verlesen ward in 
πρό, worüber dann, da πρὸ ἀνδρός unmöglich geduldet werden konnte, 
aus Conjectur ein map gesetzt ward) und dass Aeschylos den ganzen 
Satz so geformt hat: 


τὸ δ᾽ ἐπὶ γᾶν πεσὸν ἅπαξ ϑανάσιμον 
πῶς ἀνδρὸς μέλαν αἷμά τις ἂν πάλιν 
ἀγκαλέσαιτ᾽ ἐπαείδων ; 


Danu haben wir im Anschluss an die trochäische Hexapodie einen Vers, 
der aus einer daktylischen Tetrapodie mit eben solcher Tripodie besteht, 
einen Vers, der sich ziemlich häufig bei Aeschylos findet, mit und ohne 
Cäsur zwischen den beiden Reihen, z. B. Ag. 140, Pers. 862 und 864, 880, 
884. Gerade 80 lodert gegen das Ende der Strophe das sonst so schmerz- 
lich gedämpfte Gefühl noch einmal auf in zwei (kyklisch) daktylischen 
Tetrapodien. 

Auch die nächstfolgenden Verse sind daktylisch. Flor. giebt οὐδὲ 
τὸν ὀρθοδαῆ τῶν φϑιμένων ἀνάγειν Ζεὺς αὖτ᾽ ἔπαυσ᾽ ἐπ᾿ εὐλαβεία, 
Farn. hat statt der letzten Worte aber ἐπ ἀβλαβείᾳ γε. Daraus macht 
Hermann, um die Rhythmen mit denen der verstümmelten Strophe in Ein- 
klang zu bringen, Ζεὺς δὲ τὸν ὀρϑοδαῆ | τῶν φϑιμένων ἀνάγειν ἔπαυ- 
σεν. Aber diese Restitution, die noch dazu einen viel zu kahlen Gedanken 
enthält, muss man höchst willkürlich nennen, da die durch und durch 
verdorbene Strophe platterdings nicht als Regulator des Metrum gelten 
kann, die Rhythmen aber, welche die Gegenstrophe hier bietet, durchaus 
uutadelig sind. Sie enthalten nämlich eine katalekt. daktylische Tripodie 
(οὐδὲ τὸν ὀρϑοδαῆ), ferner eine daktylische Tetrapodie mit Synkope nach _ 
der dritten und vierten Arsis (τῶν φϑιμένων ἀνάγειν Ζεὺς) und endlich 
eine akatalekt. troch. Tetrapodie. Sehr wohl tut also Ahrens, dass-er auf 
die Ueberlieferung wieder zurückgeht, indem er liest: οὐδὲ τὸν ὀρϑοδαῆ 
τῶν φϑιμένων ἀνάγειν | Ζεὺς ἀπέπαυσ᾽ ἐπ᾽ ἀβλαβείᾳ:; „hat nicht auch 
den Meister der Kunst Zeus gezwungen, davon abzulassen, dass er zu 
vollem Leben aus dem Reiche der Todten zurückführte?‘“ Dann hätte der 
Dichter freilich οὐδέ falsch, für οὐ καὶ gebraucht; ausserdem glaube ich 
zwar dass des Farn. ἐπ᾽ ἀβλαβείᾳ im Vergleich mit ἐπ᾿ εὐλαβείᾳ hei 
weitem den Vorzug verdient, weil jenes durch das Scholion geschützt ist, 
aber ich kann mich nicht überzeugen dass es den von Ahrens gewollten 
Sinn „zu vollem Leben‘ haben könnte. Denu ‚der Stellung nach müssen 
jene Worte durchaus mit ἔπαυσεν, nicht mit dvaysıv verbunden werden. 
Und wenn ferner Farn. hinter ἐπ᾿ ἀβλαβείᾳ noch γέ hat (auch Vict. ἐπ᾽ 


360 . COMMENTAR. 


εὐλαβείᾳ γε). so macht sich Ahrens die Sache wahrlich zu leicht, indem 
er sagt ,.γξέ charakterisiere sich leicht als Eigentum des Triclinius“. 
Was in aller Welt hätte diesen bewegen sollen hier ein γέ anzuflicken, 
wo er au metrische Responsion mit der Strophe gar nicht denken konnte? 
Ja, es wird sich alsbald ergeben, dass dies γέ gar nicht zu entbehren ist. 
Deun verbinden wir ἐπ᾽ ἀβλαβείᾳ ye, wie die Wortstellung verlangt, mit 
ἔπαυσεν. so gewinnen wir den völlig correct ausgedrückten Gedanken 
„nicht einmal dem Asklepios tat Zeus in der Todtenerweckung Eiuhalt 
ohne ihn schwer zu schädigen‘; d. h. „selbst dem A. tat Zeus nur unter 
schwerer Strafe Einhalt“. Hier liegt also der stärkste Nachdruck auf dem 
zuletzt gestellten ἐπ᾿ ἀβλαβεία, wodurch in Verbindung mit οὐδέ der Be- 
griff „unter schwerer Strafe“ sich gestaltet; demnach ist zur Hervor- 
hebung jeues Wortes γέ ganz unerlässlich. Der Gedauke also, wie ihn 
Farn. gieht, ist völlig klar und von correcter Form, aber die Rhythmen 
sind fehlerhaft. Zur Verbesserung derselben leitet mit ziemlicher Sicher- 
heit das Scholion, das offenbar in drei vielleicht von ganz verschiedenen 
Verfassern herrührende Anmerkungen zerfällt: 1) τὸν ᾿Ασκληπιόν (gehört 
zu τὸν ὀρθοδαὴ): 2) ((ἀσκληπιὸν) γὰρ ἐκεραύνωσεν ἀναστήσαντα τὸν 
- Ἱππόλυτον (gehört zu Ζεὺς eur ἔπαυσεν): 3) ὥστε un ἔτι βλαβῆναι 
(gehört zu ἐπ᾽ ἀβλαβείᾳ γε). Nach diesem letzten Scholion ist es klar 
dass statt der metrisch corrupten Worte zu lesen ist ἔτ᾽ ἀβλαβὴ γε. und 
so gewinnen wir den rhythmisch wie stilistisch untadelig ausgedrückten 
Gedanken: „selbst den Asklepios hemmte Zeus in der Todtenerweckung 
nicht so, dass er noch länger unversehrt geblieben wäre“ d.h. „er tödtete 
ihn“. Der Gott Asklepios hatte öfter Todte erweckt, wie man sich denn 
von manchen erzählte, die von ihm ins Leben zurückgebracht worden 
seien; endlich aber schickte Zeus die schwere βλαβή, von welcher Pind. 
Pyth. II erzählt. — Die Veranlassung zur Corruptel gab die Verschrei- 
bung von ἔτ᾽ in ἐπ᾽, wodurch das Subst. nötig gemacht ward. 

Aber es ist noch eine Schwierigkeit nach. Allerdings ist es unzweifel- 
haft dass unsere Stelle sich auf Asklepios bezieht: das Scholion sagt es, und 
dies ist in einer so posiliven Augabe sicher aus der Quelle von.Gramma- 
‚ tikern geflossen, die wohl wussten, was sie schrieben. Aber hätte Aeschy- 
los diesen Gott einfach mit dem Adj. den „wahrhaft gelehrten‘ bezeichnen 
dürfen? welcher Zuschauer hätte das verstanden? zumal da Chiron und 
manche andere viel eher auf jenes Epitheton hätten Anspruch machen 
können. Und noch dazu heisst 00905 „gerade, aufrecht‘, und diesen 
Sinn bewahrt es in allen Compositionen: wie könnte dann ὀρϑοδαής 
“ einen „hochgelehrten“ bezeichnen? So scheinen sich unsere Gelehrten in 
dieser Deutung als sehr wenig ὀρϑοδαεῖς bewiesen zu haben. — Leiten 
wir dagegen dies dunkle Wort von d&os, δαέω ab (wie πυρδαής in den 
Eum.), so heisst es ganz correct „der aufrecht, in die Höhe flammende“, 
und erinnern wir uns nun, dass der Knabe Asklepios in seinem Hauptsitze 
‘ Epidauros als ein Kind, von dessen Haupte ein Lichtglanz ausgeht, dar- 
gestellt wird und dass sich daher bei Hesych die Worte ᾿Δγλαόπης und 
Αἰγλαήρ, sonst verschollen, als alte Cultusnamen von Asklepios finden, 














COMMENTAR. 361 


so dürfte kaum zu zweifeln sein dass auch an unserer Stelle Ὁρϑοδαής 
„der empor flammende‘“ alsEigenname, der deutlich und klar den Gott 
Asklepios bezeichnet, zu fassen ist. — Dabei will ich eine wohlberech- 
tigte Vermutung nicht zurückhalten. Da der Gott vorzugsweise auf ein- 
samen Berggipfeln, wo die frische reine Luft eine wesentliche Stärkung 
der Gesundheit war, seine Cultusstätten hatte, so lautete der Name viel- 
leicht Ὀρϑροδαής „der in der Morgendämmerung flammende‘; denn 
Morgens, wenn das Tal noch in tiefem Schatten liegt, erscheint der Berg- 
gipfel schon hell erleuchtet. 

Sehr schwierig ist die Erklärung von ν. 986 sq. εἰ δὲ μὴ τεταγμένα] 
μοῖρα μοῖραν ἐκ ϑεῶν | εἶργε μὴ πλέον φέρειν. Auch die neueste Inter- 
pretalion von Ahrens befriedigt in keiner Weise. Er deutet nämlich: 
„wenn nicht die festhbestimmte μοῖρα (der Götter) hinderte dass die μοῖρα 
(der Menschen) von den Göttern her einen Gewinn zöge d. ἢ. wenn es 
nicht unmöglich wäre dass die Götter wider das Geschick Hülfe brächten‘“. 
Aber abgesehen davon dass die Ergänzungen ϑεῶν und βροτῶν resp. zu 
μοῖρα und μοῖραν mehr als gewaltsam sind, denn sie werden durch den 
Zusammenhang durchaus nicht an die Hand gegeben, und dass die Ver- 
bindung von πλέον φέρειν mit ἐκ ϑεῶν gegen die Wortstellung streitet, 
so steht der ganze von Ahrens herausgebrachte Gedanke in geradem 
Gegensatz zu dem Glauben des frommen Aeschylos. Denn dessen Iheolo- 
gische Weisheit gipfelt sich ja eben in dem erhabenen Satze, dass die 
Götter nach ewiger Moira regieren und nicht von derselben äusserlich 
beengt werden; bei ihm kann also nie davon die Rede sein, dass die 
Himmlischen mit der Moira in Widerspruch wären. — Von solchem sach- 
lichen Fehlgriff ist natürlich nichts bei Naegelsbach zu finden, der gerade 
in die religiöse Weisheit unseres Dichters mit so tiefem und innigem 
Verstäudniss eingedrungen ist. Mit der ihm eigenen Spürkraft für den 
durch des Dichters religiöse Anschauung bedingten Zusammenhang scheint 
er auch hier beinahe das richtige geahnt zu haben, aber indem er über- 
setzt „Nisi me locus is ac modicus dignitatis guam oblineo gradus pro- 
hibuisset, ne profarer quae sentio de rebus Agamemnonis scelus divina. 
lege conseculuris ete.‘‘, geht er mit dem grammatischen Zusammenhang 
der überlieferten Worte äusserst willkürlich um: τεταγμένα μοῖρα soll 
„das dem Chor bestimmte Lebensloos“ sein, obwohl kein Pronomen 
diese Beziehung andeutet, und indem er zu πλέον φέρειν das Objekt μοῖ- 
ραν 'ἐκ ϑεῶν construlert, fasst er φέρειν — προφέρειν „vorbringen“ 
und verflüchtigt vollständig πλέον. So scheint denn bisher die Inter- 
pretation der Stelle (an welcher Hermaun und Weil ohne eine Bemerkung 
vorübergehen, als ob ihr Verständniss längst ins Reine gebracht wäre) ΄ 
noch nicht gelungen zu sein; dennoch aber liegt in den völlig gesunden 
Rhythmen der Ueberlieferung, die lauter reine Trochäen ohne Hiatus und 
ohne syllaba anceps am Schlnss des Verses aufweist, eine gewisse Bürg- 
schaft für die Echtheit des Textes. Gehen wir denn, um den Sinn der. 
dunklen Worte zu ergründen, auf den Zusammenhang des Chorliedes ein. 

Agamemnon, auf derHöhe seiner Macht und seines Ruhmes stehend, 


362 COMMENTAR. 


ist über die Purpurdecken in den Palast gewandelt, aber dem Chor, der 
die innere Fäulniss dieses glänzenden Glückes kennt, ahnt es, dass der 
König wie ein Opfer zur Schlachtbank geführt wird. Die Angst, die ihn 
seit Iphigenias Opferung nicht verlassen hat, erreicht eben jetzt, da der 
König den Palast im höchsten irdischen Glanz betritt, ihren höchsten 
Grad; denn drinnen, weiss er, lauert die οἰκονόμος δολία μνάμων μῆνις 
τεκνόποινος. So singt er denn: „Wie kommt es doch, dass ich gerade 
jetzt so düstere Bilder schaue? Ach, ich bete wohl dass ich mich täu- 
schen möge, aber mein Herz ist kein falscher Prophet. Wand an Wand 
mit dem Uebermass der Gesundheit lauert die Krankheit, und ein froh 
dahinsegelnder Mann stösst urplötzlich auf eine Sandbank“. — Kann mit 
diesen letzten Gleichnissen ein anderer gemeint sein, als der glückliche 
Agamemnon, dem ein schweres Unheil drohe? Ich sehe nicht die Mög- 
lichkeit. Wenn es nun aber weiter heisst: „der Schiffbrüchige kann durch 
raschen Entschluss noch sich und seine Familie retten und die verlorene 
Habe ersetzt sich wohl wieder, aber das einmal vergossene Blut ruft Nie- 
mand zurück, ein Mord ist ein unersetzliches Unglück‘ — spricht dann 
nicht der Chor so offen, wie er nur irgend kann ohne ein böses Omen 
zu verschulden, seine Angst vor einer gerade dem Agamemnon drohen- 
den Mordtat aus? Die ν. 981—85 also, wie alle Erklärer tun, auf Iphi- 
genias Tod zu beziehen (trotz ἀνδρὸς μέλαν αἷμα), heisst dem Dichter 
Geschwätz aufbürden: in diesem Zusammenhang kann er mit ἀνδρὸς μέλαν 
αἷμα nur das Blut Agamemnons meinen. Man wirft mir ein dass nachher 
der Chor bei Kassandras Weissagung von der Ermordung des Königs un 
gläubig ist und ihr Einhalt zu tun sich bemüht. Aber ist es denn nicht 
psychologisch durchaus richtig, dass man gegen eine schreckliche Wahr- 
heit, die man selber wohl ahnt, sich mit allen Kräften streubt, sobald 
sie aus fremdem Munde einem klar und fasslich entgegentritt? 

Wenn es also feststeht dass die erste Hälfte der Gegenstrophe sich 
auf ein dem Agamemnon drohendes schreckliches Unheil bezieht, so kann 
es ferner nicht wohl zweifelhaft sein, dass die Worte προφϑάσασα καρ- 
δία γλῶσσαν ἂν τάδ᾽ ἐξέχει heissen müssen: „ich hätte mein Herz war- 
nend gegen Agamemnon ausgeschüttet; nun aber ächzt es im Dunkel und 
kann nirgends einen Ausweg finden“. Was kann denn den Chor verhindert 
haben, dem König eine deutlichere Warnung zu geben, als er sie z. B. 
v. 761 sq. erteilt hat? Entweder, soviel ich sehe, Furcht vor Klytä- 
mnestra — dies wäre aber ein der Tragödie unwürdiges Motiv gewesen — 
oder das bescheidene Zagen, aufblossenArgwohnhinin die 
heiligsten Verhältnisse des Königs einzugreifen. So deute 
ich denn die etwas dunkelen Worte εἰ δὲ μὴ τεταγμένα xrA., ohne einen 
Buchstaben der Ueberlieferung anzutasten, sprachgemäss und i in den Zu- 
sammenhang passend so: „Wenn nicht im Menschenverkehr eine Lebens- 
stellung die andere infolge höherer Anordnung (ἐκ ϑεῶν) beschränkte 
und sie hinderte mehr Vorteil zu haben (sich auf Kosten anderer geltend 
zu machen) d. h. wenn nicht meine dem König soweit untergeordnete 
Stellung (Ch. 49) mich hinderte mir ihm gegenüber etwas herauszunehmen, 





COMMENTAR. 363 


so hätte mein Herz, die Zunge gleichsam überstürzend (d. h. mit grösstem 
Eifer), ihm dies alles ausgeschüttet“. — Man wende mir nicht ein dass 
der von mir geforderte Gedauke auf diese Weise zu dunkel ausgedrückt 
sei, als dass des Dichters Zuhörer ihn hätten verstehen können: der 


. Grieche musste die Worte μοῖρα μοῖραν εἴργει in dem Sinne „eine 


x 


Lebensstellung engt ein und ‚beschränkt die andere“ auffassen (vgl. 
Sept. 329 πρὸς ἀνδρὸς δ᾽ ἀνὴρ δορὶ καίνεται. 334 ξυμβολεῖ φέρων φέ- 
oovrı καὶ κενὸς κενὸν καλεῖ. Pers. 375 τάξις δὲ τάξιν παρεκάλει); 
wenn ἐκ ϑεῶν aber durch die Deklamation mit εἶργε verbunden ward, 
so konnte es nicht anders verstauden werden wie z. B. v. 709 ἐκ ϑεοῦ δ᾽ 
ἱερεύς τις ἄτας δόμοις προσεϑρέφϑη. und dass πλέον φέρειν nur 
heissen kann „den grösseren Vorteil davon tragen“ ist nach Blomfield von 
Ahrens erwiesen. 

Es bleibt noch übrig die Worte προφϑάσασα καρδία γλῶσσαν av 
ταδ᾽ ἐξέχει. die von Klausen und Naegelsbach vollkommen richtig erklärt 
sind, gegen die Conjecturen der Neueren sicher zu stellen. ‚Das Herz 
eilt der Zunge voraus“ ist eine in allen Sprachen erlaubte Wendung, um 
auszudrücken dass die Gedanken sich so überstürzen dass die Zunge nicht 
ihnen folgen kann; τάδε aber weist hin auf die vorher ausgesprochenen 
trüben Ahnungen des Chors. So ist an der Ueberlieferung nichts zu ta- 
deln. Wenu Hermann dagegen mit Schütz schreibt προφϑάσασα καρ- 
δίαν γλῶσσα πάντ᾽ ὧν ἐξέχει. so ist dies allerdings ein Cabinetsstück 
von Buchstabenkritik, aber es kommt der Gedanke heraus: „meine Zunge 
hätte gedank enlos alles ausgeschüttet‘, vgl. Demosth. p. 526, 18 φϑα- 


σαι τὸν λογισμόν. Die neueste Interpretation liest wieder προφϑασασα͵ 


καρδία γλῶσσαν, fasst aber προφϑάσασα objektlos auf und lässt nach 
Soph. fr. 697 W. (πολλὴν γλῶσσαν ἐκχέας μάτην) das Objekt γλῶσσαν 
von ἐξέχει abhängen: dann könnte τάδε nicht richtig sein, und so 
schreibt denn Weil γλῶσσαν ἂν παρεξέχει., Ahrens aber γλῶσσαν ἄντ᾽ 
ἂν ἐξέχει. Aber wenn es von einem Menschen heissen kann, dass „er 
die Zunge ausschüttet‘“, sollte man das gleiche auch von einem Herzen 
sagen können? Hat denn das Herz eine Zunge? Ebensowenig wie es Trä- 
neu hat. Und darum sagte Plat. Symp. 215, E nicht ὅταν γὰρ ἀκούω — 
ἥ re καρδία πηδᾷ καὶ δάκρυα ἐκχεῖ, sondern, wie nahe dies auch lag, 
er machte plötzlich eine Wendung nnd sagte καὶ δάκρυα ἐκχεῖται ὑπὸ 
τῶν, λόγων τῶν τούτου. 

So hoffe ich denn Text und Erklärung der Gegenstrophe ins Reine 
gebracht zu haben, aber indem ich nun zur zweiten Strophe zurückkehre, 
harrt dort noch eine schwere Arbeit. Denn namentlich sind v. 968— 970 
dadurch so heillos verdorben, dass der Abschreiber des cod. Alex. statt 
der nicht mehr zu entziffernden echten Wörter alles, was sich an les- 
baren Glossen in jener Gegend fand, zusammenraffte und in ‚vermeint- 
liche Anapäste redigierte. Flor. bietet nun: μάλα γάρ τοι τᾶς πολλᾶς 
ὑγιείας ἀκόρεστον τέρμα" νόσος γὰρ γείτων ὁμότοιχος ἐρείδει. worin 
unzweifelhaft der echt äschylische Gedanke ausgedrückt sein soll: „das 
Uebermass kräftiger Gesundheit ist gefährlich, denn die Krankheit ist die 


364 COMMENTAR. 


nächste Nachbarin der strotzenden Kraft‘. Aber zunächst ist τᾶς πολλὰς 
ὑγιείας mit den Rhythmen der Gegenstrophe nicht iu Einklang zu brin- 
gen. Die Herausgeber machen verzweifelte Anstrengungen πολλᾶς zu 
einem Anapäst zu formen, und Hermann und Ahrens streiten sich, ob 

ὑγιΐας oder ὑγιέας zu schreiben sei: aber das hätte doch längst schon 
durch den Artikel klar sein sollen, dass τῆς πολλῆς ὑγιείας nur verwäs- 
sernde Glosse für den von Aeschylos gesetzten Begriff „der strotzenden 
Vollkraft“ ist. Denn eben diese wird von Krankheit ‚bedroht, keineswegs 
aber die wahre massvolle Gesundheit. Ferner ist ἀκόρεστον τέρμα un- 
haltbar: eine Grenze, ein Ziel, ein höchster Gipfel kaun nie „unersätt- 
lich“ sein. Ahrens sucht es zu retten durch die Erklärung „die köst- 
liche Blüte der Gesundheit (wovon man ihrer, Schönheit wegen nicht 
genug bekommen kann)“, aber dann wäre ἀκόρεστον ein rhetorisches 
Contrarium, da der Chor dies Uebermass der Kraft ja gerade als gefähr- 
lich bezeichnen will. Statt ἀκόρεστον τέρμα wird Aeschylos vielmehr ge- 
schrieben haben ἀκρότατον r&oux „die äusserste, höchste Vollendung “. 
Dann aber kann es bei der bekaunten Neigung des Dichters, an die glei- 
chen Stellen von Strophe und Gegenstrophe ähnliche oder gleiche Wör- 
ter zu stellen, nicht zweifelhaft sein dass ἀκρότατον an die Stelle gehört, 
wo in der Gegenstrophe das viersylbige Adj. ϑανάσιμον steht. Ferner 
erkenne ich in dem rhythmisch und stilistisch unhaltbaren γάρ vielmehr 
er, den verstümmelten Rest von ἀρτεμίαν (Hesych ἀρτεμέα ὁ ὑγεία ὑγιῆ, 
worin zwei Glossen zusammengeflossen scheinen: ἀρτεμία vyele und 
ἀρτεμέα ὑγιῆ); und endlich, da in γείτων ὁμύτοιχος ἐρείδει der Begriff 
der Nachbarschaft zu breit ausgeführt scheint und Hesych ὁμοτέρμων 
ὕμορος γείτων hat, 50 dürfte es kaum zweifelhaft sein dass auch hier 
γείτων nur Glosse zu ὁμότοιχος ist. - 


Darnach versuche ich denn des Dichters Gedanken ihm in dieser hof- 


fentlich nicht unwürdigen Form zu restituieren: 


μάλα γέ τοι περιβρυοῦς ἀκρότατον 
δώμας τέρμα κακόν" νόσος ἀρτεμί- 
ἂν ὁμότοιχος ἐρείδει. 

d. h. „wahrlich, gar sehr ist die höchste Vollendung der strotzenden 
Vollkraft ein Uebel; (denn) die Krankheit bedrängt als Wandnachbarin 
die Gesundheit“. Περιβρυής braucht Nikander, der auch sonst manche 
Wörter von Aeschylos entlehnt , zur Bezeichnung von saftstrotzenden 
Pflanzen. Hesych hat die Glosse δώμη ὑγεία. 


Auch das folgende Gleichniss vom Seefahrer, der auf eine Klippe 
stösst, v. 971 und 72, ist verstümmelt, wie die Gegenstrophe zeigt. 
Ueberliefert ist καὶ πότμος εὐθυπορὼν ἀνδρὸς ἔπαισεν ἃ ἄφαντον ἔρμα. 
Ahrens sucht die Lücke zu ergänzen, indem er schreibt ἀνδρὸς ἔπαισεν 
ἄφνω | δυστυχίας ὦ ἄφαντον ἕρμα, wie früher schon Prien vorschlug 
πρὸς ἄτας ἄφαντον ἕρμα: aber abgesehen vom Rhythmus begehen beide 
Ergänzungen den Stilfehler, dass sie in ein vollkommen ausgeführtes 
Gleichniss, das bis zu Ende der Strophe fortgesetzt wird, eine Bezeich- 


-ο 








COMMENTAR. 365 


nung des ‚Eigentlichen oder Bedeuteten hineintragen. Wohl lesen wir 
Eum. 553 ἕρματι προσβαλὼν Δίκας und ähnliches öfter, aber in solchen 
Fällen ist ἕρμα nur eine alleinstehende Metapher, ohne dass der ganze 
Gedanke allegorisch ausgedrückt ist. Mit viel feinerem Verständniss hatte 
dagegen Klausen schon längst bemerkt: „Nolumus stulim illisam adspi- 
cere navem, quum in altera imayine tantopere eschibitus sit felicitatis 
splendor. Itaque de bono navigalionis initio aliquid in eo qui excidit 
versu dietum fuisse existimo“. Auch dass die Lücke vor ἔπαισεν zu 
setzen ist, kann njcht zweifelhaft sein: ἔπαιδεν muss an derselben Stelle 
steher, wo wir in der Gegenstrophe das respondierende ἔπαυσεν lesen. 
Darnach versuche ich folgende Restitution: 


καὶ πότμος εὐθυπορῶν 
ἀνδρὸς ἀγαλλομένου πλῷ 
κάρτ᾽ ἔπαισ᾽ ἄφαντον ἕρμα. 


In der Fortsetzung der schönen Parabel v. 973—978 sind viele In- 
terpretationssünden begangen worden. Man las καὶ τὸ μὲν πρὸ χρημά- 
τῶν | κτησίων ὄκνος βαλὼν | σφενδόνας ἀπ᾽ εὐμέτρου | οὐν ἔδυ 
πρόπας δόμος | πημονᾶς γέμων ἄγαν, | οὐδ᾽ ἐπόντισε orapog. „Recte 
se habent haec omnia‘“, erklärt Hermann, „videralque iam Casaubonus 
nominativos ὄκνος βαλών sic dictos esse ul mularetur coepta constru- 
ctio. To μέν autem partem significat. Sententia haec est „„meilus 
quum pariem pro acquisilis opibus bene atiemperalo iactu proiecit, 
non Lola funditus perüt domus, quamvis plena malis, nec mersit na- 
vem““, Rediit in constructionem poeta, ἐπόντισε referens ad Onvog“. 
In dieser Erklärung liegen unglaublich viele Fehler. Erstlich kann τὸ 
μέν bekanntlich nur dann einen Teil von etwas bezeichnen, wenn ein τὸ 
δέ folgt: das liegt so durchaus in der Natur der Wörter ro μέν, dass es 
unmöglich sein wird Beispiele für Hermanns und der anderen Erklärer 
Behauptung beizubringen. Ferner soll der Schiffer „einen Teil der Habe 
statt der ganzen“ hiuauswerfen, um flott zu werden; besser würde er 
zu seinem Zweck gelaugen, wenn er die ganze Habe statt eines Teils 
opferte. (Andere verbinden πρό trotz seiner Stellung vor χρημάτων mit 
βαλών und berufen sich dabei auf das verdorbene ἀπὸ φροντίδος᾽ ἄχϑος 
χρὴ βαλεῖν v. 154.) Drittens kann ὄκνος nicht die Angst vor dem Unter- 
gang sein, sondern es ist die'zaudernde Furcht etwas zu verlieren, die 
sich daher besinnt etwas zu öpfern. Viertens wäre der absolute Nom. 
ὄκνος βαλὼν ---- οὐκ ἔδυ πρόπας δόμος in einem so knappen Satzgefüge 
durchaus unerhört: ein ähnliches Beispiel ist aus Aeschylos wenigstens 
nicht beizubringen. Fünftens kann die Bergung eines Teils der Habe 
(οὐκ ἔδυ πρόπας δόμος) nicht vor der Bergung des Schiffsrumpfes ge- 
nannt sein, denn mit jener verstand sich diese von selbst. Sechstens 
fehlt zu οὐδ᾽ ἐπόντισε σκάφος jedes Subjekt, denn nach dem Zwischeu- 
satz wieder an 0xvog als Subjekt zu denken ist eine stilistische Unmög- . 
lichkeit. Siebentens endlich liegt ein metrischer Fehler in dem Hiatus 
zwischen σφενδόνας ἀπ᾽ εὐμέτρου und οὐκ ἔδυ πρόπας δόμος: in die- 








366 COMMENTAR. 


sen mit einander verkelteten trochäischen Reihen gestattet sich Aeschylos 
nicht nur nicht die syllaba anceps am Ende des Verses (wie zu v. 953 
bewiesen ist), sondern auch den Hiatus zwischen den einzelnen Reihen 
erlaubt er sich nur bei starker Interpunktion, wie zwischen v. 151 und 
152. — Die anderen Erklärer gehen mit Hermann oder lassen uns im 
Stich: völlig aber hat sich Ahrens verirrt, indem er meint dass v. 979 
und 980 mit dem vorhergehenden in keiner unmittelbaren Verbindung 
stehen, sondern eine selbständige Parabel enthalten. 

Nachdem der Anfang der Strophe als heillos verdorben nachgewie 
sen ist, wäre es fast ein Wunder, wenn die Verse 97378 völlig gesund 
erhalten wären: die schweren CGorruptelen des cod. Alex. haben fast im- 
mer vor- und rückwärts ihre Ausläufer. So wird an dieser Stelle die 
Kritik, statt dem Dichter eine Menge von grammatischen und Stilfehlern 
aufzubürden, nicht zaghaft sein dürfen notwendige Aenderungen yorzu- 
nehmen. Und so ist zunächst ohne allen Zweifel zu schreiben καϑ' ὁ 
μὲν πρὸ χρημάτων κτησίων ὄκνος. Denn κάτα „und doch‘ bildet hier 
den einzig passenden Uebergang vom Stranden zu der Rettung: gewöhn- 
lich steht es nur im Fragesatze: doch so wie hier Soph. 0. C. 1008. 
Nun hängt πρὸ χρημάτων klar und deutlich ab von ὄκνος: so gut wie 
Xenophon sagt ὀκνεῖν περί τινος, kann man auch verbinden ὄκνος ὑπέρ 
oder πρὸ tıvog „die zaudernde Angst um etwass“. Keineswegs aber 
enthält χρημάτων xrnolov, wie Ahrens meint, eine Taütologie: der 
Schiffer konnte auch fremde χρήματα führen, aber seine zaudernde 
Furcht zu löschen ist grösser, wenn er sein Eigentum, seinen ganzen 
πότμος (v. 971), im Schiffe hat. Von dieser „Angst um das Eigentum “ 
heisst es also dass sie sich entschliesst wohlbemessenen Wurfes die χρή- 


ματα über Bord zu schleudern — aus ὁ πρὸ χρ. κτ. ὄκνος ergiebt sich 
von selbst das Objekt zu βαλών. und dass dies für sich allein schon 
gleich ἀποβαλών ist, zeigt v. 155 — aber um nun zu einem Verbum für 


das Subjekt ὄκνος zu gelangen, hat zuerst Schwerdt den richtigen Weg 
gewiesen, indem er v. 978 οὐδ᾽ ἐπόντισε σκάφος mit Verwandlung des 
ουδ᾽ in οὐκ vor v. 976 heraufrückt. Gewiss ist dies ein probables Mittel 
dem verzweifelten Nom. abs. zu entgehen. Aber genügend ist die Emen- 
dation von Schwerdt noch lange nicht; denn er hat nicht bloss den Hia- 
tus zwischen εὐμέτρου und οὐδ᾽ ἐπόντισε nicht bemerkt, sondern auch 
statuiert er am Ende des Verses, da er auf σκάφος nun folgen lässt οὐδ᾽ 

ἔδυ πρόπας δόμος, die unerträgliche kurze Sylbe. Aber was heisst denn 
eigentlich οὐκ oder οὐδ᾽ ἐπόντισε σκάφος Ἷ Man deutet gewöhnlich: 

„er versenkt nicht das Schiff d. ἢ. er bewahrt es vor dem Sinken“. In 
der Tat, das wäre ein mehr als verschrobener, gekünstelter Ausdruck 
für: „er rettet das Schiff“. Denn da die Situation diese ist, dass der 
Schiffer nicht etwa an eine Klippe stösst, an der die Barke zu scheitern 
droht, sondern dass er ohne das Fahrzeug wesentlich zu schä- 
digen aufeine Sandbank aufläuft, von der es nur gilt durch 
Leichterung wieder flott zu werden, so hat es mit dem Sinken 
offenbar am allerwenigsten Not und es wäre sehr wunderlich, wenn der 








COMMENTAR. 367 


Dichter zuerst daran gedacht hätte, das Schiff vorm Sinken bewahren zu 
lassen. Aber heisst ποντέίζειν deum überhaupt „versenken?‘“ Das Wort 
findet sich sonst nur Soph. ΕἸ. 508 ὁ ποντισϑεὶς Μυρτίλος und bei 
Hesych als Glosse für καταβάπτει. Beide Male ist es nur „in den πόν- 
τος , die eigentliche tiefe See bringen“. Aber von der Sandbank aus das 
Schiff in die tiefe See bringen heisst ja gerade es retten, und so zweifle _ 
ich denn nicht, dass der Dichter statt des verschrobenen οὐδ᾽ ἐπόντισε 
σκάφος mit einfachem und natürlichem Ausdruck gesagt hat σῶν ἐπόν- 
τισε σκάφος „er bringt das Schiff unversehrt in die tiefe See“. Das Neu- 
irum σῶν findet sich bei Aristoph. und Platon öfter, aber gerade ans 
dieser Form erklärt sich die ganze Corruptel. ENRN ward verlesen in 
ΟΥ̓Δ und dies vermeintliche „und nicht“ ward dann Aulass den ganzen 
Vers hinter 977 zu stellen. — Nach diesem positiven Satz schrieb der 
Dichter dann ganz correct weiter κοὺκ ἔδυ πρόπας δόμος πημονὰς 
γέμων ἄγαν „und nicht geht das ganze Haus des Schiffers, allzusehr 
von Leid belastet, zu Grunde‘; denn eben der Mann und die Barke sind 
ja gerettet, wenn auch die Ladung gänzlich verloren ist, ‚Eben dies xovx 
ἔδυ κτλ. entspricht dann mit leichtem Anakoluth dem ὁ μὲν — ὄκνος — 
σῶν ἐπόντισε σκάφος (vgl. Burgard Quaest. gramm. Aesch. I, p. 22); 

und darau schliesst sich mit erklärendem Asyndeton das überlieferte 
πολλά τοι δόσις κτλ.) das Hermann sehr unnötig in πολλά τ᾽ αν δόσις 
geändert hat. 


Klytämnestras Aufforderung an Kassandra v. 994 — 1005. 


v. 995 geben die codd. ἀμηνίτως , das die älteren Herausgeber mit 
ἔϑηπε, die neueren mit κοινωνὸν εἶναι verbinden. Aber wie man auch 
immer das Adverb deutet, so vermissen wir doch schlechterdings einen 
Zusatz zu δόμοις: einer Fremden gegenüber musste die Königin min- 
destens ἐμοῖς oder τοῖσδε hinzusetzen. Unabweisbar scheint mir daher 
Auratus’ leichte Aenderung ἀμηνίτοις, wodurch allen Verlegenheiten ab- 
geholfen wird: „denn Zeus machte dich einem Hause, dem du nicht zu 
zürnen hast d. ἢ. einem reichen, zur Opfergenossin “. 

v. 1000 findet sich eine wunderbare Differenz zwischen Flor. und 
Farn.: jener giebt τλῆναι δουλείας μαζης βία. dieser τλῆναι καὶ ξυγὼν 
ϑίγειν βίᾳ. Das letztere nehmen fast alle Editoren mit Blomfields Emen- 
dation ϑιγεῖν auf, aber die Lesart des viel zuverlässigeren Flor. ist doch 
augenscheinlich nicht eine CGonjectur, die ohne weiteres bei Seite gescho- 
ben werden dürfte, ebenso wenig wie wir in καὶ ξυγῶν ϑίγειν eine 
frivole Interpolation des Triclinius sehen können. Ich kanı mir die 
Discrepanz beider codd. nur 80 erklären, dass beide aus einer gemein- 
samen Quelle schöpften, in welcher mehrere Glossen mit dem Texte zu- 
sammengellossen waren: dann aber kaıın es nicht zweifelhaft sein dass 
die geläufigen und bekannten Wörter δουλείας uml ξυγῶν βίᾳ unecht, 
das seltnere μάξης dagegen, auf das keiu Erklärer verfallen sein würde, 
echt ist. Me&ns aber konnte eines Zusatzes, durch welchen es als 
Sklavenbrod bezeichnet wurde, nicht entbehren, und so ist es mir 


368 COMMENTAR. 


höchst wahrscheinlich dass der Dichter geschrieben hat πραϑέντα τλῆναι 
δουλίας μαΐζξης Yıyeiv „dass er verkauft es über sich gewonnen habe 
Sklavenbrod anzufassen “. War δουλίας in δουλείας verlesen und aus 
v.920 δουλέων ξυγῶὼν zur Erklärung. herbeigezogen, daun aber zur Recht- 
fertigung des zweiten Gen. ἕυγων ein Pia („im Zwang des Joches“) 
hinzugefügt, so konnten durch die den Trimeter herzustellen bemühten 
Abschreiber leicht die beiden sehr verschiedenen Lesarten, welche jetzt 
vorliegen, entstehen. Nuch ist zu bemerken dass an dieser Stelle τλῆναι 
viel schöner mit dem Inf., als mit dem Part. verbunden wird (die letztere 
'Structur ist überhaupt gar nicht äschylisch): ἔτλη πραϑείς könnte nur 
heissen „da er verkauft war, so trug er das Geschick, er hielt es aus‘, 
aber ἔτλη Yıyeiv drückt den freiwilligen Entschluss aus „er gewann es 
über sich Sklavenbrod zu essen“. — Schon früher vermutete Blomfield 
τληναι δουλίας μαξης βίον. Dazu bemerkt Hermann apodiktisch: 
„Aeschylus certe talia non scripsit“, ganz richtig, wenn er nur die 
Verbindung μαξης βίον tadelt, aber wenu er meint dass die Erwähnung 
des Sklavenbrodes dem grossen Dichter nicht anstehe, so verkennt er die 
Energie des äschylischen Ausdrucks. ‚(Vel. Goethe: „Wer nie sein Brod 
mit Thränen ass“; Ag. 453 μήτ᾽ οὖν αὐτὸς ἁλοὺς ἀπ᾽ ἄλλων βίον 
κατέδοιμι.) 

v. 1004 erklären der Scholiast und mit ihm alle Editoren παρὰ 
στάϑμην durch παρὰ τὸ πρέπον. Aber überall sonst heissen jene Worte 
„nach der Richtschnur“, und da diese Wendung eine fast sprüchwörtlich 
stehende war, so konnte der Dichter sie nicht anders als im gewöhnli- 
chen Sinne gebrauchen. Zudem würde der Ausdruck „wider die Richt- 
schnur‘ ein ganz unplastischer seiu, das Bild wäre ein völlig verschwim- 
mendes. So muss παρὰ στάϑμην auch hier bedeuten „nach der Schnur“; 
doch sollen wir den Begriff der Strenge, Genauigkeit, der bei Theogn. 543 
und 945 unverkennbar darin liegt, hier urgieren. In Verbindung mit dem 
Begriife „gerecht“ enthält παρὰ ora$unv ein Lob, in Verbindung mit 
@uoi einen Tadel. 

Zu v. 1005 hat zuerst Hermann durch seine Interpunktion nach 
ἔχεις die richtige Erklärung gegeben: „da weisst du nun, was du von 
uns zu erwarten hast“. Lächerlich ist Hartungs Einwendung, νομί- 
ξεσϑαι heisse nicht exspectari. Als ob Hermann das geglaubt hätte! 
Aber „du weisst nun, was von unsrer Seite bräuchlich ist‘ durfte doch 
wohl durch jene Umschreibung dem gemeinen Verständniss näher gerückt 
werden. Uebrigens sind durch diese. Erklärung alle Schwierigkeiten, 
welche diesen oder jenen auf eine Lücke vor 1005 zu schliessen veran- 
lassten, beseitigt: das Praes. ἔχεις und das Asyndeton sind nun völlig in 
der Ordnung. 

Die Rede zerfallt in 5, 2,5 Verse. 


Dialog zwischen Klytämnestra und dem Chor v. 1006 — 1030. 


v. 1007 geben die codd. ἐντὸς δ᾽ ἂν οὖσα μορσίμων ἀγρευμάτων, 
woraus Hermann, unter Meineke’s noch neuerdings erfolgter Zustimmung, 


COMMENTAR. 369 


macht ἐκτὸς d ἂν ovo« κτλ. Allein der Gedanke „wärest du ausserhalb 
des Netzes der Knechtschaft, so könntest du nach deinem Belieben folgen 
oder nicht‘ würde Kassandra nur allzu indirekt auffordern zum Gehor- 
sam, und dazu wäre er, da er ja einen Gegensatz zur Wirklichkeit aus- 
drückte und ausdrücken sollte, nicht einmal correct durch den Opt. mit 
av gegeben, wir müssten vielmehr den Ind. Aor. mit ἄν erwarten. Viel 
besser scheint ‚mir daher die von verschiedenen Seiten vorgeschlagene 
Aenderung ἐντὸς δ᾽ ἁλοῦσα xrA. „Ja du einmal völlig im Netz gefangen 
bist‘‘ (mit ähnlicher Prägnanz sagt Platon δὲς τοὺς πολεμίους ἀλίσκεσϑαι). 
Dann aber würde der Chor weiter nach der gewöhnlichen Deutung des 
nächsten Verses „du würdest. folgen, dächt’ ich, wenn du zu folgen Lust 
hättest; möglich auch dass du nicht folgen wirst‘ nicht nur leere gauz 
bedeutungslose Worte vorbringen, sondern auch die dringliche Ermah- 
nung, zu der er mit v. 1007 den offenbaren Anlauf nahm, völlig verfehlen. 
Indessen ist für die Worte πείϑοι᾽ av εἰ πείϑοι᾽ ᾿ ἀπειϑοίης δ᾽ ἴσως 
auch gar nichts gewonnen, wenn wir, wie fast alle Herausgeber nach 
Wellauer und Blonifield tun, aus v. 1354 vergleichen χαίροιτ᾽ av εἰ yal- 
ροιτ᾽ ἐγὼ δ᾽ ἐπεύχομαι. Denn an dieser letzteren Stelle wird mit 
boshafter Ironie gesagt: „ihr würdet euch freuen, weun ihr euch 
freutet, d. lı. ob ihr euch freut oder nicht, ist eure Sache; ich aber 
rühme mich der Tat“. Auch führt zu nichts die Vergleichung von Soph. 
0. R. 936, wo ἤδοιο μέν und ἀσχάλλοις δ᾽ ἴσως einander gegenüber- 
gestellt werden. Unsere Stelle ist vielmehr, da hier von Ironie nicht die 
Rede sein kanu, aus ihrem eigentümlichen Zusammenhaug zu erklären: 
da der Chor auf die Notwendigkeit, in die Kassandra geraten ist, hin- 
gewiesen hat, so kann er in seiner erusten Stimmung keine andere Auf- 
forderung an sie richten, als. wie er sie v. 1013 und v. 1030 ganz klar 
ausspricht: „gehorche, du arme, dir bleibt nichts anderes übrig‘. Daher 
deute ich die mit einer gewissen dem Aeschylos nicht fremden Spitz- 
findigkeit zusammengestellten Worte: „du würdest folgen, wenn du dich 
überreden liessest, aber in gleicher Weise d.h. mit gleichem Erfolge 
würdest du ungehorsam sein d. h. du würdest dann folgen müssen, 
durch die Gewalt gezwungen‘. Denn ἴσως, mit solchem Nachdruck ans 
Ende des Satzes und Verses gestellt, heisst nicht „vielleicht“, sondern 
„auf gleiche Weise‘, gerade wie es in jener sophokleischen Stelle zu 
deuten ist: „du wirst dich freuen über mein Wort, gewiss! aber auf 
gleiche Weise dich betrüben‘“, wie das aus Iokaste’s Antwort klar 
hervorgeht. — Die Richtigkeit aber von meiner Erklärung, dass der Chor 
mit ἀπειϑοίης δ᾽ ἴσως auf eine möglicherweise anzuwendende Gewalt 
hindeute, wird bestätigt durch v. 1011, wo das so nachdrücklich ans Ende 
gestellte λόγῳ im Munde der bis dahin sich noch beherrschenden Kly- 
tämnestra sagt: „sie wird wohl noch mit dem blossen Worte über- 
redet“. 
v. 1009 und 1010 sind wohl erhalten; sie geben den untadeligen 
Sinn: „weun sie anders (Klytämnestra setzt also voraus, dass Kassandra 
griechisch spreche) nicht eine unbekanute fremde Sprache ihr Eigentum 


AKSCHYL. AGAMEMNON. 24 


370 COMMENTAR. 


nennt“. In κεκτημένη liegt der Begriff „nur, bloss‘, den wir erwarten, 
mit enthalten. Dass aber in v. 1011 die Ueberlieferung ἔσω φρενῶν λέ- 
yovoa πείϑω νιν λόγῳ sehr krank ist, zeigt schon die Wiederholung 
desselben Wortstammes in A&yovoa — λόγῳ. Doch auch ἔσω φρενῶν 
λέγειν „in die Seele reden‘ wird von Meineke mit Recht für ungriechisch 
erklärt, und statt des übermässig zuversichtlichen πείϑω vıv erwarten 
wir durchaus einen Opt. mit ἄν. Meineke vermutet daher: ἔσϑ᾽ ᾧ φρε- 
νῶν λαχοῦσαν ἂν πείϑοιν λόγῳ „est qua ei persuadeam oratione nisi 
desipit“. Wir wollen darin die starken Abweichungen von der Ueberlie- 
ferung nicht tadeln, deun wir werden bald sehen dass gerade hier eine 
kräftige Medicin geboten ist, aber Aeschylos kennt nicht die ihm hier 
aufgedrungene Form des Opt. und namentlich missfällt die neue in den 
Hauptsatz hineingetragene Bedingung „nisi desipit“ nach εἴπερ. Viel 
schöner, schreibt Enger ἔσω φρενῶν κλύουσα (Hartung μαϑοῦσα) πεί- 
ϑοιτ᾽ ἂν λόγῳ. Ueber das Part. kann Zweifel herrschen, denkbar wäre 
auch ἔσω φρενῶν βαλοῦσα (Soph. Ο. R. 975 μηδὲν ἐς ϑυμὸν βάλῃς): 
gewiss aber soll ἔσω φρενῶν den Gegensatz zu δι᾿ ὥτων bilden und das 
wahrhafte Verständniss Kassandras bezeichnen, sodass der Schluss des 
Verses nur lauten kaun πείϑοιτ᾽ ἂν λόγῳ. 

v. 1011 ist also im cod. Alex. teilweise unleserlich gewesen; aber 
die Zerrüttung des Textes hatte an dieser Stelle noch weiter um sich 
gegriffen. Denn das von Aeschylos in solchen kurzen Dialogen nie ver- 
letzte Gesetz der Symmetrie zeigt dass Klytämnestras Wert um 2 Verse 
verstümmelt ist. Die mesodisch eingeschlossene Rede v. 1014 sq. ist um- 
geben von je 2 Versen des Chors, die ganze Wechselrede aber wird be- 
gonnen und beschlossen von je drei Chorversen 1006—8 und 1028—30; 
bloss den fünf Versen der Königin 1023 —27 stehen an der entsprechen- 
den Stelle nur drei gegenüber. Es ist also klar dass nach v. 1011 zwei 
Verse ausgefallen sind: indessen sind sie uns an einer anderen Stelle, 
wenn auch natürlich corrumpiert, erhalten worden. Es ist das Verdienst 
A. Ludwigs (Zur Kritik des Aeschylos. Wien „1860) erkannt zu haben dass 
die Verse 1019 und 1020 εἰ δ᾽ ἀξυνήμων ovoa un δέχει λόγον. | σὺ δ᾽ 
ἀντὶ φωνῆς φράξε καρβάνῳ χερί, welche in der Ueberlieferung einen 
ganz unpassenden Platz haben, hinter v. 1011 gehören. Sehr richtig be- 
merkt Ludwig dass v. 1018 die ungeduldig gewordene Königin mit den 
Worten σὺ δ᾽ εἴ τε δράσεις τῶνδε, um σχολὴν τέϑει gewissermassen ihr 
Ultimatum an Kassandra stellt und ganz kategorisch die Forderung aus- 
spricht zu gehorchen; nach diesen Worten darf sie sich nicht noch ein- 
mal auf die Frage wegen Verstehens oder Nichtverstehens einlassen, son- 
dern die Verse, die sich darauf beziehen, gehören dorthin, wo diese Frage 
das erste Mal angeregt worden ist. Soweit Ludwig. Aber es giebt auch 
noch andere Kriterien für die Corruptel in v. 1019 und 20. So wie sie 
dastehen, sind sie in sich ganz unverständlich. Klytämnestra sollte sa- 
gen: „wenn du aber mein Wort nicht verstehst, so gieb ein Zeichen mit 
deiner ausländischen Hand?‘ Wie könnte denn Kassandra, wenn sie der 
griechischen Sprache unkundig wäre, diese Aufforderung verstehen ? 


COMMENTAR. - 371 


Blomfield und andere suchen so zu helfen, dass sie meinen, Klvtämnestra 
habe schon bei diesen Worten einen Anfang mit der Zeichensprache ge- 
macht und der Jungfrau durch die Hand zu verstehen gegeben dass sie 
mit der Hand sprechen solle: aber ich fürchte sehr dass bei solchem Ver- 
suche der Königin ihre tragische Würde schlecht gewahrt wäre und die 
ernste Tragödie sich für einen Augenblick in ein Possenspiel verwandelt 
hätte. Und was wäre ferner „die ausländische Hand?‘ Ein Mensch, 
ein Volk, eine Stadt, auch ein Kleidungsstück oder eine Stimme kaun 
„barbarisch“ heissen, aber Kassandras Hand wird sich doch nicht 
von einer griechischen so unterschieden haben, dass sie speciell eine 
„barbarische‘ hätte genannt werden können. Nein, so gewiss wie v. 1019 
und 20 hinter v. 1011 gehören, ebenso gewiss sind sie infolge derselben 
Zerrüttung, die v. 1011 teilweise zerstört hat, vom ersten Abschreiber 
des cod. Alex. zuerst als unleserlich überschlagen, dann aber von einem 
Corrector mit bedeutender Corruptel am Rande nachgeholt und so später 
an die verkehrte Stelle geraten. Nach des Dichters Intention wird die 
Königin nach v. 1011 vielmehr so weiter gesprochen haben: εἰ δ᾽ ἀξυν- 
ἥμων οὐσα μὴ δέχοιτ᾽ ἔπος. | σὺ δ᾽ ἀντὶ φωνῆς φράξε καρβάνω χερί 
„wenu sie aber mein Wort nicht verstehen sollte, so gieb du (der Chor) 
anstatt der Stimme mit der Hand der Barbarin ein Zeichen‘. Das ist eine 
an und für sich correcte Sprache, und der Gedanke passt in den Zu- 
sammenhang wie hineingegossen. Zur Corruptel hat möglicherweise eine 
Glosse von Eros beigetragen (Hesych: ἔπος λόγος). Zwei nicht zusam- 
mengehörige Dative, wie hier καρβάνῳ und χερί, finden sich nicht selten 
bei einander: die Deklamation vermochte sie natürlich sehr leicht aus- 
einander zu halten. 

Nunmehr sind auch die Worte, womit der Chor v. 1012 der Auf- 
forderung der Königin nachkommt, völlig in Ordnung; nur dass statt 
πείϑου. da momentaner Gehorsam verlangt wird, wohl πεϑοῦ zu lesen 
ist (so haben auch Hik. 511 statt des metrisch notwendigen πιϑοῦ die 
codd. πείϑου und Ag. 193 πείϑεσϑαι statt πιϑέσϑαι). Heimsveth frei- . 
lich (die Wiederherstellung p. 490) behauptet die Rhetorik der Worte 
ἕπου" τὰ λῷστα κτλ. nicht zu verstehen, aber ich verstehe sein Beden- 
ken nicht. „Folge “ sagt der Chor, und fügt dann mit explicat. Asyn- 
deton die Motivierung seiner Bitte hinzu; hierauf wiederholt er inständig 
die Ermahnung, den zweiten Imperativ’ asyndetisch anreihend (wie das 
auch v. 1029 u. 30 geschieht). Das ist so herzlich und gemütvoll gespro- 
chen, wie man es vom Chor unter jenen Umständen nur erwarten kann, 
Dagegen würde nach Heimsoeths Aenderung ἐπεὶ τὰ λῷστα τῶν παρε- 
στώτων λέγει, πείϑου κτλ. ein für die teilnahmvolle Stimmung des Chors 
viel zu nüchterner Ton angeschlagen werden. 

vw. 1014 ist an der Ueberlieferung nichts zu ändern: zu ϑυραίαν 
τήνδε ist aus τρίβειν nach bekanntem Gräcismus τριβήν zu ergänzen. 
Wie sehr gerade Aeschylos diese Structur liebt, beweist die Menge der 
von Karsten zu dieser Stelle beigebrachten Beispiele. — Aber im Fol- 
genden steckt eine schlimme Corruptel. Die Worte τὰ μὲν γὰρ ἑστίας 


24.* 


372 COMMENTAR. 


μεσομφαλου | ἕστηκεν ἤδη μῆλα πρὸς σφαγὰς πυρός lassen weder eine 
genügende Erklärung von τὰ ἑστίας μῆλα zu, noch auch kann man sich 
bei σφαγὰς πυρός beruhigen. Das ist auch von den neueren Heraus- 
gebern nach Hermann insgemein anerkannt, aber sie hätten sich nicht 
mit der Aufnahme von Musgraves CGonjectur πάρος statt πυρύς zufrieden 
geben dürfen. Denn völlig unerhört wäre es, dass der von πάρος abhän- 
gige Gen. sich i in dieser Weise zwischen τὰ μέν und μῆλα schöbe. Aber 
auch τὰ μέν zeigt dass hier eine schwerere Corruptel vorliegt; denn es 
fulgt weder das entsprechende Glied, noch lässt sich dieses als selbst- 
verständlich supplieren. Hermann sagt zwar und, andere mit ihm, dem 
τὰ μέν entspreche σὺ δ᾽ εἴ τι δράσεις, aber es ist doch auf der Stelle 
klar dass dieses σὺ δέ dem ἐμοί in v. 1014 gegenübersteht, dass dagegen 
mit τὰ μὲν γάρ der erste Grund von Klytämnestras dringender Eile an- 
gegeben ist und dass an diesen ersten sich ein zweiter Grund an- 
schliessen muss. Es scheint mir daher unzweifelhaft dass ein Vers aus- 
gefallen ist, und da nun πυρός hinter σφαγάς sinnlos ist, sehr wohl aber 
in begriffliichem Zusammenhang mit ἑστίας steht, so vermute ich dass 
πυρὸς das letzte Wort des ausgefallenen Verses war, dagegen hinter 
σφαγάς ein Dat. stand, an welchen sich das jetzt ziemlich in der Luft 
schwebende ἐλπίσασι anschloss. Aeschylos dürfte also etwa so geschrie- 
ben haben: τὰ μὲν γὰρ ἑστίας μεσομφάλου | φλογωπὰ κῆλα ᾿δάπτεται 
γνάϑῳ πυρός,] ἕστηκε δ᾽ ἤδη μῆλα πρὸς σφαγὰς κόροις | ὡς οὔποτ᾽ 
ἐλπίσασι κτλ. --- Κύροι wären wie bei Homer die Opferdiener, welche 
die Zeit zum Schlachten der Opfertiere nicht erwarten können, weil sie 
nie mehr auf diese Gunst des Schicksals gehofft haben. 

v. 1018 bezieht sich εὖ τε doaosıs τῶνδε wohl nicht auf die Aus- 
führung des von Klytämnestra befohlenen, sondern da Athenaeus und 
Hesych bezeugen dass δρὰν in der älteren Dichtersprache —= ϑύεεν sei, 
es also vorzugsweise ein heiliges Tun bezeichnet, so bedeuten die 
Worte: „wenn du an diesem festlichen Opfer teilnehmen willst ‘“. 

Mit v. 1021 und 22 will der Chor gewiss nicht sagen, wie Enger 
meint, dass Kassandra der Gewalt als eines klaren Dolmetsch bedürfe : 
in demselben Verhältniss, wie Klytämnestra sich mehr erbost, wird der 
Chor mitleidiger, und so tritt er mit jenen Worten vielmehr der hervor- 
brechendeu Heftigkeit der Königin entschuldigend entgegen. „Kassan- 
dra, sagt er, ist so verschüchtert (thumb) wie ein neugefangenes Wild; 
darum habe Nachsicht mit ihr, sie bedarf eines klaren Dolmetsch, wie 
deine Heftigkeit es nicht ist“. _ 

v. 1023 sind die codd. sicherlich im Recht, wenn sie lesen ἡ μαΐ- 
νεταί γε. Hier ist Hermanns Aenderung in τέ so überflüssig wie nur 
eine sein kann. Denn eben im Gegensatz zu den Worten des Chors 
dass Kassandra verängstet sei, behauptet die Königin: „Nein, sie rast 
vielmehr“. Da wäre γέ ja gar nicht zu entbehren. — Auch die äusser- 
lich sich empfehlende Conjectur Meineke’s zu v. 1022 ϑηρὸς ὡς νεαγρέ- 
του statt νεαιρέτου ist unbedingt zurückzuweisen. Denn aigeiv wird 
ebenso gut wie ἀγρεῖν vom Fangen der Tiere gebraucht, und gerade der 




















COMMENTAR. | 373 


Ausdruck νεαερέτου giebt ja der Königin den Anlass zu ihrer herben um 
πόλεν νεαέρετον sich drehenden Erwiderung. 

Der ganze Dialog weist demnach in genauester Symmetrie der Grup- 
pen und ihres Gedankengehalts folgendes Schema auf: 

Chor. Klyt. Chor. Klyt. Chor. Klyt. Chor. 
3. ὅ. 2. 6. 2. 5. 8. 

Die mesodische Gruppe, bei deren Vortrag die Königin ohne Zweifel bis 
an den Rand der Skene vortritt, während sie ihr erstes Wort (v. 994— 
1005) vom Tor des Palastes aus gesprochen hat, steht nun für sich allein, 
ebenso wie die mesodische Gruppe des Aegisth v. 1597 — 1601 in dem 
ganz ähnlich angelegten Dialog zwischen ihm und dem Chor. In die vier 
correspondierenden Chorpartien teilen sich vermutlich die Führer der 
hier in vier Rotten aufgestellten Greise. 


Kassandras Visionen v. 1031— 1136. 


Im ersten Strophenpaar weicht Hermann sehr unnötig von der Les- 
art des Med. ab: ὀτοτοτοτοῖ ποποῖ δὰ ist eine katalektische iambische 
Tetrapodie, und ὦπολλον. ὦπολλον ist ein doppelter Antibacchius, wor- 
aus Hermann um so weniger den hyperkatalektischen Dochmius ᾿4πόλ- 
λων, ᾿Απόλλων hätte machen sollen, da in dem Angstruf der Seherin 
die Wiederholung des Namens Apvullon mit demselben Ton des Ent- 
setzens, also auch mit demselben Verstakt eintreten muss. Ebenso ist 
v. 1039 nach sämtlichen codd. der Voc. "AnsoAlov, Ἄπολλον, den Her- 
mann in den Nom. verwandelt hat, herzustellen, wie schon der sogleich 
folgende Voc. ἀγυιᾶτα beweist. 

Zu v. 1031 vgl. Naegelsbachs Anmerkung zur Il. α, 254: „Allgemein 
gilt jetzt πόποι. bei Homer nie ohne das ὦ. als Interjektion des Stau- 
nens, Unwillens, Zornes oder Schmerzes, und die bekannte Notiz Plutarchs 
de audiendis poetis 6 p. 22 Ζρύοπες δὲ πόπους τοὺς δαέμονας (καλοῦ- 
σιν)» sowie der hiermit stimmende Gebrauch Lykophrons v. 943 τοίγαρ 
πόποι φύξηλιν ἤνδρωσαν σπόρον wird als gelehrte 'Grille verworfen. 
Und zweifelsohne ist ὦ πόποι Interjektion geworden. Ob aber von 
jeher gewesen? Wenn Aeschylos die Kassandra rufen lässt ποποῖ δὰ, 
und wenn δὰ doch ohne Zweifel soviel ist als γῆ. so erinnert dieser Aus- 
ruf nicht wenig an das bei Demosthenes häufige ὦ ϑεοὶ καὶ γῆ, und es 
möchte somit die Lehre von πόποι einer nochmaligen Prüfung bedür- 
fen“. — Gewiss sehr richtig. Auch in unserer Volkssprache ist die An- 
rufung ‚o Jesus‘ in den mannigfaltigsten Corruptionen zu einer Inter- 
jektion „des Staunens, Unwillens, Zornes oder Schmerzes‘‘ geworden. — 
Dass die verzückte Seherin neben den ‚Göttern auch die Erde anruft, 
bezieht sich wohl auf die Γαῖα als πρωτόμαντις (Eum. 2). 

v. 1043 giebt Med. δουλέᾳ παρ᾽ ἕν φρενί ---- sinnlos —- was Schütz 
evident verbessert in δουλίᾳ περ. ἐν φρενί. Hermann aber zieht Tricli- 
nius’ und Auratus’ Conjectur παρόν vor. 

v. 1047 und 1048 ist es mir rätselhaft, wie Schneidewin in den 
Worten des Chors einen Hohn gegen Kassandra hat sehen mögen. Wie 





374 COMMENTAR. 


würde das zu v. 1029 stimmen? In aller Einfalt giebt der Chor da, wo er 
die Fremde in ihrer Ekstase der Wirklichkeit entrückt glaubt, ihr eine 
wohlgemeinte Aufklärung. 


v. 1049 ist der Dochmius πολλὰ συνίστορα mit kurzer Endsylbe um 
so verdächtiger, da in der Gegenstrophe die Schlusssylbe lang ist. Eine 
äusserst einfache Emendation hilft jenem Schaden ab: man schreibe 
πολλὰ συνίστορ᾽ a, ähnlich wie ich zu v. 954 Hik. 1034 emendiert habe. 
Nicht nur ist die Interjektion des Schauders hier sehr angemessen, son- 
dern es erklärt sich auf diese Weise auch, wie der Med. und seine Sippe 
vor diesem Verse noch den Ausruf ἃ α (nicht in der Gegenstrophe) hat. 
Sicherlich ist dies falsch, denn die Interjektion unterbricht den engen Zu- 
sammenhang zwischen πρὸς τὴν ’Argsıdav und μισόϑεον μὲν ovv, aber 
die Corruptel des Med. erklärt sich erst aus meiner Emendation. Ein 
Abschreiber fand nämlich συνίστορα mit übergeschriebener Verbesserung 
&, und so glaubte er, dies ἃ bilde in einer nach Analogie der anderen 
Strophen notwendigen Verdoppelung eine eigene Reihe. 


Sehr schwierig aber ist die Herstellung der ‚folgenden sehr verdor- 
benen Zeilen. V. 1050 geben die codd. αὐτοφόνα κακὰ καρτάναι ---- 
sinnlos und unrhythmisch. Klar ist aber zunächst nach der Gegenstrophe, 
dass der Vers eine iambische Tetrapodie mit Auflösung der ersten und 
der zweiten Arsis sein soll: dies ist das einzige hier passende Metrum, 
wie die Analogie der anderen Strophen zeigt (Karsten freilich macht eine 
katalektische trochäische Tetrapodie daraus!). Sodann ist es mir 
höchst zweifelhaft, ob die Acc. in v. 1050 und 1051 von συνίστορα ab- 
hängen können. Wenigsteus bei Aeschylos findet sich (wenn wir von 
dem zweifelhaften χοὰς πρόπομπος Ch. 23 absehen) kein Beispiel einer 
Struktur, wo das Adj. noch mit voller verbaler Kraft ein wirkliches Ob- 
jekt zu sich nähme. Freilich πολλά ist notwendig mit συνέστορα zu 
verbinden, wie Prom. 907 ἁπορα πόριμος., aber es entgeht Niemandem, 
welch’ ein Unterschied zwischen solchem adverbialen Acc. desInhalts, den 
jedes Ad). zu sich nehmen könnte, und einem wirklichen Objekt ist. 
Ausserdem aber ist die Interpunktion durch diesen gauzen Kommos hin- 
durch in Strophe und Gegenstrophe so ebenmässig und genau entspre- 
chend, dass wir aus der Interpunktion nach ἐπιπείϑομαι v. 1054 wohl 
schliessen dürfen, dass auch nach συνίστορ᾽ ἃ ein volleres Zeichen zu 
setzen ist. Daher beginne ich mit αὐτοφόνα einen neuen Satz, der sich, 
in der lebhaften Erregtheit der Sprecherin, als erklärend natürlich asyn- 
detisch anschliesst. Nun aber fragt sich zunächst, was wir mit καρταναι 
anfangen. Gehört überhaupt der Begriff „Strick“ hierher oder nicht? 
Um die Wette haben die neueren Ausleger, auch Ahrens, sich bemüht, 
durch gewaltsame Conjecturen ihn wegzuschaffen, denn es sei ander- 
weitig nichts davon bekannt, dass Aerope durch Erhängen ihrem Leben 
ein Ende gemacht habe. Ist dena aber von der Ermordung des Atreus 
durch Thyestes anderweitig etwas bekannt? Und v. 1051 spricht doch, 
wie man auch immer die corrumpierten Worte drehen mag, unzweifel- 


COMMENTAR. 375 


haft von der Ermordung eines Mannes im Hause der Pelopiden, einer 
Ermordung, die, wie v. 1054 zeigt, im engsten Zusammenhang mit der 
Schlachtung der Kinder des Thyestes stand. Das kann, wie Klausen 
scharfsinnig und überzeugend dargetan hat, nur auf eine Version der 
᾿ Sage gehen, die uns zufällig sonst verloren gegangen ist, dass nämlich 
Atreus von Thyestes ermordet sei. So ist denn auch nach der Andeutung 
des einstimmig überlieferten ἀρτάναι unbedenklich mit Klausen anzu- 
nehmen dass Aeschylos die Aerope, wie es an sich so natürlich ist, ihren 
Tod nach Art der Heroinen durch deu Strang hat finden lassen. Ja, es 
wäre unverantwortlich die Ueberlieferung des Med. hier anzutasten, zu-- 
mal da das fragliche Wort vom Scholiasten in Uebereinstimmung mit 
Hesych erklärt wird ἀντὶ τοῦ ἀγχόνῃ. Aber dies Scholion zeigt dass 
man früher verstanden hat ἀρτάνᾳ; dass also ἀρτάναε nur auf einem 
höchst gewöhnlichen Lesefehler beruht. — Nach diesen Spuren und Ar- 
gumenten glaube ich denn dass v. 1050 so herzustellen ist: αὐτοφόνα 
κάκ᾽ ἔδρακ᾽ ἀρτάνᾳ „es sah (erlebte) Selbstmord durch den Strang “. 

So wird durch eine äusserst geringfügige Aenderung der Rhythmus her- 
gestellt und ein Gedanke gewonnen, in welchem die sinnliche Belebung 
des Hauses besonders durch das vorausgegangene συνίστορα motiviert 
ist. — Für die Restitution des folgenden Verses, der nach dem Med. 

lautet ἀνδρὸς σφάγιον καὶ πέδον δαντήριον, hat nur Ahrens etwas 
Annehmbares, aber nach meinem Urteil auch fast Sicheres geliefert: 

seine Emendation κἀνδροσφαγ᾽ ἰὸν γαπέδου δαντήριον weicht so wenig 
von der Ueberlieferung ab und entspricht so sehr den Gesetzen der Wort- 
bildung (Pers. 496 κρυσταλλοπῆγα διὰ πόρον) und der Grammatik, na- 
mentlich aber dem Zusammenhang des Textes, dass ich kaum Bedenken 
trage sie für eine wahrhafte Besserung zu erklären. 

v.1055 wäre das überlieferte κλαιόμενα τάδε βρέφη, falls die Lesart 
unverdorben wäre, sicherlich derNom.: eine Construction, wieHermann sie 
hier wie v. 2 statuiert, dass der Acc. κλαιόμενα von einem (woher?) zu 
ergänzenden „in mente habeo‘ abhängen sollte, ist überall undenkbar. 
Nehmen wir denn einmal an dass κλαιόμενα τάδε βρέφη Nom. mit zu 
ergänzendem ἐστί ist: daun würden „die Kinder d. h. die gespenstigen 
Schatten derselben ihre Ermordung und das vom Vater gegessene Fleisch 
beweinen“. Das wäre eine sehr incorrecte Vorstellung, die dem Aeschy- 
los nicht zuzutrauen ist. Denn was iu der Wirklichkeit nicht existiert 
hat und nicht existieren wird (und wie könnten Kinder um ihr verzehrtes 
Fleisch weinen?), das kann auch die Seherin nicht schauen: ihr offen- 
. bart sich nur das wirkliche, freilich so dass sie Vergangenheit und Zu- 
kunft wie in einem Bilde überschaut. Und was aus der Nebelverhüllung 
ihrem Hellblicke entgegen tritt, hat sie einfach zu beschreiben. So Hat 
Elberling trotz Hermanns Widerspruch mit allem Recht an unserer Stelle 
Anstoss genommen. Aber dem Zusammenhang wie der Grammatik wird 
durch Veränderung eines Buchstaben genügt : man schreibe κλαεόμενά τ᾽ 
ἰδὲ βρέφη σφαγάς „sieh dort (wie v. 1084) die um ihre Ermordung 
schreienden Kinder und dort das vom Vater angegessene gebratene 


376 COMMENTAR. 


Fleisch“. So entgehen wir zugleich der lästigen von Karsten gerügten 
Wiederholung von τάδε nach τοῖσδε. 


v. 1057 lautet nach dem Med.: n μην (von zweiter Hand über- 
geschrieben nuev) κλέος σου μαντικὸν πεπυσμένοι | ἦμεν. Daraus 
macht man seit Porson meistens ἡ μὴν κλέος —_ ἧσμεν. Aber mit fei- 
nem Gefühl bemerkt Weil dass sowohl ἡ μὴν wie nouev in diesem Zu- 
sammenhang viel zu pathetisch sei, der Chor spreche hier noch durchaus 
nüchtern; daher sei ἢ μήν zu tilgen und dafür. nach der Correctur des 
Med. nuev — πεπυσμένοι zu schreiben. Zu Anfang des folgenden Verses 
aber sei ein anderes (unleserliches) Wort durch die Verdoppelung von 
ἦμεν und n unv verdrängt; dort sei etwa τούτων προφήτας zu sub- 
stituieren. — Uebrigens ist hier προφήτης (trotz Ahrens) natürlich syno- 
nym mit μᾶντις. 


v. 1059 und 60, wo der zweite Vers τί [τόδε νέον ἄχος μέγα dem 
antistrophischen τὸν ὁμοδέμνιον πόσιν nicht entspricht , hat Heimsveth 
(die Wiederherstellung p. 79—82) im Uebermass seines Strebens Glossen 
aufzuspüren und zu beseitigen unglaubliches geleistet. Wir wollen hier, 
um in einem Beispiel diese neue Methode zu charakterisieren, seine An- 
griffe auf des Dichters Eigentum etwas näher ‚beleuchten. Zunächst tilgt 
er iu der Gegenstrophe πόσιν als Glosse zu τὸν Ouod&uvıov, denn beide 
Wörter zusammen seien „im Seherstile allzu deutlich“. Dann rallt natürlich 
in der Strophe μέγα hinter ὦ ἄχος, als zur Ausgleichung mit πόσεν hinzuge- 
schrieben. Ferner sei ἄχος», meint er, nur eine zu Gunsten des Metrums 
gemachte Interpolation für ὄχϑος (was der Med. ursprünglich hat), und 
dies sei bloss eine zu rode hinzugeschriebene Erklärung. Aber auch γέον 
sei, wie Hesych beweise, nur Glosse für πρόσφατον (Heiınsoeth vergisst 
dass derselbe Hesych hinwiederum νέος durch πρόσφατος glossiert). 
Endlich aber sei es auch klar dass sich μήδεται nicht so wiederholen 
könne, wie es hier geschehe; das erste μήδεται sei vielmehr nur hinzu- 
geschriebene Erklärung, worüber das Subjekt des ganzen Satzes, das 
Weib des Hauses, verloren gegangen sei. Die beiden ersten Verse der 
Strophe seien also zu schreiben: 


ἰὼ πόποι , τί ποτε σύξυγος. τί τόδε πρόσφατον 
μέγ᾽ ἐν δόμοισι τοῖσδε μήδεται κακόν; 


In der Tat, wenn in dieser Art einmal der ganze Text des Aeschy- 
los „ wiederhergestellt‘‘ sein wird, so dürften wir — von der ursprüng- 
lichen Form der Dichtungen weiter als je entfernt sein. Denn nur in 
einem einzigen Punkte hat Heimsoeth Recht, dass nämlich ἄχϑος älter 
und echter ist als das offenbar nur aus metrischer Correctur hervor- 
gegangene ἄχος. alle übrigen Ausstelluugen, die er macht, sind unbe- 
gründet. Erstlich ist die Andeutung eines Subjektes, der Klytämnestra, 
nicht nur unnötig, sondern sogar unschön: denn die Seherin schaut ihre 
Visiouen immer erst durch einen gewissen Nebel hindurch, erst allmäh- 
lich enthüllen sich ihr klarer und klarer die furchtbaren Bilder, weshalb 
es denn ganz natürlich ist dass sie beim ersten Hervortreten dieses neuen 














COMMENTAR. 377 


Bildes selbst noch nicht die Urheberin des drohenden Verbrechens er- 
kennt, also auch noch nicht deutlicher bezeichnet; sie sagt also nur, zu- 
nächst noch ganz unverständlich für den Chor: „was sinnt sie?‘“, und 
erst in der folgeuden Gegenstrophe hat sie die Königin als Mordanstif- 
terin erkannt und bezeichnet sie dunkel als solche. Die Wiederholung 
desselben Verbums aber nach so kurzem Zwischenraum ist schön und 
von ergreifender Wirkung: die Seherin kann es kaum für wahr halten, 
was sie schaut, und so ruft sie im gewaltigsten Entsetzen: „was sinnt 
sie nur? welchen neuen Fluch sinnt sie?‘ Auch die Wiederholung von 
μέγα ist durchaus notwendig, weil sonst ἐν δόμοισι τοῖσδε ganz müssig 
wäre: dieses gewinnt nur dann Sinn, wenn wir es mit dem nachdrucks- 
voll wiederholten μέγα aufs engste verbinden. Kassandra sagt also: 
„welch’ neues grosses Leid ersinnt sie, gross selbst in diesem Hause (das 
sonst schon so viel Schreckliches erlebt hat)?“ Endlich aber beweist 
das Epitheton ἄφερτον φίλοισιν dass der Begriff &y90s, den die ältere 
Lesart giebt, hier augemessen, ja erforderlich ist, und da nun Hesych 
ἄχϑος durch βάρος glossiert, es aber hinwiederum ganz in der Manier 
der alten Erklärer liegt, auch umgekehrt das den Tragikern geläufige βά- 
ρος durch ἄχϑος zu umschreiben, so zweifle ich kaum, dass der Dichter 
geschrieben hat ἰὼ πόποι, τί ποτε μήδεται; | τέ τόδε νέον βάρος 
μέγας | μέγ᾽ ἐν δόμοισι τοῖσδε, μήδεται κακῶν; Dann ist βάρος κακῶν 
— βαρέα κακά. und an diesen Begriff schliessen sich völlig correct die 
Attribute ἄφερτον φίλοισιν, δυσίατον an. Der zweite Vers bildet nun 
eine iambische Tetrapodie mit Auflösung der ersten Arsis (ganz wie das 
vorhergehende und das nachfolgende Strophenpaar eine iambische Tetra- 
podie als Vorläufer des Trimeters haben), und darnach ist in der Gegen- 
strophe, wie wir in dem Zusammenhang derselben sehen werden, sehr 
einfach zu emendieren. 

v. 1066 ist überliefert ἰὼ τάλαινα. τόδε γὰρ τελεῖς, Aber ‚dies ge- 
nügt weder in Form noch in Inhalt. Denn dem strophischen ἐὼ πόποι, 
τί ποτε μήδεται müssen eine iambische Dipodie und ein Dochmius so 
entsprechen, dass zwischen beiden eine Cäsur eintritt. Auch sonst sind in 
dem ganzen Koimmos die Dochmien regelmässig durch Cäsur unter einan- 
der und von den übrigen Rhythmen abgetrennt. Aber τόδε γὰρ τελεῖς 
„denn willst du dies vollführen?‘“ ist auch sinnlos: τόδε kann nur hin- 
weisen auf das, was Kassandra in ihrer Vision sieht, dies ist aber die 
Geschäftigkeit der Königin beim Bade ihres Gemahls, und in Bezug auf 
dies, was sie sieht, kann die Seherin nicht jene Frage aussprechen. Mit 
den übrigen Auslegern τόδε auf die noch gar nicht genannte Ermordung 
zu beziehen, ist unstatthaft, zumal da Kassandra wohl ein furchtbares 
Verbrechen ahnt, ihr selbst aber erst nach und nach der Vorgang sich 
enthüllt. Sie muss vielmehr (im genauesten Einklang mit τί ποτε un- 
δεται) fragen τί τόδε γὰρ τελεῖς „denn was bezweckst du mit diesem 
Tun?‘ Dann aber lautet der Anfang des Verses unzweifelhaft io τάλαν, 
„o du freche“. Mehrmals kommt bei Aristophanes τάλαν in der Anrede an 
ein Weib vor: Lys. 102. Rau. 559. Ecel. 124, und Herodian in Cram. An. 








378 COMMENTAR. 


II, p. 290, 14 sagt τὸ δὲ τάλαν ὀνοματικόν ἐστιν ἐπίρρημα. Den Tragi- 
kern diesen Gebrauch abzusprechen, liegt nicht der mindeste Grund vor. 
Die Corruptel aber erklärt sich sehr einfach: war für τάλαν das glossie- 
rende τάλαινα in den Text gedrungen, so musste aus metrischen Grün- 
den von selber τέ wegfallen. 

Nun ist auch die Emendation vou v. 1067, dem vorn eine Sylbe 
fehlt, von selbst gegeben: es ist in genauester Uebereinstimmung mit 
der Strophe zu schreiben τέ τὸν ὁμοδέμνεον πόσιν | λουτροῖσι. φαιδρύ- 
νασα; sodass aus dem vorhergehenden zu wiederholen ist releig: „was 
willst du vollbringen, nachdem du deinen Ehgemahl im Bade erquickt 
hast?“ So ist nicht mehr die Rede von einer Abbrechung des begonne- 
nen Satzes, die alle Ausleger hinter φαιδρύνασα statuieren, die aber 
weder dem tragischen Stil, noch auch psychologisch dem Charakter Kas- 
sandras angemessen sein würde. Denn warum sollte sie, die duch v. 1087 
so deutlich den Fall Agamemnons beschreibt und v. 1205 ihn so klar 
weissagt, hier vor dem Wort der Ermordung zurückbeben? Eben darum 
sind auch die folgenden Worte der Ueberlieferung πῶς φράσω τέλος; 
gar nicht zu verstehen. Die Seherin kaun an dieser Stelle nicht sich 
weigern das Ende auszusprechen, da sie es doch alsbald nachher tut. 
Dazu kommt dass die Worte τάχος γὰρ τόδ᾽ Foraı „denn bald wird das 
Ende da sein‘ in keiner Weise als Motivierung der Frage πῶς φράσω 
gelten können. So ist denn ohne Zweifel mit leisester Aenderung zu 
lesen: λουτροῖσι φαιδρύνασ᾽ - ἁπλῶς φράσω r£Aog. „Kurz und bündig 
werd ich den Ausgang nennen, denn bald wird er da sein“. Robort. 
giebt paıdovvao'. Zu ἁπλῶς aber vgl. Hesych ἁπλῶς συντόμως und 
Ch. 112 ἁπλῶς τι φράξουσ᾽ ὕστις avramoxtevei. 

v. 1069 und 70 liest Med.: προτείνει δὲ χεῖρ᾽ ἐκ χειρὸς ὀρεγομένα 
— unrhythmisch, doch hat Porson unzweifelhaft richtig χειρὸς in χερὸς 
geändert und statt ὀρεγομένα bieten Ven. und Flor. ὀρεγμένα, eine Form, 
deren Bildung durch genügende Analogien gerechtfertigt, audrerseits aber 
so ungewöhnlich ist, dass man ‘darin unmöglich eine feine metrische 
Conjectur der Byzantiner sehen kann, zumal da diese gar keinen Anstoss 
daran nahmen, wenn anderswo in dochmischen Rhythmen zwei Kürzen 
einer Länge entsprachen. Vgl. v. 1369, wo alle codd. ὁρώμενον statt 
ὄρμενον haben (Farn. ὀρώμενον). So halte ich ὀρεγμένα, das rhythmisch 
genau mit dem strophischen ἀποστατεῖ stimmt, für entschieden echt. 
Der Scholiast bringt durch ein Missverstäudniss den Aegisthos in diesen 
Zusammenhang hinein, während bloss Klytämnestra als geschäftig beim 
Bade zu denken ist: aber aus seiner Anmerkung διαδέχονται δὲ ἀλλή- 
λους τοῖς ὀρέγμασι τῶν χειρῶν 4ἴγισϑος καὶ Κλυταιμνήστρα ist 
durchaus nicht mit Hermann zu schliessen dass er ὀρέγματα (metrisch 
wegen des kurzen Schlussvokals kaum haltbar) gelesen habe, nur hat er 
offenbar ysto als Nom. gefasst. 

v. 1074 in ἡ δίκτυόν τί γ᾽ "Aıdov 'tilgen Dindorf und Weil das 
sinnlose, nur von Unkundigen zur Vermeidung des erlaubten Hiatus ein- 
geschobene γ᾽. Ahrens sucht es zu retten, indem er ἦ affirmativ fasst 


COMMENTAR. 379 


und auf ἦ μαΐένεταί γε v. 1023 verweist, aber erstlich stellt N — γε das 
hervorgehobene Wort immer in einen klaren oder latenten Gegensatz zu 
anderem (davon könnte hier nicht die Rede sein), und zweitens könnte 
γέ hier am wenigsten hinter dem tonlosen τι stehen. — Aber die fol- 
genden Worte ἀλλ᾽ ἄρκυς ἡ ξύνευνος ἡ ξυναιτία | φόνου sind bisher 
noch nicht erklärt worden. Der Scholiast deutet ἡ &uvevvog auf Kly- 
tämnestra, aber nachdem so eben das verstrickende Gewand, in das 
Agamemnon gehällt wird, ein d/xrvov genannt ist, kann unmöglich die 
Gattin selber ein Netz heissen. Verständiger erklärt Bothe ἡ ξύνευνος 
ἄρκυς als das Gewand, womit beide Ehegenossen im Schlaf sich umhüll- 
ten, das aber hier als Fanggarn dient, und neuerdings hat Meineke diese 
Deutung wieder vertreten: aber wie, ‚sollte ein solches Gewand ἄρκυς 
heissen „können? Ahrens hält daher ἄρκυς für verdorben und vermutet 
ἄρκος ἡ ξύνευνος „die lagergenössische Bärin“, aber diese Metapher für 
Klytämnestra wäre hier durch nichts motiviert, und wenn wir Ch. 975 54. 

vergleichen, wo Orestes eben das μηχάνημα, von dem hier dieRede ist, als 
δίκτυον und in einer Steigerung als ἄρκυς bezeichnet, so kann es nicht 
zweifelhaft sein dass auch an unserer Stelle beide Ausdrücke echt sind und 
beide sich auf das verstrickende Gewand (das v. 1086 μηχάνημα heisst) 
beziehen. Su muss denn der verwirrende Fehler im Folgenden liegen. 

In ἡ ξύνευνος ἡ ξυναιτία scheint jener Parallelismus des Ausdrucks, den 
Aeschylos so sehr namentlich in Adjektiven liebt, für die Echtheit der 
Ueberlieferung zu bürgen, aber dieser Schein ist hier ein sehr trügeri- 
scher: bei genauerer Prüfung erweist sich dieser Parallelismus, ob mau 
nun ξύνευνος auf die Gattin deutet oder auf sonst etwas, als ein Unsipn. 
Denn das Netz kann Niemandem ‚„mitschuldig“ sein, Klytärnnestra aber ist 
einzig und allein des Aegisthos Mitschuldige, und von dieser Beziehung 
auf Aegisthos ist hier keine Rede. Auch hat der Scholiast, wie es 
scheint, das unsinnige ξυναιτία noch nicht gelesen: er bemerkt ἢ γυνὴ 
τοῦ ᾿Δγαμέμνονος (d. i. ἢ Evvevvog) αἰτία ἔσται τοῦ φόνου. Mit αἰτία 
ἔσται hat er natürlich etwas erklären wollen, schon darum ist nicht 
daran zu denken dass der Dichter, wie Hartung meint, geschrieben habe 
ἡ ξύνευνος ἔσται δ᾽ αἰτία | φόνου: aber ἔσται würde auch, abgesehen 
von der Form des Ausdrucks, hier ganz unpassend sein, weil die Seherin 
in diesen Iyrischen Strophen nicht wie nachher iu den Trimetern die 
Zukunft weissagt, sondern ihre Visionen beschreibt, sodass 
das Präsens durchaus notwendig ist. Der Dichter wird also geschrieben 
haben ἡ ξύνευνος εἶσιν αἰτία | povov „die Gattin selber schreitet heran 
als Urheberin — des Mordes“. “Aus jenem εἶσιν ist aber durch den 
allereinfachsten Lesefehler ἡ συν- entstanden. Dadurch berichtigt sich 
denn auf der Stelle das vorhergehende. Nach ἄρκυς ist mit Hartung zu 
interpungieren, sodass die Seherin ruft: „ist das eine Reuse des Hades? 
nein! nein! es ist ein Löwengarn“. Daran schliesst sich dann, indem 
nun die Vorstellung erweckt ist, wer das verstrickte Wild wohl tödten 
wird, mit schönem Asyndeton: » die eigne Gattin schreitet heran zum 
Morde“. — Weiter ist dann Στάσις nach Klausens treffender Deutung 





380 COMMENTAR. 


als persönliches Wesen zu fassen; es ist dies ein vereinzelter Gebrauch, 

der wohl zu der dunklen Sehersprache stimmt. Kassandra meint damit 
eben den sonst so oft genannten unersättlichen ἀλάστωρ, der dem Ge- 
schlechte zu diesem Opfer den Jubelruf erheben solle; aber indem der 
Dichter anspielt auf den Jubel, mit welchem sonst die Frauen den Fall 
des Opfertieres begleiteten (Herm. Gottesd. Alterth. $ 28, 17), so sub- 
stituierte er eben hier für den ἀλάστωρ einen weiblichen Dämon, die 
Στάσις. Sehr passend erinnert Naegelsbach an Plat. Rep. V, 470 B: ἐπὶ 
μὲν οὖν τῇ τοῦ οἰκείου ἔχϑρᾳ στάσις κέκληται, ἐπὶ δὲ τῇ τοῦ ἀλλο- 
τρίου πόλεμος. ---- Das ϑῦμα,. dem nun die Stasis zujubeln soll, ist ohne 
Frage Agamemnon, aber dazu stimmt nicht das überlieferte ϑύματος 
λευσίμου, das den Scholiasten bereits auf die wunderlichsten Irrwege 
verlockt hat. Mit Recht bezeichnet daher Ahrens Asvoluov als corrupt; 
nicht glücklich aber ändert er es in devoluov, das bedeuten soll „blut- 
spritzend“. Gegen den aktiven Sinn dieses Adj. wäre zwar nichts einzu- 
wenden, aber es müsste dann heissen „benetzend‘“, und das wäre für dies 
absonderliche Opfer nicht bezeichnend. Ich verlange vielmehr ein Adj,, 
das entweder den hohen Rang des königlichen Opfers andeute, oder eins, 
das auf die augenblickliche Situation beim Jubelruf (das Fallen) sich be- 
ziehe. Am liebsten möchte ich daher ϑύματος πτωσίμου, wenn dies 
Adj. nicht gleich nachher wiederkehrte. Nun schreibe ich mit einem des 
Dichters nicht unwürdigen Oxymoron ϑύματος #Aavaluav „der Rach- 
geist juble auf bei dem beweinenswerten Opfer“. Wenn nach ϑύματος 
das % ausfiel, so lag es nahe λαυσέμου in λευσίμου zu verderben. 

v. 1080 — 82 lauten nach den codd. ἐπὶ δὲ καρδίαν ἔδραμε κροκο- 
βαφὴς | σταγών, ἅτε καὶ δορία πτώσιμος | ξυνανύτει βίου δύντος 
αὐγαῖς. Darin stecken schwere Corruptelen. Zunächst entspricht der 
Dochmius ἔδραμε προκοβαφὴς nicht genau dem antistrophischen τίς 
ἀγαϑὰ φάτις, und doch ist es ganz unglaublich dass der Dichter in die- 
sem Kommos, wo die wichtigeren Interpunktionszeichen immer an glei- 
cher Stelle von Strophe und Gegenstrophe stehen und wo sogar Wörter 
von gleichem Umfang sich entsprechen (z. B. ἐπὶ δέ καρδίαν und ἀπὸ δὲ 
ϑεσφατων), nicht Sylbe für Sylbe rhythmisches Gleichmaass in Strophe 
und Gegenstrophe hergestellt hätte. Mit Recht machen daher Enger und 
Heimsoeth einen Versuch einen völlig gleichen Dochmius wie in der Ge- 
genstrophe zu gewinnen; aber indem sie die Wörter bloss umstellen 
(προκοβαφῆς δράμε), hätten sie wenigstens um die Position zu stärken 
δράμεν schreiben sollen, und vor allem kam es darauf an, in dem sinn- 
losen ἅτε καὶ δορέα den Hauptsitz der Corruptel zu erkeunen und hier 
zu bessern. Aus doof« hat man fast allgemein seit Casaubonus doof 
gemacht, obschon Wellauer das gerechte Bedenken äusserte, dass durch 
diese Conjectur das ἃ der Ueberlieferung durchaus nicht erklärt sei. Wie 
hat man sich doch damit zufrieden geben können? Denn ob man nun mit 
Hermann auch καί noch in γᾷ verwandelt, oder das Wort unangetastet 
lässt, so kommt jedenfalls ein hier absolutTunerträglicher"Gedanke her- 
aus. Der Chor sollte wirklich sagen: „zum Herzen dringt der Blutstropfe, 








COMMENTAR. 381 


der, wenn er durch den Speer vergossen zu Boden fällt, zugleich mit 
der untergehenden Lebenssonne vollendet?“ Also indem der Chor sein 
Entsetzen schilderte, sollte er noch Zeit haben, in aller Gemiütlich- 
keit den Zustand seines Blutes nıit dem eines in der Schlacht fallenden 
Kriegers zu vergleichen? Wahrlich, eine solche Geschmacklosigkeit darf 
man dem Aeschylos nicht zutrauen. Nicht besser ist Dindorfs Gonjectur 
ἅτε καιρία πτώσιμος und Engers ἅτε καιρίᾳ πτωσίμοις. denn nicht 
nur kommt dieselbe unpassende Vergleichung heraus, wie bei Casaubonus’ 
δορί, sondern es wird dadurch auch die Respunsion mit der. Gegen- 
strophe, wo die Dochmien alle durch Wortcäsur von einander getreunt 
sind, arg gestört. Wäre aber jemand noch nicht von der Geschmack- 
losigkeit des dem Aeschylos aufgebürdeten Gedankens überzeugt, 80 ver- 
gleiche er doch den Schlusssatz der Strophe ταχεῖα δ᾽ "Ara melsı „das 
Unglück schreitet schnell“. Wie könnte diese euergisch kurze Gnome als 
Motivierung zu der in drei Versen ausgeführten schleppenden Beschrei- 
bung von der Angst des Chors hinzutreten? Dafür wäre der Satz viel zu 
kahl, und es wäre nicht abzusehen, welche Ara der Chor meinte. Von 
dem schnell schreitenden Unglück kann er hier, wie es scheint, nur spre- 
chen, insofern es berufen sei durch den Fluch oder die Weis- 
sagung Kassandras: von dieser also muss im Vorhergehenden die 
Rede gewesen sein, das Entsetzen des Chors muss sich darauf beziehen 
dass die Seherin Worte von schlimmster Vorbedeutung gesprochen habe, 
durch welche die Ate herbeigezogen werde (vgl. v. 1206). Und dass dem 
so sei, beweist das verdorbene Scholion zu dieser Stelle, in welchem, 
wie auch immer sonst das Bild von der untergehenden Lebenssonne miss- 
verstanden sein mag, ξυμπληροῦται jedenfalls Erklärung zu &vvavvrei 
ist. Jenes Wort kann kein Scholiast auf σταγών als Subjekt bezogen 
haben, er hat vielmehr einen Begriff wie Fluch, Weissagung, üble Vor- 
bedeutung vor sich gehabt (vgl. πληροῦν τὰς ὑποσχέσεις) und von die- 
sem gesagt „er werde gleichzeitig mit etwas anderem erfüllt“. So glaube 
ich denn dass das rätselhafte AOPIA corrumpiert ist aus OPIA (man las 
wohl zunächst opı«, woraus ein Gelehrter durch Conjectur δορί machen 
wollte, aber das α zu radieren vergass): denn ϑριὰ πτώσιμος enthält 
eben den Begriff der Weissagung. Die ϑριαί waren nämlich nach der 
übereinstimmenden Erklärung von Hesych, Suidas und dem Scholiasteu 
„zu Callim. hymn. in Apoll. μαντικαὶ ψῆφοι, Steine, aus deren Fall 
(ähnlich wie bei den Runenstäben unserer Vorfahren) die Zukunft ge- 
deutet ward. Solches Steinorakel war namentlich mit dem Apollocultus 
verbunden (vgl. Hermanns Gottesdienstl. Alterth. $39, 14), und Aeschylos 
konnte also, um Kassandras von Apollon eingegebene Weissagung zu 
bezeichnen, kaum einen passenderen Ausdruck gebrauchen als ϑριὰ πτώ- 
oıuog „der fallende Seherstein “ (ähnlich wie er ja den zweifelhaften Er- 
folg einer Sache durch Bilder, die vom Würfelfall hergenommeu sind, zu 
bezeichnen liebt). Der Sing. ϑριά wird bei Arcad. p. 98 unter den Oxy- 
tona mit aufgezählt. Demnach sagt der Chor: ‚der faHende Seherstein 
d. h. die gesprochene Weissagung vollendet (die Bahn) zugleich mit dem 


) 








382 COMMENTAR. 


Abendrot eines Lebensuntergangs; darum erfasst mich ein solches Ent- 
setzen “. 

So kann es denn auch nicht mehr fraglich sein dass ἅτε καί ver- 
dorben ist. Mit Sicherheit glaube ich darin, zumal da in der Gegenstr. 
an gleicher Stelle τέλλεται steht, das zu κροκοβαφὴς σταγών gehörige 
Verbum zu erkennen, nach dessen Untergang ein Gelehrter den handgreif- 
lich fehlenden Begriff der Bewegung durch ἔδραμε so ergänzte, dass er 
den uns jetzt überlieferten falschen Dochmius bildete. In ἅτε καί steckt 
χαξεται, eine Form, die von Hesych in einer hier völlig zutreffenden 
Weise durch ἀναχωρεῖ erklärt wird. So schreibe ich die ganze schwierige 
Stelle ἐπὲ δὲ καρδίαν κροκοβαφὴς ἐμοὶ} σταγὼν χάξεται" ϑριὰ πτώσι- 
wog | ξυνανύτει βίου δύντος αὐγαῖς. „Das Blut weicht mir zum Herzen 
zurück; (denn) ein’ Seherspruch erfüllt sich zugleich mit dem Ausgang 
eines Menschenlebens und schnell schreitet das Verderben‘“. Diese Emen- 
dation, welche einen des Aeschylos würdigen Gedaukengang in .edier 
Form nach den gewissenhaft verfolgten Spuren der Ueberlieferung her- 
stellt, dürfte namentlich auch dadurch an äusserer Wahrscheinlichkeit 
gewinnen, dass sie mit der Gegenstrophe nicht nur in Bezug auf Cäsur, 
sondern auch hinsichtlich der Interpunktion nach τέλλεται die genaueste 
Responsion giebt. 

Noch ist es übrig die Bedeutung von κροκοβαφὴς σταγών genau zu 
fixieren. Einige erklären die Worte einfach durch „Blut“, die Meisten 
aber glauben, das Blut sei saffranfarbig oder gelb genanut wegen der 
blassen Gesichtsfarbe, die der Erschrockene annehme. Diese letztere 
Deutung muss ein für alle Mal als entschieden falsch zurückgewiesen 
werden. Das Blut, welches im Gefühl des Entsetzens zum Herzen dringt, 
verändert damit doch nicht seine eigene Farbe, sondern bewirkt eben nur 
durch sein Zurücktreten die Blässe des Gesichts. Zugegeben aber auch, 
dass der Dichter nach dem oberflächlichen Anschein das Attribut der Ge- 
sichtsfarbe auf das Blut selbst übertragen hätte, so könnte doch auch ein 
Erblasster nie und nimmer κροκοβαφής heissen. Ja, selbst wenn wir 
dies zugeben wollten, so wäre der Ausdruck unpassend: jeder Choreute, 
der sein Entsetzen schildert, sieht ja nicht seine eigene Farbe, sondern 
er fühlt nur die Kälte oder die Bewegung seines Blutes; er darf also 
nicht sagen „mein erblassendes Blut dringt zum Herzen“, sondern, wenn 
er dem Blut ein Attribut geben will, muss dies ein dem Gefühl ent- 
hommenes sein, etwa nach Sept. 814 κακόν μὲ καρδίαν τι περιπέτνει 
κρύος. Demnach kann κροκοβαφής hier nur die natürliche Farbe des 
Blutes bezeichnen, sodass die Zusammenstellung κροκοβαφὴς σταγών 
einfach den Begriff „‚Blut‘‘ wiedergiebt. Auch v. 224 haben Schneidewin 
(der aber trotzdem an unserer Stelle wunderlich in die Irre geht) und 
Naegelsbach richtig gesehen dass κρόκου βαφή nur ein euphemistischer 
Ausdruck für das verströmende Blut ist, durchaus synonym mit πορφυρᾶ 
βαφή Pers. 312. Man würde dies gewiss nicht so lange verkannt und bei 
κρόκου βαφή an das Saffrangewand der Königstochter gedacht haben, 
wenn man nicht im Deutschen sich zu sehr gewöhnt hätte, von „saffran- 


COMMENTAR. 383 


gelb‘ zu sprechen. Die Farbe des Saffrans ist eben viel mehr rötlich, 
als gelblich, und so ist es, zumal da die Griechen bei ihrem schwachen 
Farbensinn in der Bezeichnung der Farben überall sehr ungenau sind, 
keineswegs befremdend, wenn auch das Blut bald πορφύρεος, bald κροπο- 
βαφής heisst. So bezeichnet κρόκον ὧν dasselbe rote Eidotter, was 
Athenaeus πυρρὸν ὠῶν nennt. So heisst bei Hesiod die Morgenröte der 
Dämmerung κροκόπεπλος. So führt der Thes. unter κροκενέξω an τὴν 
ἡμέραν ὁρᾷς ῥοδοειδῇ τε καὶ κροκενίξουσαν. 

v. 1084 ----88 verbindet man in der ‚Regel ἅπεχε τῆς βοὸς τὸν ταῦρον. 
Aber wen soll dann Kassandra mit ἄπεχε anreden? In ihrer Vision er- 
blickt sie nur Agamemnon und Kiyt., den Chor aber kann sie selbstver- 
ständlich nicht aufrufen dem König zu Hülfe zu kommen. Daher wird 
Karsten wohl Recht haben, wenn er, nach βοός interpungierend, ἄπεχε 
intransitiv fasst als Anruf an Agamemnon „halte dich fern von der Kuh“. 
50 gewinnen wir auch hier eine mit der Strophe genau correspondierende 
Satzabteilung, ja! ganz gleichmässig wendet sich die Seherin in Strophe 
und Gegenstrophe mit dem ersten Verse nach dem Palaste hin, während 
sie das übrige gegen den Chor gekehrt spricht. — Weiter heisst es dann 
nach den codd. τὸν ταῦρον ἐν πέπλοισιν | μελαγκέρῳ λαβυυσα μηχανή- 
ματι | τύπτει. Darin erklärt Hermann μελαγκέρῳ μηχανήματι für 
„Schläge des schwarzen Eisens, gleichsam schwarze Hörner“. Das be- 
darf kaum der Widerlegung. Das μηχάνημα kann in diesem Zusammen- 
hang durchaus nichts anderes sein, als was Ch. 975 mit demselben Worte 
bezeichnet wird: das verstrickende Netz, und dies kann weder „schwarz- 
hornig“ noch (nach Ahrens’ sehr zuversichtlich vorgetragener CGonjectur) 
μελαγκόρῳ „tückisch blickend‘“ heissen. Aber da der Schol. und cod: 
Med. die Variante μελάγκερῶν bieten, so kaun es kaum zweifelhaft sein 
dass in diesem zu ταῦρον gehörigen Attribut das richtige erhalten ist. 
Hartung behauptet zwar, es gebe keine schwarzgehörnten Stiere: das 
mag sein, wenn das Wort gepresst wird, aber Stiere mit dunklen Hör- 
nern giebt es genug und auf solche passt das Adj. ganz vortrefllich. Und 
da die dunkelhornigen Rinder noch jetzt für die stärkeren gelten, so ist 
es klar dass der Dichter mit ταῦρον μελάγκερων den starken Helden be- 
zeichnet, der nur durch tückische List überwältigt werden könne. Zu 
μηχανήματι aber können wir eines Attributs nicht entbehren, seine Natur 
muss näher bezeichnet werden, andrerseits aber ist der Ausdruck &v 
πέπλοισιν, der die Erklärung von μηχανήματι enthält, stilistisch nicht 
zu rechtfertigen; ich zweifle daher nicht dass Aeschylos mit jener poeti- 
schen Verschränkung der Nomina und ihrer Attribute, die er so sehr liebt, 
geschrieben hat τὸν ταῦρον ἐν πεπλώδει μελαγκέερων λαβοῦσα μηχανή- 
ματι. Vgl. Schol. τὸν μελάγκερων ταῦρον λαβοῦσα τῷ μηχανήματι τῷ 
διὰ τῶν πέπλων. Für τύπτει ist dann des Metrums wegen nach Her- 
manns Vermutung ϑένει zu schreiben: Hesych DEVEL, κόπτει, τύπτει. 
Ebenso für das überlieferte τεύχει nach Blomfields Vermutung κύτει. — 
Wunderbar aber ist es dass ausser Karsten und Weil noch Niemand an 
δολοφόνου λέβητος τύχαν σοι λέγω Anstoss genommen hat. Was sollte 


384 COMMENTAR, 


dieser mit energischem Asyndeton angefügte Gedanke: „der durch List 
mordenden Wanne Geschick nenn’ ich dir‘? Aber auch Weils Conjectur 
τέχναν befriedigt nicht: dass die Wanne δολοφόνος ist, darauf kommt 
es vor allem an, aber dieses Begriffes Gewicht würde durch τέχναν ge- 
schwächt werden. Es ist vielmehr nach κύτει nur ein Komma zu setzen 
und dann zu lesen doAopovov λέβητος τυχών, σοὶ Afyw „er fällt in das 
Wasserbecken, wahrlich, ich sage dir, ein Bad des Meuchelmordes damit 
erlangend‘. So schliesst sich τυχών au das Subjekt von πέτνει an, σοί 
λέγω aber (ein ausgeführtes τοί) tritt versichernd zu δολοφόνου (denn 
sonst pflegt das Bad ein erquickendes zu sein). Vgl. v. 264 τῆς νῦν τε- 
κούσης φῶς Tod” εὐφρόνης λέγω. 

v. 1089—94 sind im Ganzen gut erhalten: στέλλεται ist von Empe- 
rius und Hermann in τέλλεται verbessert. Der Schluss lautet nach dem 
Med.: κακῶν γὰρ διὰ πολυεπεῖς τέχναι ϑεσπιῳδὸν φύβον φέρουσιν 
μαϑεῖν. Hermann verwändelt δεὰ in διαὶ und ϑεσπιῳδὸν in ϑεσπιῳδοὶ, 
wodurch er den Gedanken gewinnt: „per mala multiloquae artes faii- 
dicae inlelligentiam timoris afferunt i. e. faciunt ut quis, quid signi- 
ficaverit timor, ipso eveniu malorum intelligat‘“. ‚Aber diese Erklärung 
ist eine zu künstliche und namentlich κακῶν γὰρ διαί gefällt nicht. 
Vielmehr ist mit Karsten διὰ in λέαν zu verwandeln und nach Anleitung 
der Strophe hinter ϑεσπιωδοίέ ein Punkt zu setzen. Dann hängt κακῶν 
von πολυεπεῖς ab nach einer bei Aeschylos sehr gewöhnlichen Erweite- 
rung der Analogie: in πολυεπεῖς liegt der Begriff der Fülle. Vgl. δορὸς 
ἀχείματος, πάντων ἄτιμον, τέχνης ἔνϑεος etc. Hieran schliesst sich 
dann mit summativem Asyndeton die gewichtvolle Gnome (v. 1083 ent- 
sprechend) φόβον φέρουσιν μαϑεῖν an: „nur Augst bringen sie zur 
Kunde“. Doch werden φόβον und μαϑεῖν den vom Dichter ihnen ange- 
wiesenen Platz vertauscht haben, indem die Abschreiber ihrer Gewohnheit 
nach @oßov mit dem vermeintlich dazu gehörigen Heonımdov zusammen- 
zubringen suchten: der Chor sagt mit Bitterkeit also μαϑεῖν φέρουσιν 
φόβον. Man wünscht nämlich durch das Orakel zu lernen, aber statt 
dessen bringen sie nur Aengstigendes. 

v. 1095—98. Das überlieferte τὸ γὰρ ἐμὸν ϑροῶ πάϑος ἐπεγχέασα 
“kann, wie schon die Rhythmen an sich und die Gegenstrophe zeigen, nicht 
richtig sein, die letzte Sylbe hängt über. Aber jede Aenderung, die ϑροῶ 
beibehält, wie Karstens Conj. ro γὰρ ἐμὸν ϑροῶ πάϑος ἐπαγχίσαν, ist 
aus dem stilistischen Grunde zu verwerfen, weil die furchtbar aufgeregte 
Seherin nicht in so nüchterner Weise dem Chor auseinandersetzen darf 
„denn ich komme nun auf mein Leiden“. In dem ganzen Kommos würde 
eine so verständig nüchterne Explication ihresgleichen nicht haben. Der- 
selbe Vorwurf trifft Ahrens’ Conj. τὸ γὰρ ἐμὸν ϑρόῳ πάϑος ἐπεγχέω. 
Ganz unverständlich aber ist Hermanns τὸ γὰρ ἐμὸν ϑροεῖς πάϑος ἐπεγ- 
χέας: der Chor hat ja von Kassandras Leiden gar nichts gesagt. Stellen 
wir aber im nächsten Verse das handschriftliche ἤγαγες wieder her, das 
Hermann in ἤγαγεν verdirbt, so ist klar dass die Seherin nicht den 
Apollon, wie man sonst glaubte, sondern den in der Vision geschauten 





COMMENTAR. 385 


Agamemnon anredet (wie ξυνϑανουμένην beweist) und damit ist dann 
offenbar das Part. ἐπεγχέας zu verbinden: denn Agamemnon hat ihr Leiden 
zu dem seinigen hinzugemischt. Dann steckt in 9000 natürlich ein Dativ, 
der des Königs Schicksal bezeichnet, also ist zu lesen τὸ γὰρ ἐμὸν μόρῳ 
πάϑος ἐπεγχέας, ποῖ δή --- ἤγαγες; Die Aenderung ist gering und erklärt 
die Corruptel: denn war von μόρῳ nach ἐμὸν das u verloren gegangen, 
so konnte 00@, zumal da ϑροεῖς sogleich folgte, gar leicht in 9000 ver- 
ändert werden, und dann folgte ja ἐπεγχέασα notwendig nach. Ob ποῖ. 
nach Heimsoeth in τί zu ändern ist, bleibt fraglich. Notwendig scheint 
es mir nicht: ποῖ δή μὲ δεῦρο — ἤγαγες; ist mit prägnanter Kürze ge- 
sagt für: „wohin (in welche Mördergrube) hast du mich geführt, indem 
du mich hierher führtest?‘““ So hat die Strophe völlig dieselben Inter- 
punktionspausen, wie die Gegenstrophe., 
v. 1099—1104. Sehr schwierig, aber auch zugleich höchst interes- 
sant und lehrreich in Bezug auf die Abstammung der codd. ist v. 1102. 
Unzweifelhaft richtig hergestellt ist ἀκόρετος βοᾶς, dann aber giebt Med. 
weiter φεῦ ταλαίνας φρεσὶν. während Ven. und Flor. lesen φελοίκτοις 
ταλαίν᾽ φρεσὶν und Farn. dann mit metrischer Correctur φελοέκτοισι 
φρεσὶν. Diese Varianten beweisen unwiderleglich, wie mir scheint, dass 
Ven. und Flor. nicht aus dem Med. stammen, sondern auf eine hinter 
diesem liegende Quelle zurückzuführen sind, also ihren selbständigen 
Wert für die Kritik haben. Denn wie wäre sonst jenes φιλοέχτοις, von 
welchem Med. keine Spur hat, in Ven. und Flor. gedrungen? Weder kann 
angenommen werden dass das überlieferte ταλαένας oder ταλαίναις durch 
das überaus seltene und den Abschreiberu gewiss nicht geläufige φυ- 
λοίκτοις glossiert worden sei (dafür hätten sie ἀϑλίαις, ταλαιπώροις 
u. dgl. zur Hand gehabt), noch auch können irgend welche metrische 
Gründe die Schreiber von Ven. und Flor. zur Einschiebuug eines Wortes 
veranlasst haben, denn eine Responsion zwischen Strophe und Gegensir. 
ist an dieser Stelle nicht entfernt bei ihnen vorhanden. Dazu kommt nun 
noch, dass die Lesart φιλοίκτοις. einen weit befriedigenderen Sinn giebt, 
als die in jeder .Weise unhaltbare des Med. Dieser las φεῦ ταλαίνας, 
indem er nätürlich den Gen. von der Interjection abhängen liess, dann 
aber schwebte φρεσέν ganz haltlos in der Luft, weshalb sich denn auch 
die, welche am Med. als einziger Autorität halten, gezwungen gesehen 
haben zu ändern in φεῦ. ταλαίναις φρεσίν. Wer aber diesen Ausdruck 
dem Aeschylos zutrauen kann, hat kein Gefühl für dichterischen Stil. 
Erstlich wäre es in diesem Zusammenhang ganz unmöglich dass der Chor 
in die völlig objectiv gehaltene Schilderung der Nachtigallenklage eine 
Interjektion einschöbe, die eine Aufregung verriete, wie an keiner andern 
Stelle des Kommos; zweitens wäre ταλαέναις φρεσίν, wenn es heissen 
sollte „mit unglücklichem Sinne“, eine nichtssagende wässrige Umschrei- 
bung für „die unglückliche“; sollte es aber bedeuten „mit Duldersinne‘““, 
so wäre dieser Ausdruck viel zu hoch gegriffen für die Nachtigall. Ganz 
anders verhält es sich mit φιλοίκτοις φρεσίν: dieser Ausdruck würde, 
da φίλοικτος eine tätige Neigung bezeichnet, ganz correct und ange- 


AESCHYL. AGAMEMNON, 25 





386 COMMENTAR. 


messen sein. Da also Ven. und Flor. Spuren einer weit poetischeren 
Sprechweise aufzeigen, der höchst gewissenhafte Med. aber seine Lesart 
nicht aus der Luft gegriffen haben kann, so müssen jene und dieser 
aus einer gemeinsamen(uelle geflossen sein, in welcher sich 
nach ἀκόρετος βοᾶς folgende Lesart fand φεῦ φιελοέντοις φρεσέν mit 
übergeschriebenem ταλαίν᾽. Hier war offenbar ταλαΐν᾽ oder ταλαένας 
zu φεῦ hinzugesetzt, um der Interjektion eine Stütze zu geben (vgl. Soph. 
Aj. 983 φεῦ ταλας), der Schreiber des Med. aber hielt es für eine Ver- 
besserung von gsAofarosg, während der des Ven. beide Adj. in den Text 
aufnahm und mit lobenswertem Takte φεῦ wegliess. Hatte also der cod. 
Byz. ἀκόρετος βοᾶς φεῦ φιλοίκτοις pgeoiv, worin die Interjectivn uner- 
träglich ist, so war dies augenscheinlich corrumpiert aus ἀκόρετος βοᾶς 
εὐφιλοίκτοις φρεσίν, indem das o von βοᾶς mit εὖ- zusammengelesen 
war in φεῦ. Die Composition εὐφέλοικτος „unablässig klagend‘“ lıat 
Aeschylos gebildet wie v. 695 εὐφελόπαις. ---- Damit aber ist des Dichters 
Hand noch nicht völlig hergestellt. Nicht nur ist es mehr als zweifelhaft, 
ob er sich in dem Creticus -roıg φρεσίν die kurze Endsylbe erlaubt haben 
würde, sondern es fehlt auch ein Verbum, von dem der Acc. ἀμφιϑαλῆ 
— βίον abhangen könnte. Denn Hermanus Erklärung dass βίον von 
στένουσα abhängig sei, indem Ἴτυν Ἴτυν adverbiell stehe, kann Niemanden 
befriedigen. Nun ergiebt sich aber dies Verbum mit völliger Sicherheit 
aus dem bisher zu wenig beachteten Scholion τὸ ἑξῆς. ϑρηνεῖ νόμον 
ἄνομον ἀμφιϑαλὴ κακοῖς. Man hat bisher hierin eitel Unsinn gesehen, 
indem man glaubte, der Scholiast verbinde ἀμφιϑαλῆ mit dem zwei 
Zeilen vorher gehenden νόμον ἄνομον. Das wäre freilich toll. Aber 
liegt es denn nicht auf der Hand dass die Note verstümmelt und am 
Schlusse ßlov ausgefallen ist? Der Erklärer wollte also, indem er ‚höchst 
vorsichtig und bedächtig aus dem Hauptsatze das Objekt νόμον ἄνομον 
in den Vergleichungssatz mit herübernahm (um zu verhüten dass βίον als 
Objekt aufgefasst würde) im Wesentlichen nur sagen: „verbinde ϑρηνεῖ 
νόμον ἄνομον ἀμφιϑαλῆ κακοῖς Biov“. Dies Verbum ϑρηνεῖ aber fehlt 
im Text, und doch ist der Begriff unentbehrlich: jene Form ist also mit 
aller Zuversicht dem ‚Dichter aus dem Scholion zu revindicieren und 
v. 1102 zu schreiben ἀκόρετος βοᾶς εὐφιλοίκτοις φρεσὶν ϑρηνεῖ. Vgl. 
Bekker An. p. 349, 6 Αἰσχύλος" ϑρηνεῖ δὲ γόον τὸν andovıov und Hesych 
ϑρηνεῖ" πενϑεῖ, ὀλολύξει, ὀλοφύρεται: — Dazu giebt meine Emendation 
so untadelige Rhythmen, dass. sie auch von diesem Gesichtspunkt aus 
höchst wahrscheinlich wird. Denn indem die drei ersten Dochmien der 
Strophe den drei Schlussdochmien entsprechen, steht genau in der Mitte 
der Dochmius &xögsrog βοᾶς, eingeschlossen von zweimal drei Cretici 
vu_yvUY_.__-._. In der Gegenstrophe ist dann an der Ueberlieferung 
nichts zu ändern, als dass das Verbum, das Hermanns feines Gefühl zu 
ὁμοῦ τε ‚vermisste, ergänzt wird, sodass zu schreiben ist μελοτυπεῖς 
ὁμοῦ τ᾽ ὀρϑίέοις ἐν νόμοις οἰμᾷς; d. h. „und die durch böse Vorzeichen 
furchtbaren Worte formst du dennoch in Lieder und stürmst daher in 
den höchsten Weisen?“ Der Chor wundert sich nämlich, wie Kassandra 


“ 




















COMMENTAR. 387 


ihre ματαίους dveg, die sonst regellos einherzustürmen pflegen, in so 
festen kunstgerechten Weisen ertönen lasse. Gerade jenes οἰμᾶς mochte 
den Anlass zur Corruptel in Strophe und Gegenstrophe geben. Indem 
man irrtümlich οἴμαις (Pfaden des Gesanges) las, hielt man dies für 
Glosse zu νόμοις und liess es weg, Metriker aber warfen dann in der 
Strophe auch das unentbehrliche, aber glücklicherweise vom Scholiasten 
uns bewahrte ϑρηνεῖ über Bord. — Zu v. 1103 bringt Hartung eine Con]. 
vor, die keine Erwähnung verdiente, wenn er sich nicht auf ein Scholion 
beriefe. Weil es nämlich hier heisse ἀηδών" τοῦτο ἡδομένη τῇ μετα- 
μορφώσει τῆς ἀηδόνος φησίν. so müsse dagestanden haben dass die 
Nachtigall trotz der Klagen ein schönes Leben führe, und es sei zu 
lesen ἀμφυϑαλῆ λαχοῦσ' ἀηδὼν βέον. In der Tat, das ist dreist, zumal 
da das ἡδομένη im Scholion Jeden sogleich überzeugen muss dass das 
Lemma falsch ist und die ganze Bemerkung nicht zu ἀηδών v. 1104, son- 
dern zu ἀηδόνος v. 1105 gehört: Kassandra spricht wirklich ihre Worte 
v. 1105—8, indem sie sich an der Verwandlung der ‚Nachtigall freut. 

v. 1105—8. Med. giebt περεβάλοντο γάρ of, metrisch unrichtig 
und ohne dass das Medium sich erklären liesse, Ven. und Flor. dagegen 
περιβαλόντες γάρ οἵ mit falschem Particip. Ohne Zweifel verdankt man 
γάρ den Abschreibern, welche hier wie so oft das der lebhaften Rede so 
wohl anstehende explicative Asyndeton verwischten. Daun aber führen 
die Lesarten beider Handschriftenfamilien sehr klar und bestimmt auf die 
Hand des Dichters zurück. Dieser schrieb περέβαλόν τέ σοι oder vielmehr 
περίβαλον τέ σοι. Nämlich wie in der Strophe die Seherin den Agame- 
ınnon anredet, so richtet sie hier ihre Worte an die vom Chor erwähnte 
Nachtigall. Das eigentlich hinter δέμας gehörige τό ist zu dem den beiden 
Gliederu ‚gemeinschaftlichen an der Spitze stehenden Begriff gestellt, 
ähnlich wie Prom. 42 «el τε δὴ νηλὴς σὺ καὶ ϑράσους πλέως. ---- Weiter 
geben die codd. πτεροφόρον δέμας | ϑεοὶ κτλ.. aber mit Recht stellt 
Heimsoeth, um das Adj. stark hervorzuheben, die Wörter um: πτεροφό- 
.. 00v ϑεοὶ | δέμας. Denn wie die Abschreiber, wo es ohne Schaden für 
das Metrum ging, das Adj. an sein Subst. heranzurücken gesucht haben, 
ist bekannt genug; haben sie doch sogar v. 1105 durch die einstimmige 
Ueberlieferung λεγείας ἀηδόνος μόρον statt μόρον ἀηδόνος den Rhyth- 
mus verdorben. Im folgenden ist nun die vulg. γλυκύν τ᾽ αἰῶνα κλαυ- 
μάτων ἄτερ. Aber was heissen da die letzten Worte? ohne Klagen? ohne 
Tränen? Der Chor hat ja kaum erst das Leben der Nachtigall ἀμφιϑαλὴς 
κακοῖς genannt, und dies Epitheton kann Kassandra unmöglich bestreiten. 
So bliebe nur übrig κλαυμάτων ἄτερ mit Schneidewin so zu verstehen, 
dass die Seherin sagte „abgesehen von den Tränen ein süsses Leben‘. 
Das wäre zwar grammatisch richtig, aber wer fühlt nicht dass eine 
solche verständig reflectierende Wendung in Kassandras Munde unerträg- 
lich wäre? Daher kann ich nicht anders als die Ueberlieferung für ver- 
dorben erklären, und indem ich statt des dem Scholiasten entnommenen 
αἰῶνα das einstimmig von den codd. „gebotene ἀγῶνα wiederherstelle, 
schreib’ ich γλυκύν τ᾽ ἀγῶνα καυμάτων «reg d. h. „dir verliehen die 


25 * 


388 COMMENTAR. 


Götter den lieblichen Wettkampf (des Gesanges) fern von Sonnenbrand 
(im kühlen Schatten)“. Der Ausdruck spielt darauf an, dass die gewöhn- 
lichen ἀγῶνες nur unter gewaltiger Mühe im Sonnenbrand bestanden 
wurden, der Wettgesang der Nachtigall dagegen mühelos ist. 

v. 11001114 sind völlig unverdorben bis auf das nach νόμοις zu 
ergänzende Verbum olugs. (v. 1111 bieten wieder Ven. und Flor. die 
richtige Lesart τὰ δ᾽ ἐπίφοβα, während Med. die im cod. Byz. überge- 
schriebene Correctur τὰ δ᾽ ἐπὶ φόβῳ giebt.) Aber der Gedankengang 
dieser Strophe scheint mir bis dahin nicht richtig verstanden zu sein. 
Der Chor fragt zuerst „woher hast du diesen Wahnsinn?“ Dann aber 
sich verbessernd fügt er hinzu „und doch formst du die schauerlichen 
Klänge zu Liedern und wandelst kunstgerecht in den höchsten Weisen 
dahin“. Die Vereinigung des Kunstvollen mit dem Wahnsinn giebt dem 
Chor dann die zweite Frage ein, die ebenso durch das wiederholte πόϑεν 
— ἔχεις wie durch den gleichen Rhythmus sich als Gegenstück zur ersten 
und als verbesserte Wiederaufuahme derselben darstellt: „woher hast du 
die festen Grenzen des göttlichen Weges (d. h. des Gesanges), sodass du 
nicht davon abirrst, und doch Grenzen, die so unheilvolle Worte er- 
lauben?“ 

v. 1115—20 sind ganz reiu überliefert. Bemerkenswert aber ist 
wie in der vorhergeheuden Chorpartie die klare einfache Gliederung der 
Verse und der Sätze. Die beiden ersten für sich abgeschlossenen Verse 
enthalten zweimal eine iamb. Tripodie mit Dochmius, also zweimal sechs 
Hebungen, rhythmisch den zwei Trimetern, womit die Strophe schliesst, 
genau entsprechend. Mesodisch eingeschlossen sind dann die drei Doch- 
mien τότε μὲν — τροφαῖς. — Im Ganzen klagt die Strophe um das Un- 
glück der Familie, die Gegenstrophe um das des Staates. 

v. 1121—25 sind von Hermann übel behandelt worden; er ändert 
gewaltsam, um Responsion mit der Gegenstr. herzustellen, aber es wird 
sich ergeben dass eben v. 1132—36 durch und durch corrumpiert sind, 
die Strophe dagegen verhältnissmässig gesund ist. Nur in v. 1122 steckt 
ein schlimmes Verderbniss. Einstimmig ist überliefert νεογνὸς ἀνϑρώ- 
rcov μάϑοι. Aber bei diesen metrischen, grammatischen und stilistischen 
Fehlern kann sich Niemand, der sich in Aeschylos hineingelebt hat, be- 
ruhigen. Allerdings ist die Gegenstrophe, wie wir sehen werden, so 
verdorben, dass sich aus ihr für unseren Vers kein metrisches Regulativ 
gewinnen lässt, aber die Analogie von v. 1050, 1060, 1074 beweist dass 
auch in dieser,Reihe eine iambische Tetrapodie stehen muss, in welcher 
höchstens der erste Fuss, sicherlich aber nicht der dritte ein Spondeus 
sein darf. Also ist ἀνθρώπων metrisch falsch. Ferner könnte ἄν nicht 
dem Optativ fehlen. Stilistisch Aber ist zum Adj. veoyvog durchaus ein 
Subst. nötig, während der partitive Gen. mehr als entbehrlich ist. Sehr 
probabel wäre daher Hermanns Conj. καὶ παῖς veoyovog av μάϑοι, wenn 
sich dabei nur ἀνθρώπων erklären liesse. Dies Wort, sicherlich nicht 
aus einem Lesefehler hervorgegangen, ist eine Glosse, die zur Ausfüllung 
einer Lücke für ein im cod. Alex. unleserlich gewordenes Wort herbeige- 


COMMENTAR. 389 


zogen ward. Daher ist auch Hartungs Conj. νεογνὸν ἂν βρέφος μάϑοι, 
die sonst äschylische Farbe trägt, unwahrscheinlich: zu βρέφος wäre 
nicht ein erklärendes ἀνθρώπων hinzugesetzt worden. Vielmehr wird 
der Dichter für „Kind“ ein Subst. gebraucht haben, das gewöhnlich nicht 
von Menschenkindern gesagt ward, also etwa μόσγος oder βλαστός (vgl. 
Eur: Iph. A. 1623 τόνδε μόσχον νεαγενῆ und Artemidor. 2, 9, p. 145 ὥσπερ 
δὲ τῶν δένδρων τέκνα εἰσὶν οἱ βλαστοί, οὕτω καὶ τῶν ἀνδρῶν τέκνα 
εἰσὶν ol βλαστοῦ : zu jenem Ausdruck konnte gar leicht ein glossierendes 
ἀνθρώπων 'hinzutreten und dadurch das Subst. selbst verloren gehen. 
So schreibe ich den Vers βλαστὸς νεόγονος ἂν μάϑοι. Denn dass die 
iambische Tetrapodie wenigstens eine Auflösung haben muss, beweisen 
die übrigen iambischen Reihen des Kommos. — Im folgenden Vers geben 
die codd. πέπληγμαι δ᾽ ὑπὸ (Farn. ὑπαὶ) δήγματι φοινέῳ, welche Ryth- 
men wunderbarer Weise von Ahrens verteidigt werden. Indem er näm- 
lich (trotz der Interpunktion) u«®o: mit in diese Reihe zieht, statuiert 
er eine iamb. Dipodie mit darauf folgenden Logaveden, die den Dochmien 
oft beigemischt seien. Aber mag das auch sonst noch so oft vorkommen, 
hier ist es nicht statthaft, weil in dem ganzen rhythmisch so höchst ein- 
fach gehaltenen Kommos sonst kein einziges Beispiel von Logaoeden sich 
findet. Es läge nun nahe mit Triclinius ὑπαί zu vermuten, dadurch würde 
dem Metrum geholfen, aber ich sehe nicht ein, wie dies Adverb gedeutet 
werden könnte. Doch mit sehr leiser Aenderung lässt sich hier etwas 
ausrichten: im Gegensatz zum ‚ebengenannten Knaben ‚sagt der Chor πέ- 
ἄληγμαι δ᾽ ἐγὼ δήγματι φοινίῳ. Wie leicht aus ἐγὼ sich ὑπὸ heraus- 
lesen liess, ist einleuchtend. Weiter aber brauchen wir in diesem Verse 
keine Aenderungen: weder Hermanns ὅπῶς daxsı φοινίῳ noch Heim- 
soeths viel weiter gehende Conjectur δέδηγμαι δ᾽ ὅπερ δάκει poıvio. 
Denn dass die Gorruptel, welche durch den Mangel an genauer Responsion 
der Dochmien indiciert ist, nicht hier, sondern in der Gegenstrophe liegt, 
zeigt das an sich schon verdächtige ὑπερβαρής. das durch die Cäsur der 
Dochmien zerrissen werden müsste. — Im übrigen ist noch das über- 
lieferte δυσαγγεῖ τύχᾳ zu bessern. Seit Canter und Scaliger liest man 
dafür allgemein δυσαλγεῖ τύχᾳ, aber weder scheint mir dies Adj. für 
Kassandras Schicksal bezeichnend genug, noch auch wäre es leicht cor- 
rumpiert worden. Ich vermute δυσαυγεῖ τύχᾳ und verbinde dies mit 
μινυρὰ ϑρεομένας „indem du über dein unheimlich zu Ende gehendes 
Schicksal wimmerst“. . Vgl. v. 1082 βίου δύντος αὐγαῖς. Das in den 
codd. hinter μενυρὰ stehende κακὰ ist mit Recht als Glosse getilgt Wor- 
den. — Im letzten Verse geben die codd. ϑραύματ᾽ ἐμοὶ κλύειν. wofür 
man seit Auratus fast allgemein ϑαύματ᾽ ἐμοὶ κλύειν schreibt. Aber 
ich bin mit Ahrens entschieden der Meinung, dass dies ein viel zu schwa- 
cher Ausdruck für die Stimmung des Chors wäre. Und da Hesych die 
Glosse ϑραῦσμα λύπη πληγή hat, so ist kaum zu zweifeln dass ϑραύ- 
uora oder ϑραύσματα hier das einzig passende Wort ist, um die Weissa- 
gungen Kassandras, die wie Keulenschläge auf den Chor wirken, zu be- 
zeichnen. — Betrachten wir noch kurz die gewaltsamen Aenderungen 


390 COMMENTAR. 


Hermanns und Heimsveths zu diesen letzten Versen. Allerdings erkennt 
jener hier, was er sonst nicht tut, die Richtigkeit des Satzes an, dass 
sich die Dochmien in Strophe und Gegenstrophe Sylbe für Sylbe ent- 
sprechen müssen, aber indem er nun wegen des in der Gegenstrophe 
überlieferten γοερὰ ϑανατοφόρα statt ϑρεομένας schreibt φοβερόϑροα 
und diesen Acc. abhängen lässt von einem in πέπληγμαι dem Sinne nach 
liegenden ἐκπλήττομαι oder φοβοῦμαι, stellt er wiederum durch eine 
höchst willkürliche Gorrecetur eine grammatisch unmögliche Construction 
her. Grössere Feinheit beweist Heimsoeth: er interpungiert nach τύχα 
und schreibt dann in einem selbständigen Satz κακὰ δὲ μινυρόϑροα Ί 
ϑαύματ᾽ ἐμοὶ κλύειν. Aber erstlich ist die Interpunktion nach τύχα un- 
wahrscheinlich, da in der Gegenstrophe an gleicher Stelle keine Pause 
statthaft ist, sodann ist nicht abzusehen, wie die Glossatoren aus μενυρό- 
9000 den Gen. ϑρεομένας herausgebracht haben sollten, endlich aber 
wäre dies Beispiel von einer Auflösung der letzten Arsis des Dochmius 
das einzige im ganzen Kommos. Auch in diesem Fall ist also entschieden 
zu urteilen dass die Corruptel in der stark angegriffenen Gegenstrophe 
zu suchen ist. 

v, 1126—31 bedürfen zur Besserung und zur Erklärung nur weniger 
Worte. v. 1127 las man bisher ἰὼ πρόπυργοι͵ ϑυσίαι πατρὸς | πολυκα- 
γεῖς βοτῶν ποιονόμων᾽ ἄκος δ᾽ | οὐδὲν ἐπήρκεσαν κτλ. Aber sowohl 
der Parallelismus der beiden mit ἐώ eingeleiteten Ausrufungen, als auch 
namentlich die Interpunktion der Strophe nach v. 1116 beweisen klar 
dass nach πατρῦς ein volles Punktum zu setzen ist. Oder könnte man, 
da in Strophe und Gegenstrophe das doppelte Zw an derselben Stelle 
steht, da ὀλέϑριοι und ὀλομένας sich der Form und dem Inhalt nach ge- 
nau eutsprechen , da endlich nach τὸ πᾶν dieselbe gewichtige Pause ein- 
tritt wie nach φίλων — könnte man bei solchen Indicien zweifeln an der 
vom Dichter beabsichtigten vollen Symmetrie zwischen Strophe und 
Gegenstrophe? Setzen wir also nach πατρός ein Punktum, so ist mit 
explicat. Asyndeton (gerade wie V. 1116 und Υ. 1106 nach io) fortzufahren 
πολυκανεῖς βοτῶν ποιονόμων ἄκεσμ᾽ οὐδὲν ἐπήρκεσαν „obschon so 
viele Tiere hinopfernd gewährten sie doch kein Heilmittel elc. “ Jeder 
muss fühlen, wie durch die Aenderung von ἄκος δ᾽ in ἀκεσμ᾽ nicht nur 
die Form coneinner wird, sondern auch der Gedanke energischer. Prom. 
483 lesen wir ἔδειξα κράσεις ἠπίων ἀκεσμάτων. Allerdings findet sich 
nirgends bei den Dichtern ἄκεσμα im Sing., aber da Suidas als Beispiel 
anführt ἄκεσμα τῆς ἐσομένης ἐνδείας ἐπιφερομένη, so genügt dies voll- 
ständig, um zu beweisen dass ein klassischer Beleg für den Sing. jenes 
Wortes nur durch Zufall uns fehlt. — Was sodanıı den letzten Vers be- 
trifft, der in den codd. lautet ἐγὼ δὲ ϑερμόνους ray ἐμπέδῳ βαλῶ. so 
ist zunächst klar dass v. 1130 und 31 durch μέν und δέ so eng verbunden 
sind, dass auch der letzte Vers, obwohl er sich im poetischen Stil zu 
einem selbständigen Satz herausgelöst hat, logisch doch noch abhängt 
von ἄκεσμ᾽ οὐδὲν ἐπήρκεσαν, sodass Kassandra im wesentlichen sagt: 
„die vielen Opfer haben nicht gehindert, dass die Stadt zerstört ist und 

















COMMENTAR. 391 


dass ich bald sterbe“. Daraus folgt mit Notwendigkeit dass v. 1131 bloss 
das Factum ihres Todes berühren darf, dass aber sowohl das überlieferte 
ϑερμόνους 5 wie alle durch Conjectur daraus gewonnenen Adj., die die 
Art ihres Todes bezeichnen sollen (namentlich auch Ahrens’ höchst ver- 
fehltes Helsuovovg, was „freiwillig“ heissen soll), unstatthaft sind. Mit 
Recht haben daher Hartung und Karsten die schöne Gonjectur Musgraves 
ϑερμὸν δοῦν „den heissen Blutstrom‘“ entschieden gebilligt. ‚Ygl. Hesych 
ῥοῦν δεῦμα und Aesch. Fr. 193 μηδ᾽ αἵματος πέμφιγα πρὸς πέδῳ βά- 
λῃς. Zur Corruptel von ῥοῦν mochte die Glosse ῥέος beitragen. Aber 
auch τάχ᾽ ἐν πέδῳ βαλῶ ist unrichtig. Bei der genauen Responsion zwi- 
schen Strophe und Gegeustruphe muss, wie Burgard gesehen hat, τάχα 
in beiden an gleicher Stelle stehen; es ist also zu lesen πεδοῖ βαλῶ τάχα. 

Wir kommen zur letzten Partie des Kommos v. 1132-— 36, die aber 
durch Unleserlichkeit des cod. Alex., infolge deren Glossen in den Text 
gesetzt und metrisch und grammatisch notdürftig zugestutzt wurden, 
mehr gelitten hat als jede andere. Leider können wir uns hier nicht 
mehr auf den Med. stützen, der uns vielleicht auf die Spur der richtigen 
. Lesarten geleitet hätte. Hermann hat durch gewaltsame Aenderungen 
der Strophe diese der Gegenstrophe conform zu machen gesucht, aber 
dass die Hauptcorruptelen eben in der letztern liegen, muss auch das 
blödeste Auge sehen, wenn man bloss auf die Hauptschäden hinweist. 
Schon der erste Vers ἑπόμενα προτέροις τάδ᾽ ἐφημίσω ist defekt. Man 
ergänzt die dem zweiten Dochmius fehlende kurze Sylbe, indem man nach 
Pauws kläglicher Conjektur προτέροισι liest, ohne die zwischen beiden 
Dochmien notwendige Worteäsur zu beachten. Verständiger schreibt 
Ahrens τάδε y ἐφημίσω., geschmackvoller Weil τάδ᾽ ἐπεφημίσω. Aber 
wenn es nun in der ‚Ueberlieferung weiter heisst καί τές σε κακοφρονεῖν 
τίϑη | σι δαίμων ὑπερβαρῆς ἐμπίτνων (abgesehen von der nach Her- 
manns Ausdruck „foeda interpolatio Tricknii“ τίς σε καὶ κακοφρονεῖν 
δαίμων ποιεῖ ὑπερβαρὺς ἐμπιτνῶν), so ist darin ausser ἐμπίτνων auch 
kein einziges Wort gesund. Erstlich könnte dieser gegensätzliche Ge- 
danke nie und nimmer mit καί angeknüpft sein, wir verlangen vielmehr 
ein δέ oder Asyndeton. Zweitens ist der Inf. κακοφρονεῖν sinnlos neben 
dem folgenden Inf. weiifeıv (Hermann macht deshalb κακοφρονῶν daraus, 
aber den Dämon selbst hätte Aeschylos sicherlich κακόφρων genannt, 
wenn er diesen Begriff hätte gebrauchen wollen). Drittens ist τέϑησι mit 
folgendem Inf. in der Bedeutung „machen“ unäschylisch: der Dichter 
gebraucht zı$&veı nie anders, als dass die sinnliche Bedeutung „hin- 
stellen“ darin erkennbar ist. So v. 164 τὸν πάϑει μάϑος ϑέντα κυρίως 
ἔχειν „ihn, welcher den Satz Lehre durch Leid hingestellt hat, um 
sicher zu bestehen“, und v. 995 ἐπεί σ᾽ ἔϑηκε Ζεὺς ἀμηνίτοις δόμοις 
κοινωνὸν εἶναι χερνίβων „da Zeus dich hinstellte, um zu sein“. Viertens 
ist ὑπερβαρής eine höchst verdächtige Wortbildung statt ὑπέρβαρυς 
(vgl. Lobeck Phryn. p. 530). Endlich aber ist es vollkommen unerhört, 
das Wort τέϑησι so zu brechen, dass die beiden ersten Sylben der iam- 
bischen Tetrapodie, die letzte aber der dochmischen Reihe angehört; 


392 COMMENTAR. 


dies bisher geduldet zu haben ist eine Sünde der Kritiker, denn die Ana- 
logie der übrigen iambischen Reihen in diesem Kommos muss Jeden 
sogleich überzeugen dass sie jedesmal einen abgeschlossenen Vers zu 
bilden haben. Mit v. 1133 muss vielmehr nicht nur das Wort, sondern 
auch, wie die Interpunktion nach v. 1122 zeigt, der Satz abschliessen. 

Bei: dieser Fülle von Fehlern aller Art ist eine Altflickerei, wie die 
Buchstabenkritik sie bisher getrieben hat, unzulässig, Man muss sich 
vielmehr überzeugen dass die Worte καί τίς σε κακοφρονεῖν τέϑησι 
δαίμων gar nicht demDichtergehören, sondern Bruchstücke 
eines Scholion sind, das vollständig gelautet haben mag τίς σε καὶ 
δαίμων κακοφρονεῖν ποιεῖ und das, weil die Verdorbenheit des cod. 
Alex. hier eine Lücke verursachte, von den Abschreibern in deu 
Text gezogen und notdürftig überarbeitet ward. Es ist daran 
um so weniger zu zweifeln, da κακοφρονεῖν sich sonst bei Dichtern nicht 
findet, sondern nur noch beim Schol. zu Eur. Or. 822. Und hat man sich 
hiervon überzeugt, so erhellt weiter dass die Lesart des Farn. δαίμων 
ποιεῖ ἵ ὑπέρβαρυς ἐμπίτνων, weit entfernt eine foeda interpolatio Triclinii 
zu sein, die ohnehin unerklärlich wäre, da bei ihm zwischen Strophe und 
Gegeustrophe nicht die mindeste Responsion ist, vielmehr dieursprüng- 
liche Form des in den Text gezogenen Scholion bewahrt, 
dass also, wie wir auch schon zu v. 1000 zu bemerken Gelegenheit hatten, 
der Farn. nicht aus Ven. oder Flor. herstammt, sondern sei- 
nen selbständigen Wert für dieKritik behauptet. 

Es ist also an die Stelle von v. 1133 eine Lücke zu setzen, die sich 
nach dem Scholion und nach Anleitung der Interpunktion der Strophe 
mit einiger Wahrscheinlichkeit so ausfüllen lässt: τίς καί os φρενοκλοπεῖ 
ϑεύς: Das Wort φρενοκλοπεῖ ist vielleicht aus Hesychs Glosse φρενοκλο- 
πεῖ &banorg unserer Stelle zu revindicieren. Für ϑεός trat hier um so 
leichter die Glosse δαέμων ein, da die verderbliche Macht der Gottheit 
bezeichnet werden sollte. Vgl. Sept. 142 . ϑεὸς. Schol. τύχη. Ebenso 530. 
Pers. 467 ὦ στυγνὲ δαῖμον. Schol. ὦ τύχη. 

Im folgenden ist dann ein Verbum des Zwingens ‚nötig, von dem 
μελέζειν abhängen kann, und das vom Farn. erhaltene ὑπέρβαρυς ἐμπι- 
vov, wofür die metrische Ueberarbeitung des Ven. und Flor. ὑπερβαρής 
giebt, ist nach Hesychs Glosse βριϑύ βαρύ aufzulösen in das Adverb 
vrceg „ausserdem“ und βριϑύς. Für ἐμπίτνων aber ist mit Meineke zu 
lesen &reursivvov. Darnach versuche ich die Restitution von v. 1134 so: 
βιᾶται δ᾽ ὑπὲρ βριϑὺς ἐπεμπίτνων | μελίξειν πάϑη „und er zwingt 
dich noch dazu, wuchtig auf dich einstürmend, dein Leid im 1,16 46 aus- 
klingen zu lassen“. — Wenn endlich der zweite Dochmius von v. 1135 in 
der vulg. lautet γοερὰ ϑανατοφόρα, so ist nicht nur die Auflösung der 
letzten Arsis unstatthaft, nicht nur die Häufung dieser gar nicht synony- 
men Adjektive anstössig, nicht nur die Verbindung von πάϑη ϑανατο- 
φόρα unverständlich, sondern auch sogar die Form ϑανατοφόρα ist nach 
Lobeck Phryn. p. 651 nicht zulässig. Was folgt daraus? Nach dem oben 
geführten Beweise dies, dass auch hier ein Wort im cod. Alex. unleserlich 


COMMENTAR. 393 


war und dafür eine Glosse, die am Rande stand, nämlich ϑανατηφύρα, 
substituiert ward. Denn eben diese allein zulässige Form hat der Farn., 
während Ven. und Flor. die des Metrums wegen veränderte bieten. Ge- 
rade aber der Begriff ϑανατηφύρα ist hier einzig passend: der Chor will 
offenbar sagen dass Kassandra ein carmen ferale anstimme. Vgl. Nicarch. 
in ‚Anth. Pal. XI, 186 νυκτικόραξ ἄδει ϑανατηφόρον. Nun kann ϑανατη- 
φόρα nicht zu dem ganz verschiedenen γοερά die Glosse sein, wohl aber zu 
δνοφερά, aus diesem wird also γοερά durch conjecturierende Entzifferung 
halbverloschener Buchstaben seinen Ursprung genommen haben. Und da 
nun noch ein dem strophischen ϑρεομένας entsprechendes Part. fehlt, so 
scheint mir unter vielen Möglichkeiten die wahrscheinlichste die, dass 
Aeschylos hier wie am Ende des ersten Verses dasselbe Wort, das in der 
Strophe stand, wiederholt hat. So ergänze ich denn die für γοερὰ ϑανα- 
τοφόρα zu setzende Lücke durch δνοφερὰ ϑρεομέναν „dich zwingt der 
Dämon dein Leid im Liede ertönen zu lassen, indem dn einen Leichen- 
gesang anhebst“. 

Natürlich verkenne ich nicht dass in der von mir versuchten Restitu- 
tion der Gegenstrophe sehr viel Unsicherheit ist, und ich selber werde 
einen besser gelungenen Versuch für βιᾶται und δνοφερὰ ϑρεομέναν 
mit Freuden begrüssen: aber den bleibenden Gewinn wird, wie ich hoffe, 
meine Untersuchung bringen, dass man v. 1133 und die erste Hälfte von 
v. 1134 wie die letzte von v. 1135 als Scholiastenprodukt anerkennt und 
aus dem Texte des Dichters ausscheidet, sowie dass der vielgeschmähte 
Farn. wieder etwas zu Ehren kommt. 

Ueberblicken wir nun aber den ganzen Kommos, so erscheint die 
Kunst des Aeschylos nach den Resultaten meiner immer vom Gedanken 
ausgehenden Kritik in einer einfacheren Grossartigkeit und Schönheit als 
bisher. Die Rhythmen sind trotz der Leidenschaftlichkeit ihrer Bewegung 
so streng und massvoll wie nur irgend möglich. Die lyrischen Teile be- 
stehen aus lauter reinen Dochmien, untermischt mit Kretikern und iam- 
bischen Tetrapodien, die regelmässig den zweiten Vers einer Strophe 
bilden; dabei entsprechen sich Strophe und Gegenstrophe Sylbe für Sylbe, 
sodass an derselben Stelle auch immer dieselbe Form des Dochmius 
wiederkehrt, und ebenso weisen sie die Hauptinterpunktionen immer an 
derselben Stelle auf. Den vierzehn Iyrischen Partien Kassandras folgen, 
wie bereits Weil bemerkt hat, jedesmal zwei Trimeter, damit gegen die 
ruhige Klarheit derselben der Sturm und Drang der Ekstase sich desto 
mehr abhebe. Aber im Verlaufe des Kommos wechseln die Rollen: in 
demselben Masse wie die Seherin mehr und mehr sich besinnt und zur 
Klarheit gelangt, wird der anfangs ruhige Chor immer leidenschaftlicher 
aufgeregt, sodass er von der neunten Visien an jedesmal auch zu Iyrischen 
Strophen fortgerissen wird, die beiden ersten Male noch von Trimetern 
ausgehend, während die vier letzten Male die beiden Trimeter, die gleich- 
sam wie Pfeiler im Wogendrang dastehen, der mehr beruhigten Seherin 
angehören. Die vierzehn Iyrischen Partien Kassandras aber ‚gruppieren 
sich so, dass die ersten vier Strophen nur ihren Schauder und ihr Ent- 


394 COMMENTAR. 

setzen ausdrücken, ein Präludium gleichsam zu den folgenden Visionen, 
die vier letzten aber sich auf ihr eigenes Schicksal beziehen und weh- 
mütige Klage aussprechen. In der Mitte stehen die sechs Strophen, in 
denen sie ihre Visionen beschreibt: das erste Paar handelt von den ver- 
gangenen Gräueln des Hauses, das zweite von den Vorbereitungen zu 
Agamemnons Mord, das dritte vom Morde selbst. So lässt sich auch in 
diesem so leidenschaftlich bewegten Teil der Tragödie strenges Eben- 
mass bis ins Kleinste hinein nachweisen. 


, Kassandras Weissagungen. Eingang v. 1137— 1156. 


Nachdem der Seherspruch zunächst mit einer Neuvermählten ver- 
glichen ist, die verschämt aus ihrem Schleier hervorschaut, erhebt sich 
Kassandra mit v. 1139 zu einem kühneren Bilde. Aber hier sind in der 
Ueberlieferung schwere Schäden. Wenn es nach den codd. heisst λαμ- 
πρὸς δ᾽ ἔοικεν ἡλίου πρὸς ἀντολὰς | πνέων ἐσήξειν.. ὥστε κύματος 
δίκην | κλύειν πρὸς αὐγὰς τοῦδε πήματος πολὺ | μεῖζον, so hat selbst 
Naegelsbach sich gezwungen gesehen, Schütz’ und Auratus’ Emendation 
κλύξειν für κλύειν aufzunehmen, aber wunderbar ist es, wie er uud 
manche andere daneben πρὸς αὐγάς für echt haben halten können. Wie 
κλύξειν unzweifelhaft richtig ist, so ist daneben auch der Begriff πρὸς 
ἀκτάς, den Auratus forderte, durchaus notwendig, mit leiserer CGorrectur 
aber schreibt Ahrens πρὸς ἀγάς „gegen das Ufer“. Ferner ist τοῦδε 
πήματος πολὺ μεῖξον absulut unerträglich: Hermann und andere erklären 
zwar τόδε πῆμα als das eben verkündete eigene Leiden der Seherin und ᾿ἢ 
πολὺ μεῖξον πῆμα als die bevorstehende ‚Ermordung Agamemnons, aber 
so unklar und unbeholfen drückt sich ein Dichter wie Aeschylos nicht 
aus. Kassandra hat von ihrem und Agamemnons Leiden in ihren Visionen 
erzählt, von beiden spricht sie auch in den nachfolgenden Weissagungen ; 
wie mag man denn sich und anderen vorreden, als ob sie bisher nur von 
ihrem Leid gesprochen hätte und fortan nur von dem grösseren Unglück, 
der Ermordung des Königs, weissagen werde? Walırlich, in solcher Ver- 
teidigung der vulg. liegt eine gewisse moralische Schwäche. Annehmbar 
würde dagegen sein, was Enger in richtiger Erkenntniss des Zusammen- 
hangs vorschlägt πῆμα πήματος πολὺ weikov, aber völlig verdunkelt wird 
diese Conjectur durch Karstens herrliche Emendation, die mit viel ge- 
ringerer Aenderung einen Ausdruck herstellt, der so ganz den Charakter 
äschylischer Grossartigkeit trägt. Nach ihm ist zu lesen τοῦδε πήματος 
πολὺς χειμών „der bevorstehenden Leiden gewaltiger Sturm“. Karsten 
vergleicht Prom. 1019 οἷός δε χειμὼν καὶ κακῶν τρικυμία | ἔπεισ᾽ 
ἄφυκτος und Ch. 1063 ὅδε τοι μελάϑροις τοῖς βασιλείοις τρίτος αὖ χει- 
μὼν πνεύσας γονίας ἐτελέσϑη. 80 entgeht der Dichter dem schweren Vor- 
wurf, den χρησμός zuerst mit einer Neuvermählten und sodann iu einem 
Athem mit einem Sturmwinde verglichen zu haben, denn hun gewinnen 
wir zu λαμπρὸς δ᾽ ἔοικεν ein ganz anderes Subjekt als χρησμός: nämlich 
„die Masse des bevorstehenden Unheils“. Darnach kann es denn auch 
weiter nicht fraglich sein, dass für ἐσήξειν zu schreiben ist o«&sıv, denn 





COMMENTAR. 395 


dies ist der eigentliche Ausdruck vom Hereinbrechen des Sturmes, aber 
merkwürdig ist es dass Ahrens, der ‚diese Emendation Bothe' s sehr schön 
verteidigt, statt Karstens τοῦδε πήματος πολὺς χειμών das Engersche 
πῆμα πήματος πολὺ μεῖζον empfiehlt. Freilich ist Karstens Emendation 
noch unvollständig, denn was soll nun in dem eingeschobenen Folgesatze 
ὥστε κύματος δίκην κλύξειν πρὸς ἀγάς Subjekt sein? Der Sturm selber 
kann doch nicht „gegen das Ufer spülen“? Aber auch in der von 
Ahrens empfohlenen Constituierung der Stelle liegt noch ein schlimmer 
Stilfehler. Denn durch κύματος δίκην wird eine Vergleichung des 
Leidens mit dem Wogenschwall gesetzt, während der Dichter doch durch 
den Ausdruck κλύξειν πρὸς ἀγάς in erhabener und grossartiger Metapher 
das Leiden selbst als den Wogenschwall auffassen würde. So kann denn 
an der Unrichtigkeit von χύματος δίκην, wofür wir den Begriff des 
Wogenschwalls selber verlangen, um so weniger gezweifelt werden, 
da erst 2 Verse vorher d/snv am Ende der Zeile steht und dies offenbar 
auf die Verderbung des hinter χύματος stehenden zerfressenen Wortes 
eingewirkt hat. Es ist dafür zu lesen ζάλην, welches Wort von Hesych 
durch ταραχὴ ὑδάτων ἢ κλόνος erklärt wird und sich ebenso v. 643 
(κύματος ξάλην ἔχειν) gebraucht findet. Nun erst tritt Karstens schöne 
Emendation in ihr volles Licht, wenn wir die ganze Stelle lesen λαμπρὸς 
δ᾽ ἔοικεν ἡλίου πρὸς ἀντολὰς πνέων ἐσᾷξειν, ὥστε κύματος ξάλην κλύ- 
ἕξειν πρὸς ἀγάς, τοῦδε πήματος πολὺς χειμών. 

Noch aber ist es zweifelhaft, ob ἡλίου πρὸς avroAug bloss die Rich- 
tung des Windes „gegeu Osten‘ oder bloss die Zeit „gegen Sonnenauf- 
gang“ bezeichnen soll. Für das letztere entscheiden sich Enger und 
Schneidewin, die mit Geschmack hervorheben dass dadurch das Hervor- 
treten der dunklen Schicksale ans helle Sonnenlicht angedeutet werde, 
Ahrens dagegen betont mit Recht dass durch den Ausdruck „gegen 
Osten‘ der Sturm als ein westlicher dargestellt werde, gerade wie in der 
homerischen Stelle N. δ, 422, die Aeschylos offenbar vor Augen gehabt 
habe: ὡς δ᾽ ὅτ᾽ ἐν αἰγιαλῷ πολυηχέι κῦμα ϑαλάσσης ὄρνυτ᾽ ἐπασσύ- 
τερον Ζεφύρου ὑπο κινήσαντος. --- Mir scheint dass beide Erklärungen 
gleich ‚Fichtig und gleich einseitig sind. Denn fassen wir ἡλίου πρὸς 
ἀντολάς nicht bloss als Phrase für „gen Osten‘, sondern in dem eigent- 
lichen Sinne (und das kann der Dichter fordern) als „gen Sonnenaufgang“‘, 
so haben wir ja eben einen Morgenwind, der von Westen her dem Tage 
entgegenströmt, sodass er aus dem Dunkel in die Helle tritt. Ein solcher 
frischer Morgenwind aus Westen ist eine ebenso gewöhnliche wie leicht 
erklärliche Naturerscheinung. 

v. 1150 heissen die Erinyen nach der Ueberlieferung δώμασιν προσή- 
μεναι, aber diese Bezeichnung wäre entweder eine müssige Wiederholung 
des im vorhergehenden viel nachdrücklicher gesagten oder sie stände 
sogar in Widerspruch damit. Denn δώμασιν προσήμεναι heisst doch ge- 
nau genommen „beim Hause sitzend“, aber die Verse 1145 und 48 sagen 
bestimmt dass die Erinyen im Hause sind. Dazu kommt dass die πρώ- 
ταρχος &rn, worunter nach des Dichters Intention unzweifelhaft der 





396 COMMENTAR. 


Kindermord verstanden werden soll, nicht deutlich genug bezeichnet ist: 
es hilft nicht dass Schneidewin einwendet, es sei schon oben vom Kinder- 
mord als der Urschuld gesprochen — hier will Kassandra ja eben heller 
mit ihrer Weissagung hervortreten. So wird zu lesen sein σώμασιν 
προσήμεναι „bei den Leichen sitzend“ (wie umgekehrt v. 915 die codd. 
σωματοφϑορεῖν für δωματοφϑορεῖν hatten). Durch diese Verbesserung 
erklärt sich vielleicht auch das rätselhafte πρώταρχος, das Ven. und Flor. 
statt πρώταρχον haben: möglich dass ein über σώμασεν geschriebenes: ὃ 
das 0 so in die untere Reihe drängte, dass es als Correctur von πρώταρχον 
erschien. — Aber während die Erinyen so von der Urschuld singen, die 
sie ins Haus gerufen hat, geben sie wechselsweise doch auch ihren Ab- 
scheu gegen Thyest, den Eheschänder, zu erkennen, dem unhold, der das 
Bett des Bruders betrat. Denn Schneidewin hat gewiss Recht, dass 
δυσμενεῖς mit Anspielung auf Fünevides Attribut der Erinyen ist, dass 
also. coustruiert werden muss τῷ εὐνὰς ἀδελφοῦ πατοῦντι. Denn dass 
εὐνὰς ἀδελφοῦ vor τῷ getreten ist, hat seinen Grund in der nachdrück- 
lichen Hervorhebung des Objekts. (Vgl. Heimsoeth die Wiederherstellung 
p. 398, wo er v. 1212 ändert in τοὺς γὰρ τελοῦντας οὐ ξυνῆκα μηχα- 
vnv.) Der feinsinnige Naegelsbach übersetzt freilich noch „sie verfluchen 
des Bruders Ehebett, so dem, der es schändete, verderblich ward“. Aber 
könnte Övousvng „verderblich“ heissen? und kann ἀδελφοῦ verstanden 
werden, wenn nicht vom Standpunkt des πατὼν aus? 

v. 1153 geben die codd. ἢ τηρῶ τι, wofür Canter ϑηρῶ schrieb, 
besser Ahrens κυρὼ (vgl. v. 1160). Im folgenden Verse muss aber mit 
nachdrücklicher Wiederholung der Frage ἡ statt ἦ geschrieben werden. 

Wir kommen zu dem schwierigen V, 1155, wo die einstimmige 
Ueberlieferung lautet ἐκμαρτύρησον προὐμόσας τό μ᾽ εἰδέναι λόγῳ 
παλαιὰς τῶνδ᾽ ἁμαρτίας δόμων. Das verteidigt von den Neueren nur 
Naegelsbach, indem er λόγῳ als Dat. mensurae „meiner Rede nach“ auf- 
fasst, aber selbst er drückt diesen Begriff in seiner Uebersetzung nicht 
aus — der beste Beweis, dass er überflüssig und störend wäre. Richtig 
bemerkt dagegen Hermann, entweder sei eine Negation notwendig, wo- 
durch λόγῳ seinen Sinn erhalte, oder dies Wort müsse corrumpiert sein. 
Wenn er nun aber nach Dobree liest τὸ un εἰδέναι λόγῳ und dies heissen 
soll: „schwöre mir dass ich nicht bloss von Hörensagen die alten Sünden 
dieses Hauses weiss“, so bemerken Karsten und Ahrens mit vollem Recht 
dagegen dass für diese Deutung nicht nur das getilgte, Pronomen μέ 
durchaus hotwendig sei, sondern auch statt un εἰδέναι λόγῳ es heissen 
müsse μ᾽ εἰδέναι οὐ λόγῳ. Mehr sprachgemäss deuten sie daher die von 
Hermann adoptierte Conjectur so: „bezeuge mir eidlich dass du von Hören- 
sagen die alten Sünden dieses Hauses nicht kennst‘ (nämlich das wirst 
du nicht können). Dabei beklagt sich Ahrens dass man bisher den ge- 
naueren dem gerichtlichen Sprachgebrauch entnommenen Begriff des 
ἐκμαρτυρεῖν in unbegreiflicher Weise vernachlässigt habe: ἐκμαρτυρίέα 
sei nach den Alten ein Zeugniss solcher, die nicht selbst gesehen, was 
sie bezeugen, sondern es von Anderen gehört haben, oder auch das Zeug- 


COMMENTAR. 397 


niss eines Abwesenden. Ich will nicht rechten darüber, ob ein Dichter, 
‘ zumal aus einer Zeit, wo die attischen Processformen noch lange nicht 'die 
feste Gestalt gewonneu hatten, wie zur Zeit der Redner, ἐκμαρτυρεῖν nicht 
als ein verstärktes μαρτυρεῖν habe gebräuchen dürfen (Eum. 453 scheint 
es so), gewiss aber ist dass jene gerichtliche Bedeutung von ἐκμαρτυρεῖν 
gerade in Ahrens’ Erklärung völlig, verwischt wird, denn seine Kenntniss 
oder Unkenntniss der alten ἁμαρτίαι musste der Chor doch aus eigener 
Erfahrung, nicht von anderen wissen. Was aber jene Erklärung vollends 
vernichtet, ist die Antwort des Chors: „wie könnte hier ein Eid nützen?“ 
Denn hätte Kassandra die ironische πρόκλησις an den Chor gerichtet, 
ihr, wenn er könne, zu beschwören dass er nicht von den alten Gräueln 
gehört habe, so hätte er nach dem ganzen Sachverhalt nur erwidern 
können: „das kann ich nicht beschwören“. Indem er aber sagt: „wie 
könnte ein noch so feierlicher Eid hier helfen?“, so erwidert er doch 
ganz unzweideutig dass er den verlangten Eid wohl leisten könne, aber 
für unnötig halte. Diese Betrachtung, die mir unwiderleglich scheint, 
entscheidet auch gegen Engers Erklärung, der das überlieferte τό μ᾽ εἰδέ- 
ναι λόγῳ so deutet: „schwöre (du wirst das nicht können) dass ich nur 
obenhin die alte Schuld des Hauses kenne“. — Demnach sind Schiller, 
Rauchenstein und Schneidewin durchaus im Recht, wenn sie ro μ᾽ εἰδέ- 
ναι unangetastet lassen, dagegen die Corruptel in λόγῳ sehen. Indem 
sie aber τορῶς oder σαφῶς dafür vorschlagen (besser, wenn man doch 
den Knoten zerhauen will, statt ihn zu lösen, τρανῶς 9 vgl. v. 1331 τρα- 
vos Argelönv εἰδέναι), lassen sie nicht nur unerklärt, wie daraus λόγῳ 
habe entstehen können, sondern die Seherin sagt darnach auch zu viel: 

nach dem, was sie bisher von den Gräueln des Hauses offenbart, kann sie 
nicht fordern ihr zu bezeugen dass sie jene genau kenne. Das wunder- 
liche λόγῳ muss eben auf einem Lesefehler beruhen; es ist nicht denkbar 
dass es durch Conjectur in die Stelle eines ganz verloren gegangenen 
Wortes gesetzt sei. So vermute ich dafür vow „mente“: die Seherin will 
sich eben bezeugen lassen dass sie durch Geisteskraft das wisse, was 
andere nur durch Hörensagen kennen. Vgl. Hesych νόῳ, ἐν τῇ διανοίᾳ. 

Zur Corruptel mochte ein übergeschriebenes οὐ λόγῳ beitragen. 

In der Erwiderung des Chors v. 115760 heisst es nach den codd. 
καὶ πῶς ἂν ὅρκος πῆμα γενναίως παγὲν παιώνιον γένοιτο. Seit Aura- 
tus ist dafür dessen Conjectur ὄρκου πῆγμα die vulg. geworden, aber 
merkwürdig wäre es, wenn der Chor von dem geforderten Eide mit sol- 
chem Aufwand von Worten spräche, dass er ihn „einen fest begründeten 
Bau‘ nennte. Nunc non erat his locus. Sehr geschmackvoll geht Weil 
dagegen wieder auf „die codd. zurück und liest mit Veräuderung eines 
Buchstaben καὶ πῶς ἂν ὅρκοις πήμα γενναίως παγὲν παιώνιον γένοιτο; 
„Wie könnte durch Eidschwüre ein so fest eingenisteter Fluch heilbrin- 
gend werden?“ Vgl. Soph. Aj. 938 γενναία δύη. Das πῆμα γενναίως 
παγέν ist wesentlich dasselbe, was der Chor v. 1532 γονὰν ἀραῖον nennt. 
Uebrigens ist es uicht nötig mit Weil hier eine passive Bedeutung von 
παιώνιον anzunehmen: der Chor seufzt eben darüber dass Fluch nicht in 





398 | COMMENTAR. 


Segen verwandelt werden könne. — Im Folgenden geben die codd. ἀλλό- 
ϑρουν πόλιν κυρεῖν λέγουσαν, aber der Acc. πόλιν ist grammatisch nicht 
zu rechtfertigen, auch hat die Seherin nicht sowohl von der fremden 
Stadt, als von dem fremden Hause gesprochen. Aber Engers Con- 
jectur ἀλλόϑρῳ ᾽ν πόλει schliesst sich so eng an die Ueberlieferung an 
und giebt so schlagend das in den Zusammenhang passende, dass ich 
nicht zweifle dass dadurch des Dichters Hand hergestellt ist. 

Kassandras Wort gliedert sich evident in 2, 3, 3 und 2, 3, 3 Verse. 
In der ersteu Hälfte Ankündigung der helleren Weissagung (χειμῶν 
greift, wie das öfter geschieht, nachdrücklich in die folgende Periode von 
3 Versen über), in der zweiten die Schilderung der im Hause prassenden 
Erinyen. Die letzten 4 Verse sind direkt an den Chor gerichtet, und diese 
finden ihren Widerhall in den 4 Chorversen. 


Stichomythie zwischen Kassandra und dem Chor v. 1161—72. 


Ueberliefert ist folgende Ordnung der Verse: 


KA. μάντις μ᾽ ᾿Απόλλων τῷδ᾽ ἐπέστησεν τέλει. 
προτοῦ μὲν αἰδὼς ἦν ἐμοὶ λέγειν τάδε. 


ΧΟ. μὼν καὶ ϑεός περ ἱμέρῳ εἸπεπληγμένος; 
ἀβρύνεται γὰρ πᾶς τις εὖ πράσσων πλέον. 


ΚΑ. ἀλλ᾽ ἦν παλαιστὴς κάρτ᾽ ἐμοὶ πνέων χάριν. 


Dieselbe Reihenfolge hat Farn., nur setzt er vor προτοῦ μὲν κτλ. den 
Namen des Chors und lässt überhaupt die Sprechenden Vers um Vers 
wechseln. Dies ist nun so handgreiflich verkehrt, dass selbst Triclinius 
nicht in Verdacht kommen kann, die Worte προτοῦ μὲν αἰδὼς nv ἐμοὶ 
λέγειν τάδε dem Chor und μῶν καὶ ϑεός περ ἱμέρῳ πεπληγμένος der 
Seherin erst durch Conjectur zugewiesen zu haben. Vielmehr kann es 
nach unserer Erörterung zu v. 1132 sq. nicht zweifelhaft sein dass auch 
hier die Ueberlieferung des Farn. die ältere, dagegen die Personenbezeich- 
nung in Ven. und Flor. aus notdürftig ausgleichender Conjectur hervor- 
gegangen ist. Denn dass auch diese weder in formeller Symmetrie noch 
in Bezug auf den Gedankengang genügendes leistet, ist allgemein aner- 
kannt. Seit Hermann nun ist es vulg. geworden, die Verse προτοῦ μέν 
und μῶν καὶ ϑεός περ umzustellen und damit regelmässige Stichumy- 
thie zu schaffen. Aber auch so sind des Chors „Worte ἁβρύνεται γὰρ 
πᾶς τις EU πράσσων πλέον und Kassandras ἀλλ᾽ ἤν παλαιστὴς κάρτ᾽ 
ἐμοὶ πνέων χάριεν völlig unmotiviert, ja unverständlich. Sehr fein und 
scharfsinnig urteilt daher Weil dass durch Hermanns Versumstellung die 
Schäden der Ueberlieferung nur verdeckt, nicht geheilt werden; dass viel- 
mehr die in den codd. gegebene Reihenfolge völlig richtig, aber nach 
μάντις m Anollow κτλ. eine Frage des Chors nach der Ursache einer 
solchen Vergünstigung. ausgefallen sei (ich ergänze etwa πῶς 760 παρέ- 
oyev τόδε γέρας ϑνητῇ κόρῃ;) und wiederum nach μῶν καὶ ϑεός περ 
%rA. die Antwort Kassandras (die nach dem folgenden zu schliessen etwa 





COMMENTAR. 399 


gelautet haben muss ἔγωγε δαρὸν ἀντίπνους ἦν “οξίᾳ). So ist nicht 
nur ein steliger Gedankenfortschritt hergestellt, sondern wir haben jetzt 
auch eine regelmässige Stichomythie von 14 Versen gerade wie v. 1258 sq. 
am Schlusse von Kassandras Weissagungen, und wie diese zerfällt sie in 
7 und 7 Verse, indem die erste Hälfte von Apollons ‚Liebe, die andere 
von Apollons Zorn handelt. Auch die Stichomythie nach v. 251 zählt 
14 Verse. — Dass aber gerade in solchem lebhaften Redewechsel, wo 
eiu Vers immer einen Satz umschliesst, einzelne Reihen von 
den Abschreibern leicht überschlagen werden konnten, liegt auf der 
Hand; der Schade blieb in diesem Falle unbemerkt, wenn der Schreiber 
erst nachträglich in regelmässigem Wechsel die Namen des Chors und 
Kassandras mechanisch vor die einzelnen Reihen schrieb. So entstand 
die Lesart des Farn., Ven. aber und Flor. suchten notdürftig den Schaden 
zu heilen. 

v. 1168 bedarf es nicht, wie es scheint, der von Karsteu, Rauchen- 
stein und Ahrens vorgeschlagenen Aenderung von ἡρημένη. Denn die 
τέχναι ἔνϑεοι bedeuten überhaupt die Sehergabe, der ursprüngliche Be- 
griff der Geschicklichkeit tritt dabei ganz zurück, und da nun bei der 
Seherkunst das Wesentliche die selbstlose Verzückung ist, so konnte es 
wohl heissen ‚vom der Sehergabe ergriffen“. Fragm. 184, 6 steht ähnlich 
μαντικῇ βρύον τέχνῃ, wo der ‚Ausdruck Bovov sich mit τέχνῃ nicht 
minder gut verträgt, wie hier ἡρημένη. Vgl. auch Ag. 234 τέχναι δὲ 
Κάλχαντος οὐκ ἄπραντοι. 

v. 1170 geben die codd. πῶς δῆτ᾽ ἄνακτος ἦσϑα Aoklov κότῳ; 
Seit Canter ist die vulg. πῶς δῆτ᾽ ἄνατος κτλ. Lebendiger aber und 
passender wird die Frage, wenn wir interpungieren πῶς δῆτ᾽; ἄνατος 
ἤσϑα xrA. „wie denn eigentlich? bliebst du dem Zorn des Loxias un- 
gesiraft?“ Eine Aenderung von κότῳ in x0rov ist dann keineswegs not- 
wendig: natürlich kann der Zorn des Guttes sinnlich so belebt werden 
dass ihm gegenüber jemand ungeschädigt heisst. — Dagegen die neue 
Conjectur von Wieseler und Ahrens πῶς δὴτ᾽ ἄνακτος ῃσϑα Aoklov 
κότον vindiciert dem ἤσϑα; däs heissen soll „wie lerntest du keunen “ 
eine Bedeutung, die es schwerlich hat, und setzt voraus dass der Chor 
überhaupt mit Bestimmtheit eine Bestrafung durch Apollon annimmt, 
während er sich vielmehr wundern muss, Kassandra unbestraft zu sehen. 


Kassandras erste Weissagung und Erwiderung des Chors 
v. 1173— 1204, 


v. 1173 geben die codd. ἰοὺ ἰού, ὦ ὦ κακά, v. 1175 aber ταράσ- 
σων φροιμίοις ἐφημένους. Allgemein ist anerkannt dass ἐφημένους au 
diese Stelle aus dem folgenden Verse geraten ist, wie dann aber v. 1175 
zu ergänzen sei, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Sehr 
geistvoll und einleuchtend jedoch ist Weils Bemerkung dass in die nach 
φροιμίοις zu statuierende Lücke ὦ ὦ κακά hineingehöre, da nie ein iam- 
bischer Dimeter wie v. 1173 den Trimetern voraufgehe, dass also, da 
pooıuloss eines Epitheton nicht entbehren könne, statt des überlieferten 


400 COMMENTAR. 


_ δεινός zu schreiben sei δεινοῖς. Aehnlich schliesse v. 1216 οὗ ἐγώ, ἐγώ 
den Trimeter. Keine sonst vorgeschlagene Aenderung ist so wahrschein- 
lich wie diese. 

v. 1176 übersetzt und erklärt man &pnu£vovc „an dem Hause, vor 
dem Hause sitzend “, aber das Wort heisst „auf etwas sitzend‘, und das 
ist hier auch ganz in der Orduung: die gespenstischen Rachegeister ha- 
ben wie der ἀλάστωρ (Hik. 627) ihren Platz oben auf dem Dache. 

v. 3178 sq. las man bisher παῖδες ϑανόντες ὡσπερεὶ πρὸς τῶν 
φίλων. χεῖρας κρεῶν πλήϑοντες οἰκείας βορᾶς ach. Aber indem man 
sich hier in die Verbindung von ϑανόντες mit πρὸς τῶν φίλων fest- 
gefahren hatte, war ὡσπερεί gar nicht zu erklären: denn Hermanns 
Deutung „sie sehen ungefähr aus wie Kinder, die von ihren Liebsten 
geschlachtet sind“ wäre nur möglich, wenn πρέπουσιν an der Spitze 
“des Satzes stände. Martin vermutet daher statt ὡσπερεί (und Hartung 
und Karsten schenken dieser Gonjectur unbedingten Beifall) ὡς πόρεις, 
aber das kann nur billigen, wer für die Plastik des poetischen Stils ‚kei- 
nen Sinn hat: es hätte wohl heissen können παῖδες σφαγέντες ὡς πόρεις 
πρὸς τῶν φίλων, aber so wenig wie Hom. Od. ὃ, 535 sagen durfte ὡς 
κατέϑανε βοῦς ἐπὶ φάτνῃ statt ὃς τίς τε κατέκτανε βοῦν ἐπὶ φάτνῃ, 
ebenso wenig hätte hier neben πόρεις der einfache Begriff des Sterbens 
genügt. Ganz unglücklich ist Ahrens’ Conjectur παῖδες ϑανόντες ὡς sol 
πρὸς τῶν φίλων; worin ὥς die genau zusammen gehörigen Begriffe 
trenut und χερί metrisch wie sachlich störend ist. Wäre der hergebrach- 
ten Wortverbindung wegen eine Veränderung von ὡσπερεί nötig, so 
verdiente vor allen Conjecturen die von Bamberger πῶς ἐρῶ als die geist- 
reichste den Vorzug. — Aber wie hat man an dem nachfolgenden χεῖρας 
κρεῶν πλήϑοντες οἰκείας βορᾶς ohne Anstoss vorüber gehen können? 
Kein Erklärer spricht ein Wort darüber, und doch ist der Vers völlig 
sinnlos. Zunächst soll χεῖρας κρεῶν πλήϑοντες heissen „voll Fleisch in 
den Händen‘, aber ein solcher Acc. der näheren Bestimmuug möchte 
sonst wohl schwerlich bei πλήϑω gefunden werden, Aeschylos hätte da- 
für vielmehr geschrieben χερσὶν κρέας φέροντες oder ähnliches. Dann 
soll κρεῶν abhängen von dem Gen. οἰκείας βορᾶς, aber abgesehen von 
dieser Häufung der Genetive, was sollte οἰκεία βορά heissen? Man inter- 
preliert wohl „das eigne Fleisch“ heraus, aber könnte auch οἰκεῖος in 
der Weise „eigen‘ heissen, dass es ganz speciell das einer Person, 
nicht einem Hause angehörige bezeichnete (was ich unbedingt verneinen 
muss), so wäre οἰκεία βορὰ ja doch „‚der eigne Frass, das eigne Mahl“, 
aber nie könnte „das Fleisch des eignen Mahles‘“ soviel sein als „das 
eigne Fleisch“. Endlich aber, wäre nicht die Vorstellung von todten 
Kindern, die ihr Fleisch und dazu die Eingeweide in den Händen halten, 
geradezu toll? Wohl ist die Seherin von einem göttlichen Wahnsinn er- 
griffen, aber es muss darin doch Methode sein: sie schaut eben, als ob 
für sie keine Zeit da wäre, alles als gegenwärtig, das vergangene wie 
das zukünftige, aber nur das, was wirklich einmal gewesen ist oder sein 
wird. Sie kann also auch hier die Kinder des Tlıyestes nur in einer Si- 








COMMENTAR. 401 


tuation sehen, die wirklich einmal stattgefunden hat (vgl. zu v. 1055): 
wu aber hätte sich etwas der Art zutragen können, dass die Kinder ihr 
eignes Fleisch in den Händen hielten? — Grund genug also zu unter- 
suchen, ob nicht die bisherige Interpretation sich in falsche Wortverbin- 
dung verfahren hat. Construieren wir nun aber ὡσπερεὶ πρὸς τῶν φίλων 
χεῖρας, so ist keine Aenderung von ὡσπερεί mehr nötig, und wir gewin- 
° nen den einfach schönen Gedauken „todte Kinder, gleichsam des Winks 
der Liebsten (speciell des Vaters) gewärtig“. (Vgl. Soph. Phil. 148 πρὸς 
τὴν ἐμὴν χεῖρα. was Schneidewin richtig erklärt durch „ad signa manu 
mea data‘, wörtlich „im Hinblick auf meine Hand“.) Verwandeln wir 
dann im Folgenden eineu einzigen Buchstaben, ὃ in δ, sodass wir lesen 
κρεῶν πλήσοντες οἰκείας Bogas, σὺν ἐντέροις τε σπλάγχν᾽ ἐποίκτιστον 
γέμος πρέπουσ᾽ ἔχοντες, so taucht plötzlich statt der bisherigen Halu- 
ceinationen eine der Seherin würdige klare und correcte Vorstellung auf. 
Sie weiss nämlich dass die Kinder beim Familienopferfest (vgl. v. 15605q.) 
geschlachtet sind, nicht πρὸς τῶν φίλων, sondern von Atreus: sie sieht 
in ihrer Vision die Leichname der Kinder, wie sie mit aufgeschlitztem 
Bauche daliegen, um dem Vater mit Herz und Leber zum Mahle zu die- 
nen, und so ruft sie: „Ich sehe todte Knaben, die gleichsam auf den 
Wink der Liebsten das Festmahl des Hauses mit ihrem 
Fleisch füllen sollen, und die an den Gedärmen und Herz und Leber 
eine grausige Füllung haben“. Bog« wird nicht nur von allen Tragikern 
auch von menschlicher Speise gebraucht, sondern auch Hesych erklärt 
es durch Yolvn: der Plural bezieht sich darauf dass beim Opferfest Jeder 
sein Mahl für sich hatte. I’&wog, von Hesych durch γέμεσμα πλήρωμα 
erklärt, beweist dass die Eingeweide noch als Füllung im Leibe der 
Kinder zu sehen sind; ἔχοντες heisst also nicht „haltend‘“, sondern „ha- 
bend“ und ἐποίκτιστον γέμος ist Prädikat zu σπλάγχνα, also nicht in 
Kommata einzuschliessen. Nach ἔχοντες ist nun voll zu interpungieren, 
sodass nach einer kleinen Pause die Seherin ausruft: „Ha, da kostet der 
Vater (das Fleisch der Kinder)“. Der Aor. ἐγεύσατο drückt das Ueber- 
raschende, den jähen Schreck der Seherin aus, ähnlich wie ‘an&nıvoav 
v. 1151 auch von einer gegenwärtigen Handlung gesagt ist. — So haben 
wir durch Veränderung eines einzigen Buchstaben aus den vier Versen 
klare und lichtvolle Gedanken gewonnen, mit Bezug auf welche der Chor 
v.1201 wohl sagen kann τὴν μὲν Θυέστου δαῖτα παιδείων κρεῶν ξυνῆκα, 
während er mit Bezug auf die verwirrten Bilder, die man bisher in jenen 
vier Versen sah, unmöglich meinen könnte, er habe alles verstauden und 
er habe nichts märchenhaftes gehört. 

Nach dem Seufzer, den die Seherin v. 1185 mit ἐμῷ φέρειν γὰρ 
χρὴ τὸ δούλιον ξυγόν ausstösst, ist eine um so längere Pause zu sta- 
tuieren, als sich hier der Monolog gleichsam in Strophe und Gegenstrophe 
scheidet; nach 3 >< 4 Versen, worin der Kinder des Thyestes und ihres 
Rächers gedacht ist, folgen wieder 3 > 4 Verse, die von Klytämnestra 
handeln. Während man sich also gestritten hat, ob die überlieferte Ver- 
bindung durch τέ (nach νεῶν) beizubehalten sei oder δέ dafür eintreten 


AESCHYL. AGAMEMNON. 26 


402 COMMENTAR. 


müsse, ist es unbedingt das schönste, die Seherin aus ihrem Sinnen her- 
aus ganz von Neuem anheben zu lassen, also- zwischen v. 1185 und 86 
Asyndeton zu statuieren. Dann giebt also die Ueberlieferung nicht νεῶν 
τ᾽ ἀἄπαρχος (worin man allgemein ἔπαρχος für ἄπαρχος schreibt), son- 
dern νεῶν τάπαρχος. Und eben dieselbe Form giebt der Med. pr. m. 
auch Ch. 650, wo zwar Hermann nach Bamberger liest γυνὴ Or&yagyos, 
aber Dindorf in der neuesten Ausgabe τύπαρχος beibehält. Doch sehe 
ich nicht, wie sich dies Wort rechtfertigen lassen soll: es wäre denkbar 
dass der Stamm ταφ-(τέϑηπα, tagpoc), der ehrfürchtiges Staunen aus- 
drückt, so darin enthalten wäre dass @ wegen des folgenden y in = 
überginge, ähnlich wie in ἀμπέχω., ἐκεχειρία u. dgl., aber ich würde 
duch in dieser Composition keinen den beiden Stellen angemessenen Sinn 
finden, und so verzichte ich auf die Möglichkeit das Wort zu deuten. 
Wenn nuu aber die codd. an zwei von einander völlig unabhängigen 
Stellen τάπαρχος geben, so kann ein so wunderbares Wort ebenso wenig 
auf Conjectur beruhen, wie aus gröblichem Verlesen hervorgegangen 
sein: es muss vielmehr einer leichten, sich fast von selbst ergebenden 
Corruptel seinen Ursprung verdanken. So vermute ich dass sowohl hier 
wie Ch. 650 mit blosser Veränderung des m in y zu leseu ist τάγαρχος 
d. ἢ. ὁ τὴν ἀρχὴν τάττων. Das Wort ist vollkommen correct gebildet 
aus dem Stamme vay- (τἄγή) und ἀρχή und bezeichnet in feierlicherer 
Weise, ähnlich wie ἀρχηγέτης, den, welcher das Regiment festzustellen 
hat, ist also hier wie Ch. 650 sehr angemessen; es ist gewissermassen 
der Gegensatz zu πεέϑαρχος. Vielleicht möchte dies Wort auch Eum. 
293 stalt ταγοῦχος herzustellen sein; denn allerdings ist ταγοῦχος aus 
ταγή und ἔχειν correct gebildet wie εὐνοῦχος. aber die Composita auf 
-οὔχος enthalten sonst in ihrem ersten Teil ein Concretum, worauf sich 
der ganz sinnliche Begriff von ἔχεεν bezieht, wie ταλαντοῦχος, σκη- 
πτοῦχος u. s. w. (Für unsere Stelle schlägt neuerdings auch Meineke 
τάγαρχος vor, aber wäre seite Verweisung. auf στράταρχος als Analogen 
richtig — reyn soll gleich στρατὸς sein —, so würde dies Wort nicht 
Ch. 650 passen.) 

Sehr schwierig ist die Partie v. 1187—89. Die Ueberlieferung lautet 
οὐκ oldev οἷα γλώσσα μισητῆς κυνὸς | λέξασα καὶ κτείνασα φαιδρό-- 
γους. “δίκην | ἄτης λαϑραίου τεύξεται κακῇ τύχῃ. Hierin ist zunächst 
μισητῆς κυνὸς wohl nach Hesych zu deuten als „der geilen Hündin “. 
In diesem Sinne ist das Attribut hier sehr wirksam, da eben des Aegisth 
Erwähnung getan ist; in der Bedeutung ‚„verhasst“ wäre μισητή hier 
ziemlich matt. Im Folgenden beruhigen sich Hermann und die meisten 
seiner Nachfolger bei Canters Aenderung des überlieferten καὶ κτείνασα 
und lesen dafür κἀκτείνασα. Aber die ganze Stelle ist, wie sich später 
ergeben wird, schwer verdorben, und es sind hier ebenso starke Heil- 
mittel nötig, wie v.1140—42 (die im cod. Alex. ebenso wie unsere Stelle 
am oberen oder unteren Rande des Buches von Moder angegriffen sein 
mochten); zuvor jedoch ist eine verführerische Conjectur von Ahrens, 
der mit sehr leichten Mitteln helfen zu können glaubt, als unhaltbar ab- 











COMMENTAR. 403 


®zuweisen. ‚Dieser nämlich, sich beziehend auf Arist. Pac. 154 ἀλλ᾽ ἄγε 
Πήγασε χώρει χαίρων, χρυσοχάλινον πάταγον ψαλίων διακινήσας φαι- 
δροῖς @olv und auf des Scholiasten Erklärung zu φαιδροῖς (πραέσι, μὴ 
ὀρϑοῖς), corrigiert die Stelle folgendermassen : οὐκ οἷδεν οἷα γλώσσα 
μισητῆς κυνὸς λείξασα (so schon Tyrwhitt) καὶ κλένασα φαιδρὸν 
οὖς δίκην κτλ. In der Tat, das ist blendend, und Weil hat sich auch 
wirklich dadurch blenden lassen. Aber wie witzig und geistreich die 
Conjectur auch immer ist, so ist sie doch des Dichters durchaus unwürdig. 
Zunächst werden wir uns durch den Scholiasten zu Aristophanes nicht 
einreden lassen dass die vor Freude gesenkten Ohren des Pferdes φαιδρὰ 
ὦτα heissen könnten. Das Pferd hat überhaupt nur eine geringe Bewe- 
gung in den Ohren: nur wenn es freudig erregt ist oder aufmerksam 
horcht, spitzt es dieselben, aber auch von Natur schon stehen sie auf- 
recht. Wie könnten also die Pferdeohren in der einen oder der anderen 
Lage „ gläuzend “ heissen? und von dieser Bedeutung des Wortes yaı- 
δρὸς können wir doch nicht abkommen. Der Scholiast hat offenbar 
Aristoph. missverstanden: Trygäos behandelt seinen Kantharos allerdings 
immer, als ob er ein Reitpferd wäre, doch besteht eiu gutes Stück der 
Komik eben darin, dass trotzdem immer die eigentliche Natur des Riesen- 
: käfers hervortritt. So spricht er hier vou den glänzenden Ohren seines 
Rosses, weil der Käfer mit den glänzenden Seitenflächen seines Kopfes, 
komisch Ohren genannt, das Geschirr in Bewegung setzen soll. Demnach 
kann an unserer Stelle das „freudig gesenkte Ohr des Hundes‘ in keiner 
Weise φαεδρόν heissen. Das Schlimmste aber an der neuen Conjectur 
ist, dass sie dem Dichter eine fürchterliche Incorrectheit der Struktur 
aufbürdet: mit καί wird κλίνασα an λείξασα geknüpft und dennoch soll 
mit einem Male, während zu λείξασα die Zunge Subjekt ist, zu κλένασα 
die Hündin als solches gedacht werden, denn die Zunge kann ja doch 
nicht das glänzende Ohr senken. 

Gehen wir denn auf die codd. wieder zurück. Gewiss ist dass 
γλῶσσα zu deu Participien wie zu dem Hauptverbum τεύξεται Subjekt 
ist, in jedem anderen Falle hätte sich Aeschylos eine gar nicht zu ent- 
schuldigende Incorrectheit der Struktur nachgeseheu; gewiss ist ferner 
nach Hesychs Glosse τευξομένη ποιήσουσα, dass τεύξεται sehr wohl Fu- 
turum von τεύχω sein kann. Soll es aber von der Zunge der Hündin 
heissen dass sie etwas bereiten wird, so muss das Bild vollkommen 
durchgeführt sein, und damit fällt unbedingt λέξασα, denn die Zunge 
einer Hündin kann nicht sprechen. Sie kann nur lecken und schmeicheln 
und schliesslich verwunden und vergiften. Daruach halte ich Tyrwhitts 
λεέξασα entschieden für richtig. Wie aber φαιδρόνους., ein sonst. nicht 
vorkommendes und an sich schon widersinniges Wort, hier absolut un- 
erträglich ist (denn sollte eine moralische Eigenschaft von der Zunge der 
Königin ausgesagt werden, so müsste sie vielmehr δολιόφρων als φαι- ᾿ 
δρόνους heissen), so ist auch δέκην ἄτης λαϑραίου für den Stil unseres 
Dichters viel zu kahl und unbestimmt gesagt: es ist nicht möglich sich 
bei ἄτη λαϑραῖος eine klare Vorstellung zu machen. Vielmehr wie Soph. 


26* 








404 COMMENTAR. 
Ant. 531 (σὺ δ᾽ ἢ κατ᾽ οἴκους ὡς ἔμδν᾽ ὑφειμένη λήϑουφά u ἐξέπι-: 
veg, οὐδ᾽ ἐμάνϑανον τρέφων δύ᾽ ara) Ismene zuerst mit einer Viper 
verglichen wird und dann erst eine ἄτη λαϑραῖος heisst, so muss auch 
hier die giftige Zunge der Hündin, die an den grussen Kriegshelden heran- 
schleicht um ihm das Blut auszusaugen, mit einer Natter verglichen 
werden, und die Bezeichnung dieser ınuss in dem corrupten geıdgovovg 
stecken. Nun gab es aber eine höchst gefährliche Schlangenart, die 
αἴμορροῖς oder wiuöpgovg hiess: sie hatte davon den Namen, dass ihr 
Biss einen nicht zu stillenden Blutstrom hervorlockte. Ausführlich be- 
schreibt sie Nic. Ther. 282—297. Auch Suidas, sowie Lucan und Plinius 
erwähnen ihrer als einer höchst gefährlichen Art, die in Felsenlöchern 
hause. Darnach dürfte kaum zu zweifeln sein dass eben mit dieser Viper 
die giftige Zuuge der Hündin verglichen wird. Daun aber muss der An- 
fangsbuchstabe von φαιδρόνους durch Lesefehler aus & entstanden sein, 
und in καὶ κτείνασα muss also ein zweites mit λείξασα synonymes 
Partic. stecken, das mit jenem durch τέ verbunden war. Bis etwas Bes- 
seres gefunden wird, schlage ich μειλέξασα vor. Wo aber so viele 
schwere Corruptelen indiciert sind, werden wir uns auch κακῇ τύχῃ, 
das durch Berufung auf das gewöhnliche ἀγαϑῇ τύχῃ keineswegs er- 
klärt ist, nicht mehr gefallen lassen; es ist durch einen höchst gewöhn- 
lichen Lesefehler verdorben aus κακῇ τέχνῃ. Demnach schreibe ich die 
ganze Stelle οὐκ οἶδεν οἷα γλώσσα μισητῆς κυνὸς λείξασα μειλίξασά $' 
aluopgov δίκην ἄτης λαϑραίου τεύξεται κακῇ τέχνῃ d.h. „der grosse 
Kriegsheld ahnt nicht, was die Zunge der geileu Hündin, nachdem sie 
ihn erst geleckt und ihm geschmeichelt hat, ihm bereiten wird gleich 
einer Viper, mit der Tücke eines heimlich heranschleichenden Verder- 
bens“. So ist ein ergreifender Gegensatz gegeben zwischen der Grösse 
des Helden und der Kleinlichkeit der List, durch die er fallen soll; so ist 
auch die folgende Frage τί νιν καλοῦσα δυσφιλὲς δάκος τύχοιμ᾽ av 
vortrefflich motiviert. — Die Lesart καὶ κτείνασα mag einem Scholion 
vielleicht zu verdanken sein. Wenn der vom Dichter gegebene Gedanke 
richtig erklärt war durch die Bemerkung οὐκ oldev ὅτι ἡ γλῶσσα ἡ λεί- 
ξασα καὶ κτείνασα αὐτὸν ἔσται, so konnte ein Abschreiber, der sich 
nicht im Stande sah μεελίξασα zu entziffern, auf einem nicht ungewöhn- 
lichen Wege die vulgata herstellig machen. — Zu dem Gedanken vgl. 
übrigens noch Ch. 996 ἥ σοι δοκεῖ, μύραινά γ᾽ εἴτ᾽ ἔχιδν᾽ ἔφυ κτλ. 
v.1190 giebt Farn. τοιαῦτα τολμᾷ ϑῆλυς" ἄρσενος φονεὺς | ἐστέν. 
Dagegen Ven. und Flor. haben τοιάδε τολμὰ ϑῆλυς. Ehe man sich aber 
für eine von beiden Lesarten als die echtere entscheidet, ist der Anstoss 
zu beseitigen, dass das tonlose ἐστίν durch Cäsur und Versstellung ganz 
wunderlich hervorgehoben ist. Elmsley wollte deshalb ἔσται lesen, aber 
auch dies würde so uoch viel zu stark betont werden. Aeschylos wird 
vielmehr das der Seherin wohl geziemende ἐστίν geschrieben haben, aber 
in sulcher Stellung: ϑηῆλύς ἐστιν ἄρσενος | φονεύς, sodass φονεύς 
durch die Declamation ähnlich hervorgehoben ward wie φόνου v. 1076. 
Daun aber kann es nicht zweifelhaft sein dass des Farn. τοιαῦτα τολμᾷ 


COMMENTAR. 405 


das einzig richtige ist, und dass der Schreiber des Ven. nur aus Conjectur 
τοιάδε setzte, indem er τολμᾶ ϑῆλυς für ein Subst. mit Adj. hielt. 

v. 1192 las man ἀμφίσβαιναν, ἢ Σκύλλαν τινὰ] οἰκοῦσαν ἐν πέ- 
τραισι. ναυτίλων βλάβην, | ϑύουσαν “Αιδου μητέρ᾽ ἄσπονδόν τ᾽ "Agnv 
(codd. ἀρὰν) | φέλοις πνέουσαν; Die „Hadesmutter“ hat nun zwar 
Ahrens glücklich beseitigt durch die vortreffliche Emendation ϑύουσαν 
“Ἅιδου Ancog’ „eine rasende Priesterin des Hades“ (Hesych λείτορες 
f£geıcı), aber damit ist der Text noch nicht in Ordnung gebracht. Wie 
könnten erstlich eine Schlange, eine Skylla und eine Hadespriesterin 
coordiniert werden? Die Seherin fragt ja ausdrücklich, mit dem Namen 
welches verhassten δάκος sie die Mörderin passend bezeichnen könne: 
eine Hadespriesterin dürfte aber doch nie ein δάκος heissen. Wie 
könnte ferner, da ἀμφίσβαιναν und Σκύλλαν durch n verbunden sind, 
das dritte Glied asyndetisch angereiht werden? Aber ein ganz ähnliches 
Beispiel giebt den Weg zur richtigen Auffassung an. Ch. 977 heisst es: 
τί νιν προσειπὼν καὶ τύχω μαλ᾽ εὐστομῶν ; ἄγρευμα. ϑηρὸς ἢ νεκροῦ 
ποδένδυτον δροίτης κατασκήνωμα; δίκτυον μὲν οὖν ἄρκυν τ᾽ ἂν 
εἴποις καὶ ποδιστῆρας πέπλους. So ist auch an unserer Stelle das 
Fragezeichen schon nach ναυτίλων βλάβην zu setzen, worauf v. 1194 
mit energischem Asyndeton folgt: „nein! diese Namen genügen noch 
nicht; ich nenne sie eine rasende Bacchantin der Hölle“. Auch hier 
hätte die richtige Bezeichnung mit μὲν οὖν und εἴποις ἄν eingeführt 
werden können, aber das Asyndeton und die Nichtwiederholung des Ver- 
bum stehen der Aufregung der Seherin wohl an. — Aber auch das Fol- 
gende ist noch nicht richtig. Wie evident auch die Verbesserung von 
ἀράν in ”Aonv ist, so scheint doch das τ΄ nach ἄσπονδον durchaus un- 
erträglich. Denn das Bild einer rasenden Mänade des Hades ist klar und 
plastisch, aber verschwimmend ist das durch τέ damit coordinierte Bild 
„einer den Ihrigen kriegschnaubenden“. Wollte aber jemand einwenden, 
durch τέ seien $vovoav und πνέουσαν, beides Attribut zu Antoge, ver- 
bunden, so spricht dagegen nicht nur die Stellung der Participien, son- 
dern auch die Betrachtung dass ϑύουσαν etwas der Hadesbacchantin 
wesentliches und notwendiges, das andere dagegen etwas aceidentielles 
enthält. Es wird also zu schreiben sein ἄσπονδον φέλοις | "Agnv πνέ- 
ovoav. Diese Wortstellung ist poetischer und effektvoller, aber gerade 
derartige Strukturen sind, wie Heimsoeth nachgewiesen hat, von den Ab- 
schreibern vielfach alteriert. 

Durch den Ausdruck "Aonv πνέουσαν ist es nun weiter motiviert 
dass die Seherin ausruft „wie jubelte sie auf wie in einer Schlacht!“ 
Aber ἐν μάχης τροπῇ, wie man allgemein liest, kann nicht richtig sein. 
Liesse die Wendung grammatisch sich auch verteidigen (nicht ohne Grund 
will Karsten ἐκ μάχης τροπῇ), so würde sie stilistisch doch nicht ent- 
schuldigt werden können. Denn als Klytämnestra ihren Gemahl empfing, 
jubelte sie auf, nicht als ob die Feinde in die Flucht getrieben würden 
(diese Vergleichung hätte mit der Situation des Empfangs gar nichts zu 
tun), sondern als ob nun die gewaltige Entscheidung heranrückte, wo es 





406 COMMENTAR. 


darauf ankäme durch Siegesruf sich zu begeistern. Ich schreibe daher 
unbedenklich ὥσπερ ἐν μάχης δοπῇ. 

v. 1197 las man bisher ohne Anstoss δοκεῖ δὲ χαίρειν νοστέμῳ σω- 
τηρίᾳ. Doch versteh’ ich durchaus nicht, wie mau das Praes. δοκεῖ 
rechtfertigen will. Die Seherin muss mit dem Verse ja doch den äusse- 
ren Anschein des ἐπωλολύξατο bezeichnen wollen; dies ἐπωλολύξατο 
aber kann sich, soweit ich sehe, nur auf die Freude bei des Königs Em- 
pfang beziehen.- Folglich muss man lesen ἐδόκει δὲ χαίρειν. 

Bis hierher geht die eigentliche Weissagung, die, wie gezeigt, in 
zwei correspondierende Hälften von je drei vierzeiligen Perioden zerfällt; 
die folgenden Verse 1198 —1200 sind in mehr nüchtern reflectierendem 
Tone gehalten und direct an den Chor gerichtet. Aber unmöglich kann 
die Seherin sich nach Abschluss ihrer Weissagung zur Unterredung mit 
dem Chor wenden, indem sie sagt „und einerlei ist's ob mir jemand 
glaubt“, sondern diesem Satze muss ein die Weissagung zusammenfas- 
sender Gedanke vorausgehen, etwa wie Klytämnestra v. 870 nach ihren 
übertriebenen Lobeserhebungen dem φϑόνος δ᾽ ἀπέστω vorausschickt 
τοιοῖσδέ τοί νιν ἀξιῶ προσῳφϑέγμασιν, oder wie dieselbe v. 333 dem 
Wunsche τὸ δ᾽ εὖ ,πρατοίη΄ den zusammenfassenden Gedanken voraus- 
gehen lässt τοιαῦτα τοι γυναικὸς ἐξ ἐμοῦ κλύεις, oder wie es Sept. 620 
heisst τοιαῦτ᾽ ἀυτεῖ καὶ ϑεοὺς γενεϑλίους καλεῖ. So scheint mir die 
Annahme einer Lücke zwischen v. 1197 und 98 unabweisbar, eine An- 
nahme, die ihre glänzende Bestätigung darin findet, dass Kassandra jeden 
der drei übrigen Monologe mit 4 Versen schliesst, die in 4 unmittelbar 
folgenden Zeilen des Chorführers ihren Widerhall finden. Ich ‚ergänze 
die Lücke beispielsweise | durch τοιούσδε μέντοι δώμασιν χρησμοὺς λέγω. 

v. 1199 codd.: καὶ σὺ μὴν τάχει παρὼν | ἄγαν ἀληϑόμαντιν 
οἰκτείρας ἐρεῖς. Hermann liest nach Auratus und ‚Casaubonus καὶ σύ μ᾽ 
ἐν τάχει κτλ. Besser Ahrens: καὶ σὺ μὴν τάχ᾽, εἰ παρόν, ἄγαν μ᾽ 
ἀληϑύόμαντιν κτλ. 

v. 1203 ist überliefert «Avovr’ ἀληϑῶς οὐδὲν ἐξῃκασμένα. Her- 
mann geht ohne Anstoss daran vorüber, Weil aber sucht die Ueberliefe- 
rung zu rechtfertigen, , indem er nach ἀληϑῶς ein Komma setzt und 
erklärt ἐναργῶς καὶ οὐ δι᾿ εἰκόνων. Aber Ahrens hat erwiesen dass 
ἐξῃκασμένα durchaus einen Dativ ‚verlangt, und ebenso hat er durch eine 
Menge. von Beispielen, in denen οὐδὲν ἐξῃκασμένος, οὐδὲν ἐοικώς, οὐδὲν 
ὅμοιος zusammengestellt ist, mehr als wahrscheinlich gemacht dass 
οὐδέν nicht anzutasten ist, die Corruptel also in ἀληϑῶς liegt. Wenn er 
uun aber vermutet κλύοντα μύϑοις οὐδὲν κτλ... worin μύϑοις den Ge- 
gensatz zu ἔργοις bilden soll („Dinge hörend, die nicht blossen Worten 
gleichen“), so wäre diese Ausdrucksweise wegen des völlig versteckten 
Gegensatzes gar zu dunkel, zumal da μύϑοις weder durch die Stellung 
noch durch ein γέ hervorgehoben wäre. Gegen die Deutung von μῦϑος 
durch „Märchen “ protestiert Ahrens selber, weil erst seit Platon das 
Wort diese Bedeutung annehme. — Vielleicht ist zu lesen κλύοντα Ar- 
9oıs nach Hesychs Glosse λήϑον βαλίον. Denn PaAlos „gescheckt, 











COMMENTAR. 407 


fleckig, bunt‘ wird wieder von Zonaras und Etym.M. interpretiert durch 
ποικίλος und διαποίκιλος. und da nun das „scheckige, bunte, schil- 
lernde“ vielfach die Zweideutigkeit und Unverständlichkeit bildlich be- 
zeichnet (Her. VII, 111 πρόμαντις χφέουσα κατάπερ, ἐν “4ελφοῖσι καὶ 
οὐδὲν ποικιλώτερον. Plat. Phaedr. p. 286 εἰπεῖν παρὰ τὴν ἐκείνου σο- 
φέαν ἕτερόν τι ποικιλώτερον), so würde der Chor mit jenem Worte be- 
zeugen dass er Dinge höre, die nicht unverständlichen Orakelsprüchen 
ähnlich seien. Aber jene Glosse, Hesychs ist zu wenig gesichert, weshalb 
ich lieber lese κλύοντα λήροις οὐδὲν ἐξῃκασμένα. Damit bezieht sich 
der Chor auf ἀληϑόμαντιν v. 1200 und giebt zu dass Kassandra nicht 
eine ψευδόμαντις sei. 


Stichomythie zwischen Kassandra und dem Chor v. 1205 — 1214. 


v. 1208 weicht Hermann ohne allen Grund von der Ueberlieferung 
ab, indem er liest οὔκ, εἴπερ ἔσται γ᾽. Ja, εἴπερ wäre kaum richtig, 
damit würde der Chor schon viel zu viel Glauben an die Weissagung 
aussprechen. 

v. 1211 geben die codd. 7 κάρτ᾽ ἄρ᾽ ἂν παρεσκόπης, doch haben 
Flor. und Ven. über die letzte Sylbe von παρεσκόπης noch &ı geschrie- 
ben. Fast alle Kritiker machen daraus nun mit Vict. παρεσκόπεις , aber 
mit Recht wirft Hartung ihnen vor, nicht beachtet zu haben dass die 
Endung ns offenbar echt ist, dagegen das o vor dem x durch einen 
Schreibfehler sich eingeschlichen hat. Und da nun παρακόπτεσϑαί τινος 
„um etwas betrogen werden‘ verbürgt ist (vgl. auch Hesych παραπέ- 
κοπται παρανοεῖ), so ist παρεκόπης χρησμῶν ἐμῶν um so sicherer, 
als dadurch die in den codd. fehlende Verscäsur hergestellt wird. Den 
Anfang des Trimeters schreibt Hartung N κάρτα tage, doch gefällt we- 
der die Häufung der Versicherungspartikeln, noch die starke Abweichung 
von den haudschriftlichen Zügen. Ich schreibe lieber 7 κάρτα δαρὸν 
παρεκόπης χρησμῶν ἐμῶν „wahrhaftig, recht lange blieb dir der Sinn 
meiner Sprüche verborgen“. Fiel von δαρόν das ὃ zwischen den beiden 
α aus, so ergab sich die Corruptel von selbst. 

v. 1212 las man früher τοῦ γὰρ τελοῦντος οὐ ξυνῆκα μηχανήν. 
woran Heimsoeth mit vollem Recht Anstoss nahm, weil es sich bloss um 
die Person des Täters handele; etwas gewaltsam änderte er daher τοὺς 
γὰρ τελοῦντας οὐ ξυνῆκα μηχανήν „ich begriff nicht die Vollbringer 
des Anschlages“. Aber Weil hatte bereits, ohne von Heimsoeth recht 
verstanden zu sein, die richtige Auffassung der Worte angebahnt, indem 
er nach τελοῦντος ein Fragezeichen setzte. Dann besinnt sich der Chor, 
mit seiner Frage nach dem Anstifter der Tat zurückgewiesen, dass 
nach allem, was vorliegt, dies Niemand als Aegisthos sein kann, aber da 
er weiss dass dieser nicht im Palaste ist, so fragt er noch einmal, an die 
Struktur der ersten Frage auknüpfend: „ich meine nämlich, durch wes- 
sen Ausführung πορσύνεται &yog? ich verstehe nicht das wo und wie 
(nämlich wie Aegisthos von aussen her so wirken kann)“. Erst so kommt 





408 COMMENTAR. 


der Begriff μηχανή zu seinem vollen Recht, während in Heimsoeths Con- 
jectur das Wort ganz unmotiviert für φόνον stände. 

v. 1213 ist sicherlich ἐπίσταμαι das richtige, nicht Marklands &mi- 
στασαι, das Porson und Blomfield aufgenommen haben. Das erstere 
geben die codd. einstimmig, denu auch das ganz wunderliche &mioraraı 
des Ven. erklärt sich aus einer an den Rand geschriebenen Glosse zu 
καὶ γὰρ τὰ πυϑόκραντα ‚(auch die delphischen Sprüche verstehen grie- 
chisch) und bestätigt so ἐπίσταμαι in v. 1213. Nur zu diesem passt das 
seufzende ἄγαν ys „nur leider allzusehr“, womit Kassandra auf ihre Ge- 
fangenschaft anspielt, in der sie das Griechische bereits gelernt habe, 
während es bei "EiAAnv ἐπίστασαι (wie Hartung liest) lächerlich wäre. 
Freilich wenn Hartung einwendet, φάτες heisse nicht „Sprache “, so hat 
er Recht; aber φάτις ist überall das „gesprochene Wor “ vorzugsweise 
das bedeutungsvolle (vgl. Soph. Phil. 1045 βαρεῖαν ὃ ξένος φάτιν τήνδ᾽ 
εἶπε), und so kann die Seherin natürlich synekdochisch φάτις für γλώσσα 
gebrauchen. Es wird also sein Bewenden dabei haben müssen dass "PA- 
Anva hier Fem. ist (vgl. Wellauer) und dass im folgenden Verse πυϑό- 
κραντα als Nom. mit zu ergänzendem ἐπίσταται steht. 


Kassandras zweite Weissagung und des Chors Ermwiderung 
v. 1215 — 1257. 


v. 1215 geben die codd. παπαῖ, οἷον ro πῦρ ἐπέρχεται δέ μοι, 
einen Vers, dessen Lahmheit der Dichter sicherlich nicht verschuldet hat. 
Er hat wieder wie v. 1188 am unteren oder oberen Rande des cod. Alex. 
gestanden und ist in Folge dessen fast unleserlich gewesen; die Byzan- 
tiner haben ihn mit Benutzung der lesbaren Reste des Textes und einiger 
Glossen zurechtgeflickt. Ohne Zweifel hat daher Weil richtig ‚gesehen, 
wenn er in den ersten Sylben des corrupten Trimeters Reste einer iam 
bischen Dipodie zu finden glaubt, die, wie oben v. 1173 dov ἰού, die 
Weissagung einleitete: vor dem Monolog ist also παπαῖ παπαῖ zu 
schreiben. Bei der Restitution des Trimeters ist dann jedenfalls von 
Hermanns Meinung abzusehen, dass mit wog das von Klytämnestra der 
Seherin nahende Verderben gemeint sei: der Eingang des vorhergehen- 
den Monvlogs und die folgende Anrufung Apollons beweisen dass πῦρ 
das Feuer der prophetischen Begeisterung ist. So schreibe ich im Hin- 
blick auf Prom. 1019 οἷός oe χειμὼν καὶ κακῶν τρικυμία ἔπεισ᾽ ἀφυ- 
κτὸς und Hesychs Glossen ἔπεισιν ἐπέρχεται und ϑέσφατον ϑεῖον den 
Trimeter also: οἷον τόδ᾽ αὖ we πῦρ ἔπεισι ϑέσφατον. Denn dass hinter 
dem Verbum noch ein Wort gestanden hat, beweist das überlieferte 
ἐπέρχεται δέ μοι. 

v. 1219 nimmt Heimsoeth (die Wiederherstellung p. 77) an dem Fut. 
»revei Anstoss, er verlangt dafür κτείνει, „denn was die Seherin, eben 
wieder ergriffen von der Wut der Begeisterung, sieht, ist gegenwärtig“. 
Demgemäss ändert er auch das Folgende ziemlich gewaltsam. Aber wie 
könnte Kassandra, während sie vor den Augen des Chors unangetastet 
dasteht, der handgreiflichen Wirklichkeit zum Trotz ausrufen ‚sie tödtet 














‚  COMMENTAR. 409 


mich?‘ Selbst in ihren Visionen, wo doch ihre Ekstase eine ungleich 
stärkere war, hat sie zwar Agamemnons Ermordung als unmittelbar 
gegenwärtig beschrieben, aber ihren eigenen Tod nur als bevorstehend 
geweissagt, vgl. v. 1098, 1108, 1120, 1131. Unzweifelhaft ist daher auch 
hier das Fut. xrevei das einzig angemessene. — Im Folgenden lautet 
nun die vulg. nach Ven. und Flor. ὡς δὲ φάρμακον τεύχουσα κἀμοῦ 
μισϑὸν ἐνθήσει κότῳ, ἐπεύχεται ϑήγουσα φωτὶ φάσγανον ἐμῆς ἀγω- 
γῆς ἀντιτίσασϑαι φόνον. Das soll nach Naegelsbach heissen: „und als 
ob sie eine Arzenei bereitete, wird sie in ihren Grimm auch den Lohn 
für mich mischen. Ja, während sie das Schwert dem Manne wetzt, 
prahlt sie dass sie sich werde Blut bezahlen lassen dafür, dass er mich 
gebracht“. Aber dieser Interpretation stehen unüberwindliche Schwie- 
rigkeiten im Wege. Zunächst passt der Gedanke gar nicht: denn die 
Seherin hat jetzt nicht von den Motiven zu des Königs Ermordung, son- 
dern von ihrem eigenen Tode zu reden. Ganz unzweifelhaft ist also 
κἀμοῦ μισϑόὸν nicht „den Lohn für mich“, sondern „meinen Lohn d. ἢ. 
meinen Tod“. Ferner heisst weder ἐντεϑέναι, „hinzumischen“ noch auch 
wäre Klytämnestra eine correcte Giftmischerin, wenn sie „Lohn“ und 
„Grimm“ mit einander verbände: dem κότος könnte nur eine zweite Lei- 
denschaft, dem μεσϑός nur eine zweite äussere Tat hinzugesellt 
werden. Unerträglich wäre ferner in diesem Raisonnement das Asyn- 
deton, womit ἐπεύχεται eingeführt, und das mächtige Gewicht, das die- 
sem Worte durch die Stellung im Satz verliehen würde. Namentlich aber 
wäre die Struktur ἀντιτίσασϑαι φόνον, worin φόνον als Objekt stehen 
sollte, ganz unerhört. Eine. Aenderung ist daher notwendig und nament- 
lich kann κότῳ nicht richtig sein, aber entschieden zurückzuweisen ist 
Auratus’ Conjectur ποτῷ, die selbst von Weil mit so grossem Beifall auf- 
genommen ist. Denn ποτὸν wäre ja identisch mit dem eben genannten 
φάρμακον: also hätte nach jener Conjeetur Aeschylos gesagt „gleich- 
sam einen Gifttrank bereitend wird sie zu dem Trank auch meinen Lohn 
setzen“. Undenkbar! Vielmehr beweist das Verbum ἐνθήσει, das immer 
nur „hineinlegen“ bedeutet, dass einzig Scaliger mit der Aenderung von 
κότῳ in κύτει das rechte getroffen hat. Wenn wir dann nach dem Farn. 
(der auch hier wieder ohne Verständniss die richtige Lesart bewahrt hat, 
während Ven. und Flor. eine offenbare Conjectur geben) schreiben ἐνθή- 
δεῖν , 80 gewinnen wir den einfach schönen und hier einzig angemesse- 
nen Gedanken ὡς δὲ φάρμακον τεύχουσα κἀμοῦ μισϑὸν ἐνθήσειν 
κύτει | ἐπεύχεται ϑήγουσα φωτὶ φάσγανον ἃ. h. „gleichsam einen 
Gifttrank bereitend, prahlt sie auch meinen Lohn (meinen Tod) in .die 
Schale legen zu wollen, während sie für den Mann das Schwert wetzt“. 
So sind die beiden Bestandteile des Gifttrankes angedeutet in κἀμοῦ 
μισϑόν (Kassandras Tod) und ϑήγουσα φωτὶ φάσγανον (des Königs Er- 
mordung). Der folgende hisher arg missverstandene Vers ist dann mit 
Einschiebung eines δ᾽ vor ἀγωγῆς als unabhängiger Ausruf zu fassen, 
worin @0vov Acc. des Subjekts ist. Grammatisch ist dann alles in bester 
Ordnung: das Objekt ἐμέ ergiebt sich aus dem Zusammenhang als selbst- 


410 COMMENTAR. 


verständlich. Wie es Eum. 857 heisst ἐμὲ. παϑεῖν τάδε „o dass ich dies 
erleiden muss“, so ist hier ἐμῆς δ᾽ ἀγωγῆς ἀντιτίσασϑαι φόνον soviel 
als: „„o dass ein Mord die Vergeltung üben soll für meine Herführung!‘“ 
Es ist dies derselbe exclamative Infinitiv des Aergers und des Erstaunens, 
den die gewöhnliche Sprache mit τό einführt (Krüger Gr. $ 55,1, 6), 
und darauf deutet vielleicht jenes rätselhafte τ. das im Farn. über avrı- 
τίσασϑαι steht. Dass aber auch stilistisch der absolute Acc. und Inf. hier 
in der Ordnung ist, bedarf kaum der Bemerkung: er vertritt eben die 
Stelle eines schweren Seufzers. 

Die folgenden 5 Verse 1223—27 schildern nun die Verzweiflung der 
Seherin und die trotzige Ablegung der priesterlichen Zeichen, die nach 
einem pompejanischen Wandgemälde (vgl. Wieseler in der Ztschr. für 
Alterth. 1845 p. 108) in weissem Gewande, roter Inful am Halse und einem 
Lorbeer in der Rechten bestehen. Schön und natürlich wäre es also 
v. 1225 σὲ μὲν πρὸ μοίρας als Anrede an das Gewand zu fassen, das sie 
zerreissen will, wie denn auch im Flor. ὦ στολή hinzugeschrieben ist 
und im Farn. das Scholion steht πρὸς τὴν ἑαυτῆς ἐσθῆτα τοῦτο λέγει 
σχίζουσα τὰ ἑαυτῆς ἱμάτια. So versteht auch Hermann .den Vers. Aber 
es wäre freilich durchaus gegen den Geist der alten Tragödie, durch 
Mimik und nicht zugleich durch Worte zu sprechen, hier also die Rede 
an das Kleid zu richten und dies zerreissen zu lassen, ohne dass es aus- 
drücklich genannt würde. Ausserdem zeigt μέν unzweideutig an dass 
mit σέ einer der beiden genaunten Gegenstände, σκῆπτρα καὶ στέφη, 
angeredet wird. Darnach kann es, da σέ unzweifelhaft echt ist, wie die 
höchst verfehlten Conjecturen beweisen, nicht fraglich sein dass mit σέ 
das Scepter d. h. jener Lorbeerstab, den die Seherin trägt, angeredet ist: 
denn sie hat natürlich nur ein solches Scepter, der Kränze aber können 
mehrere um den Hals geschlungen sein (der Plural σκήπτρα ist nur eine 
rhetorische Assimilation an στέφη. wodurch die Seherin im Affekte sa- 
gen will „alles, alles, sowohl Stab wie Kränze‘“). Diesen Lorbeerzweig 
also, das wesentlichste Attribut ihrer Würde, vernichtet sie vor ihrem 
Tode: es versteht sich von selbst dass das Stäbchen so dünn ist, dass die 
Seherin es zerbrechen kann. — Dann richtet sich mit v. 1226 die Anrede 
an die Kränze, welche Kassandra zu Boden schleudert. Dass das de, wel- 
ches dem σὲ μέν entsprechen sollte, im Affekt hier weggefallen ist, macht 
sich um so natürlicher, da die Anrede an die στέφη mit ὑμεῖς δέ zu um- 
ständlich gewesen sein würde. Aber eine bisher noch nicht geheilte 
Corruptel steckt in dem einstimmig überlieferten ἀγαϑὼ δ᾽ ἀμείψομαι, 
das in seiner Sinnlosigkeit und metrischen Fehlerhaftigkeit von CGon- 
jecturen der Abschreiber offenbar unberührt geblieben ist und nur aus 
einem unwillkürlichen leichten Schreibfehler entstanden sein kann. Da- 
her ist Hermanns Aenderung ἐγὼ δ᾽ ἅμ᾽ ἕψομαι (dem Gedanken nach viel 
zu resigniert für die bittere Stimmung der Seherin) schon aus dem 
Grunde zu verwerfen, weil sie von den Zügen der Ueberlieferung viel zu 
weit abweicht. Aber es liegt ja doch auf der Hand dass das Wesen der 
Corruptel in der aus einem unschuldigen Schreibfehler hervorgegangenen 





COMMENTAR. 411 


Verdoppelung der Buchstaben TA liegt (aus TATA las man später TATA 
heraus), dass also der Dichter geschrieben hat ἴτ᾽ ἐς φϑόρον πεσοόντ᾽ " 
90 ἀμείψομαι.,, τὺῦ Hölle mit euch — ich werde so eine schadlose 
Vergeltung üben (ich schicke euch ἐς @90g0v, wie ihr mich)“. Wie 
diese Ironie zu der bitteren Stimmung passt und wie leicht sich nun die 
Corruptel erklärt, bedarf keiner weiteren Erörterung. Ob übrigens 
Aeschylos ἀϑῷῶα oder ἄϑωα geschrieben hat, ist irrelevant; die Ueber- 
lieferung unserer Stelle spricht für die zweite Schreibart. — v. 1227 
lesen nun die codd. ἄλλην τιν᾽ ἄτην ἀντ᾽ ἐμοῦ πλουτίζξετε, ‚worin das 
Verbum offenbar dieselbe bittere Ironie atmet wie 290 ἀμείψομαι. 
Aber ἄτην ist ohne allen Zweifel verdorben: in wahrem Wetteifer hat 
man daher arg, &raıg, arng geschrieben, grammatisch und stilistisch 
alle drei Formen gleich zulässig, aber diplomatisch alle drei ‚gleich un- 
wahrscheinlich. Der Dichter wird vielmehr gesagt haben ἄλλην τιν᾽, 
ἁγνήν. ἀντ᾽ ἐμοῦ πλουτίξετε. Mit Bitterkeit betont dann Kassandra dass 
sie nicht mehr die reine Jungfrau sei, welche der priesterlichen Zeichen 
würdig sein könne: wegen ihres unfreiwilligen Verhältnisses zu Aga- 
memnon ist sie nicht mehr das reine Gefäss der Gottesgahe. Gerade so 
reisst in Eur. Troad. 453 die Seherin, nachdem ihr angekündigt ist dass 
sie Agamemnons Eigentum werden solle, die Kränze sich ab und fügt 
hinzu ὡς ἔτ᾽ οὐσ᾽ ἁγνὴ χρόα δῶ ϑοαῖς αὔραις φέρεσϑαι σοὶ τάδ᾽, ὧ 
uavrei ἄναξ. 

Daran knüpft sich dann sehr natürlich die ergreifende Scene v. 1228 
— 1237, die mittlere Partie des ganzen Monologs, worin Kassandra das 
heilige Priestergewand mit einem Riss trennt und zu Boden fallen lässt, 
aber auf die Apollonstatue auf der Bühne hinweisend sich vom Gotte 
selbst entkleidet glaubt. Sie ist eben nicht mehr die ἁγνή, und so 
glaubt sie, völlig mit sich zerfallen, dass ihr Schirmherr selhst sie der 
Würde entsetze — daher die schmerzlichen Klagen um ihren feindlichen 
Schutzpatron. So auch in unseres Schillers Tragödie die an sich irre 
gewordene Jungfrau, wie sie gegen die Himmelskönigin klagt: „ Willst 
du deine Macht verkünden, wähle sie, die, frei von Sünden, stehn. in dei- 
nem ew’gen Haus, deine Geister sende aus, die unsterblichen , die reinen, 
die nicht fühlen, die nicht weinen!“ 

Sehr gut weist Heimsoeth (die Wiederherstellung p. 92) nach dass 
statt ἐποπτεύσας δέ μὲ zu schreiben ist ἐποπτεύσας τέ μὲ und dass die- 
ses τέ correspondiert mit καί v. 1234, wo natürlich das Subjekt wegen 
der weiten Entfernung von v. 1228 mit ὁ u@vrız wieder aufgenommen 
ist; dass also v. 1232 und 33 καλουμένη δὲ κτλ. sich nur als weitere 
Ausführung an das erste Glied ἐποπτεύσας re anschliessen. Zwischen 
ἐποπτεύσας und dem vorhergehenden ist dann summatives Asyndeton. 
Hermann verbessert καταγελωμένην μετά in καταγ. μέγα, Halm das nicht 
zu rechtfertigende οὐ διχορρόπως μάτην (das höchstens so erklärt wer- 
den dürfte, dass es mit ἐποπτεύσας — „ein Schirmherr unzweifelhaft 
umsonst “ — verbunden würde, aber dafür ist es von dem Part: zu weit 
entfernt) in οὐ διχορρόπως μαϑεῖν („unverblümt‘“ Naegelsbach). Die 


412 COMMENTAR. 


das Elend in Troja weiter ausführenden Verse lauten nun nach den codd. 
καλουμένη δὲ φοιτὰς ὡς ayvorgie, πτωχὸς τάλαινα λιμόϑνης ἠνεσχά- 
unv, aber jedenfalls ist hierin nach Karstens Emendation ἠνειχόμην zu 
lesen, denn die Seherin schildert ja ihren Zustand in Troja. Doch auch 
τάλαινα ist verdorben. Denn unmöglich kann die Königstochter ‚sagen 
dass sie eine hungersieche Bettlerin gena nnt sei in Troja; πτωχός und 
λιμοϑνής gehören also notwendig in die mit ὡς eingeleitete Verglei- 

chung, dazu aber kann wiederum τάλαινα nicht gehören. Daher wird 
zu lesen sein καλουμένη ᾿δὲ φοιτὰς, ὡς ἀγύρτρια πτωχός τ᾽ ἀλαξὼν 
λιμοϑνῆς, ἠνειχόμην „ich musste mich eine Verrückte nennen lassen wie 
eine herumstreichende und bettelnde Gauklerin, die vor Hunger stirbt“. 
“Δλαξὼν γυνή steht auch Plut. Per. 12. Eigentlich ist das Wort synonym 
mit ἀγύρτρια, „einer, der umherstreicht“, daher „ein Aufschneider, 
Prahler“. Bekk. An. 374, 18: ἀλαζών, ὑπερήφανος. ψεύστης καὶ κομ- 
παστής. — v. 1234 fordert der die ganze Partie durchdringende Ton der 
herben Klage dass wir ἐκπράξας in der gewöhnlichen Bedeutung „ein- 
fordern‘ auffassen. Jetzt nämlich hält Apollon gleichsam Abrechuung 
mit der Prophetin über die vielen von ihm gespendeten „Wohltaten‘“. In 
jeder anderen Bedeutung wäre ἐχπράξας hier mehr als überflüssig. — 
Klar ist nun dass die v. 1236 und 37 noch genau zu der vorhergehenden 
Klage gegen Apollon gehören, indem sie ausführen, worin die ϑανάσιμοι 
τύχαι bestehen, aber das Verständniss des einzelnen liegt hier noch im 
Argen. Der erste Vers ist von Auratus emendiert in βωμοῦ πατρῴου δ᾽ 
ἀντ᾽. ἐπίξηνον μένει „statt des väterlichen Altares (zu dem ich sonst zu 
treten pflegte) harrt drinnen der Henkerblock“. Aber wenn die codd. 
nun weiter geben ϑερμῷ κοπείσης φοινίῳ neoopeyuerı, so conjecturiert 
man ratlos κοπείσῃ oder κοπεῖσαν. ohne dass man es der Mühe wert ge- 
halten hat diesen Aorist oder die ZusammensteHung ϑεορμὸν πρόσφαγμα 
„die heisse Opferung“ zu erklären. Erst Weils Scharfblick hat erkannt 
dass gerade in ϑερμῷ der Fehler der Ueberlieferung liegt: aber indem er 
mit höchst gewaltsamer Aenderung schreibt δέρης κοπείσης. ist doch 
weder der Gen. noch der Aor. begreiflich gemacht. Es ist vielmehr nach 
μένει zu interpungieren und dann in einem Ausrufe, womit dieser kla- 
gende Teil sehr schön abschliesst, zu schreiben οἴμοι xoneiong φοινίῳ 
ro00payuerı „weh, weh der Armen, die mit blutigem Todesstreich hin- 
geschlachtet wird!“ In dieser Exclamation, die das zukünftige als rasch 
sich vollendende Tatsache schaut, ist der Aor. durchaus motiviert; οἴμοι 
aber mit Gen. ist eine den Tragikern sehr geläufige Struktur. 

Es folgt nun die Weissagung von der Rache durch Orest 1238— 1244 
und in 5 Versen dann die Resignation der Seherin. Da fällt es zunächst 
auf dass der Uebergang zu der neuen sie wieder aufrichtenden Prophe- 
zeihung nur in dem einzigen Verse οὐ μὴν ἅτιμοί γ᾽ ἐκ ϑεῶν τεϑνήξο- 
μὲν gegeben ist. Bisher hat die Seherin von sich nur im Sing. gesprochen; 
dass sie also mit dem Subjekt von τεϑνήξομεν sich und Agamemnon 
meint, ist um so gewisser, da Orestes. ja doch wesentlich, wie das auch 
in den Eum. so aufgefasst ist (und hier v. 1240 ποινάτωρ πατρός), seines 











COMMENTAR. 413 


Vaters Rächer ist. Meint sie aber mit dem „wir“ sich und den König, 
so ist eine ausdrückliche Bezeichnung des letzteren, von dem sie seit 
v. 1221 nicht wieder gesprochen hat, durchaus notwendig. So vermute 
ich mit Bestimmtheit dass nach v. 1238 ein Vers ausgefallen ist, worin 
Kassandra sich und Agamemnon nannte (wie v. 1272), natürlich in einem 
ergreifenden Gegensatz, also etwa γυνή τάλαινα καὶ νεῶν στρατηλάτης 
(Eum. 628). — v. 1243 lautet in der Ueberlieferung ὀμώμοται γὰρ ὕρκος 
ἐκ ϑεῶν μέγας und steht hinter v. 1249, dort völlig sinnlos, an unserer 
Stelle aber notwendig, um ἄξειν zu erklären. Hermann hat dem Verse 
den richtigen Platz angewiesen. Nach Dindorfs Fund aber in Gramers 
Anecd. Ox. I, p. 88, 8, wo ohne Angabe des Autors citiert ist ἄραρε γὰρ 
00x05 ἐκ ϑεῶν μέγας, kann es nicht zweifelhaft sein dass ἄραρε eben an 
unsere Stelle gehört. Dindorf schreibt daher ᾿ἄραρε γάρ, τις ὁρκος, aber 
τίς wäre hier sehr matt, besser scheint mir ἄραρε δὴ γὰρ ὅρκος. Ulfen- 
bar ist ὀμώμοται eine Glosse, die in den Text gesetzt ward, weil das er- 
klärte Wort nicht mehr lesbar war. Eben daraus erklärt sich die falsche 
Stellung des Verses in den codd.: der Abschreiber des cod. Alex. fand ihn 
in der ersten Hälfte unleserlich und liess ihn aus; der gelehrte Gorrector 
aber ergänzte ihn mit Hülfe der Glosse ou@uores und holte ihu unten 
am Rande nach, d. h. unter v. 1249, mit welchem eine Columne im cod. 
Byz. zu Ende ging. — Die richtige Erklärung von v. 1244 hat zuerst 
Weil gegeben „ihn heimzuführen als Wiederaufrichter des daliegenden 
Vaters‘, nachdem Hartung und Karsten auf die Verkehrtheit der bisherigen 
Interpretation von ὑπτίασμα „das auf dem Rücken liegen“ aufmerksam 
gemacht hatten. Weil erinnert an Ch. 497 καὶ μὴ ᾿ξαλείψῃς σπέρμα 
Πελοπιδῶν τόδε" οὕτω γὰρ οὐ τέϑνηκας οὐδέ περ ϑανῶν. — v. 1245 
geben die codd. x«roıxog, woraus Hermann μέτοικος macht, aber die 
Sklavin, die eben erst ihren Fuss auf argivischen Boden setzt, kann sich 
so nicht nennen. Scaliger will κατοιπκτος, aber dies wäre ein rhetorisches 
Contrarium: in dem Augenblick, wo Kassandra ihren Entschluss ausdrückt 
nicht mehr zu klagen, darf sie sich nicht eine „bejaminernswerte‘ nen- 
nen (und anders liesse sich das Wort doch wohl nicht deuten). Es wird 
zu lesen sein x@roxvog „lange zaudernd“: das ist der Begriff, den wir 
nach Klytämnestras und des Chors wiederholten Aufforderungen den 
Wagen zu verlassen und ins Haus zu gehen hier erwarten. Das Compo- 
situm ist unbedenklich, zumal da wir das Verbum κατοκνέω haben: es 
bezeichnet analog mit κάτοινος, κάτομβρος und ähnlichen „hin, ‚weg in 
Zaudern, ganz darin aufgegangen“. — Dann ist nach ἀναστένω das 
Fragezeichen zu setzen, sodass die drei folgenden Verse nachträglich den 
Entschluss nicht mehr zu klagen motivieren. Aber was die codd. v. 1247 
haben, οὗ δ᾽ εἶχον πόλεν, ist völlig unerträglich, denn nachdem die Sehe- 
rin eben erst von Ilions Schicksal gesprochen, kann sie nicht das damit 
identische Geschick der Trojaner als zweites Motiv ihrer Resignation an- 
führen. Daher waren in Bezug auf den Gedanken diejenigen völlig im 
Recht, welche οὗ δ᾽ ἔσχον πόλιν oder οὗ δ᾽ εἷλον πόλιν verlangten und 
darunter Agamemnon verstanden: Schneidewins Einwendung dass die 


414 COMMENTAR. 

heimtückische Ermordung des Königs nimmermehr ein ἀἁπαλλάσσειν dv 
ϑεὼν κρέσες genannt werden könne, verschlägt nichts, denn da Agame- 
non vielfach gefehlt hat, so lassen allerdings die Götter seine Bestrafung 
zu, sein Tod ist eine Art von Gottesgericht und er fällt διαὶ Jıog παναι- 
τίου πανεργέτα v. 1454. Aber namentlich ist auch πόλεν als corrupt zu 
betrachten; da erst der vorhergehende Vers mit demselben Worte schliesst, 
so ist es hier mehr als verdächtig. Insoweit ist Karstens Conjectur οὗ δ᾽ 
εἶχον πλέον lobenswert, aber der Ausdruck ist für Aeschylos’ Stil zu 
matt. Ich vermute lieber οὗ δ᾽ εἷλον, πάλιν | οὕτως κτλ. Zu εἶλον ver- 
staud sich nach dem eben gesagten das Objekt von selbst; πάλεν aber 
bezeichnet sehr schön den Gegensatz zwischen Agamemnons Siegesruhm 
und seinem Tod. — v. 1249 endlich lautet die Ueberlieferung ἐοῦσα 
πραξω" τλήσομαι τὸ κατϑανεῖν, was Hermann vergeblich zu verteidigen 
sucht: könnte πράξω auch das folgende τλήσομαι einstweilen vertreten, 
80 wäre duch ἐοῦσα πράξω so inhaltslos, dass man den Dichter darin 
nicht wieder zu erkennen vermöchte. Heath schlägt vor ἐοῦσα καγὼ 
τλήσομαι, was heissen würde: „im Gehen ‚will auch ich deu Tod tragen“ 
— 80 ungereimt wie möglich. Auch καγώ wäre nur dann statthaft, 
wenn wir die drei vorhergehenden Verse mit diesem zu einem Satze ver- 
bänden: unendlich viel schöner aber ist es, nach κρίσει ein Punktum zu 
setzen und die drei Verse 1246—48 als nachträgliche Motivierung der 
Frage τέ δῆτα — ἀναστένω aufzufassen. (Sehr richtig erklärt Enger 
ἐπεί durch „zumal da“, denn der eigentliche Grund des Todesmutes ist 
die Rache des Orestes.) Danu drückt der Vers 1249 nur den ohne Seiten- 
blick auf andere gefassten raschen Entschluss der Seherin aus, und der 
Begriff „auch ich“ ist entschieden störend. Von anderen Conjekturen 
können wir schweigen. Die Stelle ist im cod. Alex. stark zerfressen ge- 
wesen: nur einige noch leserliche Buchstaben liessen die gelehrten Byzan- 
tiner glauben dass der Dichter geschrieben hätte ἐοῦσα πράξω, während 
er in Wahrheit gesagt hatte Aınovo’ ἅμαξαν τλήσομαι τὸ κατϑανεῖν. 
Hier steigt die Seherin also vom Wagen, hiermit sind ihre Weissagungen 
abgeschlossen, und die folgenden 4 Verse gehören einer ganz neuen Scene 
an, indem sie an die zur Bühne hinaufführende Treppe geht und, ehe sie 
dieselbe betritt, ihr Gebet an die dunklen Hadespforten richtet; diesen 
4 Versen eutsprechen die folgenden 4 Verse des Chorführers. Damit ist 
also endlich Kassandra der Aufforderung, nachgekommen, die der Chor 
v. 1013 ausspricht πιϑοῦ, λιποῦσα τόνδ᾽ ἁμαξήρη ϑρόνον. 

Weil nun aber v. 1250 erst nach einer längeren Pause gesprochen 
wird, so kann das überlieferte "Audov πύλας δὲ κτλ. nicht richtig sein: 
es muss heissen πύλας δή. 

Ueberblicken wir jetzt den ganzen mächtigen Monolog, so tritt die 
architektonische Gliederung desselben, nachdem Weil darauf aufmerksam 
gemacht hat, so unverkennbar hervor, dass Niemand sich der Anerken- 
nung eines hier waltenden Schönheitsgesetzes wird entziehen können. 
Freilich wenn jener Gelehrte das Gauze (mit Ausschluss der 4 Verse 1250 
bis 1253, die zur neuen Wechselrede gehören) zerlegt in 3, 6, 5. 4, 4. 


COMMENTAR. 415 


3, 6, 5, so ist allerdiugs’die Responsion der beiden mit τέ δῆτα anfangen- 
den Fünfer evident, aber im übrigen bedarf die von ihm gegebene Ein- 
teilung doch einer kleinen Berichtigung. Während er nämlich die zweite 
Gruppe von 3, 6, 5 Versen mit v. 1236 βωμοὺ πατρῴου beginnt, so ist 
nach meiner Interpretation von selbst klar, dass dieser und v. 1237 dem 
Inhalte nach ganz genau sich an das vorhergehende auschliessen, also 
mit zur Mesodos, welche die bittere Klage gegen Apollon enthält, ge- 
hören (4, 2, 4 V.) und dass die neue Gedankenreihe erst v. 1238 mit οὐ 
μὴν ἀτιμοί γε anhebt. So bestätigt sich meine Vermutung dass nach 
v. 1238 ein Vers ausgefallen ist, auf das glänzendste: die Interjection 
zu Anfang des Munologs steht dann ebeuso wie im vorhergehenden 
ausserhalb der Respousion, das übrige aber zerfällt in 2, 6, 5. 
10. 2, 6,5 Verse. Und damit auch der letzte Argwohn schwinde, als ob 
hier eine müssige Zahlenspielerei kaleidoskopische Figuren hingaukle, 
will ich an diesem Beispiel zeigen, wie die äusserlich symmetrisch ge- 
stellten Partien sich auch dem Inhalte nach aufs genaueste entsprechen. 
Die Gedanken gliedern sich also: 


2, 6, ὅ. 10. 2, 6, ὅ. 
Ankündi-| Weissa- | Verzwei-| % % 4 | Ankündi- | Weissa- | Resigna- 
gung der |gung von| felte | Mesodos. |gung der) gung tion. 

neuen ‚Tode der, Klage. 1 Bittere | Rache. | vou der 
Weissa- | Seherin. Invective Rache. 
gung. gegen 

Apollon. 


Stichomythie zwischen Kassandra und dem Chorführer v. 1258— 1271. 


v. 1258 gebeu die codd. οὗ, ξένοι. χρόνῳ πλέω. nur Farn. liesst 
πλέῳ. Dafür schrieb Auratus οὗ, ξένοι, χρόνῳ πλέων — matt und 
durchaus nicht äschylisch, wie Hermaun sehr richtig urteilt. Aber seine 
eigene Aenderung οὔ, ξένοι. χρόνον πλέω scheint mir jenes Urteil noch 
mehr zu verdienen, wiewohl Euger und Schneidewin sie aufgenommen 
haben. Weil vermutet οὐκ ἔστ᾽ alvkıs, οὐ, ξένοι, χρόνοι πλέῳ „kein 
Entrinnen giebt es für den, dessen Zeiten erfüllt sind‘, aber abgesehen 
von der Härte, womit der Dat. τούτῳ ausgestossen wäre, so hat hier 
auch der Voc. ξένοι stilistisch gar keine Berechtigung. Diese Anrufung 
ist nur motiviert nach einem mit starkem Nachdruck gesprochenen Wort, 
wobei ınan jemanden gleichsam zum Zeugniss auffordert: uffenbar ist 
also das anaphorische οὖ, das die codd. vor ξένοι haben, das einzig rich- 
tige. Aber dennoch dürfte Weil halbwegs die Hand des Dichters herge- 
stellt haben: lesen wir mit leisester Aenderung οὐκ ἔστ᾽ ἀλυξις, οὔ, 
ξένον" χρόνοι πλέῳ „es giebt kein Entrinnen, keines, o Freunde: die 
Zeiten sind erfüllt‘, so ist daran stilistisch, wie von Seiten des Zusammen- 
hangs uichts auszusetzen. Denn ‚vortrefflich stimmt dazu die Antwort 
des Chors ὁ δ᾽ ὕστατός γε τοῦ χρόνου πρεσβεύεται d.h. nach Elberlings 
einzig richtiger Deutung „und doch pflegt man die letzten Augenblicke 


416 COMMENTAR. 


recht zu schätzen und auszukosten““. (Nach bekanntem Gräcismus steht 
ὁ ὕστατος τοῦ χρόνου wie bei Demosth. τάχ᾽ ἂν σωφρονέστεροι πρὸς 
τὸν λοιπὸν τοῦ χρόνου γένοιντο, vgl. Krüger Gr. $ 47, 28, 9). Ist aber 
meine Emendation richtig, 80 zeigt sich an diesem Beispiel wiederum, 
wie die Varianten des Farn. oftmals dem Ven. und Flor. gegenüber das 
echtere bewahren, denn dass πλέῳ.» neben χρόνῳ völlig sinnlos, nicht 
Conjectur von Triclinius sein kann, liegt auf der Hand. 

v. 1261 liest man allgemein ἀλλ᾽ ἴσϑι τλήμων 000° am’ εὐτόλμου 
φρενός und Niemand, soviel ich weiss, hat daran sich gestossen. Aber 
wie kann und darf der Chor sagen: „wisse dass du unglücklich bist in- 
folge deines tapferen Mutes oder infolge deiner zu grosseu Kühnheit“ ? 
Nach allem, was der Chor von Kassandra weiss, muss er ihr Unglück 
doch aus ganz anderer Quelle ableiten. Es ist daher zu schreiben: ἀλλ᾽ 
ἴσϑι, τλῆμον, οὐδ᾽ ἀπ᾽ εὐτόλμου φρενός sc. κερδανεῖς „doch wisse, du 
arme, auch durch deinen Mut wirst du nichts gewinnen“. Das ist die 
natürliche und correcte Antwort auf σμικρὰ κερδανῶ φυγῇ» denn dies 
sagt ja durch eine Art von Litotes „ich werde nichts durch die Flucht 
gewinnen‘. An den so von mir emendierten Vers knüpft sich dann auch 
vortrefflich in der überlieferten Reihenfolge das klagende Wort Kassan- 
dras οὐδεὶς ἀκούει ταῦτα τῶν εὐδαιμόνων (denn vom Glücklichen sagt 
man „der Wagende gewinnt“), worauf der Chor einlenkeud und begüti- 
gend erwidert: „doch freilich ein ruhmvoller Tod ist dem Menschen ein 
Trost“, aber Kassandra, ergriffen vou dem Contrast zwischen dem er- 
wähnten ruhmvollen Tode und dem Schicksal, das ihrer harrt, wie es 
ihre Familie ereilt hat, bricht in den Seufzer aus ἐὼ πάτερ σοῦ κτλ. So 
hängt in der überlieferten Reihenfolge der Verse alles sehr schön zu- 
sammen, während nach der von Heath vorgeschlagenen und vou allen 
neueren Editoren ausser Karsten gebilligten Umstellung der Verse οὐδεὶς 
ἀκούει und ἀλλ᾽ εὐκλεῶς τοι der Chor mit den Worten „Kein Glücklicher 
hört das sagen“ sehr plump die arme Kassandra an ihr Unglück erinnern, 
ja es ihr vorwerfen würde. Dazu wäre nach jener Umstellung der Ge- 
danke οὐδεὶς ἀκούει κτλ. in sich unwahr, denn auch der Glückliche hört 
doch sagen dass ein ruhmvoller Tod ein Trost und eine Freude für den 
Menschen sei. - 

Nach v. 1264 tritt nun eine bedeutungsvolle Pause ein, wodurch die 
Stichomythie ganz wie die entsprechende v. 1161—1172 in zwei Hälften 
zerlegt wird. Mit dem schweren Seufzer ἰὼ πάτερ σοῦ entschliesst sich 
- Kassandra in den Palast zu gehen, aber an dem Tore erfasst sie ein Eut- 
‚setzen, das sichtbar ihre Glieder schüttelt, und sie kehrt wieder auf die 
Bühne zurück. Darauf bezieht sich die Frage des Chors v. 1265. Aber 
ich kann mich nicht überzeugen dass in dieser so unverkennbar in zwei 
symmetrische Teile zerfallenden Stichomythie der v. 1266 überlieferte 
Ausruf φεῦ φεῦ einen vollen Trimeter vertreten kann, zumal da Kassan- 
dra ihr Mienenspiel dem Charakter der alten Tragödie gemäss mit deut- 
lich bezeichnenden Worten begleiten muss. Man wende nicht ein dass 
ihr Entsetzen zu gross sei, um sich in Worten ausdrücken zu lassen: wie 














COMMENTAR. 417 


beredt der Dichter auch in solchem Falle sein kann, zeigt z. B. Eum. 35 sq. 
Ich vermute daher mit Bestimmtheit dass der Vers nur infolge der Schad- 
haftigkeit des cod. Alex. verstümmelt ist: ‚beispielsweise ergäuze ich die 
Lücke nach φεῦ φεῦ durch πέφριπα" τρόμος ἔχει μὲ καὶ κρύος. 

γ. 1267 ist überliefert τί τοῦτ᾽ ἔφευξας; εἴ τε μὴ φρενῶν στύγος. 
Die Ergänzung zu den letzten Worten ist unklar, jedenfalls würde aber 
der Chor damit voraussetzen dass Kassandra etwas grausiges erlebt 
habe, während er doch in seiner Naivität sich wundern muss, wie der 
stolze Köuigspalast einen Schauder erregen könne. Ich schreibe daher 
ἔστι μὴ φρενῶν στύγος; „es ist doch nichts grausiges dort?“ So steht 
un Prom. 249 un πού τι προὔβης τῶνδε καὶ περαιτέρω; und öfter. 


Kassandras Abschied v. 1272— 1290. 


“ Die Verse 1272 und 73 ἀλλ᾽ εἶμε κτλ. hat Weil mit vollstem Recht 
hinter v. 1286 gestellt: das sind die Worte, mit denen Kassandra ihren 
endlichen Abschied vom Leben nimmt und in den Palast geht; die be- 
trachtenden Worte aber v. 1287—90, die man sonst nebst vielem anderen 
die Seherin noch nach ihrem ἀρκείτω βίος sprechen liess, bilden den In- 
halt der legitimen 4 Chorverse, mit denen die Scene abschliessen muss. 
Das ist, nachdem Weil es einmal ausgesprochen hat, so einleuchtend dass 
schwerlich noch ein Mann von Geschmack daran zweifeln wird. (Leider 
sehe ich dass Enger, ein Mann von ebenso viel Geschmack wie Gelehr- 
samkeit, in der neuen Ausgabe von Klausens Agam. sich noch nicht durch 
Weil hat überzeugen lassen.) Dass die v. 1272 und 73 in den codd. an 
die verkehrte Stelle geraten sind, erklärt sich wieder aus ihrer Unleser- 
lichkeit im cod. Alex. Der Abschreiber liess sie aus; der Corrector 
brachte sie mit Hülfe der ungereimten Conjectur κὰν δόμοισι zu Stande 
und trug sie am oberen Rande des cod. Byz. d. h. vor v. 1274 nach. An 
dieser Stelle, wo sie zufällig angefügt waren, wurden sie von den folgen- 
den Abschreibern mit fortgeführt. 

Mit io ξένοι beginnt’ also Kassandra, wie sich gebührt, ihre Rede. 
Vorher hat sie abermals einen Schritt nach dem Palaste getan, aber mit 
dem Ausrufe ἐὼ ξένοι weicht sie wieder zurück. Dies wiederholte Zu- 
rückbeben ist ausgedrückt in «οὔτοι δυσοίξω, das Hesych in mehreren 
Glossen durch δυσχεραίνειν, ὑπονοεῖν, φοβεῖσϑαι; ὑποπτεύειν erklärt. 
Damit stimmt die Bemerkung des Scholiasten: 0% δυσχεραένω; φησίν, 
ὡς ὄρνις ϑέλουσα εἰς καλιὰν εἰσελϑεῖν καὶ ϑῆρά τινα φοβουμένη. 
Wenn es nun aber nach den codd. weiter heisst οὔτοι δυσοίξω ϑάμνον 
ὡς ὄρνις φόβῳ. ἀλλ᾽ ὡς ϑανούσῃ μαρτυρεῖτέ μοι τόδε, so hat Hermann 
richtig ἀλλ᾽ ὡς in ἄλλως verwandelt und diesen gewichtigen Begriff mit 
Övool&w verbunden, sodass nun erst οὔτοι δυσοίξω seine Wahrheit erhält; 
aber störend ist das Wort φόβῳ, da dieser Begriff schon vollständig in 
dem Verbum mitenthalten ist. Unentbehrlich ist dagegen ein Objekt zu 
δυσοίξω: wie in dem Bilde ϑάμνον ὡς ὕρνις sc. δυσοίξει der sich leise 
bewegende Busch als Gegenstand der argwöhnischen Scheu genannt ist, 
so ist es durchaus notwendig, dass auch im Hauptsatze die Seherin den 


AESCHYL. AGAMEMNON. 27 


418 COMMENTAR. 


Palast nenne, vor dem sie zurückbebt. Es ist also zu schreiben οὔτοι 
δυσοίξω, ϑάμνον ὡς ὄρνις, δόμον | ἄλλως. Offenbar ist φόβῳ, wie auch 
das Scholion zeigt, Teil einer δυσοίξζω umschreibenden Glosse, wodurch 
δόμον (oder στέγην) vom Platze verdrängt ward. — Weiter heisst es nun 
ϑανούσῃ μαρτυρεῖτέ μοι rods, aber darin steckt noch ein schlimmer 
Lesefehler. Nicht nur auffällig ist ϑανούσῃ wegen des im nächsten Verse 
folgenden ϑάνῃ und des ϑανουμένη v. 1279, sondern es ist geradezu 
sinnlos. Der Chor soll der Seherin ein Zeugniss geben und zwar am 
Tage der vollendeten Rache, wenn Kliytämnestra und Aegisth gefallen, 
also den ἄταις δόμων der ϑριγκός aufgeselzt ist. Könnte nun auch ϑα- 
vovon für das Part. Perf. stehen „bezeuget mir, der Todten, einst‘, oder 
wäre auch vielleicht nach bekanntem Gebrauch der Grammatiker $avovon 
für das metrisch passende τεϑνεώσῃ gesetzt, so wäre doch immer un- 
klar, was der Chor bezeugen sollte. Etwa dass Kassandra nicht um- 
sonst vor dem Palaste zurückbebe? Dies Zeugniss zu geben, war nicht 
der Tag der vollendeten Rache, sondern der Augenblick, wo der Chor von 
Kassandras Tode erfuhr, der rechte Zeitpunkt. So wird denn zu lesen 
sein λακούσῃ μαρτυρεῖτέ μοι Tode „sobald die Rache sich ganz erfüllt 
hat, meine Weissagung also ganz eingetroffen ist, so bezeugt mir dass 
ich alles dies prophezeit habe“. Dann weist rode auf den Inhalt der 
beiden folgenden Verse hin: λακεῖν aber ist ein gerade bei Aeschylos sehr 
gewöhnliches Wort für „weissagen“, die Struktur endlich ist dieselbe, 
wie v. 1144 καὶ μαρτυρεῖτε --- ῥινηλατούσῃ. 

Nachdem der Chor nun v. 1280 der Seherin Bitte um dereinstiges 
Zeugniss für die Wahrheit ihres Prophetentums indirekt erfüllt hat durch 
das Wort „ich bedaure dich um dein Seherloos“ (denn darin spricht er 
so zart und schonend wie möglich seinen noch vorhandenen Zweifel zu- 
gleich mit der Ahnung eines furchtbaren Verhängnisses aus), nimmt 
Kassandra noch einmal das Wort um ihren letzten Fluch auf die Mörder 
zu schleudern; denn wie stark auch die nun folgende Stelle verdorben ist, 
so ist es doch unzweifelhaft dass sie den Rachewunsch der Seherin ent- 
hält. Dies sind nämlich ihre heissesten Wünsche: erstlich dass sie, die 
gequälte verachtete Prophetin, Glauben finde für ihre Weissagungen (vgl. 
v. 1153 sq., 1200), zweitens dass sie gerächt werde. So correspondieren 
die den v. 1280 umklammernden Verse dem Inhalt nach sehr deutlich mit 
einander; ob auch der Form nach, wird eine unbefangene kritische Unter- 
suchuug der schwer verdorbeuen Stelle v. 1281—86 ergeben. 

Sie lautet nach den codd.: ἀπαξ ἔτ᾽ εἰπεῖν ‚enow ῇ ϑρῆνον Velo | 
ἐμὸν τὸν αὑτῆς" ἡλίῳ δ᾽ ἐπεύχομαι Ι πρὸς ὕστατον φῶς τοῖς ἐμοῖς 
τιμαύροις | ἐχϑροῖς φονεῦσι τοῖς ἐμοῖς τίνειν ὁ ὁμοῦ | δούλης ϑανούσης 
εὐμαροῦς χειρώματος. Darin ist zunächst ῥῆσιν ἢ ϑρῆνον unzweifelhaft 
verkehrt. Die tieferregte Seherin sagen zu lassen „ich will einen Spruch 
oder Klagegesang anstimmen‘“ wäre eine baare Geschmacklosigkeit. 
Aber ebenso weit bleibt Ilermann unter der Höhe, welche die Seherin 
hier einnimmt, wenn er schreibt 670:v, οὐ ϑρῆνον : jeder muss fühlen, 
wie prosaisch diese zwecklose Distinktion wäre. Höchst einfach dagegen 








COMMENTAR. 419 


ergiebt sich die vollkommen dem pathetischen stil angemessene Besserung 
ἅπαξ ἔτ᾽ εἰπεῖν ῥῆσιν ἐκ ϑρήνων ϑέλω „nach meinen bisherigen Klagen 
will ich nuch einmal einen Spruch, eine Fluchformel sagen“. Vgl. Hesych: 
δήσεις, νόμοι, δόγματα, λόγοι, λέξεις, ψηφίσματα. (Karsten hält δῆσιν 
nicht für statthaft, weil es effatum aliquod longius vel gravius sei, aber 
ein Rachefluch ist doch wahrlich etwas gewichtiges.) Auf diese sich fast 
aufdrängende Emendation wäre man gewiss auch schon längst gekommen, 
wenn nicht im folgenden Verse ἐμὸν τὸν αὑτῆς stünde, das mit dem Fem. 
ῥῆσιν nicht zu vereinigen ist. Aber musste denn erst Karsten bemerken 
dass ἐμὸν τὸν αὑτῆς statt ἐμὸν αὐτῆς ungriechisch sei? Lassen wir 
also erst einmal die durch Lesefehler entstandene Corruptel τὸν αὑτῆς 
bei Seite und schreiben wir getrost ἐμήν. Dann sagt dies in genauester 
Responsion mit ἄλλως (v. 1276) stark betonte Wort: „nun will ich noch 
eine Formel sagen, die mir allein gehört d. h. weder eine dem Apollon 
gehörige Weissagung, noch eine dem Agamemnon geweihte Klage, son- 
dern ein aus mir selbst flammendes Rachegebet‘“. Nach ἐμήν ist also zu 
interpungieren und aus den verdorbenen Zeichen τὸν αὐτῆς mit leichte- 
ster Aenderuug herzustellen παναυγές, das mit ὕστατον φῶς zusammen- 
gehört. Suidas und Photius erklären παναυγές9 ein sonst nicht vorkom- 
mendes Wort, durch πάνυ λαμπρόν. Dadurch ist denn zugleich entschieden 
dass wir nicht ἡλίῳ zu lesen haben, sondern, wie bereits mehrfach ver- 
mutet ist, ἡλίου. Also παναυγὲς Ἡλίου δ᾽ ἐπεύχομαι Ι πρὸς ὕστατον 
φῶς uder vielmehr, da die Conjunction offenbar ein Flickwerk der Gram- 
matiker ist und den hohen Stil entschieden beeinträchtigt, παναυγὲς 
Ἡλίου κατεύχομαι | πρὸς ὕστατον φῶς (Hesych κατεύχομαι, καταρώμαι). 
Dass das Adj. παναυγές sich so vordrängt, ist wunderschön: es hat seinen 
sehr natürlichen Grund in der Stimmung der Seherin, die von schmerz- 
lichster Wehmut erfüllt ist dass sie dies herrliche Sonnenlicht nun ver- 
lassen soll. — Was fangen wir nun aber an mit der folgenden Flut von 
Dativen τοῖς ἐμοῖς τεμαόροις | ἐχϑροῖς φονεῦσι τοῖς ἐμοῖς ὃ Unverständ- 
lich uud übelklingend, wie sie sind, beweisen sie auf der Stelle dass das 
eine τοῖς ἐμοῖς aus dem anderen corrumpiert ist, und zwar fällt der Ver- 
dacht vorzugsweise auf τοῖς ἐμοῖς τιμαόροις. Denn wohl konnte Kassan- 
dra von ihren Mördern im Plural sprechen, nicht aber von ihren Rächern: 
Orestes, den man gewöhnlich mit τεμαύροις bezeichnet glaubt, war eben 
nur Einer. Wie aber? mit welchem Rechte hätte Kassandra den Orest als 
ihren Rächer und nicht vielmehr als den Agamemnons bezeichnet? Ihr 
τιμάορος war doch einzig Apollon, insofern er als oberster Seher ihr 
Schützer und Patron heissen sollte, wie der Herold v. 492 den Hermes als 
τόν τ᾽ ἐμὸν τιμάορον Ἑρμῆν, φίλον κήρυκα κηρύκων σέβας anruft. 
Und hierin, bin ich überzeugt, liegt die Erklärung unserer solange miss- 
verstandenen Stelle: Kassandra ruft Apollon, den mit Helios 
identischen Gott, alsihren Schutzherrn an. 

Hik. 196 54. rufen Danäos und seine Töchter die verschiedenen 
Götter an, deren Bildsäulen sie in Argos erblicken: zunächst Zeus, zuletzt 
Poseidon und Hermes, in der Mitte nach der gewöhnlichen Auffassung 


21 Ἐ 


420 COMMENTAR. 


Helios und Apollon als zwei verschiedene Götter. Danaos nämlich sagt 
καὶ Ζηνὸς ὄρνιν τόνδε νῦν κικλήσκετε, und der Chor ruft καλοῦμεν 
αὐγὰς Ἡλίου σωτηρίους. Da ist nun nach des Scholiasten Erklärung 
unter Ζηνὸς ὄρνις Helios zu verstehen, und die Antwort des Chors macht 
dies allerdings unzweifelhaft: aber wenn der Scholiast und nach ihm die 
neueren Erklärer, selbst der geistvolle Kruse noch, den Sonnengott des- 
halb so genannt glauben, weil der Hahn, dessen Bild der Chor an der Statue 
des Helios erblicke, diesem heilig sei, so hat man doch gleichsam die Augen 
zudrücken müssen, um den Unsinn, der iu solcher Erklärung liegt, nicht 
zu sehen. Mit gleichem Rechte würde ja Athene die Eule des Zeus heissen 
können. Danaos nennt vielmehr deshalb den Helios Ζηνὸς ὦ ὄρνιν, weil er 
ihn als identisch mit Apollun auffasst, und wie dieser Eum. 19 Διὸς προ- 
φήτης heisst, so wird er hier „der Weissager des Zeus“ genannt, denn, 
wie es bei Arist. Av. 719 lautet, ὄρνεν ye νομίζετε πάνϑ᾽ ὅσαπερ περὶ 
μαντείας διακρίνει. Diese Erklärung wird durch die Antwort des Chors 
bestätigt, denn nur wenn er in Helios Apullon sah, konnte er die Stralen 
desselben σωτηρίους nennen. Wenn also Danaos nun fortfährt ἁγνόν τ᾽ 

᾿Απόλλω, φυγαδ᾽ ἀπ᾽ οὐρανοῦ ϑεόν, so ist das nicht so zu verstehen, 
als, ob er einen neuen Gott nenne, sonderu mit τέ knüpft er die zweite 
Seite des Doppelwesens an die erste an (Ag. 1553 πατέρα Θυέστην τὸν 
ἐμόν — αὐτοῦ τ᾽ ἀδελφόν, womit eine Person bezeichnet wird; ebenso 
Prom. 211 Θέμις καὶ Γαῖα πολλῶν ὀνομάτων μορφὰ μία). Auch sonst 
kommen bei Aeschylos, um bei ihm allein stehen zu bleiben, manche 
Spuren von Identität des Helios mit Apollon vor: z. B. Ch. 989, wo Orest 
den Helios anruft ὡς ἂν παρῇ μοι μάρτυς ἐν δίκῃ ποτέ, und dieser Zeuge 
kann doch nur Apollon sein: oder Fr. 177 ἃς οὔτε πέμφιξ ἡλίου προσδέρ- 
κεται οὔτ᾽ ἀστερωπὸν ὄμμα “ητῷας κόρης. 

Genug also: es kann, weun wir zu unserer Stelle zurückkehren, kei- 
nem Bedenken unterliegen dass Helios und Apollon identificiert werden, 
und so vermute ich mit Bestimmtheit dass wir zu lesen haben Ἡλίου 
κατεύχομαι | πρὸς ὕστατον φῶς; τοῦδ᾽ ἐμοῦ τιμαόρου | ἐχϑροῦ, φο- 
νεῦσι τοῖς ἐμοῖς τίνειν ὁμοῦ κτλ. Mit echt äschylischem Oxymoron 
nennt Kassandra den Apollon bitter ihren feindlichen Schirmherrn (ähn- 
lich wie v. 1229 ἐποπτεύσας τέ μὲ κτλ.): die Wortstellung aber, wie wir 
sie nun haben, ist durchaus notwendig. Denn nachdem sich παναυγές 
als “‘Seufzer der schmerzlichsten Empfindung vorgedrängt hatle, musste 
nach Ἡλίου κατεύχομαι zunächst πρὸς ὕστατον φῶς folgen, weil sonst 
φῶς zu weit von seinem Epitheton παναυγές getrennt worden wäre: 
dann aber folgte die Apposition „dieses meines Schirmherrn, des feind- 
seligen‘, die, je länger sie auf sich warten liess, mit desto grösserem 
Nachdruck eintrat. Zugleich, ward es so möglich ἐχϑροῦ in die Haupt- 
tonstelle des Verses zu bringen. Nun hängt φονεῦσι τοῖς ἐμοῖς direkt 
von κατεύχομαι ab, und dem Worte τίνειν brauchen wir keine Gewalt 
anzutun, es ist hier wie immer ‚büssen‘“, nicht „rächen“, und zwar sollen _ 
die Mörder, Aegisth und Kiytämnestra „zusammen“ (ὁμοῦ) büssen, wie 
sie es später auch wirklich tun. 


COMMENTAR. 421 


Aber was sollen sie büssen? Ein Objekt ist durchaus notwendig; 
es folgt aber in den codd. δούλης ϑανούσης εὐμαροῦς χειρώματος. 
Da stehen wir denn vor dem Risse, ja im eigentlichen Sinn, vor dem Risse. 
Denn wer bisher mir gefolgt ist, wie ich mit schonender Aenderung des 
überlieferten einen straffen und der Situation angemessenen Zusammen- 
hang hergestellt habe, der wird mir auch weiter zugeben müssen dass der 
Vers, der.das Objekt zu riverv enthielt, ausgefallen ist. Und diese An- 
nahme ist unbedeuklich, weil die von ihrer Stelle gerückteun Verse 1272 
und 1273, denen erst Weil ihren Platz wieder angewiesen hat, sowie die 
zahlreichen Corruptelen in v. 1281—85 bezeugen dass der cod. Alex. in 
dieser Partie stark angegriffen war. Auch über den wesentlichen Inhalt 
des ausgefallenen Verses kann nicht Zweifel herrschen: es liegt i im Geist 
der Trilogie dass Kassandras Fluch genau und buchstäblich in Erfüllun 
gehen muss, und da nun Ch. 876 Klytämnestra ruft δόλοις ὀλούμεϑ' 
ὥσπερ ovv ἐκτείναμεν (vgl. Ch. 550), so ergänze ich hier die Lücke durch 
δόλους λαϑραίους ὥσπερ οὖν ἁλίσκομαι. 

So entsprechen dem die fünf Verse, in denen Kassandra ihren Fluch 
auf die Mörder schleudert, in der Form ebenso genau wie dem Inhalte 
nach jenen fünf Versen 1275—79, in denen sie ihren heissen Wunsch 
Glauben zu finden ausdrückt. Der Ausruf io ξένοι steht also hier, wie 
wir das auch v. 1173 und 1215 bemerkt haben, ausserhalb der Responsion. 

Nunmehr lenkt Kassandra ihre Schritte i in den Palast und sie spricht 
die Abschiedsworte δούλης ϑανούσης εὐμαροῦς χειρώματος" ἀλλ᾽ zlu _ 
xrA. Aber wie jenes δούλης ϑανούσης für sich allein unverständlich ist, 
so beweisen auch die Worte ἀλλ᾽ εἶμι --- κωκύσουσ᾽ ἐμὴν ’Ayautuvovog 
τε μοῖραν dass sie sich unterbricht in ihren Klagen um sich und Aga- 
memnon, und so ist es evident dass vor δούλης zugleich mit dem 
Schlussverse jenes Rachefluchs ein anderer Vers ausgefallen ist, in dem 
mit einem Seufzer des mächtigen Königs Erwähnung getan ward. Wie 
sie also schon v. 1264 bei dem ersten Versuch in den Palast zu gehen 
io πάτερ rief, ähnlich bei dem zweiten Versuch v. 1274 ἰὼ ξένοι, so muss 
auch hier ihr letzter Seufzer etwa gelautet haben ἰὼ μεγίστου βασιλέως 
ἀρχηγέτου δούλης 8᾽ ἁλούσης εὐμαροῦς χειρώματος. Sich selber 
nennt sie im Gegensatz zum grossen König ein εὐμαρὲς χείρωμα. Dann 
aber unterbricht sie ihre Klagen mit dem raschen Entschluss ἀλλ᾽ εἶμι 
κτλ. Natürlich kann hier nun das überlieferte κὰν δόμοισι nicht richtig 
sein: nicht im Hause, sondern im Hades will sie sich und Agamemnon 
beweinen. Vgl. v. 1119 und 20 νῦν δ᾽ ἀμφὶ Κωκυτόν τε κἀχερουσίους 
ὄχϑους ἔοικα ϑεσπιῳδήσειν τάχα. Auf den Kokytos zielt offenbar auch 
in unserer Stelle das Verbum κωκύσουσα. ein echt äschylisches Wort- 
spiel. Karsten schreibt daher dem Gedanken nach richtig κἀν ϑανοῦσι, 
Weil κἀν δαμεῖσι. aber diese Ausdrücke tragen keine äschylische Farbe. 
Der Dichter wird vielmehr gesagt haben κεἰδώλοισι. 

Nun entsprechen also ‚die vier Abschiedsverse genau den vier vom 
Chorführer gesprochenen ἰὼ βρότεια xrA., gerade wie wir jedesmal am 
Schluss von Kassandras drei Monologen vier für sich stehende Verse fan- 


422 COMMENTAR. 


den, die mit den vier folgenden des Chorführers correspondierten. Denn 
dass die Worte io βρότεια πράγματα nicht der Seherin, sondern dem 
Chorführer gehören, kann jetzt, nachdem Weil den v. 1272 und 73 den 
richtigen Platz angewiesen hat, nicht mehr bezweifelt werden, zumal da 
Kassandra, wie gleichfalls von Weil sehr richtig bemerkt ist, „valicina- 
tur, non philosophatur“. Aber es fehlt noch viel, dass die Erklärung der 
v. 1287 bis 1290 ins Reine gebracht wäre. 

Die codd. geben εὐτυχοῦντα μὲν | σκιὰ τις ἀντρέψειεν (d. ἢ. ἂν 
τρέψειεν)" εἰ δὲ δυστυχῆ, | βολαῖς ὑγρώσσων σπόγγος ὥλεσε γραφήν. 
Den ersten Teil dieser Gnome haben Boissonade ‚und ‚«Gonington nach 
Photius' höchst zweifelhafter Glosse πρέψαι. τὸ ὁμοιῶσαι. «Αἰσχύλος 
umgeändert in εὐτυχοῦντα μὲν σκιᾷ τις ἂν πρέψειεν.. und hierin soll 
nach Welckers Erklärung (Rhein. Mus. X, p. 418) σκιὰ soviel als σκιαγρα- 
φία sein: aber trotz dieser künstlichen Aenderungen und Erklärungen, zu 
denen man sich durch das von γραφήν ausgehende Irrlicht hat verführen 
lassen, ist es doch Niemandem gelungen zwischen den beiden Teilen der 
Gnome einen correeten Gegensatz, wie er durch μέν — δέ indiciert ist, 
herzustellen. Man deutet: „das Glück könnte man einem Schattenriss ver- 
gleichen, aber das Unglück löscht ein feuchter Schwamm hinweg‘ — und 
Naegelsbach bemerkt dazu: „spongiae picturam aligquam delentis imago 
refertur ad miserorum cito ac facile intereuntem memoriam“. Aber 
ich verstehe nicht, wie sich gewissenhafte Erklärer über die Gedanken- 
losigkeit dieses angeblichen Gegensatzes haben hinwegteuschen können. 
Weder ist der Gedanke, dass das Andenken an das Unglück plötzlich und 
leicht erlischt, wahr (viel eher und leichter wird das reine stille Glück 
vergessen), noch auch kann er irgendwie in Gegensatz zu der Schatten- 
haftigkeit des Glückes treten. — Kehren wir denn zu der Ueberlieferung 
zurück, um die merkwürdigen Worte vom Standpunkt des Chors aus zu 
verstehen. 

Kassandra ist in den Palast gegangen, nachdem sie des grossen hoch- 
beglückten Königs jähen Untergang und ihrer eignen langen Leiden Aus-. 
gang geweissagt. Ergriffen von dem, was er gehört, beklagt der Chor 
das menschliche Loos. Im Hinblick auf den grossen herrlichen Agame- 
mnon, dessen Tod ihm geweissagt ist, sagt er einfach und wahr „das 
Glück kann ein Schatten, so zu sagen ein Nichts, wandeln“ (σκιά τις ἂν 
τρέψειεν); dann aber die arme Seherin ins Auge fassend, muss er fort- 
fahren: „das Unglück aber tilgt ein nasser Schwamm nur kaum, müh- 
sam aus; d. h. das Unglück schleppt sich oft unendlich lange hin, ehe es 
im Tode sein Ende findet“. Das hat zwar schon Stanley gefühlt, indem 
er schrieb: „Verum frigidus eril sensus, ni pro βολαῖς legamus μόλις 
vel tale aliquid,“ aber Niemand hat auf diese in ihrer Einfalt so bedeut- 
sanıe Bemerkung geachtet. Gewiss, der Begriff μόλις ist gar nicht zu ent- 
behren, wenn der zweite Teil der Gnome einen Gegensatz zum ersten 
bilden soll: aber freilich kann μόλες nicht für (βολαῖς eintreten, sondern 
es ist zu schreiben εἰ δὲ δυστυχή, βολαῖς ὑγρώσσων σπόγγος ὦλεσεν 
μόλις. Dann ist das Objekt zu ὦλεσεν einfach aus dem Bedingungssatze 











* COMMENTAR, 423 
zu entnehmen: γραφήν aber ist nichts weiter als eine Glosse, welche die 
Grammatiker, das Bild völlig ausführend, über μόλες setzten, und diese 
Glosse hat dann, wie in so vielen Beispielen, das darunter stehende Wort 
getilgt. Nun sagt also der Chor; „das Glück kann ein Hauch wandeln, 
aber das Unglück ist hartnäckig und ausdauernd‘“, und einfach und wahr 
fügt er hinzu: „und dies letztere beklag’ ich mehr als das erstere“. So 
gewinnen die Worte ταῦτα und &xelvov ihre natürliche Beziehung, wäh- 
rend Hermann ταῦτα auf die beiden Teile der Gnome und ἐκεένων im 
Munde der Seherin auf ihr eigenes Loos, etwas gar nicht ausdrücklich er- 
wähntes, bezogen wissen wollte. 


Die Marschrhythmen des Chors v. 1291— 1302. 


v. 1294 geben die codd. μηκέτι δ᾽ εἰσέλϑῃς, τάδε φωνῶν. Zum 
Glück beweist hier die Fehlerhaftigkeit des akatalektischen Dimeters zur 
Genüge dass er nur aus einer byzantinischen Bearbeitung des von den 
Grammatikern so hartnäckig verfolgten Paroemiacus hervorgegangen ist: 
der Forderung dass hier schon wegen des Gedankenabschlusses ein Paroe- 
miacus eintreten müsse, würde sich sonst manches Ohr verschlossen 
haben. Unbedingt richtig schreibt Hermann μηκέτ᾽ ἐσέλϑῃς τάδε φωνῶν. 
Dass aber τάδε mit φωνῶν ς nicht mit ἐσέλϑῃς zusammengehört, beweist 
Weil in den Zusätzen zur Ausgabe der Eum. p. 181]. 

Schwer irrt aber Hermann, wenn er in v. 1296 eine Lücke zu ent- 
decken glaubt und aus’ μάκαρες Πριάμου einen,Paroemiacus construiert: 
er geht von dem Gedanken aus dass die Anapäste in zwei correspondie- 
rende Hälften zerfallen, dass also die erste Hälfte abschliessen müsse mit 
μάκαρες Πριάμου [διὰ παντός]. Da hätten wir also eine rein arithme- 
tische Teilung ohne alle Rücksicht auf den Gedankengehalt, denn v. 1297 
gehört doch dem Sinne nach genau zum vorhergehenden,. der neue Ge- 
danke beginnt erst mil νῦν δ᾽ εἰ προτέρων. Solche äusserliche Zahlen- 
spielerei würde man bei Aeschylos vergeblich suchen: Ebenmass der Form 
ist ihm Bedürfniss, aber in die abgeschlossene Form muss sich auch ein 
abgeschlossener Gedanke schmiegen, und Antithese der Versgruppen δι setzt 
Antithese der Gedanken voraus. 

Wenn dagegen v. 1297 die codd. geben ϑεοτίμητος δ᾽ οἴκαδ᾽ Ine- 
ver, 80 ist es im höchsten Masse befremdlich dass hier, wo der Haupt- 
einschnitt desSinnes stattfindet, statt des legitimen Paroemiacus ein 
akatalektischer Dimeter eintritt. Das kann nicht von Aeschylos herrühren. 
Ganz unzweifelhaft hat daher Weil das richtige getroffen, wenn er vor- 
schlägt ϑεότιμος δ᾽ οἴκαδ᾽ ἱκάνει, Denn ϑεότιμος hat äschylischen 
Klang und pindarische Gewähr, ϑεοτέμητος riecht scholiengriechisch, vgl. 
z. B. Hesychs verdorbene Glosse ϑεοίσσωτον ϑεοτίμητον. 

Bis soweit ist nun alles geordnet, aber jetzt. folgen mit νῦν δ᾽ εἰ 
προτέρων zwei Systeme, die, wie sie überliefert sind, den beiden vorher- 
gehenden in keiner Weise entsprechen. Und doch ist es fast undenkbar 
dass Aeschylos diese vier in sich abgeschlossenen anapästischen Systeme 
nicht mit einander in Responsion gesetzt haben sollte, zumal da in der 


424 ' COMMENTAR. 


kleineren unmittelbar folgenden Scene v. 1303—1307 die antithetische 
Gliederung unverkennbar ist. Freilich müssten wir das fast undenkbare 
ruhig hinnehmen, wenn die Ueberlieferung der v. 1298 — 1302 eine 
auch nur leidlich gesunde wäre. Aber wenn die codd. geben νῦν δ᾽ εἰ 

προτέρων αἷμ᾽ ἀποτίσει | καὶ τοῖσι ϑανοῦσι ϑανὼν ἄλλων | ποινὰς 
ϑανάτων “ἐπικρανεῖ" | τίς ἂν εὔξαιτο βροτὼν ἀσινεῖ | δαίμονι φῦναι 
τάδ᾽ ἀκούων; so springt sofort eine Menge von Corruptelen in die Augen. 
Zunächst können die Fut. ἀποτίσει und ἐπικρανεῖ nicht richtig sein: 
letzteres ist schon durch die Kürze der penult. als falsch bezeichnet, aber 
der Chor, der sich noch immer gegen deu Glauben an Kassandras Weissa- 
gung streubt, kann überhaupt nicht den furchtbaren Fall der Ermordung 
des Königs im Ind. Fut. annehmen, nach psychologischen Gesetzen muss 
er vielmehr, ἀποτίσαι und ἐπικράναι sagen (zu dieser Form des Opt. vgl. 
Eum. 966 ἁρπαλίσαι) — dann sind Gedanke und Metrum untadelhaft. 
Ferner ist τοῖσι ϑανοῦσι unrichtig: die Hinweisung auf die Kinder des 
Thyestes, denen Agamemnon zum Opfer fällt (natürlich ist hier nicht an 
Iphigenia zu denken, der Ghor hat nur Kassandras Weissagungen im Auge, 
vgl. p. 40), wäre dadurch viel zu dunkel gegeben. Aeschylos wird statt 
dessen geschrieben haben παισὶ ϑανοῦσι (vgl. v. 1178 παῖδες ϑανόντες; 
worauf der Chor sich bezieht). Endlich ist τίς 0 av εὔξαιτο βροτῶν metrisch 
falsch: Ahrens schreibt dafür vis ποτ᾽ ἂν εὔξαιτο, bequemer aber ist 
Schneidewins Aenderung in τίς ἂν ἐξεύξαιτο. Wo also auf so engem 
Raume vier nicht unbedeutende Corruptelen vorliegen, Corruptelen, die 
ihren Grund in der Zerrüttung des cod. Alex. haben müssen, da ist auch 
die Wahrscheinlichkeit von Lücken äusserlich gegeben. Und auch der 
Zusammenhang indiciert solche, zunächst im vierten System. Wie es 
nämlich Ch. 1013 heisst οὔτις μερόπων ἀσινῆ βίοτον δια παντὸς ἅποι- 
vos ἀμείψει (codd. ἄτιμος. schol. ἀτιμώρητος, aber Hesych &noıvov 
ἀτιμώρητον), so will der Chor auch hier den viel gefeierten Gedanken 
ausdrücken: „Niemand kann sich rüähmen für immer leidlos zu sein, nie- 
mand ist vor dem Tode glücklich zu preisen“. Aber dieser Begriff „für 
immer“, der Ch. 1013 durch διὰ παντός ausgedrückt ist, fehlt hier ganz: 
ohne ihn habeu wir den ganz schiefen Gedanken „Niemand, der von des 
glücklichen Agamemnon Ermordung hörte, könnte sich rühmen leidfrei 
zu sein‘, während der Chor sagen muss „Kein solcher könnte die Ahnung 
künftigen Leides abwehren, könnte sich rühmen bis zu Ende leidlos 
zu sein“. Mit Ergänzung des notwendigen Begriffes schreibe ich also das 
vierte System in genauester Uebereinstimmung mit dem zweiten: τές ἂν 
ἐξεύξαιτο βοοτῶν ἀσινεῖ | τέλος ἐς ϑανάτου | δαίμονε φῦναι τάδ᾽ 
ἀκούων. 

Kommen wir so zum dritten System, so ist zunächst einleuchtend 
dass die Hypothesis εἰ — ἐπικράναι die Weissagungen Kassandras und 
‚damit den wesentlichen Ideengehalt der Trilogie zusammenfasst: ἄλλων 
ποινὰς ϑανάτων ist die Busse, die im Tode anderer besteht (Gen. defini- 
tivus), es wird damit hingezielt auf die Ermordung Aegisthos’ und Kly- 
tämnestras. Also: „wenn Agamemnon, den geopferteh Kindern zum 











COMMENTAR. 425 


Opfer fallend, dadurch selber wieder anderes Blutvergiessen hervorriefe‘“. 
Ganz denselben Gedanken lesen wir am Schluss der Choephoren: ja, die 
Worte ὅδε τοι μελάϑροις τοῖς βασιλείοις | τρίτος av χειμὼν | πνεύσας 
γονίας ἐτελέσϑη᾽ | παιδοβόροι μὲν πρῶτον ὑπῆρξαν | μόχϑοι τάλα- 
νες" | δεύτερον ἀνδρὸς βασίλεια nam" | νῦν δ᾽ αὖ τρίτος ἦλϑέ πο- 
ϑεν σωτήρ, | ἢ μόρον εἴπω; | ποῖ δῆτα κρανεῖ, ποῖ καταλήξει | 
μετακοιμισϑὲν μένος ἅτης ; — diese den trilogischen Zusammenhang 
wiederum hervorhebenden Worte scheinen sich ausdrücklich auf unsere 
Stelle zurück zu beziehen, aber bei der Vergleichung beider ist es auf- 
fallend dass hier nicht die dritte Wirkung der im Geschlecht 
waltenden Ate -genaunt ist, zumal da doch ἐπικράναι den Begriff 
einer-abschliessenden Tatsache als Objekt zu fordern scheint. Aber 
sieh’ da! der Farn. liest ποινὰς ϑανάτων ἄγαν ἐπικρανεῖ, und in die- 
sem rätselhaften ἄγαν wird man nun nicht mehr wie bisher ‚eine metri- 
sche Conjectur‘“‘ des verketzerten Triclinius erkennen, sondern, wie wir. 
schon an manchen Stellen vom Farn. die echtere Lesart bewahrt gefun- 
den haben, so wird man auch hier i in ἄγαν den verstümmelten Rest von 
τριτάτην ἄτην, dem zu ποινὰς ἐπικράναι gehörigen Acc. des Inhalts, 
wiederfinden müssen. (Vgl. Hesych τριτάτη τρίτη.) Nunmehr ist aber 
das erste Satzglied εἰ προτέρων αἷμ᾽ ἀποτίσαι zu kahl und dunkel, und 
stilistisch fällt es gegen das zweite gar zu kurz ab: also wird die ganze 
Hypothesis etwa so zu schreiben sein νῦν δ᾽ εἰ προτέρων αἷμ᾽ ἀπο- 
τίσαι | σφαγίων »στυγερῶν | καὶ παισὶ ϑανοῦσι ϑανὼν ἄλλων | ποινὰς 
ϑανάτων | τριτάτην ἄτην ἐπικράναι. 

Dann bilden das dritte und das vierte System der Form wie dem 
Inhalt „nach das vollkommene Gegenstück zum'ersten und zweiten: zu ro 
μὲν εὖ πράσσειν folgt der Gegensatz mit νῦν δ᾽ εἰ (denn zu dem unter- 
geordneten πόλιν μὲν ἑλεῖν ἔδοσαν bildet ϑεότιμος δ᾽ οἴκαδ᾽ Inaveı 
das ergänzende Glied), sodass in den beiden ersten Systemen die Uner- 
sättlichkeit der Menschen nach äusserem Glücke und der Glanz des Er- 
oberers geschildert wird, in den beiden letzten aber die Kehrseite, das 
furchtbare Walten des Alastor durch ganze Generationen hindurch, dar- 
gestellt und die Lehre von der Gebrechlichkeit irdischen Glückes verküu- 
det ist. (Vgl. über diese Responsion H. Weils Sendschreiben an mich in 
den Neuen Jahrb. 1863, p. 389— 92.) 

Während dieser Marschrhythmen ist nun der Chor auf die Bühne 
hinaufgestiegen, um auf jeden Fall dem König, falls man einen Angriff 
auf ihn machen sollte, zur Hülfe gewärtig zu sein. Die folgende Beratung 
findet also schun auf der Bühne statt, sodass v. 1332, als das Ekkyklema 
die Königin neben den Leichen sichtbar macht, keine Chorbewegung wei- 
ter stattfindet, sondern die Greise mit Klytämnestra auf der Flur des 
Hauses zu denken sind. Dass aber das Hinaufsteigen des Chors gerade 
während v. 1291 — 1302 stattfindet, indicieren die Anapäste; die, wie 
0. Müller Eum. p. 87 richtig bemerkt, immer eine Marschbewegung be- 
gleiten: in jenem Moment ist das Hinaufsteigen motiviert durch die 
Sorge der Greise, in keinem späteren aber hätte es stattfinden können, 


426 COMMENTAR. 


am wenigsten zwischen v. 1331 und 32, wo eine empfindliche Pause in 
der Aktion hätte eintreten müssen. 


Agamemnons Ermordung v. 1303 — 1307. 


In dieser kleinen, aber inhaltsschweren Scene correspondieren sicht- 
lich v. 1303 und 4 mit 1305 und 6, 1307 aber bildet den epodischeu Teil: 
ohne diese Gliederung wäre in der Mischung von IJamben und Trochäen 
kein Ebenmaass. Damit aber v. 1307 für sich als epodischer Teil hervor- 
trete, muss er einem anderen, als dem Sprecher des vorhergehenden 
Verses angehören, und so kommen wir mit Notwendigkeit zu der Schluss- 
folgerung dass die 3 Tetrameter von 3 verschiedenen Personen und zwar 
die ersten von 2 gleichgeordneten, der dritte von dem Chorführer ge- 


sprochen sind. Dieser selbige, der so die Beratung einleitet, schliesst 


dieselbe auch v. 1330 durch sein Votum ab, denn es versteht sich von 
selbst dass in der nun folgenden Scene auch die drei Zugführer, denen 
die Tetrameter angehören, ihre Stimmen abgegeben haben. Dass der Chor 
aus 12 Personen besteht, ist schon früher aus der Parodos und v. 454 54. 
erwiesen; aber auch aus dieser Scene hat 0. Müller dasselbe Resultat 
gezogen, seine einleuchtenden Beweisgründe sind in keiner Weise von 
Hermann, der auf 15 Choreuten besteht, widerlegt worden. 

v. 1303 geben die codd. ὦμοι, πέπληγμαι καιρίαν πληγὴν ἔσω, un- 
haltbar. denn ἔσω für sich allein könnte nur heissen „hier im Hause“, aber 
es wäre absurd diesen Begriff in den Weheruf des Königs hineinzutragen. 
Treffend ist daher Weils Vermutung dass πληγήν nur eine zur Erklärung 
hinzugeschriebene Glosse sei, die den von ἔσω abhängigen Gen. verdrängt 
habe: πέπληγμαι καιρίαν ist eine echt äschylische Struktur und es ver- 
steht sich nach vielen Beispielen von selbst dass dazu die Grammatiker 
πληγήν hinzuschrieben. Weil möchte nun πλευρῶν ἔσω lesen, damit 
aber völliges Gleichmaass mit v. 1305 hergestellt werde, schreib’ ich lie- 
ber δέρης ἔσω. Natürlich sollte der erste Hieb den Kopf treffen, die 
Mörderin verfehlt diesen aber der Verhüllung wegen und macht so den 
Weheruf möglich. 

v. 1306 haben Ven. und Farn. οἰμώγμασιν. Flor. οὐμώγματι. Dies 
letztere ist vulg. geworden, aber da Flor. höchst wahrscheinlich aus Ven. 
abgeschrieben ist, Farn. aber mit Ven. aus einer gemeinsamen Quelle 
stammt, so hat οἰμώγματι gar keine Gewähr, es wird ein blosser Schreib- 
fehler sein. Sachlich passt der Plur. oduwyuaoıv besser als der Sing. — 
Wichtiger aber ist es dass Naegelsbach die richtige Deutung des ganzen 
Verses gegeben hat. Früher erklärte man: „die Tat scheint mir voll- 
bracht zu sein nach des Königs Weheruf zu schliessen “, dann aber wäre 
die folgende Beratung überflüssig. Naegelsbach dagegen: „gesta res mihi 
videlur per eiulationem regis, ἢ. 6. ab illa re gerenda non abfuisse 
videlur regis eiulatio.““ Damit dann aber der Begriff „König‘ “ recht her- 
vorgehoben werde, ist vielleicht zu schreiben βασιλέως γ᾽ οἰμώγμασιν. 

v. 1307 ist das überlieferte ἀλλὰ κοινωσώμεϑ᾽ &v πὼς noch durch 
keine Conjectur geheilt worden. Graimmatisch richtig würde κοινωσαί- 











COMMENTAR. 427 


us” ἂν πῶς sein, wie Blomfield und andere nach ihm schreiben, aber in 
der Frage „wie würden wir uns beraten?“ könnte πῶς unmöglich eine 
‚so gedrückte Stellung einnehmen. Auch scheint es dass ἀλλά und der 
Conjunctiv sich gegenseitig stützen. Vielleicht ist ὧν πῶς nur aus einer 
Glosse πῶς ἂν ἀσφαλῆ ein eingedrungen und ihm hat ein ἑξῆς oder 
dergleichen weichen müssen. Einstweilen schreibe ich κοινωσώμεϑ', 
ἄνδρες. 


Beratung der Choreuten v. 1308 — 1331. 


v. 1309 ist βοή nicht, wie Schneidewin Karsten und Naegelsbach 


noch meinen, soviel wie βοήϑεια. Es ist zu construieren „ich rate an 
die Bürger durch den Herold den Ruf πρὸς δῶμα δεῦρο ergehen zu las- 
sen“. Auch Hik. 700, worauf man sich sonst beruft, heisst εἰ βραδύ- 
νοιμὲν βοῇ „wenn wir eurem Hülferuf zu langsam sein sollten“. 

v. 1311 ‚glaube ich mit Naegelsbach dass  vEoggvTog hier wie Soph. 
El. 882 von ῥέω abzuleiten ist, nicht von δύω. Denn wie Soph. Aj. 30 
es heisst &vv νεορρᾶάντῳ ξίφει. so kann doch auch hier das Schwert der 
Mörder ein „frisch triefendes“ genannt werden. 

v. 1319 ist überliefert τοῦ δρῶντός ἐστε καὶ τὸ βουλεῦσαι πέρι; 
was dem Zusammenhang gemäss am besten von Scholefield so erklärt 
st: „qui aliquid faclurus sit, eum etiam deliberare decet de re ge- 
renda‘“. Denn der sechste und der siebente Choreut, die beiden mittel- 
sten, lehnen überhaupt jede Beratung ab, weil die Greise nicht zu handeln 
im Stande seien; das geht deutlich aus v. 1320—23 hervor. Aber Scho- 
lefields Erklärung ist grammatisch nicht haltbar, die Ergänzung zu πέρι 
wäre beispiellos. Das Schützisehe πέρα. das Hermann aufgenommen. hat, 
wäre ganz müssig. Ich schreibe vielmehr τοῦ δρῶντος ἔς τι καὶ τὸ 
βουλεῦσαι ῥέπει d. h. „nur dessen Beratung, der vollbringt, giebt irgend 
welchen Ausschlag (also bei uns ist sie überflüssig)“. Dass ἔς τὶ ῥέπει 
griechisch ist und hier vortrefllich passt, bedarf keines Beweises; dass 
aber ἔς τε dem βουλεῦσαι sich so verdrängt, hat seinen Grund darin, 
dass in der Declamation τοῦ δρῶντος vom übrigen abgetrennt werden 
soll um stark hervorgehoben zu werden. 

v. 1322 erklärt Naegelsbach βίον τείνοντες richtig durch: „exten- 
dere vilam studentes h. e. vitae conservandae gratia“. Dazu passt in 
der Frage des Greises vortrefflich das unwillige καί, Einem so hoch- 
bejahrten dagegen ein „das ganze lange Leben“ in den Mund zu legen 
wäre töricht. 

u v. 1326 ist Hartung im vollsten ‚Rechte, wenn er an der hergebrach- 
ten Lesart τεχμηρίοισιν ἐξ οἰκωγμάτων μαντευσόμεσϑα tadelt dass die 
grammatische Struktur laboriere und dass widersprechende Begriffe hier 
vereinigt seien. Denn τεκμήρια sind eben sichere Beweise, deren das 
Erraten entbehrt. Aber seine Aenderungen sind viel zu wüst und ge- 
waltsam: in dieser ganzen Partie ist die Ueberlieferung so gesund, dass 
wir nur unbedeutende Lese- und Schreibfehler annehmen dürfen. Es ist 
zu lesen ἢ γὰρ τεχμήρι᾽ ἔστιν; ἐξ οἰμωγμάτων κτλ. 


428 COMMENTAR. 


v. 1330 ist überliefert πάντοϑεν πληϑύνομαι, das Hermann erklärt: 
„undique mihi conveniunt argumenta ut hanc sentenliam probem ““; 
Naegelsbach: „compleor quasi undique in me confluentibus argumen- 
tis“. Sehr gezwungen. Aber da der Scholiast bemerkt ἐπαινοῦμεν 
διαφόρως (ἀδιαφόφωρ) ταύτην τὴν γνώμην, τὸ μαϑεῖν ἐν οἵᾳ ἐστὲν 
καταστάσει ὁ βασιλεύς, so urteilt Hartung richtig dass zu lesen ist πλη- 
ϑύνομεν in diesem Sinne: „wir werden von allen Seiten her vollzählig 
zur Billigung dieser Ansicht“. — Ob Aeschylos wirklich κυροῦνϑ᾽ ὅπως 
geschrieben hat für ὅπως κυρεῖ, bezweifle ich; doch sehe ich keiue Hei- 
lung des Schadens. 

Die zwölf Vota der Greise gruppieren sich übrigens so, dass das 
erste und das zwölfte jedes für sich allein stehen, von den dazwischen 
liegenden aber je zwei mit einander correspondieren, nämlich 2 und 3, 
4 und 5, 6 und 7, 8 und 9, 10 und 11. Darnach ist es mehr als wahr- 
scheinlich dass die Choreuten nach der Aufforderung des Chorführers 
v. 1307 vor dem Tor des Palastes in einen Kreis zur Beratung treten, 
und der dem Chorführer gegenüberstehende zuerst seine Stimme abgiebt, 
dann von rechts und links die beiden gleich weit vom Chorführer ent- 
feruten und so fort, bis dieser die Beratung abschliesst. Sobald dann 
v. 1331 durch das Ekkyklema die Königin neben den Leichen sichtbar 
wird, öffnet sich der Kreis an der Seite des Palasttores, und die Greise 
umstehen in einem gegen den Zuschauerraum geschlossenen Bogen die 
Mörderin. 


Klytämnestras Auftreten v. 1332—1366. 


v. 1334 — 36 lauten nach den codd. πῶς γάρ τις ἐχϑροῖς ἐχϑρὰ 
πορσύνων, φίλοις δοκοῦσιν εἶναι. πημονὴν ἀρκύστατον φράξειεν ὕψος 
κρεῖσσον ἐκπηδήματος; Hermann verwandelt πὼς in πᾶς und mit Elms- 
ley πημονὴν ἀρκύστατον in πημονῆς ἀρκύστατ᾽ ἄν — beides unnötig 
und unschön. Gerade πημονὴ aexvorerog „ein in Form eines Netzes 
umgarnendes Unheil‘ ist ein echt poetischer Ausdruck, vgl. v. 1435 
ἀρχύστατον ἄλγος ἔπραξεν. Allerdings ist ἄν beim Optativ nicht zu 
entbehren, aber nach den unzähligen Beispielen, wo Abschreiber das 
Asyndeton durch ein übergeschriebenes γάρ zu erklären suchten und dies 
sich dann in den Text drängte, ist nicht wohl zu bezweifeln dass das 
hier sehr entbehrliche γάρ einem ἄν Platz zu machen hat. Ich schreibe 
also ohne weitere Aenderung πῶς av τις κτλ. Zu dieser Frage ist dann 
nach höchst gewöhnlichem Gräcismus aus dem vorhergehenden der Vor- 
dersatz εἰ un τῶν πάροιϑεν εἰρημένων τὰ ἐναντία εἶπεν zu ergäuzen, 
wir fügen in solchem Falle ein „sonst“ ein: „wie könnte jemand sonst 
etc.“ Lächerlich ist „es, wenn Karsten diesen Gräcismus in Behauptungs- 
sätzen mit οὐ γὰρ ἂν gelten lassen will, ihn aber in Fragen mit πῶς 
γὰρ ἂν, die mit jenen völlig auf einer Stufe ‚stehen, nicht anerkennt. 

v. 1337 und 38 ist überliefert ἐμοὶ δ᾽ ἀγὼν ὅδ᾽ οὐκ ἀφρόντιστος 
πάλαι νέκης παλαιᾶς ἦλϑε — unverständlich. Nach’Heath aber ist νεέ- 
ans παλαιᾶς vulg. geworden, weil Suidas und Etym. M. νείκη statt 





COMMENTAR. 429 


νεῖκος darbieten. Ich lasse es dahingestellt, ob diese Notiz nicht auf 
einem Irrtum beruht, aber hierher gehört jenes Wort sicherlich nicht. 
Denn nicht nur bleibt unklar, wovon der Gen. veixng abhangen soll, son- 
dern namentlich ist παλαιὰς nach dem eben vorhergegangenen πάλαι 
nicht zu ertragen; endlich ist durchaus nicht abzusehen, wie sich v.1339 
ἔστηκα δ᾽ ἔνϑ᾽ ἔπαισα an den durch νεέκης gewonnenen Gedanken an- 
schliesst. Ich schreibe daher, von der Voraussetzung ausgehend dass 
παλαιᾶς nur ein Lesefehler ist, veranlasst durch rralaı, so die ganze 
Stelle: ἐμοὶ δ᾽ ἀγὼν ὁδ᾽ οὐκ ἀφρόντιστος πάλαι νίκης σταδαίας" ηλϑε 
σὺν χρόνῳ γε μήν d. h. „mir ist dieser Kampf zwar schon lange bedacht 
auf einen Sieg, bei dem ich nicht hin und her zu geheu brauchte, son- 
dern den ich sicher in der Hand hätte: aber endlich ist dieser Sieg doch 
gekommen; denn hier steh’ ich, wo ich Ihn erschlagen habe“. So fügt 
sich der ganze Satz vortrefflich an πῶς ἂν τις ἐχϑροῖς an: „Nur durch 
List kann man Feinde im eiguen Hause besiegen; ich aber habe schou 
längst Bedacht genommen auf einen unzweifelhaften Sieg‘. Das ἕστηκα 
δ᾽ ἔνϑ᾽ ἔπαισα erklärt nun treffend die νίκη σταδαία: Der Gen. aber ist 
zu erklären wie in Pers. 693 τάχυνε δ᾽ ὡς ἄμεμπτος. ὦ χρόνου, wozu 
der Scholiast bemerkt & ἕνεκα τοῦ χρόνου. Statt des gewöhnlichen μαχη 
σταδία (Hesych ἡ συστάδην καὶ ἐκ χειρὸς μάχη) substituiert Klytämne- 
stra sarkastisch νέκη σταδαία, d.h. eine νίκη. wie sie in einer μάχη 
σταδία gewonnen wird. Dieselbe Uebertragung ist zu erkennen in ἔγχη 
σταδαῖα Pers. 239, wozu Schol. A. bemerkt ἔγχη δὲ σταδαῖα ἤτοι ξίφη 
σταδαῖα, δι’ ὧν συστάδην καὶ ἐχεγγύως καὶ πλησίον μάχονται und 
Schol. B. orasıua καὶ ἀγχέμαχα. Auch Sept. 494 ist Ζεὺς σταδαῖος 
nicht sowohl der aufrechtstehende Zeus, als der Hort der uayn σταδία. 
v. 1341 haben die codd. ἀμύνασθαι, was Hermann nach Vict. mit 
Unrecht in auvveoda: verwandelt. Das Praes. φεύγειν bezeichnet den 
Zustand des Bewahrtbleibens, der Aor. ἀμύνασθαι den Akt der Abwehr. 
v. 1344 codd. odu@yueoıv, Hermann aber schreibt, nach Elmsley zu 
Eurip. Med. 798, οἰμωγμάτοιν. Nämlich δύο werde wohl mit dem Plur. 
verbunden, δυοῖν aber dürfe bei den Tragikern immer nur den Dual. eines 
Nomen bei sich haben. Sollen aber für eine solche in der Natur der 
Sache keineswegs begründete Behauptung erst Stellen wie die unsrige 
geändert werden (noch dazu in eiuer Partie, deren Ueberlieferuug so 
treu ist dass nur durch Fortführung des sinnlosen Ζιὸς νότῳ γᾶν εἰ 
σπόρητος v. 1352 Porsons herrliche Emendation möglich geworden ist), 
so ist es um Jene Theorie schlecht, bestellt. Vgl. Lobeck zu Soph. Aj. 1304. 
v. 1345 erklärt Hermann αὐτοῦ durch illico und wird dafür von 
Hartung verspottet; aber dennoch ist αὐτοῦ richtig „dort, auf der Stelle, 
wo ich ihn schlug“, anspielend auf νίκη σταδαία. Dagegen αὐτοῦ κῶλα 
„seine eigenen Glieder‘ wäre hier, wo jeder denkbare Gegensatz fehlt, 
ganz verkehrt. 
v. 1346 ist überliefert τοῦ κατὰ χϑονὸς “Διδου νεκρῶν σωτῆρος, 
aber dieser Ausdruck würde nicht den Sarkasmus atmen, der durch σω- 
τῆρος indiciert ist. Sicherlich hat der Dichter nach Engers schöner Con- 





430 COMNMENTAR. 


jectur statt" Aıdov geschrieben Διός, denn Ζεὺς σωτήρ war der stehende 
Ausdruck, und bei “Audov wäre τοῦ κατὰ χϑονός mehr als überflüssig. 
Vgl. Hesych Ζεὺς ὃ καταχϑόνιος ὁ ἀίδων 7 ἤγουν ὁ ἄδης. Hik. 140 τὸν 
yaiov, τὸν πολυξενώτατον Ζῆνα τῶν κπεκμηκότων, wozu der Schol. 
natürlich bemerkt τὸν καταχϑόνιον ἄδην. So versteht es sich von selbst 
dass "Aıdov nur eine über Arög geschriebene Glosse ist. 

Den schwierigen v. 1348 geben die codd. so: οὕτω τὸν αὐτοῦ ϑυ- 
μὺν ὁρμαίνει πεσών. Statt αὐτοῦ liest man seit Schütz αὑτοῦ, im 
übrigen aber hat erst Hermann an der Ueberlieferung Anstoss genommen. 
Zwar ist die Bemerkung nicht von Belang, dass ὁρμαένειν sonst bei den 
Tragikern nicht vorkomme, ausser an der sehr zweifelhaften Stelle Sept. 
375, aber völlig im Recht ist er, wenn er behauptet, die Bedeutung von 
δρμαΐένει passe hier in keiner Weise. Es ist eben immer „antreiben, in 
Bewegung setzen“, dieser Begriff wäre hier aber entschieden unpassend, 
um das unfreiwillige, bewusstlose Aushauchen des Geistes zu bezeichnen. 
Hermann vermutet ‚daher nach „Hesychs Glosse ὀρυγάνει ἐρεύγεται dass 
zu schreiben sei οὕτω τὸν αὑτοῦ ϑυμὸν ὀρυγάνει πεσών „er bricht 
seine Lebenskraft d. ἢ. sein Blut heraus“. Das passt allerdings vortrefl- 
lich in die Situation, denn, wie aus dem folgenden hervorgeht, handelt 
es sich um das bei tödtlich verwundeten sehr gewöhnliche Bluterbrechen 
aus Mund und Nase ( vgl. Virg. Aen. 9, 349 purpuream vomit ille ani- 
mam, Soph. Aj. 1411 ἔτι γὰρ ϑερμαὶ σύριγγες ἄνω φυσῶσι μέλαν μέ- 
vos und 918 φυσώῶντ᾽ ἄνω πρὸς ῥῖνας. Hymn. in Apoll. 188 λεῖπε δὲ 
ϑυμὸν φοινὸν ἀποπνείουσα), aber erstlich ist jene Glosse, deren Sippe 
durchaus fehlt, um so verdächtiger, als sie nicht in der alphabetischen 
Reihenfolge, sondern unmittelbar hinter ὀρτός folgt (man hat bereits be- 
merkt dass sie aus ἐρυγγάνει ἐρεύγεται corrumpiert ist), sodann steckt 
ohne Zweifel ein anderer schwererer Fehler in πεσών.» worauf zuerst 
Hartung aufmerksam gemacht hat. Denn weun v. 1345 Agamemnon 
schon, wie natürlich, πεπτωκώς heisst, so kann er im Fortgang der Er- 
zählung nicht wieder πεσών genannt werden. Dies ‚Wort muss durchaus 
beseitigt werden: ich schreibe daher ὑργαίνει πτύσων „er schwillt an 
im Begriff das Blut auszuspeien “. ἤΠτύειν kommt schon bei Hom. Il. 
XXI, 679 so vor: αἷμα παχὺ πτύοντα;, und ϑυμὸν πτύσων ist ganz 
wie bei Verg. purpuream vomit animam. Das Verbum oeyalveıv aber, 
das Hermann auch Sept. 375 für ὁρμαένει hergestellt hat (ebenso sind ὀργάω 
und ὁρμάω in den codd. sehr oft verwechselt) bedeutet eigentlich nicht 
„zürnen “, sondern „auschwillen “, indem es sich zu ὀργάω verhält wie 
ὁρμαένω zu ὁρμάω, und'so ist es sehr bezeichnend für das vom inner- 
lich sich ergiessenden Blut so lange anhaltende Schwillen der Brust, bis 
es sich durch Mund und Nase Bahn bricht. — Aber damit ist die Hand 
des Dichters noch nicht ganz hergestellt: er kann nicht geschrieben naben 
τὸν αὑτοῦ ϑυμόν, denn wozu sollte „seine eigene Lebenskraft“ 1 
Gegensatz treten? Der Artikel wird sich hier, wie in unzähligen Fällen, 
aus einer Glosse ‚eingeschlichen haben, statt αὐτοῦ aber hat Aeschylos 
wohl gesagt αὐτῷ. nämlich „dem Hades‘“, dem das erbrochene Blut eine 











COMMENTAR. 431 


willkommene Gabe ist. So schreibe ich den ganzen Vers οὕτω μὲν αὐτῷ 
ϑυμὸν opyalveı πτύσων. 

v. 1349 liest man κἀκφυσιῶν ὀξεῖαν αἵματος σφαγήν. woraıı Her- 
mann ohne Bemerkung vorübergeht, aber der Ausdruck αἵματος σφαγή 
wäre hier so incorrect wie möglich. Gewiss kann man sagen αἷμα σφάτ- 
reıv und Eum. 441 heisst es αἵματος καϑαρσίου opayal, aber in diesen 
und allen ähnlichen Beispielen liegt doch immer der eigentliche Begriff 
von ogparreıv „die Kehle abschneiden“ und prägnant „durch Kehl- 
abschneiden herausquillen lassen‘ deutlich zu Grunde. Anders ist es mit 
unserer Stelle. Agamemnon ist nicht in die Kehle gestochen, sondern, 
durch das Beil zum Tode verwundet, ringt und würgt er das innerlich 
vergossene Blut auszuspeien, und indem es sich endlich Luft macht, 
spritzt es in einem jähen Stral oder Guss oder Regen heraus. Dies 
ist der Begriff, den wir hier brauchen. Aber sehr unbesonnen handelt 
Hartung, wenn er aus der merkwürdig ähnlichen Stelle in Soph. Ant. 
1238 καὶ φυσιῶν ὀξεῖαν ἐκβάλλει πνοὴν λευκῇ παρειᾷ φοινίου στα- 
λάγματος (worin wir ohne Zweifel nicht sowohl bewusste Nachahmung, 
als unbewusste Reminiscenz haben) πνοήν für unser σφαγήν substi- 
tuiert. Weder bei Aeschylos noch bei Sophokles- verträgt sich ὀξεῖαν 
mit nvonv, und an unserer Stelle wäre gar nicht abzusehen, wie aus 
πνοήν jenes σφαγήν hätte entstehen können. Nein, unser Dichter 
schrieb vielmehr in einem grossartigen Bilde ὀξεῖαν αἵματος ξάλην „einen 
scharfen Sprühregen von Blut“ und aus ζάλην ist σφαγήν nur durch 
Lesefehler hervorgegangen. Denn ξαάλη ist nach den üns erhaltenen Bei- 
spielen nicht sowohl „Sturmwind‘“, als vielmehr das durch den Sturm 
gepeitschte Wasser, wie AZ 634 und 1140: vgl. Soph. Aj. 351 ἔδεσϑέ μ᾽ 
οἷον ἃ ἄρτι κῦμα φοινίας ὑπὸ ξάλης ἀμφέδρομον κυκλεῖται, wo φοινίας 
ὑπὸ ξάλης bedeutet „in Folge des Blutregens ‘“; so auch Plat. de rep. 
6, 496 οἷον ἐν χδιμῶνι κονιορτοῦ καὶ ζάλης ὑπὸ πνεύματος φερομένου 
ὑπὸ τειχίον ἀποστάς. So auch Prom. 373, wo ζάλη übertragen wird auf 
den Feuerregen. Daher sind die alten Erklärer im Recht, welche wie 
Hesych ξάλη durch μετὰ ὄμβρου πνοή. ταραχὴ καὶ κλόνος ὑδάτων und 
Etym. M. ‚durch χάλαξα deuten, nicht diejenigen, welche es durch συ- 
στροφὴ ἀνέμων μεγάλων wiedergeben. Wie aber bei Pind. P. 1, 20 der 
Schnee ὀξεῖα heisst, so passt das Epitheton auch vortrefflich zu dem vom 
Winde gepeitschten feinen Regen und Hagel. Aus Hesychs Glosse μετὰ 
ὄμβρου πνοή erklärt sich ‚übrigens, wie in der sophokleischen Remi- 
niscenz aus Aeschylos πνοήν für ξάλην eingedrungen ist. 

v. 1355 geben die codd. εἰ δ᾽ ἦν πρεπόντων ὥστ᾽ ἐπισπένδειν νε- 
x00, was noch immer seinen Verteidiger findet, wiewohl es handgreif- 
lich ist dass ἦν πρεπόντων für ἦν τῶν πρεπόντων („es „gehörte zu den 
schicklichen Dingen“) ungriechisch ist und ebenso das ὥστε nach πρέ- 
πεῖν. Ja, der ganze Gedanke ist möglichst ‘verkehrt, denn Trankopfer 
konnte man für jeden Todten darbringen. Den Hauptfehler aber hat 
Martin längst corrigiert, indem er schreibt εἰ δ᾽ ἣν πρέπον τῷ σῶστρ᾽ 
ἐπισπένδειν νεκρῷ : dieser Begriff des Dank- oder Rettungsopfers ist hier 


432 COMMENTAR. 


durchaus notwendig, und durch diese leichte Aenderung entgehen wir 
dem grammatisch unmöglichen ὥστε. Schneidewin wendet zwar dagegen 
ein dass zu σῶστρα der folgende Begründungssatz τοσόνδε κρατῆρ᾽ ἐν 
δόμοις κτλ. nicht stimme, aber er geht dabei von der falschen Annahme 
aus dass in dem Part. πλήσας der Hauptbegriff des Satzes stecke und mit 
unerwarteter Wenduug folge „aber er hat selbst den Becher geleert “, 
während der Satz „er hat nun selbst den Leidensbecher, den er uns ge- 
füllt, leeren müssen “ vortrefflich als Begründung zu den σῶστρα passt. 
Vgl. Hesych σώστρα σωτήρια. Aber in Martins „Conjectur gefällt τῷ 
nicht, es ist vielmehr zu schreiben εἰ δ᾽ ἣν πρέποντα σώστρ᾽ ἐπισπέν- 
δεῖν νεκρῷ „wenn Rettungsopfer schicklich wären, nämlich sie wegen 
eines Todten darzubringen“. So erklärt sich, wie die Grammatiker ihrer 
Gewohnheit nach ὥστε vor ἐπισπένδειν hinzuschrieben, diese Glosse 
dann σῶστρα verdrängte und der nun entstandene Hiatus die Verwand- 
lung von πρέποντα in “πρεπόντων nötig machte. — Im folgenden Verse 
sollte man nun τῷδ᾽ ἂν erwarten: „so würden sie mit Recht für diesen 
Todten stattfinden“. Allein τάδ᾽ ἄν sagt dasselbige, denn das Pronomen 
bedeutet nach einer im Griechischen und Lateinischen sehr gewöhnlichen 
Erweiterung seines Begriffes „die hier eintretenden σῶστρα wür- 
den mit Recht stattfinden “. 
Die symmetrische Gliederung dieser Scene springt in die Augen. 

Der eigentliche Menolog Klytämnestras, mehr an die Zuschauer als an den 
Chor gerichtet, geht nur bis v. 1352 und dieser zerlegt sich von selbst in 
8, 8 uud 5 Verse. Die erste Gruppe führt den triumphierenden Gedanken 
aus „der Sieg ist mein durch List“; die Gegengruppe enthält die Be- 
schreibung der Tat; die 5 Schlussverse erklären den Blutstropfen auf 
Klytämnestras Stirn. — Die folgenden | 6 Verse richtet die Königin direkt 
an den Chor, wie die Anrede πρέσβος ᾿Αργείων τόδε zeigt, und mit die- 
sen correspondieren die 6 Verse 1361 — 66, indem Gruppe und Gegen- 
gruppe durch 2 Chorverse getrennt sind. Die ‚Responsion ist um su evi- 
denter, da die Gruppe beginnt mit ὡς ὧδ᾽ ἐχόντων, die Gegengruppe 

schliesst mit τάδ᾽ ὧδ᾽ & χει. — Hierin ist wirkliche Symmetrie, während 
die von Weil durch Annahme einer Lücke nach v. 1355 herausgebrachte 
Harmonie σύμῳϑογγος οὐκ εὔφωνος wäre. 


Klytämnestras Rechtfertigung und Schwur v. 1367 --- 1410. 


Die erste Hälfte der Chorstrophe ist völlig gesund: Struktur und 
Gedanke lassen gar keinen Tadel zu. Es ‚stehen sich gegenüber χϑονο- 
τρεφὲς ἐδανόν und ποτὸν δυτᾶς ἐξ ἁλὸς ὄρμενον (in schöner poetischer 
Variation für ἁλιτρεφὲς ποτόν): den Ausdrücken liegt der Gedanke zu 
Grunde dass Erde und Wasser die Grundelemente sind, aus der ersteren 
alles essbare, aus dem zweiten alles trinkbare stammt. In das zweile 
Glied ist dann das zu beiden gehörige πασαμένα als tonlos eingeschoben: 
der Dichter will nur sagen „Welches Gift hast du genossen, dass du etc.“ 
Su hat sich Weil am Dichter versündigt, indem er hier ἢ ποτόν. in der 
Gegenstrophe ὥσπερ ovv „als prosaisch‘ streichen wollte. 








COMMENTAR. 433 


,  Desto schlimmer sieht es noch in der zweiten Hälfte der Strophe 
aus, denn von allen schweren Corruptelen, welche die codd. hier bieten, 
ist nur ἄπολις δ᾽ ἔσεε durch Hermanns ἀπόπολις δ᾽ ἔσεε geheilt. Zu- 
nächst ist v. 1370 der Dochmius τόδ᾽ ἐπέϑου ϑύος ebenso gewiss ver- 
dorben, wie das Heilmittel nahe liegt. Wie Hermann die Worte fasst, 
ist aus seiner Anmerkung nicht zu ersehen. Sonst erklärt man „dass 
du dies Opfer unternommen hast?‘ (viel zu matt im Ausdruck und 
grammatisch falsch, denn ἐπιτίϑεσθαι in dieser Bedeutung muss den 
Dativ zu sich nehmen) oder: „dass du dir als einem bald zu schlachten- 
den Opfer diesen Weihrauch aufs Haupt gelegt hast?‘ (abgeschmackt) 
oder: „dass du dich dieser Wut unterfangen hast?“ (lexikalisch in keiner 
Weise zu rechtfertigen). Genug, ®vog „‚der Weihrauch“ hat hier gar 
nichts zu tun, es ist vielmehr zu lesen τόδ᾽ ἐπέϑου uvoos „dass du diesen 
Gräuel, dies Schandmal auf dich genommen hast?‘ Hesych erklärt μύσος 
durch μέασμα, und auf diesen Begriff eben repliciert Klytämnestra v.1381 
mit μιασμάτων ἀποινα. Der Chor weist mit τόδε μύσος auf den Bluts- 
tropfen hin, den die Königin (nach v. 1350) an der Stirn trägt, und dass 
diese Erklärung richtig ist, bestätigt der bedeutsame Umstand, dass in 
der Gegenstrophe genau an derselben Stelle λίπος ἐπ᾽ ὀμμάτων steht. 

‚Weiter heisst es nun nach den codd. δαμοϑρόους τ᾽ ἀρὰς ἀπέδι- 
κες ἀπέτεμες (oder ἀπέταμες. doch ist das letztere offenbar nur Con- 
jectur und auch ‚hier hat Farn. die echtere Form bewahrt). Schütz inter- 
pungierte nach ἀράς und erklärte ἀπέδικες ἀπέταμες durch „prostravisii, 
iugtulasti‘“, und diese allen Wortbildungsgesetzen hohnsprechende Inter- 
pretation macht sich noch Naegelsbach zu eigen. Hermann dagegen liest 
ἀρὰς ἀπέδικες ἀποτόμως; „et populi diras contempsisti praefracte“. 
Aber ἀποδικεῖν heisst doch immer nur „wegwerfen“, sodass weder die- 
ser Begrifl die hochmütige Verachtung des Volksfluches recht bezeichnen 
würde, noch dazu die Antwort der Königin stimmte, welche v. 1374 aus- 
drücklich sagt: „mir erkennst du den Fluch des Volkes zu“. — Es han- 
delt sich also hier im eigentlichen Sinne des Wortes darum, einen festen 
Punkt zu gewinnen, und zu dem Ende müssen wir auf die Gegenstrophe 
sehen. Denn nach dem Gesetze, welches wir in der grossen Scene von 
Kassandras Visionen zur Genüge kennen gelernt haben, müssen in diesen 
bewegten Iyrischen Strophen auch die Hauptinterpunktionszeichen sich 
genau entsprechen, nur so kann der Vortrag in Strophen und Gegen- 
strophen ein ganz gleicher sein. Und da nun in der Gegenstrophe v. 1391 
nach ἁτέετον oder &vrırov entschieden zu interpungieren ist (wie auch 
alle Herausgeber bis auf Weil anerkannt haben), wodurch ebenso &vrırov 
wie ἔτι mächtig hervorgehoben wird, so ist es bei Aeschylos’ Bedürfniss 
nach Symmetrie undenkbar dass er diese gewichtige Pause nicht auch in 
der Strophe hätte eintreten lassen. Es ist also nach ἀπέδικες das Frage- 
zeichen zu setzen. Aber wie ἀπέδικες sinnlos ist, so ist es auch un- 
rhythmisch. Die beiden vorhergehenden Dochmien und der nachfolgende 
beweisen dass die iambische Tripodie, die Hermann aus ἀπέδικες ἀπέτε- 
μὲς gewinnt, falsch ist, wir verlangen dafür einen reinen Dochmius. So 


AESCHYL. AGAMEMNON. 28 





434 COMMENTAR. 


ist denn also anzunehmen dass die erste Sylbe von ἀπέδικες unter dem 
Einfluss der beiden folgenden &rco- verschrieben ist, und wir haben zu 
lesen δαμοθρόους τ᾽ ἀρὰς | ἄνδικες; „und dass du die Volksflüche 
gewagt hast?‘ Hesych nämlich und Bekk. An. 394 bieten die Glosse ἄν- 
δικε ἀνάρριψον͵ δικεῖν γὰρ τὸ ῥίπτειν κτλ... bekanntlich aber heisst 
ἀναρρίπτειν rı, eine dem Würfelspiel entlehnte Wendung, „mit raschem 
Entschluss und auf gut Glück sich in etwas hineinstürzen “ (Bekk. An. 18 
ἀναρρῖψαι κένδυνον, παρὰ τὸ ἀναρρῖψαι κύβον, περὶ τῶν ἄφει- 
δῶς ξαυτοὺς εἷς κινδύνους ἀφιέντων und Schol. zu Thuc. 4, 85 κέν- 
Övvov ἀνερρίψαμεν , ἀπὸ μεταφορᾶς τῶν κύβων und Dion. H. 10, 17 
sogar στάσιν ἀναρρίπτεις). Also sagt der Chor: „welches Gift hast du 
genossen, dass du dies Schandmal dir auf die Stirn setztest und die 
Volksflüche wagtest?‘“ Daran schliesst sich dann sehr schön, natürlich 
aber asyndetisch (sodass nun erst das δέ nach ἀπόπολις seinen Sinn ge- 
winnt) die Drohung ἀποτελεῖς — das ist das verdorbene ἀπέτεμες — 
ἀπύπολις δ᾽ ἔσει „du sollst die Flüche bezahlen, du sollst verbannt 
leben“. — So ist denn ein schöner und sicherer Gedankengang gewon- 
nen, zu dem die Erwiderung der Königin vortrefflich stimmt, die Rhyth- 
men sind jetzt untadelig, und, fast zum Ueberfluss, wird meine Emen- 
dation dadurch auch äusserlich bestätigt dass die beiden hauptsächlich 
betonten Wörter in Strophe und Gegenstrophe ἄνδικες und avrırov in 
der ersten Sylbe gleich lauten. 

In Klytämnestras Rechtfertigung v. 1373—86 sind nur einige kleine 
Fehler zu verbessern. V. 1375 ist Vossius’ Conjectur οὐδὲν τότ᾽ ἀνδρὲ 
für das überlieferte οὐδὲν τόδ᾽ ἀνδρὶ nur scheinbar richtig: Schneidewin 
bemerkt treffend dass τότε [auf die Zeit der Opferung in Aulis gehen 
müsste, hier aber von der Zeit der Heimkehr Agamemnons die Rede sei. 
Hermann verteidigt οὐδὲν τόδ᾽. aber ganz unzulänglich , indem er über- 
setzt „non hoc“ und dies hoc in dem folgenden seine Erklärung finden 
lassen will: das ist aus vielen Gründen unmöglich. Da nun aber οὐδὲν 
τόδε auch nicht heissen kann „nichts der Art“, so ‚wird nichts übrig 
bleiben als zu lesen οὐδ᾽ ἕν τόδ᾽ und dies auf μῖσος ἀστῶν und den da- 
mit verbundenen Volksfluch zu beziehen: „nicht einmal dies letztere 
allein trugst du dem Manne entgegen, geschweige denn die Verbannung“. 
Um Missverständnisse zu verhüten, bemerke ich ausdrücklich dass ich 
nicht ἕν hier für ἕτερον gesetzt glaube, sondern unter rode das zuletzt 
genannte verstehe, wozu dann ἕν — solum tritt. — v. 1376 nimmt Har- 
tung mit einigem Anschein von Recht Anstoss an βοτοῦ μόρον, da ja 
dieser Begriff nicht mit παιδὸς μόρον, sondern mit παῖδα (v. 1378) ver- 
glichen werde. Er vermutet daher βοτοῦ γόνον : leichter und eleganter 
wäre die Aenderung βοτοῦ σπόρον (zumal da Lykophron dreimal σπόρος 
für proles gebraucht). Aber Naegelsbach bemerkt mit Recht dass die 
Begriffe προτιμῶν und μόρον zusammenzugehören scheinen, vgl. Eum. 
631 πατρὺς προτιμὰ Ζεὺς μῦρον τῷ σῷ λόγῳ und 731 οὕτω γυναικὸς 
οὐ προτιμήσω μόρον. Auch hier ist also μόρον wohl so zu schützen, 
dass wir aus προτιμῶν den allgemeinen Begriff „schätzend‘‘ herausneh- 


᾽ 

















COMMENTAR. 435 


men und mit βοτοῦ μόρον verbinden „gleichsam für eines Lammes Tod 
es achtend, opferte er die eigene Tochter‘. Sicher und fest „Ist die 
Struktur freilich nicht. — v. 1377 ist ohne Frage nach Ven. εὐτόκοες 
zu lesen; die andere Lesart εὐπόκοις enthielte ein episch malendes, im 
dramatischen Stil müssiges Epitheton, in dessen Erhaltung Weil ich weiss 
nicht welchen „rationibus poeticis‘ gefolgt ist. — v. 1379 codd. ἐπῳ- 
dov, wofür Karsten sehr gut vorschlägt ἐπῳδήν. „Non enim virgo erai 
ἐπῳδύς, sed immolatio virginis ἐπωδὴ ἃ ἀημάτων." “Β]16 Construktion ist 
dann ganz, wie sogleich v. 1381 in μιασμάτων ἄποινα. Ebenso v. 211 
ἔτλα δ᾽ οὖν ϑυτὴρ γενέσϑαι --- πολέμων ἀρωγάν. Ebenso v. 1450. — 
v. 1382 sq. liest Hermann nach den codd. λέγω δέ σοι τοιαῦτ᾽ ἀπειλεῖν, 
ὡς παρεσκευασμένης ἐκ τῶν ὁμοίων χειρὶ νικήσαντ᾽ ἐμοῦ ὦ ἄρχειν, in- 
dem er die Uebersetzung hinzufügt „iubeo te talia minari, ut me ραγαία 
imperare mihi, qui vicissim me vi vicerit“. Das soll wohl heissen: „ich 
fordere dich auf solche Drohungen auszustossen in der Erwartung, dass 
ich gefasst darauf bin, dass der mich beherrscht, der mich mit Gewalt 
besiegt“. Dabei wäre nun zwar der Gen. παρεσκευασμένης völlig ge- 
rechtfertigt, indem, wie Schneidewin bemerkt „die Sprechende gleichsam 
aus sich heraustritt und wie aus der Seele der Greise von sich redet, 
aber παρεσκευασμένης mit davon abhängigem Acc. und Inf. wäre doch 
mehr als bedenklich, die notwendige Ergänzung von ἐμοῦ zu παρ. wäre 
misslich und endlich befriedigt der ganze Gedanke „ich fordere dich auf 
zu drohen “ durchaus nicht, da der Chor bereits alles Ernstes gedroht 
hat. — Ganz unverständlich ist die Erklärung Naegelsbachs, der natür- 
lich an der Ueberlieferung festhältl. — Das Richtige aber hat längst 
Wellauer gefunden, indem er παρεσκευασμένη las und, die Worte τοιαῦτ᾽ 
ἀπειλεῖν — ὁμοίων als Parenthese fassend, νικήσαντα ἄρχειν mit λέγω 
verband. Danı haben wir den einzig passenden trotzigen Gedanken: 
„Ich aber — und ich bin wohl vorbereitet solche Drohungen, wie du 
geäussert, auch meinerseits auszustossen — ich fordere dich auf, mich, 
wenn du kannst, zu besiegen und zu beherrschen, aber auch Vernunft 
anzunehmen, wenn ich Herrin bleibe“. Das zweite Glied löst sich dann 
aber aus der Abhängigkeit von λέγω δέ σοι heraus (wie im poetischen 
Stil so häufig geschieht, vgl. v. 1130 und 31, 1416 und 17) und gestaltet 
sich grammatisch zu einem selbständigen «Gliede. Logisch aber corre- 
spondiert mit der in νικήσαντα liegenden Bedingung ἐὰν δὲ τοὔμπαλιν 
κραίνῃ ϑεός, sowie σωφρονεῖν mit ἄρχειν ἐμοῦ. Die Deklamation 
musste die Parenthese als solche leicht verständlich machen: die Ab- 
schreiber aber brachten τοιαῦτ᾽ ἀπειλεῖν in Abhängigkeit von λέγω. und 
so ward παρεσκευασμένη um so leichter verdorben, als im folgenden 
. Verse ἐμοῦ folgte. 

In der Gegenstrophe v. 1387—92 ist nun nach Anleitung. der Stro- 
phe ein einziger Satz bis ἔτι zu slatuieren. Allgemein interpungiert man 
sonst nach ἐπιμαένεται, aber schon der Umstand dass nach λίπος kein 
δέ steht musste darauf hinführen, die folgenden Worte in Abhängigkeit 
von ἐπιμαίνεται zu denken. Die codd. geben nun v. [390 λῖπος (von 


28 Ὁ 


436 COMMENTAR. 


Porson berichtigt in λέπος) ἐπ᾿ ὀμμάτων αἵματος εὐπρέπειαν τέετον 
oder εὖ πρέπει ἀντίετον., was zu berichtigen man sich vergebens be- 
müht hat, weil man einen selbständigen Satz darin sah. Ich schreibe 
λέπος ἐπ᾽ ὀμμάτων αἵματος εὖ πρέπειν ἄντιτον und fasse diesen Acc. 
und Inf. als abhängig von dem in ἐπιμαένεται latenten Begriff des Glau- 
bens. Demnach sagt der Chor augemessen und würdig: „Du bist hoch- 
gemut und prahlst gewaltig, wie denn eben auch in Folge des Mordes 
dein Geist sich einbildet, der Blutstropfen auf der Stirn stehe dir wohl, 
dies Rachemal! Einst musst du noch Schlag um Schlag büssen‘“. Kly- 
tämnestra hatte wirklich v. 1350 geprahlt, der Blutstropfen stehe ihr 
wohl, und aus der hieraus gefolgerten Raserei leitet der Chor die eben 
gehörte Prahlerei ab. Aber mit Nachdruck nennt er von seinem Stand- 
punkt aus das λίπος ‚ein KVTLTOV „ ein Mal der Rache‘, gerade wie es 
Ch. 59 heisst τέστας φόνος πέπηγεν. οὐ διαρρύδαν. 

v. 1393 codd. καὶ τήνδ᾽ ἀκούεις δρκίων ἐμῶν ϑέμιν. Das klingt, 
als hätte die Königin schon einen Schwur geleistet; denn „und“ könnte 
καί iu dieser Verbindung nicht sein. Mir scheint dass Klytämnestra 
gegenüber dem drohenden und ihre Prahlerei verlachenden Chor ihren 
Schwur dass sie sich nicht zu fürchten brauche mit einer Versiche- 
rung einführen muss, und so halte ich für nutwendig zu schreiben καὶ 
μὴν ἀκούεις. Aber ὁρκέων ἐμῶν ϑέμιν ist nicht nach Karstens Vorgang 
anzutasten: Klyt. spricht von ‚dem heiligen Recht ihres Eides“, insofern 
sie alsbald die heiligsten Zeugen, Dike und Erinnys, bei ihrem Schwur 
anruft. 

Aber im Folgenden, wundere ich mich dass niemand an der Ver- 
bindung Alunv, "Ἄτην Egıvvv te Anstoss genommen hat, höchstens 
dass Butler und Hartung nach "Ἄτην ein τ΄ eingeschoben haben. Ganz 
unerträglich aber ist hier die Anrufung der Ate, die überall nur als ver- 
derbliche Betörerin des Sinnes erscheint und erscheineu kann, wäh- 
rend Klytämnestra doch die Schutz- und Rachgeister ihrer Tochter, denen 
sie ihren Gemahl geopfert hat, als heilige Wesen bezeichnen muss. 
Ueberall aber werden in ähnlichen Verhältnissen auch nur Jixn und 
’Egsvug zusammengestellt, indem jene positiv die Wiederherstellung des 
Rechtes, diese negativ die Bestrafung des Verbrechens vertritt; so Eum. 
504 πῶ Δίκα, πῶ ϑρόνοι τ᾿ Ἐρινύων. Soph. Trach. 808 ὧν σὲ ποί- 
vınos Δίκη τίσαιτ᾽ Ἐρινύς τε. Aj. 1390 μνήμων τ᾽ Ἐρινὺς καὶ τελεσ- 
φόρος Alun. Sicherlich also ist "Arnv nur durch Lesefehler hier her- 
eingekommen, und es ist dafür, wie v. 1227, zu lesen @yvıjv, das, als 
Attribut zu Δίκην gehörig, im nächsten Verse die Haupttonstelle ein- 
genommen hat, weil Kiytämnestra hervorheben will, nun sei ihrer 
Tochter Schutzgeist durch Agamemnons Fall wieder entsühnt und rein. 
So heisst es Soph. Trach. 257 von Herakles, nachdem er bei Omphale 
abgebüsst hat, ἀλλ᾽ 09° ἁγνὸς ἤν. 

v. 1396 geben die codd.: οὔ μοι φόβου μέλαϑρον ἐλπὶς ἐμπατεῖ 
(Viet. ἐμπατεῖν) und man beruhigte sich lange bei der komischen Vor- 
stellung von dem „Gemach der Furcht, in das die Hoffnung der Königin 


COMMENTAR. 437 


nicht eintrete‘, bis endlich Hermann die Unhaltbarkeit t jener Lesart nach- 
wies und dafür schrieb: οὔ μοι φόβον μέλαϑρ᾽ av ἐλπὶς ἐμπατεῖν 
„non spes mihi est timorem in domum meam ingressurum esse“. 
Schrecklich! dem Gedauken wie dem Ausdruck nach! Denn in dieser ein- 
zigen Zeile, die, gerade in der Mitte der den Schwur enthaltenden sieben- 
zeiligen Strophe, den wesentlichen Inhalt des Schwüres enthalten soll, 
kann sich die trotzige Klytämnestra nicht so gewunden und unsicher mit 
ἐλπὶς φόβον av ἐμπατεῖν ausdrücken: ihre Stimmung gegenüber dem 
Chor und der feierliche von .dieser Stimmung zeugende Eingang ihrer 
Rede machen es zu einer stilistischen Notwendigkeit, dass dieser Vers, 
das Centrum ihres Eides, eine kühne dem Chor ins Gesicht geschleuderte 
Behauptung enthalte. So ist es klar dass Hartung auf dem rechten Wege 
war, wenn er φόβον ganz ausstiess, als aus einer Glosse zu ἐλπίς her- 
vorgegangen: indem er aber schreibt οὔ μοι μέλαϑρον ἐλπὶς ἐμπατεῖν 
σκότου „noch fürcht’ ich nicht zur finstern Wohnung einzugehn“, bringt 
er doch wieder einen Gedanken heraus, der ebenso matt wie in diesem 
Zusammenhang unrichtig ist, denn wie konnte Klytämnestra sagen, sie 
fürchte nicht zu sterben, solang Aegisthos ihres Hauses walte? Ster- 
ben konnte sie als Sterbliche doch jeden Tag. Nein, was sie dem 
(v. 1391. 92) mit Vergeltung drohenden Chor sagen muss, ist dieser auf 
die folgende Tragödie vorausdeutende Gedanke: sie fürchte keinen R3- 
cher, ‚solang Aegisthos bei ihr bleibe. Und so schreibe ich unbedenk- 
lich οὔ μοι μελάϑρων ἐλπὶς Eumareiv τίτην (Ch. 59 τίτας φόνος πέπη- 
γεν, Hesych τέται, εὔποροι ἢ κατήγοροι τῶν ἀρχόντων. Die Kürze 
des ı ist unzweifelhaft nach ἀτίτης). So wird mit einem Schlage der 
einzig hier passende Gedanke hergestellt und zugleich der Plur. uel«-_ 
$0wv gewonnen, der nach des Dichters Gebrauch notwendig ist; das 
hauptsächlich betonte Wort steht wie billig am Ende des Verses. Den 
Gen. aber bei &umwreiv hat Weil hinreichend gesichert durch Verglei- 
chung von Soph. Ὁ. R. 825 und’ ἐμβατεύειν πατρίδος und 0. C, 400 γῆς 
δὲ μὴ ᾿μβαίνῃς ὅρων. Zugleich erklärt sich so die Corruptel sehr leicht: 

das unbekannte τίτην ging am Ende des Verses um so leichter verloren, 
da die Schriftzäge denen von πατεῖν ähnlich waren, und zur Ausfüllung 
benutzte man dann, wie in so vielen Fällen, eine Glosse, etwa ἐλπίς; 
ἀντὶ τοῦ poßov. — In diesem Schwur Kiytämnestras liegt übrigens jene 
- tragische Ironie, die wir auch in so vielen deutschen Sagen finden: un- 
wissentlich und wider Willen weissagt die Frevlerin sich selbst das Ver- 
derben. Ihr Schwur erfüllt sich wörtlich, aber anders als sie es meint: 
in den Choephoren betritt der Rächer Orestes wirklich erst nach Aegi- 
sthos’ Ermordung die μέλαϑρα der Königin. 

Nach v. 1399 geben nun die codd. κεῖται γυναικὸς τῆσδε λυμαν-. 
τήριος] Χρυσηΐδων μείλιγμα τῶν ὑπ᾽ Ἰλίῳ. Erst Hermann nahm hieran 
Anstoss: er erkannte richtig dass mit dem einfachen Adj. λυμαντήριος 
unmöglich Agamemnon bezeichnet sein könne. Wenn er aber nun nach 
diesem Adj. eine Lücke von einem Verse annimmt und diese beispiels- 
weise ergänzt durch ἀνήρ, ϑυγατρὸς τῆς ἐμῆς φονεὺς ὅδε, so hat trotz 


438 COMMENTAR. 


seiner Appellation an das poetische Gefühl doch der geschmackvollste 
seiner Nachfolger, Weil, keine Notiz davon genommen. Und mit Recht. 
Denn erstlich war hier gar nicht der Ort, von Agamemnon als dem Mör- 
der seiner Tochter zu sprechen, sondern da Klytämnestra sich eben auf 
‚ihres Buhlen Schutz berufen hat, drängt ihr böses Gewissen sie, jetzt 
auch ihres Gemahles Eheschändung hervorzuheben; sodann ist der 
Ausdruck γυναικὸς τῆσδε λυμαντήριος ἀνήρ. wenn auch correcter als 
λυμαντήριος. doch höchst unpoetisch. Den von Hermann aufgedeckten 
Schaden aber hätte Weil nicht ignorieren sollen: das überlieferte kann 
Aeschylos nicht geschrieben haben, wohl aber — und ich glaube dass er 
so geschrieben hat — γυναικὸς τῆσδε λυμαντὴρ πικρός (oder vielleicht 
λυμεὼν πικρός, vgl. Hesych λυμεών, ὀλέϑριος, φϑορεύς). Dann steht 
λυμαντὴρ πικρός im schärfsten Gegensatz zu Χρυσηΐδων μείλιγμα. und 
eine Lücke zwischen diesen Worten zu statuieren ist nicht nur unnötig, 
sondern unmöglich. Vgl. noch Sept. 915 πικρὸς λυτὴρ νεικέων. — Da- 
gegen ist es mir rätselhaft, wie man bisher die klaffende Wunde zwi- 
schen v.1399 und κεῖται γυναικός κτλ. nicht bemerkt hat. In den ersten 
7 Versen hat Klytämnestra ihre Zuversicht auf Straflosigkeit damit be- 
gründet, dass Aegisthos ihr treuer Buhle sei: nun kommt das zweite Mo- 
tiv, der Gedanke ‚„‚meine schlimmsten Feinde sind todt““. „Und da sollte 
Klytämnestra nach dem abschliessenden Verse οὗτος γὰρ ἡμῖν ἀσπὶς οὐ 
σμικρὰ ϑράσους ohne alle Conjunction, ohne hinweisendes Pronomen, 
urplötzlich fortfahren κεῖται γυναικὸς τῆσδε Avuevrno? Unmöglich: 

wer sich in Aeschylos hineingelesen hat, muss hier den Riss fühlen. 

Ich habe jedoch nuch einen triftigen Beweis für den Ausfall eines Verses 
nach ϑράσους. Dem Zusammenhang nach muss κεῖται voll und stark 
heissen „todt liegt er, sodass er mir nicht schaden kann“. Eine so prä- 
gnante Bedeutung legt der Dichter aber nur dann in ein an sich schwa- 
ches Wort, wenn er es in die mächtigste Tonstelle bringt, sodass es, dem 
Sinne nach zur vorhergehenden Reihe gehörig, zu Anfang eines Verses 
vor einer Pause steht. So ν. 14 εὐνὴν ὀνείροις οὐκ ἐπισκοπουμένην | 
ἐμοί. ν. 509 ἥκει, τίεσϑαί γ᾽ ἀξιώτατος βοοτῶν | τῶν νῦν. ν. 928 
οἶκος δ᾽ ὑπάρχει τῶνδε σὺν ϑεοῖς, ἄναξ, | ἔχων. ν. 1185 τῷ μολόντε 
δεσπότῃ | ἐμῷ. So steht speciell κεῖται Pers. 320 und auch sogleich 
hier Ag. 1409, wo nach κεῖται jedenfalls ein Komma zu setzen ist. Dies 
ist bei allen Dichtern die mächtigste Tonstelle; das beweist durch unzäh- 
lige Fälle auch Goethe’s „Hermann und Dorothea“, ein Gedicht, das, wie 
schwach auch in der Metrik, doch in der Rhythmik und Stilistik vollen- 
dete Meisterschaft bewährt. — Es ist also nach v. 1399 eine Lücke von 
einem Verse zu setzen: der Dichter wird etwa _ geschrieben haben ὁ δ᾽ 

av δόμοισι δυσμενὴς ἀνὴρ ὅδε | κεῖται, γυναϊκὸς τῆσδε λυμαντὴρ πε- 
πρός. Χρυσηΐδων μείλιγμα κτλ. 

Aber nun heisst es v. 1402 nach der vulg. weiter: n τ᾽ αἰχμάλωτος 
ἥδε καὶ τερασκόπος καὶ κοινόλεκτρος τοῦδε ϑεσφατηλόγος πιστὴ ξύν- 
ευνος, ναυτίλων δὲ σελμάτων ἱστοτριβής. Mit diesem Schwall von wirr 
durch einander geworfenen und sich zum Teil wiederholenden Schimpf- 











COMMENTAR. 439 


wörtern, ohne ein eigenes Verbum, sollte Kassandra bezeichnet sein, als 
ob der Dichter die Klytämnestra als sinnlos und in ihrer Eifersucht wü- 
tend hätte darstellen wollen. Wie hat man doch solche Ergüsse des 
Wahnsinns dem grossen Aeschylos zutrauen können! Da hat man mit 
grossem Beifall Pauws armselige Conjectur ἐσοτριβής für ἱστοτριβής auf- 
genommen, als ob damit irgend etwas beschafft wäre, und an der Ver- 
bindung ναυτίλων σελμάτων hat man allerlei zu ändern gesucht, während 
sie doch völlig geschützt war durch ναυτέλῳ πλάτῃ Soph. Phil. 220: 

dagegen die wirklichen Schäden hat man übersehen, ja Hermann ver- 
mehrt sie noch durch seine Conjectur ναυτίλοις δὲ — ἰσοτριβής. indem 
er (es ist unglaublich) die Königin von der Seherin sagen lässt, sie sei 
„nautis aeque cum transtris trita“. Der Dichter durfte doch vor allem 
die stolze Königin nicht sinnlos toben, nicht ihre Würde verlieren las- 
sen. — Das bequemste Mittel nun freilich zur Beseitigung aller Schwie- 
rigkeiten wäre dies: die ganze Partie von καὶ τερασκόπος bis ὁ μὲν γὰρ 
οὕτως als Interpolation zu streichen und v. 1403 mit 1407 so zu ver- 
schmelzen 7 τ᾽ αἰχμάλωτος ἤδε τοι κύκνου δέκην κτλ. Aber zu diesem 
Mittel der Desperation werden wir nicht greifen, solange auch nur eine 
entfernte Aussicht bleibt die Verse dem Dichter als würdiges Eigentum 
zu retten. Und diese Aussicht hat Weil eröffnet, indem er zuerst die 
Worte πιστὴ ξύνευνος als Prädikat zu den vorausgegangenen Bezeich- 
nungen Kassandras fasst: auf diesem Wege hätte er nur sicher und con- 
sequent fortgehen sollen, dann wäre er wohl zu derselben einfachen 
Lösung des quälenden Rätsels gelangt, wie ich sie gefunden habe. Was 
nämlich zunächst die Bezeichnung der Seherin betrifft, so hätte man 
längst fühlen sollen dass αἰχμάλωτος und τἐρασκόπος sich nicht durch 
καί als coordinierte Begriffe verbinden liessen; das doppelte sa! — καί 
war doch ein deutlicher Fingerzeig dass Klytämnestra die Seherin ver- 
ächtlich so bezeichnete: „Und sie, diese Kriegsgefangene, die sowohl 
Traumdeuterin als Beischläfertı des Agamemnon war“. Bis τοῦδε also 
reicht die Bezeichnung des Subjekts; was übrig bleibt, ist Prädikat. Von 
jener also ‚sagt die Königin: „sie ist ihm auch jetzt (im Tode) eine ora- 
kelnde treue Lagergenossin“. Damit wäre grammatisch jede Schwierig- 
keit erledigt, denn es kann keinem Bedenken unterliegen, zu dem Prädikat 
ἐστί zu ergänzen, oder, wenn man lieber will, κεῖται aus dem vorher- 
gehenden Satz zu wiederholen. Aber doch bin ich überzeugt dass der 
Dichter so nicht geschrieben hat: zu stark ist die Häufung der Nomina 
in diesem Satze, als dass er nicht das stilistische Bedürfniss gefühlt hätte 
ihm ein eigenes kräftiges Verbum zu geben, und so glaub’ ich bestimmt 
dass das Prädikat heissen muss ϑεσφατηλογεῖ πιστὴ Evvevvog „sie Ora- 
kelt ihm auch jetzt als treue Lagergenossin“. Unzweifelhaft nämlich 
lagen die beiden Leichen, die wir uns nach gewöhnlicher Sitte im Vor- 
hause ausgestellt zu denken haben (vgl. Herm. Privatalterth. $ 39, 5), 

auf Bahren dicht neben einander, sodass Klytämnestra mit höhnischer 
Anspielung auf den früheren Verkehr der beiden und auf v. 1120 (νῦν δ᾽ 

ἀμφὶ Κωκυτόν τε κἀχερουσίους ὄχϑους ἔοικα ϑεσπιῳδήσειν τάχα) 


440 - COMMENTAR. - 


sagen konnte: „sie orakelt ihm noch jetzt als treue Buhle“. Hier wie in 
so vielen Partien des Aeschylos weht shakespearscher Geist. Sonst frei- 
lich findet sich ϑεσφατηλογεῖν nicht, aber diese Zufälligkeit macht meine 
Emendation nicht unsicher: unzweifelhaft konnte der Dichter dies Ver- 
bum von ϑεσφατηλόγος bilden, wie ϑεσπιῳδέω von ϑεσπιῳδός , τερα- 
τολογέω von τερατολόγος etc. etc. — Aber auch die folgenden, bisher 
so rätselhaften Worte ναυτίλων δὲ σελμάτων ἱστοτριβής bestätigen, 
recht gefasst, meine Emendation. Sehen wir nämlich ab von Pauws 
nichtssagender Aenderung ἐσοτρεβής (die selbst dem mehr als conserva- 
tiven Naegelsbach imponiert hat), so ergiebt sich aus der einstimmigen 
Ueberlieferung ἑστοτριβής mit leichtester Aenderung der höhnisch zur 
Erläuterung ‚hinzugefügte Gedanke ναυτίλων δὲ σελμάτων στον τριβας" 

ἅτιμα 6 οὐκ ἐπραξάτην,,, ἀλ5 Pärchen kennt ja das Liegen (und die 
Kurzweil) auf den Schiffsplanken; so ist dem Liebespaar eine nicht un- 
würdige Behandlung geworden (da sie auch jetzt auf Brettern neben ein- 
ander liegen und ihre Traumdeutereien treiben)“. Zu ἔστον τριβᾶς vgl. 
v. 580 οὐδ᾽ οἶδα τέρψιν. 

Mit diesem satanischen Hohne schliesst Klytämnestra ihre Sicher- 
heitsprahlerei. Sie tritt zurück und schlägt von den verhüllten Leichen 
die Decken auf, dass der Chor sich von ihrem Tode überzeuge. Dadurch 
eben ist die schmerzliche Klage, die mit v. 1411 beginnt, motiviert. Aber 
es ist ein meisterhafter Zug des Dichters, dass er die Mörderin an dem 
Gatten mit dem Worte ὁ μὲν γὰρ οὕτως vorübergehen lässt; sie hebt 
die Decke, um sie schaudernd sofort wieder fallen zu lassen, denn sie, 
die den Mut gehabt hat ihren Gemahl zu erschlagen, wagt nicht dem aus 
seinem Blut sich erhebenden Rachegeist ins Auge zu sehen. Aber sie 
gewinnt ihren Trotz wieder, indem sie von Kassaudras Leiche das Tuch 
hebt; ja, als schämte sie sich der vorübergehenden Schwäche, fügt sie 
nach eine höhnische Aeusserung über die letzten Augenblicke der Seherin 
hinzu. Die psychologische Feinheit des Dichters ist in dieser Scene be- 
wunderungswürdig. \ 

v. 1410 geben die codd. εὐνῆς παροψώνημα τῆς ἐμῆς χλιδῆς, was 
noch immer brauchbarer war als das von Hermann vermutete εὐχῆς. 
Aber unhaltbar ist εὐνῆς, es kann weder grammatisch noch sachlich ver- 
teidigt werden. Der. Dichter wird vielmehr mit Rückdeutung auf Kassan- 
dras Gebet v. 1252 ὡς ἀσφάδαστος αἱμάτων εὐθνησίμων ἀπορρυέντων 
ὄμμα συμβάλω τόδε geschrieben haben ev9vrjg „leicht oder rasch ster- 
bend‘, wodurch der Zuschauer eine kurze Notiz über der Seherin Ende 
erhält. Das Wort ist ganz analog mit ἡμειϑνής, λιμοϑνής etc. gebildet. 

Ueberblicken wir nun die ganze Scene v. 1367 — 1410, so erhellt 
nach den gemachten Bemerkungen ohne weiteres ihr symmetrischer Bau. 
Den beiden leidenschaftlich drohenden Strophen des Chors folgt jedesmal 
eine feste trotzige Rede der Königin. Jede dieser Standreden besteht aus 
2 Gruppen von 7 und 7 Versen: die erste Rede enthält der Mörderin 
trotzige Rechtfertigung und ihre drohende Herausforderung, die zweite 
prahlt mit der eigenen Sicherheit und motiviert diese in der ersten 








COMMENTAR. 441 


Gruppe mit dem Beistand des Buhlen, in der zweiten mit dem Tode des 
schlimmsten Feindes, der nun neben seiner Buhle liege. Die letzten 
4 Verse 1407—10, in welchen nach einer Pause die Decken von den 
Leichen gehoben werden, bilden für sich den epodischen Schluss der 
ganzen Scene. 


Die grosse Todtenklage νυ. 1411— 1544. 


Bevor wir zur Constituierung und Erklärung des Textes in dieser 
mächtigen Partie übergehen, wird es nötig sein dass wir uns klar machen, 
wie die einzelnen Gruppen dieser gewaltigen Architektonik, deren Sym- 
metrie zuerst Hermann geahnt und dargelegt hat, mit einander correspon- 
dieren; denn davon wird in der Kritik und Exegese des einzelnen sehr 
viel abhangen. Zunächst aber scheint mir der Schluss, den Hermann aus 
den zehn melischen Gruppen, die sich in dieser Partie finden, auf 5 Zyga 
des Chors, also 15 Choreuten, gezogen hat, äusserst schwach zu stehen; 
dass Schneidewin, der zu v. 1303 die Zahl der Greise richtig auf 12 setzt, 
trotzdem hier bei der Hermannschen Theorie der 5 Zyga stehen geblieben 
ist, erklärt sich als ein Versehen, das er selbst wieder gut gemacht hätte, 
wenn es ihm vergönnt gewesen wäre die letzte Hand an sein Werk zu 
legen. Jedenfalls geben nicht die zehn melischen Gruppen, die ja teils vom 
gesammten Chor, teils von einzelnen Abteilungen vorgetragen sein können, 
ein Merkzeichen für seine Gruppierung, wohl aber die von Hermann ganz 
unbeachtet gelassenen vier anapästischen Systeme der Greise. Denn diese 
Anapäste sind ein sicheres Argument dafür dass während derselben eine 
Marschbewegung stattgefunden hat (vgl. zu v. 1291, ausserdem Rossbach 
und Westphal III, p. 102. Kruse zu Aesch. Hik. v. 144 und 944); Klytä- 
mnestra steht aber natürlich unbewegt zu Häupten der beiden Leichen 
(v. 1440), also kaun während jener auapästischen Rhythmen nur der Chor 
marschieren, und so werden wir durch ein Indicium, das kaum trügen 
wird, auf vier Rotten des Chors geführt. Was kann nun aber die vier- 
malige Marschbewegung von Abteilungen des Chors bedeuten ?' 

Schon oben habe ich darauf aufmerksam gemacht, dass die ganze 
gewaltige Scene der Todtenklage, welche der Dichter uns hier im Drama 
vorführt, auf jenem feierlichen Gebrauch der Hellenen beruht, nach wel- 
chem die Todten während einiger Tage im Vorhause ausgestellt wurden 
„mit den Füssen voran, auf einem mit Zweigen geschmückten Lager‘‘, um 
von Angehörigen und Teilnehmenden besichtigt zu werden (Hermann 
Privatalterth. $ 39, 4 und 5). Unzweifelhaft also marschieren während 
jener Anapäste Abteilungen des Chors an das Hauptende von Agamemuons 
Lager, um das ihn verhüllende Tuch zu heben und dieteuren 
nunim Tode erstarrtenZüge noch einmal zu sehen. Dies geht 
zur Genüge auch aus dem Inhalt der Anapäste, namentlich der "Beiden 
mittleren Systeme (v. 1460 und 1484), hervor. Dieselbe Gruppe aber, 
welche die Anapäste im Marschtakte spricht, singt jedesmal auch die 
darauf folgenden 3 Klageverse (die v. 1462 und 1486 sogar in gramma- 
tischer Verbindung mit den Anapästen stehen), den letzten Abschied von 


442 COMMENTAR. 


der eben geschauten Leiche ‚nehmend. Wenn nun aber die erste Abteilung 
des Chors sich nach στρ. «@’ in Bewegung setzt und am oberen Ende der 
Leichenbahre στρ. y singt, so gehört eben derselben auch noch ἀντιστρ. α΄, 

die ja ‚nur die weitere . Ausführung und Modification des in ovor. β΄ und 
στρ. γ enthaltenen Gedankens bringt. Unzweifelhaft tritt dagegen mit 
στρ. ε΄ eine andere Abteilung des Chors ein, denn dieselben Personen, 
die eben den Dämon des Atridengeschlechtes angerufen haben, können 
nach Klytämnestras erfolgter Zustimmung nicht fortfahren „fürwahr, du 
nennst einen grossen und schrecklichen Dämon‘, diese Worte müssen 
vielmehr von anderen kommen, die durch dieselben zuerst entsetzt sind. 
Demnach gliedert sich mir das ganze mächtige Gebäude in vier grosse 
Gruppen: 


Erstes Kolon. Zweites Kolon. 
Str. Chor. Str. Kiyt. Str. Kiyı, Str. Chor. Str. Klyt. 
α΄. β΄. γ. δ. α΄. δ΄. ἢ εἐ. «. m 
Drittes Kolon. Viertes Kolon. 
Str. Chor. Str. Klyt. || Str. Chor. Str. Klyt. Str. Klyt. 
ε. ς. ζ΄. ἡ.  ϑ. β. γ. dd ©. «. 
Während also die Mitte des ganzen Baues v. 1449—1496 in zwei 
völlig symmetrische Kola zerfällt, entsprechen die beiden,Flügel, das erste 
und das vierte Kolon, einander in der Art, dass sie, jedes in sich selbst 
zwar schon symmetrisch gegliedert, doch erst in ihrer Beziehung auf ein- 
ander völlige Harmonie der Struktur zeigen, indem sie teils durch "die 
anapästischen Systeme β΄ und die Strophen y direkt mit einander in Corre- 
spondenz gesetzt sind, teils auch in den Strophen α΄ und 9 (jede von 
7 ähnlich gebauten Versen) und in der Einfügung von Kiytämnestras 
Anapästen einen ganz gleichmässigen Charakter bewähren. Sollte nun 
aber die Correspondenz der die Mitte umschliessenden, aber durch 48 Verse 
von einander getrennten Flügel dem Zuschauer fühlbar gemacht werden, 
so musste sie durch die augenfälligeBewegung der Chorabteilun- 
gen so deutlich hervortreten, dass jedem sofort die Wechselbeziehung des 
ersten und des letzten Kolon einleuchtete. Das konnte aber, wie mir 
scheint, nur geschehen, wenn die Bewegung der Abteilung in ἀντισυστ. β΄ 
derjenigen in συστ. β΄ geradezu entgegengesetzt war, und so ergiebt 
sich die weitere Folgerung dass die Chorabteilung, welche im ersten 
Kolon agiert, identisch ist mit derjenigen, welcher das vierte Kolon 
angehört. Dann gestaltet sich Gruppierung und Bewegung des Chors in 
einfach schöner und natürlicher Weise so: Die zwölf Choreuten stehen, 
wie schon oben gezeigt, in einem gegen das Theatron hin geschlossenen 
Bogen um das Ekkyklema herum, in der geöffneten Palastpforte sind die 
- Todtenbahren mit den verhüllten Leichen sichtbar, zu Häupten derselben 
Klytämnestra. Die”mittleren beiden Züge, die dem Theatron zunächst 
stehenden sechs Choreuten, singen nun στρ. α΄ 5 marschieren dann nach 
den Takten des ovor. β΄, je drei und drei zu beiden Seiten des Ekkyklema, 
nach dem oberen Ende von Agamemnons Leiche, der Ghorführer hebt das 














COMMENTAR. 443 


Leichentuch, und sie singen die Klage στρ. γ΄. Klytämnestra, ein wenig 
weiter im Hintergrunde stehend, erwidert mit ovor. δ΄, jene sechs Cho- 
reuten singen ἀντ. α΄ und bleiben, nachdem die Königin mit ἀντισυστ. δ΄ 
auf ihre Gedanken eingegangen ist, bis zu Ende der beiden mittleren 
Kola, also bis v. 1496, am oberen Eude stehen, ‘doch so, dass die Königin 
zwischen ihnen hindurch immer sichtbar ist. — Hierauf singen die drei 
Choreuten, welche zur Rechten der Bahre stehen, στρ. ε΄, marschieren 
nach dem Takte der Rlıythmen von ovor. 5’ au das Lager Agamemnons, 
heben das Leichentuch und klagen in org. ξ΄ "um den Tod des Königs, 
worauf Klytämnestras Antwort in ovor. η erfolgt. Ganz ebenso verfahren 
dann die drei Choreuten zur Linken in ἀντ. ε΄, ἀντισυστ. g und ἀντ. [$ 
und auch ihnen antwortet die Königin in @vrıovor. n'. Nun beginnt wie- 
der die Action der sechs mittleren Choreuten, die noch zu Häupten der 
Bahre stehen: sie singen στρ. 9, gehen dann (gleichzeitig mit den beiden 
Seitenzügen) nach dem Takte des avrıovor. β΄ wieder in den vorigen 
Stand zurück, sodass nun alle 12 Choreuten wieder den grossen Bogen 
wie zu Anfang der Scene bilden, und nachdem die beiden mittleren Züge 
noch ἀντ. γ᾽ und nach Kiytämnestras höhnischer Abweisung (ovor. 4} 
noch ἄντ. 9 gesungen haben, schliesst die grosse Composition mit Kly- 
tämnestras vermeintlichem Friedensvertrag in avrıovor. ε΄ ab. 

Nach dieser natürlichen und einfachen scenischen Anordnung, die 
mit den religiösen Bedürfnissen der Griechen im genauesten Einklang steht, 
herrscht in der gewaltigen Composition, die scheinbar so verwickelt ist, 
dass die Engländer noch immer nicht an die von Hermann hier entdeckte 
Symmetrie glauben wollen, eine so klare und durch die Chorbewegungen 
so augenfällig gemachte Responsion, dass man den grossen Dichter 
sicherlich nicht beschuldigen darf, mit unverständlichen Formen einer 
ins Ungeheure gehenden antithetischen Composition eine unnütze Spie- 
lerei getrieben zu haben. Denn auch dem Gedanken nach correspon- 
dieren natürlich die symmetrisch auf einander bezogenen Teile aufs ge- 
naueste. 


Erstes Kolon: Zweites und drittes Kolon: | Schlusskolon: 
Verzweifelte Feststellung der Schuld. |[Banger Blick in die 
Klage. Beschuldi-|Zeus hat das Ver-|Freilich hat ihr der[Zukunft, Ahnung 
gung Helenas undjbrechen zugelas-|Alastor geholfen,|der künftigen Ra- 
des im Hause derisen, aber Klytä-\und auch Agame-Iche. Sorge um des 
Tantaliden wal- |mnestra ist schul-mnon hat eine|KönigsBegräbniss. 
tenden Dämon. dig. Schuld gebüsst. | Vorläufiger Ab- 
schluss. 


Freilich könnte nun, da ich nur drei Abteilungen des Chors annehme 
(zwei aus je 3 und eine aus 6 Greisen bestehend), ein Anhänger der Her- 
mannschen Theorie von 15 Choreuten sich meine Anordnung so zu eigen 
machen, dass er jede der drei Abteilungen aus 5 Personen bestehen liesse. 
Allein es kommt noch ein wesentliches Moment hinzu, wornach auch aus 
dieser Scene sich mit einiger Sicherheit die Zahl von 12 Choreuten er- 


444 COMMENTAR. 


giebt. Nämlich auch Klytämnestra spricht in Anapästen und zwar sechs- 
mal, und da auch diese Rhythmen einen Marsch begleiten, die Königin 
aber auf keine Weise ihren einmal eingenommenen Platz verlassen kann, 
so muss während jener Anapäste eine sechsmalige Bewegung der Cho- 
reuten stattgefunden haben. Zu welchem Zwecke? Die Antwort liegt 
nahe. Auch in der Tragödie durfte nicht unterlassen werden, was im 
wirklichen Leben in ähnlichen Fällen unumgänglich war: die nicht zum 
Hause gehörigen Greise mussten, nachdem sie an die Bahre hinangetreten 
waren, sich vou der Berührung des Todten reinigen, indem sie 
sich in dem der Sitte gemäss vor der Haustür stehenden Gefäss mit 
Wasser die Hände wuschen (Hermann Privatalterth. $ 39, 14). Jedesmal 
also, wenn die Königin spricht, gehen je zwei der Choreuten, welche die 
Leiche geschaut haben, natürlich immer 2 symmetrisch gestellte, um die 
übliche Reinigung vorzunehmen. 

Ich verkenne nicht dass in diesen Combinationen, die der Natur der 
Sache nach einen wissenschaftlichen Beweis nicht zulassen, manches un- 
sicher ist, aber wie man ihnen innere Wahrscheinlichkeit nicht absprechen 
wird, so dürften sie zum klaren Verständniss und zur vollen Vergegen- 
wärtigung der grossen Scene nicht unwesentlich beitragen. Auf die Er- 
klärung des einzelnen werfen sie ein überraschendes Licht, und umge- 
kehrt wird sich aus der Iuterpretation des einzelnen noch manches Indi- 
cium ergeben, das ihre Wahrscheinlichkeit bedeutend erhöht. 

Strophe α΄, v. 1411—17, ist, bereits so gut wie hergestellt. Nur 
v. 1413, wo die codd. φέρουσ᾽ ἐν ἡμῖν geben, ist die Präposition ebenso 

sinnwidrig. wie das an die betonteste Stelle gesetzte ἡμῖν ungewöhnlich 

und störend. Mit Hermanns dp’ ἡμῖν ist nichts gebessert. Mit mehr 
poetischem Takt vermutet Weil ἰαύειν, doch scheint mir das vorange- 
stellte τὸν αἰεί durchaus eines Adj. an dieser Stelle zu bedürfen, da es 
von ἀτέλευτον gar zu weit entfernt ist. So vermute ich statt ἐν ἡ ἡμῖν 
vielmehr ἐνηῆ „den immer freundlichen ewigen Schlummer“. — 
ον, 1416 codd. καὶ πολλὰ τλάντος, das Hermann beibehält. Aber die 
Rhythmen sind weder mit der Gegenstrophe im Einklang, noch an und für 
sich erträglich, jedenfalls müsste die iambische Dipodie zu Anfang des 
Verses aus reinen lIamben bestehen. Aber καί ist auch sinnlos: nur 
eine höchst oberflächliche Erklärung hat es zur Verbindung der beiden 
gar nicht coordinierten Part. δαμέντος und τλάντος einschieben können. 
Also ist καί mit Frauz zu tilgen, und für πολλά mit Wieseler πολέα zu 
schreiben. 

Desto mehr ist in ovor. β΄. v. 1418—25, verdorben und ‚verloren ge- 
gangen. Sogleich i im ersten Verse, wo die codd. ἰὼ παρανόμους Ἑλένα 
geben, ist eine schwere noch keineswegs geheilte Corruptel. Blomfield 
schiebt ein zweites ἐωώ ein und Hermann ändert παρανόμους in παρά- 
vovg, aber damit sind wir, wenn auch alle neueren Editoren unbedingt 
folgen, aus dem Unsinn nur in die Absurdität geraten. Denn erstlich zeigt 
das mit ἰὼ γᾶ ya v. 1504 beginnende Antisystema jedem Aeschyloskenner 
aufs bestimmteste dass auch dies System nur mit einem einmaligen lo be- 


COMMENTAR. 445 


ginnen darf; sodann ist παράνους weder diplomatisch wahrscheinlich, 
noch auch — und das ist die Hauptsache — dem Sinne nach irgend 
passend. Denn Helena soll hier, wie die wenn auch schwer verdorbene 
Strophe γ΄ und die Gegenstrophe α΄ unzweifelhaft zeigen, als dämonisches 
Wesen bezeichnet werden, das in menschlicher Gestalt eine Ate für das 
Geschlecht geworden sei. Da wäre ihre Bezeichnung als „einer Verrück- 
ten‘ so verkehrt wie irgend möglich. Vielmehr da Helena hier als ein 
Wesen der Vernichtung dargestellt wird und der Name „Helena“ eben 
die Vernichterin bezeichnet, so ist gar nicht zu bezweifeln dass der Dichter 
auch hier wie v. 665 in dem schönen Chorgesange, wo Helena als Erinys 
der Priamiden gefeiert wird, mit dem verhängnissvollen Namen sinnig 
spielt: denn nun hat sie sich auch den Tantaliden als Erinys offenbart. 
Und das bestätigt die corrupte Lesart παρανόμους auf das glänzendste. 
Denn diese ist aufzulösen in παρ᾽ ὄνομ᾽ οὐσ᾽ Ἑλένα (eine Helena cu 
nomen el omen) und erweist sich als Ueberbleibsel einer im gewöhn- 
lichen Scholiastenstil abgefassten Glosse, die statt des unleserlichen vom 
Dichter gegebenen Ausdrucks in den Text eindrang. Nach dem Anti- 
systema ἰὼ ya ya ist es nun aber so gut wie gewiss dass auch hier der 
γος. Ἑλένα unmittelbar nach der Interjektion stand, und 80 schrieb 
Aeschylos wahrscheinlich io Ἑλένα κατ᾽ ἐπωνυμίαν μία τὰς πολλὰς 
κτλ.) wie Sept. 809 οὗ δῆτ᾽ ὀρϑῶς κατ᾽ ἐπωνυμίαν κλεινοί τ᾽ ἐτεὸν καὶ 
πολυνεικεῖς ὦλοντ᾽ ἀσεβεῖ διανοίᾳ. | 
Im folgenden nahm man nun, seit Hermann die Correspondenz zwi- 

schen ovor. und ἀντισυστ. β΄ nachgewiesen hatte, eine ziemlich umfäng- 
liche Lücke nach νῦν δὲ τελείαν an, indem man der sehr natürlichen Mei- 
nung war dass die beiden anapästischen Systeme sich einander rhythmisch 
ebenso entsprechen müssten, wie die damit verbundenen melischen Stro- 
phen. Vollends nach meinen Combinationen über die Bewegungen des 
Chors ist es fast eine Notwendigkeit völlige Gleichheit der beiden Systeme 
zu statuieren, da zum Aufmarsch der beiden Chorzüge ebenso viel Zeit 
erforderlich war wie zu ihrem Rückmarsch. Und die schweren Corrup- 
telen in v. 1418 und στρ. γ΄ machen noch dazu äusserlich den Wegfall 
einiger Verse wahrscheinlich: der cod. Alex. muss an dieser Stelle schlimm 
zerrüttet gewesen sein. Vor πολύμναστον schob man also ἡ ein, um die 
Strophe γ΄ zu vervollständigeh. — Ganz anders urteilt nun aber Heim- 
soeth (die Wiederherstellung pag. 116—118) über die schwierige Stelle. 
Indem er v. 1429 die verdorbene Lesart ἔρις ἐρέδματος ἀνδρὸς ὀϊζύς 
ändert in ἐριμνάστευτος ἀνδρὸς οἰξύς (recht verführerisch, denn nach 
den Worten τότ᾽ ἐν δόμοις könnte es scheinen dass Helena in den letzten 
Versen als die einst so holdselige und gewinnende dargestellt wird, um- 
gekehrt wie v. 711 sq.), erklärt er πολύμναστον v. 1427 für ein Glossem 
zu jenem ἐριμνάστευτος. das an falscher Stelle in den Text geraten sei; 
und so construiert er Strophe y folgendermassen : 

νῦν δὲ τέλειον ἐπήνϑισεν αἷμ᾽ ἄνιπτον, 

ἥτε τότ᾽ ἐν δόμοις ἦν 

ἐριμνάστευτος ἀνδρὸς οἶξύς. 


446 COMMENTAR. 


Das System β΄ schliesst er also mit ὑπὸ Τροία, und ohne eine Lücke zu 
statuieren ereifert er sich sehr gegen diejenigen, die eine genaue Respon- 
sion auch der anapästischen Systeme bei Aeschylos erwarten. 

Darum handelt es sich 4180 hier, ob in over. β΄ mit Notwendigkeit 
eine Lücke anzunehmen ist oder nicht. Denn ist eine Lücke hier erwiesen, 
so fällt jeder vernünftige Grund weg, das an und für sich wahrscheinliche 
Ebenmass zweier anapästischen Systeme, die unverkennbar mit einander 
in Correspondenz stehen und auf welche Strophe und Gegensirophe fol- 
gen, zu leugnen. Also der wichtigen Consequenzen wegen will ich 
Heimsoeths gewaltsame Neuerungen beleuchten: wie geistreich und ge- 
wandt der Gegner auch ist, so vertraue ich doch dass die Macht der 
Wahrheit ihn schlagen wird. 

Abgesehen von dem in στρ. γ΄ durch den Rhythmus als verdorben 
indicierten ändert Heimsoeth auch τελείαν in τέλειον und ἐπηνϑίσω in 
ἐπήνϑισεν, und das angebliche Glossem πολύμναστος lässt er an einer 
ziemlich weit entlegenen Stelle in den Text geraten sein, zugleich in den 
Acc. πολύμναστον verwandelt — das sind lauter Unwahrscheinlichkeiten, 
aber wir wollen sie hinnehmen, wenn nur der von ihm restituierte Text 
lesbar und des Dichters würdig ist. Aber nicht nur ist ἐριμνάστευτος 
eine höchst gewagte Composition (Aeschylos würde dafür vom Verbal- 
stamm ἐρίμναστος gebildet haben), sondern auch die ganze Wendung 
ἐριμνάστευτος ἀνδρὸς οἰξύς ist unverständlich. Soll nämlich τότ᾽ ἐν 
δόμοις heissen „damals im väterlichen Hause“, so war Helena damals 
allerdings eine vielumworbene, aber in jener Zeit hätte sie nicht „eines 
Mannes Wehe“ heissen können, sondern χατὰ δύναμιν höchstens „der 
Männer Wehe“. ἀνδρὸς olfvs dagegen könnte nur auf das Wehe sich 
beziehen, das sie ihrem Gemahl oder „diesem Manne‘“, dem Agamemnon, 
gebracht hätte, dann aber passt auf keine Weise dazu das Epitheton „die 
vielumworbene“. Was sollte ferner, frage ich, der ganze Relativsatz ἥτε 
τότ᾽ ἐν δόμοις κτλ. ὃ Doch wohl das frühere holdselige Wesen Helenas 
in einen ergreifenden Contrast zu ihrem jetzigen Wirken stellen: dann 
aber wäre es ein rhetorisches Contrarium gewesen, sie zugleich als 
ἀνδρὸς οἰξύς zu bezeichnen, statt in den lieblichsten Bildern ihre frühere 
Milde und Schönheit zu feiern. Endlich aber ist in der neuen Restitution 
des Textes das δέ stilistisch falsch: nachr dem Voc. ἰὼ Ἑλένα hätte nur 
in der zweiten Person und ohne δέ die Rede fortgeführt werden dürfen. 

So ist denn der neue Heimsoethsche Text in jeder Beziehung desDich- 
ters unwürdig, und wir werden zu der alten Annahme zurückkehren müssen 
dass nach νῦν δὲ τελείαν eine Lücke in ovor. β΄ ist, eine Lücke von sol- 
chem Umfang, dass ovor. β΄ dem avrıcvor. β΄ gleich wird. Doch fehlt es 
auch nicht an Anzeichen wie die Lücke etwa auszufüllen ist.. Zunächst 
kann nach ὀλέσασα das νῦν δέ nur dann berechtigt sein, wenn noch ein 
zweites mit ὀλέσασα coordiniertes Part. folgt. Ferner ist durch τελείαν 
ψυχήν natürlich das Leben Agamemnons bezeichnet, aber dies muss deut- 
licher im Gegensatz zu den vielen vor Troja gefallenen hervortreten. So- 
dann muss hier wie in ovor. und avzıovor. ς΄ eine Klage des Chors über 


COMMENTAR. 447 


den hinterlistig ermordeten gestanden haben, und wenn ich v. 1435 das 
ganz unverständliche ἀξύστατον ἄλγος in ἀρκύστατον ἄλγος ändernd 
wohl auf Zustimmung rechnen darf, so muss speciell eine Erwähnung der 
mörderischen Netze in συστ. β΄ vorgekommen sein. Ja, da der Chorführer 
nach der Mitte des ovor. β΄ das Leichentuch aufgehoben und nun die 
furchtbaren Wunden, die dem unbedeckten Haupte versetzt sind, erblickt 
haben wird, so ist es nicht unwahrscheinlich dass in dieser Lücke das 
rätselhafte ἀσκεύοις gestanden hat, von dem es bei Hesych heisst: ἀσκεύ- 
οιἰς, ψιλοῖς. ἀπαρασκεύοις" «Αἰσχύλος ᾿Δἀγαμέμνονι. Nach diesen An- 
zeichen wage ich etwa folgende Ausfüllung der Lücke vorzuschlagen: 
νῦν δὲ τελείαν σὺ διαφϑείρασ᾽ | Ayayzuvoviav ἄρκυσιν άτης, | ἐγχριμ- 
ψαμένη τοῖς ἀσκεύοις | πελέκει κροτάφοις, ἐφάνης δαίμων | πάντολμός 
τις πανάλωτος. 

Hieran schliesst sich στρ. γ. v. 1427—29, „vortrefflich an. Aus dem 
überlieferten πολύμναστον ἐπηνθίσω δι᾿ αἷμ᾽ ἄνιπτον hat Wellauer gut 
hergestellt 7 πολύμναστον ἐπηνϑίσω alu’ ἄνιπτον,, indem er di” vor 
αἷμα als Dittographie streicht, die zweite Person aber bewahrt, denn die 
Rede richtet sich an Helena. Die Kürze der zweiten Sylbe i in πολύμναστον 
ist unbedenklich, da auch v.957 ὑμνωδεῖ und ν. 1580 μέμνει die erste Sylbe 
kurz haben. Eum. 374. (Vgl. Matthiae Gr. p. 77. „Hephaestion p. 14 Gaisf. hat 
drei solcher Beispiele.) Mit ἐπηνϑίσω αἷμ᾽ ἄνιπτον „du hast einen un- 
vertilgbaren Blutfleck als Blume dir aufgesetzt“ erinnert der Chor unwill- 
kürlich an Klytämnestra (vgl. v. 1370 τόδ᾽ dm&$ov μύσος): natürlich, 
denn in beiden Schwestern waltet ja derselbe Dämon, wie ἄντ. α΄ aus- 
führt. — Im folgenden aber, wo die codd. geben ἥτις ἦν τότ᾽ dv δόμοις] 
ἔρις ἐρίδματος ἀνδρὸς ὀϊξύς, ist noch sehr viel zu bessern. Für ἔρις hat 
Weil sehr gut Egıvvg als Schluss des ersten Verses vorgeschlagen, das 
ist das Wort das sich für Helena ziemt (vgl. v. 721), dass aber ἐρέδματος 
verdorben sein sollte, will mir gar nicht einleuchten, da die Form völlig 
correct gebildet ist und dabei von se hochpoetischem Klange, dass sie 
schwerlich einer Gonjectur oder einer zufälligen Corruptel ihr Dasein ver- 
dankt. Dazu entspricht sie, wenn nur die letzte Sylbe durch Position ge- 
stärkt wird, metrisch ganz und gar dem ἀλαϑείᾳ der Gegenstrophe. Aber 
wenn nun Hermann schreibt ἐρίδματοός τις ἀνδρὸς οἰξύς. so ergänzt er 
die fehlende Sylbe schwerlich richtig, der Fehler liegt vielmehr in ἀνδρός, 
denn in dieser gewichtigen abschliessenden Apposition muss von Helena 
viel mehr gesagt werden, als dass sie das Verderben eines Mannes ge- 
wesen sei: der Zusatz ἐν δόμοις zeigt deutlich dass sie auch diesem Haus 
sich bewährt hat als das, was sie sunst für Hellas gewesen ist, eine wirk- 
liche Ἑλένα, eine „Männervertilgerin“. Mit Bestimmtheit nehm’ ich daher 
an dass ἥτις nv τότε nur Glosse ist, eine prosaische Erklärung der von: 
Dichter gegebenen markigen Apposition (wie z.B. v. 103 das vermeintliche 
Subst. ϑυμοβόραν erklärt wird ἥτις ἐστὲ ϑυμοβόρος λύπη τῆς φρενός), 
und so schreibe ich die ganze schwierige Stelle ἐπηνϑίσω αἷμ᾽ ἄνιπτον,] 
ἐν δόμοισιν Ἐρινὺς | ἐρίδματός 9° ἕλανδρος Οἰξύς. Der Stil ist so ein 
echt äschylischer, der Sinn vollkommen befriedigend; „Du, im Haus eine 


448 COMMENTAR. 


Erinys und eine unwiderstehliche männermerdende Wehefrau“. Mit 
ξλανδρος wird dann die Rückbeziehung auf v. 666 gegeben, dass Helena 
auch für den königlichen Palast das geworden sei, was sie früher für die 
Priamiden gewesen. Der Scholiast aber wollte mit ἥτες nv τότε erklären 
„sie, die damals beim Morde Agamemnons sich als Erinys erwies‘“. 

v. 1435 bedarf es wohl nur einer Verweisung auf das von mir sup- 
plierte συστ. β΄ und auf v. 1335 πημονὴν ἀρκύστατον., um meine Emen- 
dation ἀρκύστατον ἄλγος für ἀξύστατον sicher zu stellen. 

In ἄντ. α΄, v. 1486—42, ist zwar schon sehr viel gebessert, aber 
viel ist noch zu tun übrig. Die Heilung der Corruptelen ἐμπίπτεις, 
διφυεῖσι. καρδίᾳ δηκτόν ist glücklich beschafft ‚worden; auch zeigt das 
Metrum dass Hermann unbedingt richtig nach κράτος ein τ᾽ eingeschoben 
hat (eine andere Verbesserung scheint hier kaum möglich zu sein, da der 
Ausdruck κράτος ἐσόψυχον — κρατύνεις durchaus äschylische Farbe 
hat und vom Scholiasten bestätigt wird): ‚aber wenn man nun hinter xg@- 
τύνεις interpungiert und mit ἐπὶ δὲ σώματος δίκαν — ἐπεύχεται den 
Chor urplötzlich von Klytämnestra in der dritten Person reden lässt, noch 
dazu ohne dass das neue Subjekt genannt ist, so hat man einen Gedanken- 
gang, der nicht einmal des armseligsten Dichters, geschweige denn des 
Aeschylos würdig wäre. „O Dämon, der du auf die beiden Tantaliden- 
häuser dich stürzest und eine gleiche Macht in diesen beiden Weibern 
offenbarst! An der Leiche stehend prahlt sie einen Hynnus zu singen“ 
— so kann Aeschylos nicht gestammelt haben. Er hat vielmehr von dem 
angerufenen Dämon etwas aussagen lassen und zwar, wie στρ. α΄ zeigt, 
in einer ununterbrochenen Periode, welche die ganze Gegen- 
strophe ausfüllte. Unzweifelhaft also beginnt das Prädikat, das von dem 
angerufenen Dämon ausgesagt wird, schon mit κράτος τ᾿ ἐσόψυχον und 
das zweite dazu gehörige Glied setzt ein mit ἐπέ re σώματος. Denn wie 
oft die Abschreiber in ihrer Unfähigkeit die mächtige Gliederung einer 
äschylischen Periode zu erfassen ein solches τέ in δέ verwandelt haben, 
‘ist bekannt: vgl. z.B. zu v. 1229. Wenn es nun aber nach den codd. 
weiter heisst ἐπέ re (δὲ) σώματος δίκαν μοι κόρακος ἐχϑροῦ σταϑεὶς 
ἐννόμως (Farn. und Schol. ἐκνόμως) ὕμνον ὑμνεῖν ἐπεύχεται. so sind 
darin vor allen Dingen zwei schwere Fehler: metrisch vermissen wir 
zwei Sylben hinter oder vor ἐπεύχεται, und statt dieser letzteren Form 
verlangen wir unabweislich die zweite Person. Canter vermutete daher 
ἐπεύχεαι, doch ist diese Form natürlich nicht brauchbar. So würden wir 
an dieser schwer verdorbenen Stelle wohl völlig ratlos sein, wenn uns 
nicht der Scholiast mit seiner Erklärung zu Hülfe käme. Er bemerkt ὡς 
κόραξ ἐσθίων νεκρῶν σῶμα βοᾷ; οὕτω καὶ ö δαίμων ἐκνόμως δικάσει, 
παρὰ τὸ δίκαιον, das soll heissen οὕτω καὶ σὺ ὦ δαῖμον. ἐκνόμως δικα- 

σεν κτλ. Da haben wir einen hochpoetischen und hier einzig passenden 
Gedanken; „wie der unheilige Rabe bei seinem scheusslichen Frass kräch- 
zet, so willst auch du, o Dämon, an der Leiche noch rechten mit mir, 
wem die Schuld des Mordes gehört?“ Nachdem der Chor nämlich Kiytä- 
muestra in ovor. δ΄ hat sagen hören, nicht Helena trage die Schuld des 


COMMENTAR. 449 


Mordes, wendet er sich abermals an den Dämon, den er bisher nur in 
Helena incarniert gesehen hat, und ruft nun an das Schwesterpaar er- 
innert: „Ja, auch in Klytämnestra offenbarst du deine Macht und stehst 
nun wie ein uhheiliger Rabe am Leichnam und prahlst noch mit mir 
rechten zu wollen über den Urheber. der Tat“. Das ‚rechten‘, das der 
Schol. ddrch δικάξεσϑαι giebt, muss der Dichter ausgedrückt haben durch 
ὕμνον ὑμνεῖν Δίκας > das überlieferte ἐπεύχεται aber oder vielmehr 
ἐπεύχῃ wird Glosse sein für das vom Schol. erhaltene βοᾷς, indem der 
Dichter dem Dämon die Tätigkeit des Raben beilegte. So wage ich die 
zweite Hälfte der Gegenstrophe so zu schreiben: ἐπί τε σώματος δίκαν | 
κόρακος ἐχϑροῦ σταϑεὶς ἐκνόμως | ὕμνον ὑμνεῖν βοᾷς ἐμοὶ Δίκας. 
Natürlich ist hierin manches unsicher, aber dem Original bin ich jeden- 
falls viel ‚näher gekommen als Hermann, der durch seine unmetrische Con- 
jectur κήρυκος für κόρακος sich an dem Dichter wahrhaft versündigt hat. 
Vgl. Hik. 721 δυσάγνοις φρεσὶν κόρακες ὥστε βωμῶν ἀλέγοντες οὐδέν." 
Nach meiner Emendation leuchtet übrigens von selbst ein, woher das μοί 
hinter δίκαν in den codd. entstanden ist. — Wo aber so viele und schwere 
Corruptelen vorliegen, da dürfen wir auch kein Bedenken tragen, v. 1438 
das überlieferte γυναικῶν in γυναικοῖν zu ändern: es kam darauf an 
hier das Weiberpaar zu bezeichnen. 

.  Klytämnestra ergreift mit Begierde den Gedanken dass der Alastor 
des Geschlechts den Mord begangen habe: in dem leidenschaftlichen Stre- 
ben von sich die Schuld abzuwälzen überhört sie den vom Chor an sie 
gerichteten Vorwurf. So schildert sie den Alastor als einen Damon von 
unersättlicher Blutgier; sie schaut ihn unter dem Bilde eines Wassersüch- 
tigen, in dessen Bauch sich neues Wasser sammelt, ehe noch der alte 
Krankheitsstoff aufgehört hat. So stützen sich gegenseitig Bambergers 
Emendativn τὸν τριπάχυντον (für τὸν τριπάχυεον) und Wellauers veip« 
„im Bauche‘ für das unverständliche veigeı v. 1447: aber da das Bild von 
der Wassersucht hier so klar durchgeführt ist, ‚begreife ich nicht, wie 
man verbinden kann ἐκ τοῦ γὰρ ἔρως αἱματολοιχὸς νείρᾳ τρέφεται „vom 
Dämon wird die Blutgier im Bauche genährt“. Es ist vielmehr nach 
alueroAoıyos zu interpungieren: „von dem Dämon stammt (ἐστί) die Blut- 
‚gier des Geschlechtes‘“‘, worauf mit explicativem Asyndeton fortgefahren 
wird: νείρᾳ τρέφεται — νέος ἰχώρ „in seinem Bauche sammelt sich 
immer neues Wasser“. | 

v. 1449 ist Hermann sehr unglücklich in der Aenderung des über- 
lieferten ἢ μέγαν οἴποις τοῖσδε δαίμονα gewesen, indem er zuversicht- 
lich schrieb 7 μέγα δώμασι τοῖσδ᾽ αἵμονα κτλ. Denn da hier eine neue 
Abteilung des Chors das Wort ergreift und zwar mit einem gewissen Ent- ᾿ 
setzen über das vernommene Walten des höllischen Geistes, dem er in 
frommem Glauben den Zeus entgegensetzt, so kann in seiner Erwiderung 
der Begriff δαίμονα, den die Ueberlieferung giebt, unmöglich fehlen. 
Auch die anderen Besserungsversuche sind so misslungen, dass sie keine 
Erwähnung verdienen, nur Schneidewins Conjectur ἡ μέγαν οἰκονόμον 
δαίμονα zeichnet sich, so wenig sie diplomatisch wahrscheinlich ist, 


AESCHYL. AGAMEMNON. . 29 


450 COMMENTAR. 


durch äschylischen Ton aus. Es ist aber dieser Vers auch in der Gegen- 
strophe nicht ganz richtig; es ist klar dass er als Vorläufer des folgenden 
umfänglicheren logaoedischen Verses dies Mass haben muss - u _.- 
Indem „ich also in der Gegenstrophe v. 1473 schreibe ὡς μὲν ἄνατος εἶ 
statt ὡς μὲν ἀναίτιος εἶ (Hesych ἄνατος, ἀβλαβής, und Schol. Soph. 
0. C. 786 erklärt ἄνατος durch ἀναίτιος oder ἀβλαβής). stelle ich die 
Strophe so her: 9 μέγαν οἰκέταις | δαίμονα κτλ. „wahrlich, du nennst 
da dem Hause etc.“ Οὐκέται für „Hausgenossen“ gebraucht Aeschylos 
auch v. 707 und Ch. 724. Zu diesem οἰκέταις aber musste unausbleiblich 
die Glosse οἴκοις τοῖσδε hinzugeschrieben werden. 

v. 1461 ist der überlieferte Schluss des anapästischen Systems ἀσεβεῖ 
ϑανάτῳ βίον ἐκπνέων ohne Zweifel verstümmelt. Denn nicht nur wäre 
es beispiellos ἐκπνέων zweisylbig zu lesen, sondern auch das Part. Präs. 
kann nicht richtig sein, da Agamemnon ja bereits sein Leben ausgehaucht 
hat. Sehr richtig schreibt also Hartung &xrwwevoas, aber dabei verfällt 
er wieder in einen schlimmen Fehler, indem er das anapästische System 
ohne seinen legitimen Schluss lässt. Nach ἐκπνεύσας ist noch ein zu 
βίον gehöriges Adj. zu ergänzen, sodass das ganze System sich in zwei 
völlig gleiche Hälften teilt: eben die Unleserlichkeit jenes Adj. bewirkte 
wahrscheinlich erst die Verwandlung von ἐκπνεύσας in ἐκπνέων. Auch 
stilistisch ist das blosse βίον in dieser Klage viel zu kahl, und der Gegen- 
"satz von στρ. ζ΄ zeigt, welchen Sinn das fehlende Adj. gehabt hat. So 
schreibe ich ἀσεβεῖ ϑανάτῳ | βίον ἐκπνεύσας ἐρικυδῇ. Ebenso natürlich 
v. 1485. 

Aber wenn hier noch Zweifel obwalten kann über die Wahl des zu 
βίον gehörigen Adj., so hoffe ich unbedingte Zustimmung zu finden für 
eine Verbesserung von v. 1463. Hier liest man δολίῳ μόρῳ δαμεὶς | ἐκ 
χερὸς ἀμφιτόμῳ βελέμνῳ. Erst Weil hat gefühlt dass das nackte ἔκ 
χερός sehr frostig und matt sei. Wenn er aber vorschlägt zu lesen ἀνε- 
λευϑέρῳ | μόρῳ δολίας δαμεὶς κτλ... so nimmt er erstlich dem Subst. 
sein notwendiges Complement ἀνελεύϑερον (vielleicht ἀνελευϑέραν,, da 
Farn. ἀνελεύϑερα hat, vgl. zu v. 103), sodann aber ist die ganze Aende- 
rung zu gewaltsam, als dass sie wahrscheinlich heissen könnte. Es ist 
vielmehr durch &inen Federstrich δολέῳ μόρῳ zu verwandeln in das zu 
ἐκ χερός gehörige doAsouopov: so erhält χερός sein unentbehrliches Com- 
plement, und zugleich entgehen wir dem neben βελέμνῳ höchst anstössi- 
gen Dativ μόρῳ. Sonst findet sich δολεόμορος „einen hinterlistigen Tod 
bringend‘“ nicht, ja vielleicht ist es einzig und allein an dieser Stelle von 
Aeschylos gebildet nach Analogie von δολιόπους , δολιύβουλος, δολιεόμη- 
tig, aber wer Sinn für poetischen Stil hat, wird die Richtigkeit meiner 
Aenderung nicht bezweifeln können. Auch rhythmisch empfiehlt sich 
meine Emendation: wir haben jetzt im vorletzten Verse eine iambische 
Tripodie mit einer der Gemütsbewegung des Chors entsprechenden Auf- 
lösung. 

Das ovor. η΄, v. 1465—72, entspricht nicht genau dem avzıovdr. η΄, 
das nach der Ueberlieferung drei Dipodien mehr zählt. Dass eine Ueber- 


COMMENTAR. 451 


einstimmung hier stattfinden muss, ist bei Aeschylos, der selbst die zwi- 
schen melischen Partien stehenden iambischen Trimeter in strengster 
Responsion hält, völlig gewiss. Gewöhnlich nimmt man an dass im avrı- 
ovor. die beiden ersten Verse οὔτ᾽ ἀνελεύϑερον οἶμαι ϑάνατον τῷδε 
γενέσϑαι eine Interpolation seien, ich werde aber am betreffenden Orte 
unwiderleglich erweisen dass jene Worte gar nicht entbehrt werdeu kön- 
nen. Es ist vielmehr in ovor. η΄ eine Lücke, und diese ist deutlich genug 
markiert durch das corrupte μηδ᾽ ἐπιλεχϑῆς v. 1466. Wenn dies nämlich 
nach Auratus zu schreiben ist μηδ᾽ ἐπιλεχϑῆῇς (wie neben διελέχϑην sich 
auch διελεξάμην findet, so hat es umgekehrt nichts befremdliches, wenn 
neben Formen wie ἐπιλεξαμένη — Hik. 47 und Hesych — auch ein 
ἐπιλεχϑῇς gebildet wird), so zeigt eben dies μηδέ dass ein dem verbieten- 
den Conjunctiv coordinierter Gedanke vorausgegangen sein muss. Und 
da uun Kiytämnestra im ἀντίσυστ. Bezug nimmt auf des Chors Worte 
ἀνελεύϑερον und doAsöuogog, so ist es kaum denkbar dass sie nicht hier 
auf den schweren Vorwurf dass Agamemnon ἀσεβεῖ ϑανάτῳ (v. 1461) ge- 
storben sei geantwortet haben sollte. Dies wird bestätigt durch den übri- 
gen Inhalt des ovor. ἡ : denn indem sie betont, sie sei nicht des Ermor- 
deten Gattin, sondern der Alastor des Geschlechts, will sie offenbar sich 
gegen den Vorwurf schützen, als habe sie ein unsühnbares Verbrechen 
begangen. Daher glaube ich dass Aeschylos etwa 80 geschrieben hat: 

αὐχεῖς εἶναι τόδε τοὔργον ἐμὸν | κοὐκ ἀρνοῦμαε᾽ | μή μοι δ᾽ ἀσεβῆ 
ϑάνατον μέμψῃ | μηδ᾽ ἐπιλεχϑῆς | Ayausuvovlav κτλ. 

v.1473 codd. ἀναίτιος statt ἄνατος : vgl. zu v. 1449, — Aber v. 1477 
bis 1480 wartet unser eine ganz verzweifelte Stelle, an der sich die empö- 
rendsten Conjecturen versucht haben. Die codd. geben: βιάξεται δ᾽ ὅμο- 
σπόροις ἐπιρροαῖσιν αἴματων μέλας Ἄρης" ὅποι δὲ καὶ προσβαίνων, 
πάχνα κουροβόρῳ παρέξει. Mit Sicherheit ist hierin προσβαένων durch 
Canter in προβαίνων emendiert, alles andere aber schwankt noch vor den 
Blicken, wenn man auch ahnt dass der Chor sagt: „der Alastor werde um 
des Kindermordes willen noch viel Blutvergiessen herbeiführen“. Auch 
hier gewährt zuerst die Interpunktion der Strophe einen einigermassen 
sicheren Anhalt: wie v. 1455 einen neuen Satz beginnt, so wird auch hier 
nicht hinter, sondern vor μέλας Aong zu interpungieren sein. Schreiben 
wir dann statt des ganz unverständlichen βιάξεται nach Karstens elegan- 
ter Conjectur βρνάξεται (Hesych: Bovasoueı, ἀναβακχεύσομαι μετά τινος 
κινήσεως), so gewinnen wir den schönen Gedanken: „er, der Alastor, 
plätschert so recht mit voller Lust in immer neuen Strömen von Ver- 
wandtenblut“. Vergeblich aber hat man sich bemüht ὅποι δὲ καὶ προ- 
βαίνων zu verteidigen, es wird Niemandem gelingen diese Struktur durch 
sichere Beispiele zu belegen, aber hier ist leicht geholfen: man schreibe 
μέλας “Ἄρης ὅποι δοκεῖ προβαίνων, sodass der Alastor mit nachträglicher 
Steigerung ein finsterer Würgengel heisst, der fortschreitet, wohin ihm 
beliebt. — Viel schwieriger ist die Heilung des letzten Verses πάχνα 
κουροβύρῳ παρέξει. Hermann ändert πάχνα in rayve, und dies mit 
κουροβόρῳ verbindend erklärt er: „der Alastor wird dem vom Kinderfrass 


29* 








452 COMMENTAR. 


herrührenden geronnenen Blut ἐπιρροὰς aluarov darreichen“. Aber 
gegen diese Erklärung spricht alles: πάχνη „der Reif‘ wäre hier wunder- 
bar dunkel und beispiellos für das geronnene Blut gebraucht; dazu rührt 
die Blutlache, yon welcher hier gesprochen sein soll, doch nicht sowohl 
von dem Kinderfrass, als vielmehr von der Schlachtung her, und 
statt κουροβόρῳ müssten wir παιδοσφάγῳ oder ein ähnliches Wort ver- 
langen; wie schwierig und dunkel wäre ferner die Ergäuzung des Objekts 
und wie wenig plastisch und bezeichnend das Verbum παρέξει. Auch die 
Prophezeihung des Chors durch παρέξει wäre hier ganz unstatthaft, denn 
die Rache des Orestes deutet er erst in στρ. und avriore. © an, hier aber 
muss er ohne Hinweisung auf die Zukunft ganz allgemein von der Macht 
und Lockung des Alastor sprechen, gerade wie in den letzten vier Versen 
der Strophe von der Allmacht des Zeus. Das Fut. παρέξει ist also durch- 
aus zu beseitigen; wunderbar aber dass es noch Niemandem eingefallen 
zu sein scheint, παρέξει als Dat. des Subst. πάρεξις zu fassen und eben 
diesen Dativ mit κουροβόρῳ zu verbinden. Und doch ist diese Deutung 
die einzig statthafte: πάχνη κουροβόρος würde immer eine kaum zu ent- 
rätselnde und incorrecte, also nicht äschylische Verbindung sein, während 
κουροβόρος πάρεξις ganz unzweideutig „die Darreichung des Knaben- 
frasses“ ist. Das Subst. πάρεξις ist völlig correct gebildet und kommt bei 
Hippokrates, der manche äschylische Wörter hat, vor. Und diese Verbin- 
dung wird glänzend bestätigt durch v. 1561, wo es von Atreus heisst 
παρέσχε δαῖτα παιδείων κρεῶν. So glaube ich denn kaum fehl zu gehen, 
wenn ich die letzten Worte der Strophe schreibe παχῆς κουροβόρῳ 
nrapeseı „gemästet durch die Darreichung, des Kindermahles“. Mit πάχης 
(vgl. Tzetz. Hist. 9, 304: παχὺς μὲν ὃ ἀνόητος κυῤίως κλῆσιν φέρει" 
πάχης δὲ © ὃ κατάσαρκος καὶ πιμελὴς καλεῖται) wird zurückgewiesen auf 
v. 1444 τὸν τριπάχυντον δαίμονα γέννας. Die Corruptel aber erklärt 
sich daraus dass zunächst vor μουροβόρῳ das © verloren ging, dann 
πάχη durch Conj. in πάχνη verwandelt und endlich dorisiert ward. 

Die Anfangszeilen des ἀντισυστ. η΄; v. 1489—96, beeifern sich nach 
Seidler alle neueren Herausgeber mit Ausnahme ‚Engers als des Dichters 
unwürdig zu verwerfen. Die Worte οὔτ᾽ aveAsudegov οἶμαι Yavarov | 
τῷδε γενέσϑαι geben alle cudd. und ohne Variante: aber Hermann sagt 
von ihnen ‚„frigent maxime produntque manum inlerpretis ralionem 
reddentis eorum quae sequuntur‘‘, und Karsten behauptet „ineptus 
versificator , cui transitus minus facilis viderelur, hunc pannum alle- 
zuil‘“‘, ja selbst der vorsichtige Weil nennt sie versus pedestres, subinep- 
tos. Wie hat man doch so leichtfertig über des Dichters Worte aburteilen 
mögen, und das aus keinem anderen Grunde, als weil im avrıovor. zwei 
Zeilen mehr überliefert waren als im ovor. ἡ und deshalb in jenem eini- 
ges gestrichen werden zu müssen schien! Was soll denn eigentlich 
frostig und ungereimt in jenen Worten sein? Darf Klytämnestra nicht 
gegen den Vorwurf des Chors, dass das Todtenbett Agamemnons kein 
Bett der Ehre, sondern der Schmach sei, replicieren? Aehnliches tut sie 
ja in allen ihren Entgegnungen. Aber vielleicht ist das bescheiden klin- 








COMMENTAR. 453 


gende οἶμαι frostig und ungereimt? Man sollte doch wohl fühlen, wie 
jene Litotes „ich denke dass ihm kein unehrenhafter Tod geworden ist“ 
dem sarkastischen Tone der Königin ganz vortrefflich ansteht. Gewiss, in 
den Worten an sich liegt nichts, das jene harten Urteile auch nur irgend 
rechtfertigte oder entschuldigte: eine andere Frage aber ist es, ob sie 
mit dem folgenden in eine passende Verbindung gesetzt werden können. 
Jedenfalls aber hätte schon der merkwürdige Umstand die Herausgeber 
vor der Interpolationsjägerei bewahren sollen, dass die codd. einstimmig 
οὔτ᾽ ἀνελεύϑερον κτλ. geben. Ein Interpolator hätte doch sicherlich 
sein Machwerk nicht mit einem ovre begonnen, dem scheinbar gar kein 
zweites Glied entsprach, sondern vielmehr mit οὐκ (das erst Schütz durch 
geistreiche Conjectur aus jenem οὔτε herausgebracht hat). Bevor wir 
aber die Verbindung der so hart verurteilten Worte mit dem nachfolgenden 
sicherstellen können, haben wir erst zu prüfen, ob die landläufige Er- 
klärung der als echt anerkannten Worte richtig ist. Da liest man nun 
mit Hermann; οὐδὲ γὰρ ovrog δολίαν ἅτην | οἴκοισιν ἔϑηκ᾽ ; | ἀλλ᾽ 
ἐμὸν ἐκ τοῦδ᾽ ἔρνος ἀερϑὲν | τῆς πολυκλαύτης Ἰφιγενείας (überliefert 
ist τὴν πολύκλαυτόν τ᾽ Ἰφιγένειαν) κτλ. und erklärt: „denn hat nicht 
auch dieser (Agamemnon) die listige Ate ins Haus gebraucht? nun wohlan, 
so mag er denn auch etc.“ Aber diese Interpretation ist ebenso sinn- 
widrig, wie sie unbesonnen mit der Grammatik und der Metrik umgeht. 
Denn .wie? von Agamemnon sollte gesagt werden köunen „er habe die 
listige Ate dem Hause hingestellt‘“? Wodurch hätte er das getan? dass 
er bei Iphigenias Opferung irgend eine List oder einen Vorwand ge- 
braucht hätte, davon findet sich bei Aeschylos auch nicht die leiseste An- 
deutung, während doch in jenem Chorgesange, worin die Schuld des 
Königs so nachdrücklich hervorgehoben wird, Veranlassung genug ge- 
wesen wäre jene List zu erwähnen, falls der Dichter sie gekannt hä hätte. 
Aber weiter: woher nehmen sich alle Erklärer das Recht οὐδὲ γὰρ οὗτος 
zu übersetzen „denn ‚hat uicht auch dieser etc.‘““? Das hätte griechisch 
heissen müssen οὐ " γὰρ καὶ οὗτος, dass aber dafür auch gesagt werden 
könne οὐδὲ γὰρ ovrog, hätte ich gern durch irgend ein sicheres Beispiel 
beglaubigt gesehen. Ich finde keines der Art. Pape freilich s. v. οὐδέ 
führt als Belege für diesen Gebrauch ausser unserer Stelle auch Soph. 
Tr. 317 und 1012 an, aber dort hat οὐδέ beide Male seine legitime Be- 
deutung ne-quidem. So müsste auch hier οὐδὲ γὰρ οὗτος heissen „‚denn 
nicht einmal dieser“. Dazu kommt nun noch dass ἔϑηπκε vor einer so 
starken Interpunktion, wie die Herausgeber sie hier annehmen, auf keinen 
Fall die Elision zugelassen hätte; ferner dass Klytlämnestra ihren todten 
Gemahl sonst immer mit 0de, nie mit ovrog bezeichnet, und dass αλλά 
im folgenden sinnlos wäre, statt dessen "vielmehr der von der Erklärung 
angenommene Gedankengang gebieterisch ein „also“ verlangen würde. 
Endlich aber wird das überlieferte τὴν πολύκλαυτόν τ᾽ Ἰφιγένειαν, weil 
man mit dem τέ nichts anzufangen weiss, jener Deutung zuliebe aufs will- 
kürlichste geändert. Genug und übergenug, es ist bewiesen dass jene 
allgemein gebilligte Erklärung auf keine Weise haltbar ist. Vielmehr ist 





454 COMMENTAR. 


mit Aenderung eines einzigen Buchstaben und mit verbesserter Inter- 
punktion so zu lesen: οὐδὲ γὰρ οὔτις δολίαν ἃ ἅτην οἴκοισιν ἔϑηκ᾽, ἀλλ᾽ 
ἐμὸν ἐκ τοῦδ᾽ ἔρνος κτλ. „denn auch nicht ein einziger soust hat dem 
Hause die listige Ate hingestellt, als nur meine von ihm empfangene 
Tochter“. Diese Erklärung ist einfach und correct: ἀλλά für ei un findet 
sich z. B. Il. 21, 275 und Soph. 0. R. 1331 ἔπαισε δ᾽ αὐτόχειρ νιν οὔτις 
ἀλλ᾽ ἐγὼ τλάμων. Nun erst ist die Elision in ἔϑηκε gerechtfertigt, nun 
der Gedanke ein in sich wahrer: „Iphigenia wollte Rache haben, so 
musste sie zur Ausführung derselben die listige Ate dem Hause hinstellen“. 
Und so gefasst geben die Worte eine vortreffliche sarkastische Erklärung 
zu dem überlieferten Anfang des Systems: „ich denke dass diesem nicht 
ein ehrloser Tod geworden ist, denn den listigen Tod hat ihm ja sein 
eigen Fleisch und Blut bereitet, das er so liebevoll behandelt hat.‘ — 
Wenn man übrigens gewöhnlich liest ἐμὸν ἐκ τοῦδ᾽ ἔρνος ἀερϑέν mit 
der Erklärung „mein aufgewachsener, aufgeschossener Sprössling von 
ihm“ (Naegelsbach ignoriert ἀερϑέν ganz), so deutet man das Particip 
ganz sprachwidrig und beruft sich umsonst auf das völlig verschiedene 
ὃ δ᾽ ἀνέδραμεν ἔρνεϊ ἶσος, zugleich aber lässt man den Dichter etwas 
ganz müssiges sagen, denn ἐμὸν ἐκ τοῦδ᾽ ἔρνος heisst schon klar und 
rund „meine von ihm empfangene Tochter“. Wäre ἀερϑέν richtig, so 
könnte es nur heissen „zur Opferung emporgehoben“ (vgl. v. 220 λαβεῖν 
ἀέρδην), aber für diesen Begriff wäre das blosse „emporgehoben“ viel 
zu dunkel. Es ist vielmehr zu lesen ἀλλ᾽ ἐμὸν ἐκ τοῦδ᾽ ἔρνος κερϑέν 
„die Ermordung meiner von ihm empfangenen Tochter“. Gerade κείρω 
ist der eigentliche Ausdruck vom Mähen der Todessense, es bleibt also 
völlig im Bilde von ἔρνος. Vgl. Hik. 640 μηδ᾽ ᾿ἀφροδίτας εὐνάτωρ βρο- 
τολοιγὸς "Ἄρης κέρσειεν ἄωτον. Der Aor. ἐκέρϑην. poelischer als die 
gewöhnliche Form ἐκάρην. findet sich auch Pind. Ol. 4, 82 πλόκαμοι 
κερϑέντες. — Nun aber können wir den neuen Satz ganz nach der Ueber- 
lieferung beginnen mit τὴν πολύκλαυτόν τ᾽ ἸΙφιγενείαν, und es leuchtet 
sofort ein dass dieses bisher so rätselhafte,* von so vielen unwahrscheinu- 
lichen Conjecturen heimgesuchte τέ dem οὔτε zu Anfang des Systemes ent- 
spricht. Wenn ich nun noch darauf aufınerksam mache, dass die volle 
Interpunktion nach κερϑέν das ganze System in zwei fast gleiche Teile 
zerlegt, ganz ebenso wie die nach ἄλοχον συστ. η΄. und dass die zweite 
Hälfte die positive Kehrseite zur negativen ersten enthält („nicht einen 
unehrlichen, sondern würdigen Tod erlitt er“), so wird, denke ich, so- 
wohl meine Aenderung von οὗτος in οὔτις, als auch meine Revindication 
der dem Dichter so schmählich abgesprochenen Worte οὔτ᾽ ἀνελεύϑερον 
κτλ. keinem Widerspruch mehr,begegnen. Dann bezeugt aber diese jetzt 
offenbar völlig gesunde Stelle dass Rossbach und Westphal III, p. 100, 
Recht haben, wenn sie an dem durch Interpunktion geschützten Hiatus 
zwischen τῷδε γενέσϑαι und οὐδὲ γάρ keinen Anstoss nehmen, dass also 
auch Eum. 312 die Ueberlieferung οὔτις ἀφ᾽ ἡμῶν μῆνις ἀφέρπει., ἄσι- 
νὴς δ᾽ αἰῶνα διοιχνεῖ nicht mit Hermann und anderen durch Umstellung 
der Worte anzutasten ist. — v. 1493 ist natürlich mit Hermann ἄξια 


COMMENTAR. 455. 


δράσας statt des überlieferlen ἀνάξια δράσας zu lesen: die Abschreiber 
verstanden den in ἄξια liegenden Sarkasmus nicht. Statt Ἰφιγένειαν ist 
dann mit Dehnung der letzten Sylbe zu schreiben Ipıyeveiav: ich glaube 
mit Dindorf dass der Dichter, der auch sonst in Eigennamen sich manche 
metrische Freiheit nimmt, sich diese Irregularität wohl hat gestatten 
dürfen. — v. 1496 nehm’ ich mit Schneidewin und Weil unbedingt Nebers 
Emendation ἔρξεν für ἦρξεν an. 

In στρ. 9° geben v. 1498 die codd. εὐπάλαμνον μέριμναν, wofür 
Hermann sehr gewagt schreibt ἀπάλαμον μέριμναν. was in metrischer 
und grammatischer Beziehung bedenklich ist. Gleichzeitig bringen da- 
gegen Karsten und Enger die treffliche Emendation εὐπαλάμων μεριμνᾶν. 
— Schwere Corruptelen sind aber in den beiden letzten Versen der 
Strophe. Die codd. geben δίκη (Farn. dag oder δίκῃ) δ᾽ ἐπ᾽ ἄλλο πρᾶ- 
γμα ϑήγει βλάβης | πρὸς ἄλλαις ᾿ϑηγάναις Μοῖρα, Auratus schrieb 
δίκην δ᾽ ἐπ’ ἄλλο arl., Pauw ϑηγαναισι, und Hermann emendierte nach 
Hesychs Glosse ϑηγάνει o&vvsı das unmetrische ϑήγεε in ϑηγάνει. Aber 
damit hätte man sich nicht zufrieden geben dürfen: ein so incorrectes, 
aller Plastik baares Bild wie „die Moira wetzi die Gerechtigkeit‘ hätte 
sich Aeschylos nie zu Schulden kommen lassen. Viel besser war dagegen 
Musgraves elegante Conjectur Δίκη δ᾽ ἐπ᾽ ἄλλο πρ. ϑηγάνει βλάβης 
πρὸς ἄλλαις ϑηγάναις μάχαιραν. Doch wendet Weil mit Recht dagegen 
ein dass μάχαιραν hier an einer viel zu stark betonten Stelle stehe und 
dass auch Ch. 635 das Verhängniss das Racheschwert bereite προχαλκεύει 
δ᾽ ἶσα φασγανουργός. Gehen wir denn auf die Ueberlieferung zurück, 
so ist zunächst gewiss dass der Schlusssatz die Erklärung zum Vorher- 
gehenden geben soll: „ich fürchte einen Blutregen, denn schon wetzt 
das Verhängniss etc.‘ Sehr verdächtig ist also das δέ hinter δίκη. der 
Dichter wird hier wie fast immer in ähnlichen Fälleu explicat. Asyndeton 
gebraucht haben. Sodann ist der Begriff des Schwertes, das die Moira 
wetzt, in keiner Weise zu entbehren. Ferner ist ἐπ᾽ ἄλλο πρᾶγμα βλά- 
βης kein äschylischer Ausdruck: ἐπ᾿ ἄλλο πρᾶγμα bezeichnet für sich 
allein schon deutlich genug die Rachetat des Orestes, wollte der Dichter 
aber noch ein malendes Attribut hinzufügen, so konnte das nur in Form 
eines Adj. geschehen. Endlich aber ist πρὸς ἄλλαις ϑηγάναις ganz un- 
verständlich: ich möchte dass ein Erklärer deutlich gemacht hätte, wel- 
cher andere Wetzstein hier hätte gemeint sein können. Wenn die 
Moira das Racheschwert schärft, so kann in diesem Falle der Wetzstein 
nur diein Bezug aufdieMutterruchlose Gesinnung des Ore- 
stes sein, wie das ja der Schluss der „Choephoren‘“ und die „Eumeniden‘ 
zur Genüge ausführen. Da liegt der Schlüssel, der uns das Verständniss 
der schweren Corruptelen erschliesst. Πρὸς ἄλλαις ϑηγάναις ist unter 
dem Einflusse des vorhergehenden ἐπ᾿ ἄλλο π πρᾶγμα verschrieben aus 
πρὸς Ares ϑηγάναισι, und sofort erhellt dass βλάβης. das sich schon 
durch die Form (statt βλάβας) als Scholiastenzutat erweist, nur Glosse 
zu diesem verloren gegangenen "Ares ist. Vgl. Hesych ἄτη βλάβη; ἀτη- 
ρὸν βλαβερόν, ἀτώμενον βλαπτόμενον, παρὰ τὴν ἄτην. Diese Glosse 





456 COMMENTAR. 

\ 
βλάβης hat sich also in die Stelle des unleserlich gewordenen Wortes, 
das den Begriff der zu schärfenden Waffe enthielt, gedrängt; δίκη δ᾽ 
aber ist verlesen aus ἀκάν. vgl. Hesych ἀκή; αἰχμὴ σιδήρου (ἀκμὴ 
σιδήρου) und ἄκα (1168 ἀκα) τὸ ὀξὺ καὶ «ἄκρον. τῆς φάλαγγος : auch 
Eustath. erklärt εὐήκης αἰχμή durch ἡ εὖ τῆς ἀκῆς ἔχουσα. Darnach 
zweifle ich kaum, wie sehr meine Aenderung auch von der Ueberlieferung 
abweicht, dass der Dichter geschrieben hat ἀκὰν ἐπ᾽ ἄλλο πρᾶγμα Inya- 
νει ξίφους | πρὸς Ares ϑηγάναισι Moige „schon wetzt die Moira (hier 
identisch wit Dike und Erinys, vgl. Prom. 518 Μοῖραι τρέμορφοι μνή- 
μονές τ᾽ Ἐρινύες) die Schärfe des Schwertes zu einem anderen Werke an 
dem Wetzstein des Wahnsinnes“. 

Wäbrend des ἀντισυστ. β΄, v. 1504—12, marschieren nach der obi- 
gen Auseinandersetzung die beiden Mittelzüge und die Seitenzüge des 
Chors wieder in den Stand, den sie bei στρ. α΄ eingenommen haben, zu- 
rück: daher hier nur in den ersten Takten eine Klage um den Todten, in 
den übrigen dagegen Sorge um sein Begräbuiss. In der zweiten Hälfte 
ist der Koryphäe bereits soweit im Bogen herumgekommen, dass er die 
Klytämnestra wieder i ins Auge fasseu und mit σύ anreden kanı. 

In ἀντ. γ΄ geben die codd. v. 1513 τίς δ᾽ ἐπιτύμβιος alvog „welche 
Leichenrede‘“ und man nimmt zur Erklärung an dass Aeschylos die erst 
seit den Perserkriegen aufgekommene Sitte der Leichenrede auf das 
‘'heroische Zeitalter übertragen habe. Dieser Anachronismus wäre nun 
freilich ganz unverfänglich, aber die Leichenrede war doch auch später so 
wenig ein notwendiger Teil der religiösen Feierlichkeiten beim Be- 
gräbniss, dass der Chor unmöglich gerade darnach fragen konnte als nach 
dem wesentlichsten. Dazu passt zu αἶνος durchaus nicht das Verbum 
πονήσει: eine Rede ‚„ringt‘‘ nicht. Aeschylos hat vielmehr geschrieben 
τίς δ᾽ ἐπιτύμβιος οἶκτος „welche Todtenklage“: denn diese gehörte 
wesentlich zur Bestattung, und dazu stimmt πονήσει. Vgl. Ch. 406 τόνδε 
πλύουσαν οἶκτον. Hesych: οἶκτος. ϑρῆνος. Ehen diese Glosse erklärt 
die Corruptel: ϑρῆνος war in den Text gedrungen,, und hieraus machten 
die Byzantiner durch metrische Conjectur αἶνος. — Daraus ergiebt sich 
auch die Emendation und Erklärung des folgenden Verses. Ueberliefert 
ist σὺν dexovorc (Flor. δακρύοιν) ἰάπτων , was Porsun in σὺν δώκρυσιν 
ἰάπτων verwandelte. Allein ἐώπτων ist noch völlig dunkel: Hermann be- 
gnügt sich mit der Bemerkung, es sei intransitiv zu fassen wie Hik. 531, 
allein damit ist nichts erklärt. „Versenden, verströmen‘ könnte ein 
οἶκτος (oder αἶνος) nur Tränen, aber gerade weil σὺν δάκρυσιν dasteht, 
kann ἐζπτῶν nicht diese Bedeutung haben. Aber Pers. 917 zeigt das Mittel 
zur Erklärung. Dort heisst es in dem Klagegesang πέμψω πέμψω πολύ- 
daxgvv ἰαχάν und in der Gegenstrophe κλάγξω κλάγξω δ᾽ ἀρίδακρυν 
ἰαχαν. Also Tränen und Weherufe sind das für den οἶκτος wesentliche. 
Darnach könnte es scheinen, als ob hier zu schreiben wäre σὺν δάκρυσιν 
ἰαχῶν (ἰακχῶν). Allein gerade diese Bedeutung des leidenschaftlichen 
Weherufes und des dabei stattfindenden Zerfleischens der Wangen hat 
auch ἐάπτων, das also nicht der Aenderung, sondern nur der gründlicheren 








COMMENTAR. | 457 


Erklärung bedarf. Wenn es schon Od. 2, 376 heisst ὡς ἂν μὴ κλαίουσα 
κατὰ χρύα καλὸν ἰάπτῃ und Hesych die Glossen hat ἐάπτειν σπαράσ- 
σειν αἰκίξεσϑαι βοᾶν βλάπτειν oder ἰάψαι φϑεῖραι oder ἰάψειεν προ- 
βάλοιεν φϑείρειεν., so ist es doch sonnenklar, mit welchem Unrecht die 
Lexica diesem Verbum wegen der äusseren Aehnlichkeit mit ἰάλλω die 
Bedeutung dieses letzteren „senden“ als Grundbedeutung beilegen. Viel- 
mehr bezeichnet ἰάπτειν, gemäss seiner Verwandtschaft mit ἔπτειν und 
Ἰάπυξ (Hesych ἄνεμος ἐλαφρός). ursprünglich das widerstandslose Da- 
hinstürmen, und in dieser seiner Grundbedeutung steht es noch Hik. 531, 
wo also nicht etwa &&vrnv zu ergänzen ist. Transitiv wird es dann auch 
gebraucht von der widerstandslosen Wucht des Blitzes , die etwas nieder- 
schmettert, wie Hik. 86 danısı δ᾽ ἐλπίδων ἀφ᾽ ὑψιπύργων πανώλεις 
Beurovs, oder von der Kraft der Bogensehne, die den Pfeil widerstands- 
los dahin sausen lässt, wie Ag. 488 τόξοις ἰάπτων μηκέτ᾽ εἰς ἡμᾶς βέλη. 
Aber wie Hesychs Glossen zeigen, ist die eigentliche Begriffssphäre des 
Wortes eine Verengung seiner Grundbedeutung: es bezeichnet nament- 
lich „das rücksichtslose leidenschaftliche Dahinstürmen des Schmerzes in 
der Todtenklage, ein Dahinstürmen, das sich besonders im Weheruf und 
der Zerfleischung der Wangen und der Brüste geltend macht‘ und in die- 
ser seiner gewöhnlichsten Bedeutung haben wir das Verbum an unserer 
Stelle zu fassen. Iu der angeführten homerischen Stelle ist demnach 
κατιάπτειν nicht, wie noch Ameis erklärt, „herahstossen, herunter- 
bringen, d. h. zerstören“, sondern prägnant „durch leidenschaftliches 
Dahinstürmen des Schmerzes den schönen Leib vernichten“: eben κατά 
drückt das Hinschwindenlassen aus und erleichtert wie in vielen Compo- 
sitionen die Auffassung des Wortes als eines transitiven; vgl. zu v. 539. 

Im ovor. ı ist v. 1516 nach Karstens und Schneidewins schöner 
Emendation τὸ μέλημ᾽ ἀλέγειν für τὸ μέλημα λέγειν zu schreiben. — Die 
von Hermann angezeigte, Lücke nach v. 1519 ergänze ich nach Anleitung 
von Ch. 424 etwa so: οὐδὲ πολίτας dei παραπέμψαι | πενϑητήῆρας γοε- 
ooig ϑρήνοις. Die verloren gegangenen Worte haben im cod. Alex. am 
unteren Rande der zweiten Golumne nach jener gestanden, an deren un- 
terem Rande die beiden Verse nach v. 1465 unleserlich waren. — v. 1526 
ist das überlieferle χεῖρα. wofür Porson χεῖρε schrieb, beizubehalten: 
Wieseler verteidigt den Sing. gut durch Verweisung auf Eur. Iph. T. 787 
und Simonid. fr. 44, 4 B. 

In ἀντ. &’, v. 1527—33, kann ὄνειδος nicht, wie viele meinen, „der 
Vorwurf in Worten‘ sein, denn einen solchen hat Agamemnon nieman- 
dem gemacht, dass ihm dafür die Vergeltung kommen könnte: das Wort 
ist vielmehr metonymisch als „die einen Vorwurf erzeugende Tat“ zu 
verstehen, wie Wunderlich Obs. crit. p. 48 und Hermann richtig ein- 
gesehen haben. Es bedeutet hier also „Verbrechen“, und nur aus Pietät 
gegen den gemordeten König wählt der Chor zur Bezeichnung der Opfe- 
rung Iphigenias jenes gelindere Wort. Von diesen hösen Taten heisst es 
dann δύσμαχα δ᾽ ἐστὶ κρῖναι (wie Pind. Ο]. 13, 18 ἄμαχον δὲ πρύψαι 
τὸ συγγενὲς ηϑος),, 516 streuben sich gegen eine Sonderung “ 4. h. „sie 


458 COMMENTAR. 


sind nicht jede einzeln für sich zu betrachten, sondern wie ein üppiges 
Rankengeflecht sind sie mit einander vernestelt‘“. — Schwer aber schei- 
nen mir die folgenden Worte φέρεν φέροντα bisher missverstanden zu 
sein. Hermann deutet: „aufert Clytaemnestra auferentem, luitque qui 
occidit“. Aber woher nimmt er das Subjekt Clytaemnestra? Da hätte es 
doch in der Tat näher gelegen dass der Dichter den Chor hätte sagen 
lassen φέρεις φέροντα. Und wie könnte Agamemnon, weil er seine 
Tochter geopfert hat, mit dem Part. Praes. als auferens bezeichnet wer- 
den? wie könnte endlich φέρειν in diesem einfachen Satze ohne weitere 
Erklärung ‚wegschaffen “ bedeuten? Noch schwieriger wird die Sache 
durch Weils Bemerkung: „gpe£gsı φέροντα quae vulgo ad Clytaemne- 
stram et Agamemnonem referuntur in universum dicta sunt“. Was 
sollte dann zu φέρει Subjekt sein? — Nein, man hat sich durch das 
nachfolgende unbildliche ἐκτένει δ᾽ ὁ καίνων verführen lassen auch φέ- 
osıv vom Morde zu verstehen. Aber φέρει φέροντα gehört noch zu dem 
vorhergehenden Bilde von der üppig wuchernden Pflanze, worin die 
Zweige mit einander unlösbar verflochten sind, und so heissen die Worte 
„die ὀνεέδη bringen neue ὀνεέδη hervor, die ihrerseits wieder neue fort- 
zeugen‘, vgl. v. 733 54. Nunmehr verlässt der Chor das Bild und wendet 
sich drohend gegen Klytämnestra mit den Worten ἐκτένει δ᾽ ὁ καίνων 
„der Mörder hüsst, also auch du“ — v. 1532 kehrt er aber wieder zu 
dem Bilde von der wuchernden Schlingpflanze zurück: τίς ἂν γονὰν 
ἀραῖον ἐκβάλοι δόμων „o dass doch Jemand das Fluchgewächs aus dem 
Hause tilgte!“ (vgl. v. 1411 τίς ἂν ἕν τάχει κτλ.) ist Hermanns glän- 
zende Emendation für das überlieferte τὸς ἂν yovav ῥᾷον ἐκβάλοι δόμων. 
Freilich ist diese Emendation zugleich ein merkwürdiges Dokument von 
Hermanns Unfähigkeit sich in einen fremden Ideengang hineinzuleben. 
Er erklärt selber die von ihm verbesserten Worte: „quis filiam domo 
pellat et neci tradat?“ Unglaublich. Als ob der Chor sich hier damit 
beschäftigte dem unglücklichen todten König noch Vorwürfe zu machen, 
statt kummervolle Betrachtungen über das Wüten des Alastor anzustel- 
len. Daher denn auch Hermanns unsäglich geschmacklose Conjectur xe- 
πκόλληται γένος προσόψει, ‚proles adspectu cum parentibus coniuncta 
est‘ für das verdorbene κεκόλληται γένος προσάψαι. Noch auffallender 
freilich ist es dass Schneidewin mit seiner Conjectur γονὰν ϑυραῖον auf 
diesen von des Dichters Ideengang himmelweit entfernten Gedankenkreis 
eingehen konnte. — Der Chor schaut vielmehr, wie bemerkt, die einan- 
der fortzeugenden bösen Taten unter dem Bilde einer üppigen Schling- 
pflanze und ruft „o wer doch dies Fluchgewächs aus dem Hause bannte!“ 
Diesen Gedanken fasst Klytämnestra in ihrer Antwort mit Begierde auf 
und führt ihren Wunsch nach Abfindung mit dem Alastor aus. Daher ist 
denn v. 1533 sicherlich so zu schreiben: κεκόλληται γένους πρὸς aym 
„unauflöslich ist jenes Schlinggewächs des Fluches an die Gelenke des 
Geschlechts geklebt“; d.h. „wie einen Baum eine Epheuranke so um- 
strickt, dass sie an alle Knotenpunkte wie festgekittet ist, so heftet sich 
die Sündenschuld an alle neu wachsenden Generationen an“. Das ist ein 





COMMENTAR. 459 


echt äschylischer plastischer Ausdruck, während Blomfields κεκόλληται 
| γένος πρὸς dr durchaus nicht befriedigt: dieser Ausdruck würde, wenn 
wir abstrakt ἄτη als „Betörung‘ fassen wollten, platterdings nicht zu 
der kühnen Plastik des, Bildes, die in κεκόλληται angedeutet ist, stim- 
men; sollten wir aber ”Arn als dämonisches Wesen fassen, so wäre das 
Bild von dem an ihr festgeleimten Geschlecht lächerlich. Hermann ver- 
mutete früher, ohne den Gedanken irgendwie zu ergründen, κεκόλληται 
γένος πρὸς ap: er nannte.die „sententia bona, sed vocabulum neque _ 
aptum satis neque usilatum tragoediae‘“. “Die „sententia bona‘“ suche 
ich nun freilich vergebens in seiner Conjectur, aber was seinen Tadel 
des Wortes &og betrifft, so frage ich dagegen: kommt denn κολλάω 
anderweitig in der Tragödie vor? und kann nicht ein an sich höchst pro- 
saisches Wort durch einen neuen und kühnen Dichtergedauken geadelt 
werden? Gerade Aeschylos beweist doch in unzähligen Fällen, wie wahr 
Horaz bemerkt „Dixeris egregie, notum si callida verbum reddiderit 
iunctura novum“. Hesych erklärt ἄψεα durch συναφαὲ τῶν μελῶν, 
οὐχὶ τὰ μέλη. Ein passenderes Wort konnte der Dichter also gar nicht 
wählen, um das Ansetzen der neuen Generation, die schon gleich bei der 
Geburt von der Erbsünde umstrickt wird, zu bezeichnen. 

v. 1534 geben die codd. ἐς τόνδ᾽ ἐνέβη ξὺν ἀληϑείᾳ χρησμόν. 
Daraus macht man nach Canters Conjectur allgemein &s τύνδ᾽ ἀνέβης κῃλ. 
und gewinnt den Gedanken: „in diesen Spruch gingst du mit Wahrheit 
hinein“. In der Tat, das wäre ein merkwürdig verschrobener Ausdruck 
für „du sagtest mit Wahrheit diesen Spruch‘. Viel schlimmer freilich ist 
es dass man damit den Spruch des Chors, der ja gerade für Kly- 
tämnestra höchst verhängnissvoll war und ihr mit Rache 
drohte, von der Mörderin acceptieren lässt. Unbedingt verdient daher 
den Vorzug Casaubonus’ Emendation ἐς τόνδ᾽ ἐνέβη ξὺν ἀληϑείᾳ χρη- 
σμός. Aber man soll dabei ἐς τόνδε auf den todten Agamemuon bezie- 
hen in dem Sinne „bis zu diesem hin“. Klytämnestra erkennt nämlich 
die Richtigkeit des Satzes von der γονὰ ἀραῖος an, aber in ihrer Ver- 
blendung meint sie jetzt dem weiteren Wachstum derselben ein Ziel 
setzen zu können. — v. 1542 geben die codd. πᾶν ἀπόχρη μοι δ᾽ ἀλλη- 
λοφόνους μανίας κτλ... wofür Hermann schreibt πᾶν ἀπόχρη τάσδ᾽ ἀλ- 
ληλοφόνους κτλ. Aber μοί ist nicht zu entbehren: nach Erfurdt und 
Dindorf ist also zu lesen πᾶν ἀπόχρη μοι μανίας μελάϑρων ἀλληλοφό- 
vovc. Ein Abschreiber brachte, wie so oft, indem er einen Wörtercom- 
plex aufeinmal mit dem Auge auffasste, unwillkürlich das Adj. mit seinem 
Subst. zusammen, und die Nachfolger schoben dann zur Vermeidung des 
Hiatus nach μοί das ungereimte δ᾽ ein. 


Aegisthos’ Rechtserörlerung v. 1545 — 1579. 


v. 1547 geben die codd. γῆς ἐποπτεύειν ἄχη: das allerdings nicht 
zu ertragen ist, denn dadurch würde die Erde als ein Jammertal bezeich- 
net: wenn man aber seit Auratus allgemein ἄγη dafür liest, so ist nicht 
nur der Plur. dieses Subst, der sich erst sehr spät findet, bedenklich, 





460 CONMMENTAR. 


sondern der ganze Ausdruck ist auch zu wenig bezeichnend für das Wal- 
ten der Götter. Sollte bloss die strafende Gerechtigkeit der Himm- 
lischen angedeutet werden, so müssten wir bei &yn ein Verbum des 
Zürnens oder Rächens erwarten: ἐποπτεύειν aber sagt offenbar (vgl. Ch. 
987 ὁ πάντ᾽ ἐποπτεύων τάδε “Ηλιος) dass die Götter sich um die Men- 
schen und ihr Ergehen bekümmern, im Gegensatz zu der unfrommen 
"Ansicht, die der Dichter v. 355 berührt hat. Darauf führt auch die Ver- 
bindung Peorav τιμαύρους (denn schwerlich wird Karsten Glauben fin- 
den für seine Behauptung dass βροτῶν mit ἄγη zusammengehöre, γῆς 
aber von ἄνωϑεν abhängig sei); durch jenen Ausdruck werden die Götter 
nicht bloss als Rächer, sondern auch als Schützer der Meuschen bezeich- 
net, vgl. v. 492 und 1283. So scheint es mir ebenso sehr durch den Sinn 
der ganzen Stelle geboten, wie diplomatisch naheliegend, zu schreiben 
γῆς ἐποπτεύειν Aayn: „die Götter schauen als Schützer der Menschen 
von oben herab auf die Erdenloose, die irdischen Schicksale “. Vgl. Eum. 
307 λάχη τὰ κατ᾽ ἀνθρώπους ὡς ἐπινωμᾷ στάσις Zug. 

v. 1555 ist das überlieferte ἑστίας. wofür Auratus und Casaubonus 
ἑστίαν wollten, nicht anzutasten: wie bei ἱκέτης, so kann natürlich auch 
bei dem sinnverwandten προστρόπαιος ein Gen. stehen, μολὼν main 
aber heisst vollkommen deutlich „heimgekehrt“. Würde dagegen der 
Ack. ἑστίαν mit μολών verbunden, so verdiente gerade dieser Ausdruck 
Tadel: es wäre dann nämlich ein Adj. zu &or/av, wodurch der Herd als 
heimischer bezeichnet würde, notwendig gewesen, wie v. 935 καὶ σοῦ 
μολόντος δωματῖτιν ἑστίαν. 

v. 1557 und 58 geben die codd. τὸ μὴ ϑανὼν πατρῷον αἴμάξαι 
πέδον | αὐτοῦ ξένια δέ κτλ... woraus Hermann, nach πέδον ein Puuktum 
setzend, ἀστοξένια δέ macht. Doch hat diese Conjectur mit Recht wenig 
Beifall gefunden: unmöglich konnte Thyestes ein ἀστόξενος heissen. 
Ausserdem durfte der Gedanke mit αἴμαάξαι πέδον nicht abschliessen. 
Denn Aegisth will doch gewiss nicht zu Atreus’ Ruhme als etwas für sich 
abgeschlossenes erzählen dass Thyest eine μοῖρα ἀσφαλής gefunden 
habe: wir erwarten im Gegenteil ein zu εὕρετο hinzugefügtes μέν. wo- 
durch dieser ganze Satz nur als logische Unterlage des folgenden, der 
die zu erzählende Hauptsache enthält, erscheine. Da nun aber μέν nicht 
dasteht, so muss eben das erste Wort in v. 1558, in der stärksten Ton- 
stelle des Verses stehend, einen jenes μέν ersetzenden und auf den fol- 
genden Gegensatz vorbereitenden Begriff euthalten. Da passt nun weder 
Martins "Aeyovs noch Schneidewins γαίας, Begriffe, die logisch so tonlos 
sein würden, dass sie auf keinen Fall in diese Haupttonstelle hätten ge- 
bracht werden dürfen: einzig und allein ist dafür Blomfields, auch von 
Enger gebilligtes, αὐτός angemessen. Dadurch wird Thyest in stärksten 
Gegensatz zu seinen Kindern, die für ihn bluten müssen, gestellt, und 
wir gewinnen den Gedanken: „Wenn auch Thyestes als προστρόπαιος 
insoweit Sicherheit fand, als er nicht selbst getödtet ward, so wurden 
duch seine Kinder geschlachtet und ihm zum Mahle vorgesetzt‘“. Un- 
begreiflich ist mir, wie Weil dazu bemerken kann „res ita se habebat, 





-COMMENTAR. 461 


sed id hoc loco non dicendum erat“: eben dies und nichts anderes war 
hier zu sagen. 

'Es folgt nun v. 1558 54. in einem entsetzlichen ἀπροσδόκητον : 
„als Gastgeschenk aber gab sein ruchloser Vater meinem Vater — ein 
Mahl von Kinderfleisch“. Dabei ist zu bemerken, wie scharf articuliert 
Aegisthos, gleichsam juristisch den Tatbestand feststellend, in vier 
nacheinander folgenden Versen durch Cäsur und Stellung im Verse die 
Begriffe αὐτός, ᾿Δτρεύς, τὠμῷ und δοκῶν hervorhebt, indem die Dekla- 
mation nach diesen Wörtern jedesmal eine kleine Pause macht. Im Gan- 
zen setzt er nämlich bei seinen Zuhörern, wie der Dichter bei den seinigen, 
die grausige Geschichte als bekannt voraus: er resumiert sie nur, um 
seinen Anteil am Morde zu rechtfertigen, aber wie,in einem Advokaten- 
plaidoyer betont er scharf die Spitzen der Gedankenreihe, die ihm ver- 
meintlich ein Recht zu seinem Verhalten giebt. Besonders beleuchtet er 
‘deshalb die heuchlerische Freundlichkeit, unter deren Maske Atreus sei- 
nen Gräuel vollführt. — Aber προϑύμως μᾶλλον ἢ φίλως, wie über- 
liefert ist, kann so nicht von Aeschylos herrühren. Nur eine unklare 
Spitzfindigkeit könnte mit dem in diesem Zusammenhang fast verschwin- 
denden Unterschied zwischen den Begriffen προϑύμως und φίλως spie- 
len: Aegisth muss hier, um sich zu rechtfertigen, in grossen klaren 
Zügen des Atreus Heuchelei und Bosheit darstellen, aber nicht durch 
sophistische Wortspielerei das sonst 50 grausig erhellte Bild verdunkeln. 
Daher zweifle ich kaum dass statt 7 φίλως zu schreiben ist 7 φίλοις, so- 
dass „die Lieben“, die Mitglieder des Hauses, verglichen werden mit 
πατρὶ τὠμῷ. Aegisth setzt, wie gesagt, das Faktum der Kinderschlach- 
tung als bekannt voraus — sunst hätte er sagen müssen „ein Mahl von 
seiner eignen Kinder Fleisch“: aber um die ruchlose Heuchelei des 
-Atreus recht hervorzuheben, führt er so geflissentlich aus ‚dem Scheine . 
nach meinen Vater höher ehrend als die Mitglieder seines Hauses“. Wie 
sehr es übrigens auch Aegisthos’ Zwecke entspricht, die Begriffe zu häu- 
fen, in denen des Atreus hinterlistige Freundlichkeit ausgedrückt ist, so 
kann er doch unmittelbar nach προϑύμως nicht εὐθύμως gesagt haben: 
dies letztere wird unter dem Einflusse des ersteren verschrieben sein aus 
evdolvoc, denn das eben ist es, worauf es hier ankommt: Atreus gab 
sich den Anschein ein grosses Schlachtfest mit gewaltigem Schmause 
zu feiern, eben deshalb ward jeder ἀνδρακάς gesetzt und nach Heroen- 
weise erhielt jeder seinen eigenen Braten. Vgl. Ch. 254 πόϑεν ἕξεις --- 
εὔϑοινον γέρας; ν 

v. 1662 54. wird nun die Tücke des Atreus weiter ausgeführt, doch 
immer so dass das eigentliche Faktum als bekannt vorausgesetzt, nur das 
Empörende desselben hervorgehoben wird. Daher die sonst auffällige 
Kürze der Schilderung, die für lückenhaft zu halten jeder äussere Anlass 
fehlt. Die Ueberlieferung lautet: τὰ μὲν ποδήρη καὶ χερῶν ἄκρους κτέ- 
νας ἔϑρυπτ᾽ ἄνωϑεν ἀνδρακὰς καϑήμενος. ἄσημα δ᾽ αὐτῶν κτλ. Da 
nun aber zu ἔϑρυπτε jedenfalls Atreus, zu ἔσϑει aber Thyestes Subjekt 
ist, so ist die richtige Verbindung der Sätze erst hergestellt, wenn wir 


462 COMMENTAR. 


nach Bindorf lesen ἄσημ᾽ ὃ δ᾽ αὐτῶν κτλ. Weiter hat Hermann ἔϑρυπτ᾽ 

in ἔκρυπτ᾽ geändert: weil Hygin. fab. 88 sage „qui quum vesceretur, 
Atreus imperavit brachia ei ora puerorum ajferri“ und weil ähnlich 
bei Herod. I, 119 erzählt werde dass dem Harpagus nach dem Mahle von 
Kinderfleisch Kopf Hände und Füsse der Kinder in einem Korbe gebracht 
seien, so handle es sich auch hier um ein Verbergen und nachträgliches 
Vorzeigen der Erkennungszeichen. Dagegen aber hat Karsten mit Recht 
bemerkt dass in diesem Fall die Erwähnung der Köpfe der Kinder als 
wesentlichster Erkennungszeichen notwendig gewesen wäre. Auch ist 
die Aenderung des seltenen ἔϑρυπτε in das gewöhnliche ἔκρυπτε diplo- 
matisch nicht wahrscheinlich. Das Verbum ἔϑρυπτε wird also richtig 
sein, nur ist nach bekanutem Gräcismus natürlich zu verstehen „er liess 
zermalmen “. Damit verbindet sich einfach und klar &v@®ev „von oben 
her liess er die Zehen und Finger bis zur Unkenntlichkeit (ἄσημα) zer- 
malmen d. ἢ. er liess sie zermalmt darüber streuen“. Gerade diese Be- 
deutung des „Einbrockens‘“ hat ϑρύπτε ἃ ἃ gewöhnlich. Blomfield citiert 
Harpokrat. ἔνϑρυπτα. ψωμοὶ ἦσαν οἴνῳ βεβρεγμένοι, οὖς ἐποίουν εἰς 
σκάφην ἄρτους διαϑρύψαντες καὶ φακὴν ἐπισκεδάσαντες. Dem Atreus 
kam es also darauf an, seinem Bruder, selbstverständlich aber ihm aus- 
schliesslich, die geschlachteten Kinder ganz vorzusetzen, natürlich mit 
Ausnahme der Köpfe; um sich aber nicht zu früh zu verraten, liess er die 
Zehen und die Finger bis zur Unkenntlichkeit zermälmen und darüber 
streuen. — Unmöglich aber kaun ἀνδρακὰς καϑήμενος richtig sein: 

dass Atreus allein an seinem Tische sass, ist freilich der homerischen 
Sitte gemäss, aber hier war das ganz gleichgültig, und Aegisth hätte in 
seiner scharf pointierten Erzählung nicht den mindesten Anlass gehabt 
dies zu erwähnen. Dagegen war es von grosser Wichtigkeit anzugeben 
dass Thyestes an seinem eigenen Tische für sich allein ass: nur so wird 
das Gelingen von Atreus’ teuflischer Rache begreiflich, während er schein- 
bar dem Bruder als Ehrengast die grösste Auszeichnung erwies. Es ist 
also zu lesen ἀνδρακὰς καϑημένω. 

v. 1567 ist das überlieferte ἐρῶν, wofür seit Auratus ἐμῶν. gelesen 
ward, mit Recht von Karsten zurückgerufen. Da ἐξερῶν und ἀπερᾶν „aus- 
speien, auswerfen‘“ genugsam gesichert sind, sowohl durch zuverlässige 
Beispiele, wie durch die Verwandtschaft mit ἐρεύγω und ἐρυγγάνω, 
auch die Tmesis von ἀπερῶν unbedenklich ist (vgl. Blomfield zu Ag. 569 
— 564), so verwandelt Karsten mit Recht σφαγῆς in σφαγήν 9 leichter 
aber ist die Aenderung in ἀπὸ σφαγὰς ἐρῶν „den Mord ausspeiend “". 
Sollte, nach der gewöhnlichen Auffassung, ἀπό mit einem Gen. verbunden 
werden, so würde man statt ἀπὸ σφαγῆς erwarten müssen ἀπὸ βορᾶς 
„infolge des Frasses“. 

Aber v. 1569 liegt die Interpretation noch sehr im Argen. Ueber- 
liefert ist λάχτισμα δείπνου ξυνδίκως τιϑεὶς ἀρᾷ. Da ‚erklärt man λά- 
κτισμα δείπνου gewöhnlich als „die durch das Mahl dem Thyestes an- 
getane Schmach“, und auf diesem Wege fortgehend conjecturiert Hartung 
sogar αἴκισμα delnvov. Aber das heisst die grossartige Plastik des 





COMMENTAR. 463 


Dichters jn moderne Verschwommenheit übersetzen. Vielmehr kafte λά- 
κτισμα δείπνου nur bedeuten „die Umstossung des Tisches mit der 
Ferse“. Karsten war also auf gutem Wege, wenn er sagte „Cogitavi 
num sic excplicari possel ut λάκτισμα δείπνου intelligeretur mensae 
eversioictu calcis facta“. Indem er dann selbst dagegen einwen- 
det, statt δείσσονου hätte es in diesem Fall heissen müssen τραπέζας (τρα- 
πέζης), so scheint er nicht die einfache Wahrheit bedacht zu haben dass 
auf dem Tische das Mahl steht und mit jenem auch dieses umgestürzt 
wird. Wenn er aber vollends meint, das Bild sei nicht „satis decens“, 
so verzweifelt er doch sehr kleinmütig an dem Dichter, der, wie er 
v. 1567 vor dem Erbrechen des Thyestes nicht zurückscheut, so überall 
das Gemeine und Niedrige wunderbar zu verwenden und zu adeln weiss 
und dem in dieser Beziehung nur Shakespeare congenial ist. Aber ge- 
rade auch νυ. 1567 beweist die Richtigkeit unserer Auffassung von Ad- 
κτισμα δείπνου. Denn wenn es dort heisst dass Thyestes sich erbre- 
chend hintenüberstürzt, so ist damit doch schon angedeutet dass er 
den vor ihm stehenden Tisch mit dem Fusse umwirft; dies hängt mit 
jenem fast notwendig zusammen. Von dieser Umstossung des Mahles sagt 
also Aegistlı: „Thyestes stelite sie dem Fluche hin“ gleichsam wie ein 
Vorbild, wie der Fluch es mit dem Geschlecht des Pleisthenes machen 
solle. Das passt vortreflich, und der Dat. ἀρᾷ ist also nicht mit Hermann 
anzulasten: aber er ist zu schreiben 4og , denn hier ist das dämonische 
Wesen, die Erinys, gemeint, die auch Sept. 70 mit 4g« identificiert wird 
(ρά τ᾽ Ἐρινὺς πατρὸς ἢ μεγασϑενής). Dann aber fordert der poetische 
Stil dass dieser Fluchgeist eiu sein Wesen versinnlichendes Attribut er- 
halte, und dies bietet sich sogleich dar in dem corrupten ξυνδίκως, das 
Hermann unerhörter. Weise auf πᾶν τὸ Πλεισϑένους γένος in der Bedeu- 
tung „communiter‘‘ oder „communi iustitia““ beziehen wollte. Es ist zu 
schreiben ξυνδίκῳ τιϑεὶς Ag „der Erinys als seiner ihm jetzt einzig 
bleibenden Rechtshelferin das umgestürzte Mahl als Vorbild hinstellend, 
dass so das ganze Geschlecht des Pleisthenes in den Staub sinke und ver- 
komme“. Nur so gewinnt das οὕτως v..1570 seinen rechten Sinn, und 
es ist nun klar, warum es λάκτισμα Ödeinvov, nicht τραπέζης heisst: 
denn nicht der Tisch, wohl aber das Mahl war durch das Umstürzen dem 
Untergang geweiht. Dass Aegisth den Fluchgeist gleichsam als Anwalt 
auffasst, hat seinen Grund in der ganzen ihm eigenlümlichen juristischen 
Auffassung der Sache. — v. 1570 ist: überliefert οὕτως ὀλέσϑη.» wofür 
man seit Porson allgemein schreibt ὀλέσϑαι. doch zweifle ich sehr, ob 
mit Recht. Denn das Mahl kam doch nicht um, und dies wird doch dem 
Atridengeschlecht zum Vorbild hingestell. Es wird vielmehr zu lesen 
sein οὕτως ὀλισϑεῖν,, ἀλ88 so das ganze Geschlecht zu Boden sinke“. 
Hesych hat noch die Glosse ὀλισϑεῖν πεσεῖν. 

v. 1573 ist die Ueberlieferung τρέτον γὰρ ὄντα μ᾽ ἐπὶ δέκ᾽ ἀϑλίῳ 
πατρί, wie Emperius und Hermann bewiesen haben, durchaus unhaltbar: 
von 13 Söhnen des Thyestes kann hier unmöglich die Rede sein. Die 
einfachste Heilung des Schadens scheint mir durch Schneiders Conjectur 


464 COMMENTAR. 


gegäben zu ‚sein: man lese τρέτον γὰρ ὄντα μ᾽ ἔτι δυσαϑλέῳ. Meineke 
vermutet μ᾽ ἔτει τρισαϑλίῳ. Weitere Wagnisse sind nicht nötig; denn 
dass Aegisth erst nach der Kinderschlachtung geboren war (worauf Her- 
mann mit ἐπίδεχ᾽ ἀϑλίῳ und Weil mit ἐπέτεκ᾽ ἀϑλίῳ hinaus wollen) 
geht von selbst aus dem Zusammenhang hervor: da nämlich das Subjekt 
zu συνεξελαύνει nur Agamemnon sein kann, so ist der bei dieser zweiten 
Verbannung des Thyestes noch in den Windeln befindliche Aegisthos 
zur Zeit der Kinderschlachtung natürlich noch nicht geboren gewesen. 

Zu v. 1576 bemerkt Weil sehr treffend dass ϑυραῖος ὧν nicht von 
der Zeit des Exils, worin Aegisth gelebt habe, zu verstehen sei. Damit 
nämlich würde in seiner Erzählung eine wunderliche Verwirrung ein- 
treten, indem er schon im vorhergehenden Verse von seiner Rückkehr ge- 
sprochen hat. Hermann meint zwar dass v. 1573 — 75 als Parenthese zu 
fassen seien und v. 1576 sich demnach an v. 1572 anschliesse; man ver- 
suche aber nur einmal καὶ τοῦδε τανδρός κτλ. als Fortsetzung von κἀγὼ 
δίκαιος κτλ. zu fassen, und man wird fühlen, wie unlogisch das anrei- 
hende καί dann wäre. Auch zeigen die Worte οὕτω καλὸν δή κτλ. dass 
v. 1576 und 77 von der wirklichen Ausführung der Rache, zu der Kly- 
tämnestra die Energie, Aegisth die List geboten hat, zu verstehen sind. 
Also heisst ϑυραῖος @v „obgleich ich nicht im Palaste war“, und dies 
Wort entscheidet, wie mir dünkt, endgültig dass Schönborn „die Skene 
der Hellenen“ p. 165 Recht hatte, wenn er aus anderen Gründen den 
Aegisth v. 1545 von der Seite der Stadt, nicht aus dem Palaste oder der 
Gastwohnung auftreten liess. 

v. 1578 ist nach ἐμοί das Komma zu tilgen, denn das überlieferte 
idovra ist grammatisch nur haltbar, wenn es sich unmittelbar an κατ- 
ϑανεῖν anschliesst: „mir ist es ein Ruhm sogar zu sterben als ein in sei- 
ner Rache gesättigter d. ἢ, in dem Bewusstsein die Rache vollzogen 
zu haben “. 

Die Rede des Aegisthos zerfällt, wie Weil erkannt hat, in die Grup- 
pen 1,5,4. 7. 4,5,1. Die 7 von der Rückkehr und scheinbaren Ver- 
söhnung des Thyestes handelnden Verse stehen mesodisch, sie stören also 
durchaus nicht die Symmetrie. Mit κἀγὼ δίκαιος beginnt der aus 4 und 
4 Versen bestehende Schluss. 


Dialog zwischen Aegisth und dem Chor v. 1580— 1618. 


In diesem Wechselgespräch hat Hermanı den symmetrischen Bau, 
welcher durch zweimaligen Ausfall eines Verses verdunkelt war, zuerst 
wieder ans Licht gestellt. Die Responsion der einzelnen Gruppen ist eine 
ganz ähnliche, wie diejenige, welche wir im Dialog v. 1006—1030 wahr- 
genommen haben: die 5 Verse des Aegistos v. 1597 — 1601 bilden das 
Centrum und es entsprechen einander immer die in gleichen Abständen 
von diesem Mittelpunkt entfernten Partien. Während aber Hermann nur 
die Führer der beiden Halbchöre reden lässt, ist es nach dem, was wir 
oben über die Einteilung und Stellung des Chors bemerkt haben, viel 
wahrscheinlicher dass v. 15980—85 und v. 1613—18 dem in der Mitte der 





COMMENTAR. 465 


Chöreuten dem Aegisthos gegenüberstehenden Koryphäen (dem Führer der 
beiden Mittelzüge) gehören, dagegen v. 15θ4---θ6 und v. 1602—4 den zur 
Rechten und Linken stehenden Führeru des ersten und des vierten Zuges. 
Die correspondierenden Partien entsprechen einander auch dem Inhalte 
uach genau: dieWorte des Koryphäen atmen ernsten Ingrimm und drohen 
mit Rache, die der Führer der Seitenzüge sind von beissendem Hohn 
erfüllt. 

In der ersten Partie aber, v. 1580 — 85, statuiert Hermann sehr un- 
glücklich die durch die Symmetrie indicierte Lücke von einem Verse 
hinter v. 1582. Mit einem allerkühnsten Anakoluth schlägt er vor nach 
βουλεῦσαι φόνον fortzufahren : τοίγαρ στυγηϑεὶς δυσϑέοις τολμήμασιν 
οὐ φημ᾽ ἀλύξειν ἐν δίκῃ τὸ σὸν κάρα κτλ. Aber abgesehen von diesem 
unerhörten Wechsel der Struktur passt das stark entgegenwerfende τού- 
yag nicht zusammen mit οὔ φημι; das eben ganz dieselbe Bedeutung 
hat, und die Motivierung στυγηϑεὶς δυσϑέοις τολμήμασιν stimmt nicht 
zu dem trotzigen und aufgeregten Tone des Chors. Nein, zwischen Pov- 
λεῦσαι φόνον und οὔ φημ᾽ ἀλύξειν fehlt ‚gar nichts: die Frage σὺ δ᾽ 
ἄνδρα τόνδε κτλ. und das kühne οὔ φημ᾽ ἀλύξειν, logisch wie Vorder- 
und Nachsatz sich zu einander verhaltend, schliessen sich gerade so knap 
an eiuander an, wie sogleich in Aegisthos’ Erwiderung die Frage σὺ 
ταῦτα φωνεῖς κτλ. und γνώσει γέρων ὦν κτλ. — Wenn dagegen v. 1580 
überliefert ist Αἴγισϑ᾽, ὑβοίξειν Ev κακοῖσιν οὐ σέβω , so liegt hier un- 
verkennbar eine Corruptel und Lücke vor, wie sie auch von Hermann 
zu Humboldts Uebersetzung angenommen war. Noch immer sind die 
Ausleger nicht einig, ob ἐν κακοῖσεν heisse „im Unglück “ oder „in fei- 
gen Menschen“, Abresch wollte sogar ἐν ϑανοῦσιν, Porson ἐμ καμοῦσιν 
dafür lesen. Aber auch ὑβρίζειν οὐ σέβω in der Bedeutung „ich achte 
oder scheue nicht den Uebermut “ dürfte schwerlich griechisch sein, jene 
Worte müssten vielmehr heissen „ich scheue mich nicht übermütig zu 
handeln“, wie Pers. 695 σέβομαι μὲν προσιδέσϑαι, σέβυμαι δ᾽ ἀντία 
λέξαι: sollte aber der Sinn, den man gewöhnlich ihnen beilegt, darin lie- 
gen „ich achte nicht den fremden Uebermut“, so wäre bei i ὑβρίζειν der 
Artikel nicht zu entbehren, vgl. Eur.'I. A. 824 αἰνῶ δ᾽ ὅτι σέβεις τὸ 
σωφρονεῖν. Aesch. Hik. 983 τὸ σωφρονεῖν τιμῶσα τοῦ βίου πλέον. Da- 
mit also dieser Anstoss beseitigt werde und zugleich ἐν κακοῖσιν un- 
zweideutig in dem Sinne, den es nach dem entsprechenden v. 1613 haben 
muss, „in feigen Menschen“ hervortrete, muss etwa so gelesen werden: 
Alyıod, ὑβρίξεις" ἐν κακοῖσι δ᾽ οὐ σέβω | σεμνόστομόν τε καὶ ϑρα- 
σὺν κόμπον λόγων. Diese Ausdrucksweise stimmt zu dem trotzigen In- 
grimm des Chors, während die Ueberlieferung nach der Hermannschen 
Deutung (ἐν κακοῖσιν — im Unglück) wie ein sanfter Vorwurf klingen 
würde. 

v. 1589 ist τῷ τηλικούτῳ nicht nach Hermanns Vorgang anzutasten. 
Nur ist nach Weil hinter βαρύ ein Komma zu setzen, sodass der Dativ 
von εἰρημένον abhängt. Dann sagt Aegisthos mit jener ironischen Spitz- 
findigkeit, die alle seine Worte charakterisiert: „wenn diesem Alter an- 


AESCHYL. AGAMEMNON. 30 


466 COMMENTAR. 


gesagt ist Bescheidenheit zu lernen“. Natürlich lässt sich Bescheidenheit 
(darin hat Karsten völlig Recht) nicht anbefehlen, aber der Hohn be- 
steht eben darin, dass Aegisthos droht durch äussere Mittel beim Chor 
nachzuholen, was ein Mangel seiner inneren Bildung sei, und ihn wenig- 
stens zum Schein der Bescheidenheit zu zwingen. 

Bei v. 1594—96 ist Hermann mit anderen wunderbar in die Irre ge- 
gangen, indem sie die Worte an Klytämnestra gerichtet glaubten. Wie 
in den entsprechenden v. 1602 — 4, so wird auch hier die Feigheit des 
Aegisthos verhöhnt, und gerade die in beiden Partien sich wiederholen- 
den Worte ἐβούλευσας μόρον beweisen dass beidemale (vgl. v. 1582) 
dieselbe Person angeredet wird. Ohnehin würde der Chor, wenn er sich 
hier urplötzlich an Klytämnestra wendete, ἔξω δρόμου πεσὼν τρέχειν. 
Wenn nun überliefert ist γύναι, σὺ τοὺς ἥκοντας ἐκ μάχης γέον | oi- 
κουρὸς εὐνὴν ἀνδρὸς αἰσχύνουσ᾽ ἅμα κτλ.. so hat Wieseler in richtiger 
Erkenntniss der an Aegisthos sich wendenden Rede νέων in μένων ver- 
wandelt und für αἰσχύνουσ᾽ hat man αἰσχύνας vorgeschlagen, aber den 
Schlüssel zum Verständniss der ganzen Corruptel hat erst Meineke gege- 
ben mit seiner Emendation yuvvıg σύ „du Memme“, womit unzweideutig 
Aegisthos bezeichnet wird. Nachdem nämlich die Zeichen γύννιες σύ in 
γύναι σύ verlesen waren, glaubten die Byzantiner die Anrede an die Kö- 
nigin gerichtet und verdarben demgemäss die Participien. Hätten sie 
aber αἰσχύνας vorgefunden, so hätten sie dies durch einen blossen Apo- 
stroph in das Fem. verwandeln können: also lässt sich daraus dass sie 
αἰσχύνουσ᾽ ἅμα schrieben mit Sicherheit schliessen dass sie αἰσχύνων 
gelesen haben. Und dies ist auch das einzig in den Zusammenhang pas- 
sende. Darin eben besteht der bittere Spott des Chors, dass er fragt: 
„hast du während der Eheschändung zugleich noch Zeit gehabt dem 
König diesen Mord zu bereiten?“ 

v.1600 geben die codd. ἠπίοις ὑλάγμασιν. Pauws Conjectur ἠπίους 
scheint mir vor Jacobs νηπίοις bei weitem den Vorzug zu verdienen: 
denn ὑλάγμασιν bedurfte keines Epitheton, wohl aber ἐξορένας eines 
Objekts. Und allerdings will Aegisthos sich (obwohl Hermann anderer 
Meinung ist) als milde darstellen: er tut sich auf seine Mässigung etwas 
zu gute, bis er v. 1618 durch die Erwähnung des Orestes in leidenschaft- 
liche Wut versetzt wird. 

v. 1602 glaube ich dass mit Hartung zu lesen ist πῶς δὴ σύ μοι. 
Das überlieferte ὡς δή, das man mit dem ironischen quasi vero wieder- 
zugeben glaubt, könnte diese Bedeutung nur haben, wenn statt ἔσεε ein 
Part. folgte: „du sprichst als ob du, man denke! Tyrann von Argos 
werden wolltest ‘“. 

Die ‚Lücke nach v. 1606 hat Hermann gut ausgefüllt durch ὥστ᾽ 
ηὐλαβεῖτ᾽ ἄν" νῦν δ᾽ ἐγὼ κρατῶν δόμων. Doch schreibe ich lieber ὃν 
ηὐλαβεῖτ᾽ ἄν. 

v. 1612 geben die codd. μαλϑακόν σφ᾽ ἐπόψεται. Aber in diesem 
Verbum würde das ἐπί ganz bedeutungslos sein. Ich billige daher die 
geistreiche Conjectur Karstens: μαλϑακόν σφε πέψεται, denn πέσσεεν 


COMMENTAR. 467 


bezeichnet ja gerade das „ weich oder mürbe machen“ in den verschie- 
densten Beziehungen. Die mediale Form des Verbums findet sich auch 
Her. I, 160 οὐδεὶς — πέμματα ἐπέσσετο. 

v. 1614 ist überliefert ἀλλὰ σὺν γυνὴ — ἔκτεινε. Wäre dies σύν 
aber auch grammatisch zu dulden, so könnten wir es doch in diesem 
Zusammenhang nicht brauchen? denn der Chor beklagt sich hier nicht 
dass Klytämnestra zum Morde geholfen, sondern dass sie im Gegensatz 
zum feigen Aegisthos den Mord vollzogen und so ein Miasma über das 
Land gebracht hat. Hermann liest nun nach Spanheim ἀλλά vıv γυνή, 
aber das ist weder diplomatisch wahrscheinlich, noch ist die Wieder- 
holung des Objekts stilistisch schön. Sehr gut hat dagegen Schneidewin 
gesehen dass γυνή nur Glosse ist für eine mit σύν zusammengesetzte Be- 
zeichnung der Königin: er vermutet daher ἀλλ᾽ ἡ σύγγαμος. Passender 
scheint mir ein Epitheton, wodurch die Mörderin als Buhle des Aegisthos 
bezeichnet wird: so schreibe ich ἀλλ᾽ ἢ συντριβής nach Hesychs Glosse 
συντριβής, συνδιατρίβουσα συνοῦσα (diese zweite Erklärung zeigt dass 
συντριβής vom ‚geschlechtlichen Verkehr ‚gebraucht war). — Uebrigens ist 
die Frage τί δὴ τὸν ἄνδρα τόνδε — οὐκ αὐτὸς Nvagıkes; gerade da- 
durch motiviert, dass Aegisthos eben geprahlt hat mit der Beute des Er- 
schlagenen sich zum gestrengen Herrn aufzuwerfen. Die tapfer klingenden 
Drohungen des Feiglings geben dem Chor den Gedanken ein: „warum 
versuchtest du nicht selber den Mord, anstatt das Weib ein Miasma über 
das Land bringen zu lassen?“ Auch das Verbum ἡνάρεξες „erschlagen 
und dem erschlagenen die Rüstung abnehmen“ ist motiviert durch die 
Worte ἐκ τῶνδε τοῦδε χρημάτων. Dies bemerke ich gegen Meineke, der 
v. 1608 — 12 hinter v. 1618 stellen will. — Die Erwähnung des Miasma, 
das der Sühnung durch Rache bedarf, erinnert den Chor endlich an Ore- 
stes, und mit grosser psychologischer Feinheit lässt der Dichter den 
Aegisthos gerade durch die Nennung dieses Namens die Fassung verlie- 
ren. So hängt in der überlieferten Ordnung alles aufs schönste zusammen. 


Schlussscene v. 1619 — 1644. 


In dieser ganzen Partie ist der cod. Alex. sehr schadhaft gewesen, 
was auch Hermann anerkennt in der Bemerkung zu v. 1625 „Ai trochaei 
aperte ex lacero atque altrito codice descripti sunt ut qui descripsit 
non omnia legere potuisse videatur“. Daher rührt die so ziemlich all- 
gemein anerkannte Lücke hinter v. 1619, daher die verkehrte Stellung des 
verstümmelten v. 1628 σώφρονος γνώμης xtrA., dem erst Hermann seinen 
richtigen Platz wieder angewiesen hat, daher die Lückenhaftigkeit der 
beiden letzten Verse, daher endlich die vielen schweren Gorruptelen, 
welche diese ganze Partie verunstalten. Die Kritik hat hier eine sehr 
schwierige Aufgabe, doch ist sie hier eben durch die Schadhaftigkeit des 
Urcodex zu kühneren Heilmitteln als ‚gewöhnlich berechtigt. 

v. 1619 lautet nach den cudd. ἀλλ᾽ ἐπεὶ δοκεῖς rad’ ἔρδειν καὶ λέ- 
γειν γνώσει τάχα. Das ist allerdings sinnlos, aber Hermanns Aenderung 
ἔρδειν xov Akysıv „quoniam factis, non diclis pugnaturus videris, sta- 


30 * 


468 COMMENTAR. 


tim cognosces —‘“ verschlimmert den Schaden, indem nun gar kein Zu- 
sammenhang mit dem vorhergehenden gegeben ist. Der Chor hatte zuletzt 
mit der Rache des Orestes gedroht, dabei aber so wenig wie v. 1580, wo 
er die Volksrache in Aussicht stellte, zum eigenen Handeln Miene gemacht. 
Wie könnte da nun Aegisthos erwidern: „Nun wohlan, da du diesen 
Streit mit Taten, nicht mit Worten ausmachen zu wollen scheinst‘“? Da- 
bei geb’ ich noch Hermann das fast unmögliche zu, dass nämlich τάδ᾽ 
ἔρδειν heissen könnte „ diesen Streit mit Taten ausfechten“. Dass aber 
auch die Aposiopesis γνώσει τάχα,, ἀὰ sollst bald sehen“, wobei nach 
Hermann Aegisthos durch einen Gestus andeuten soll dass er sein Schwert 
zücken wolle, nicht schön, ja dem Stil des Aeschylos fremdartig ist, liegt 
auf der Hand: wohl kommt bei ihm in einer Stichomythie eine Unter- 
brechung der Rede vor, aber nur so -dass auf die Unterbrechung sogleich 
die Wiederaufnahme folgt. — Der Zusammenhang mit dem vorhergehen- 
“den ist vielmehr dieser. Durch die Erwähnung der von Orest drohenden 
Rache ist Aegisthos im empfindlichsten Punkte getroffen. Das böse Ge- 
wissen flüstert ihm die Ahnung zu dass von daher wirklich der Streich 
kommen werde, der sein Lug- und Truggewebe zu zerstören bestimmt 
sei. So verliert er in diesem Augenblick die bisher bewahrte ruhige Hal- 
tung und er macht Anstalt seine Rotten gegen den Chor vorrücken zu 
lassen, um durch Taten, da er es durch Worte vergeblich versucht hat, 
jenen zur Raison zu bringen. So fordert der Zusammenhang gebieterisch 
den Gedanken, den Weil mit feinem Takt hergestellt hat durch seine Con- 
jectur ἀλλ᾽ ἐπεὶ δοκεῖ, σὺ δ᾽ ἔρδειν καὶ λέγειν γνώσει δίχ᾽ ὄν „nun 
wohlan, da du so willst, so sollst du erfahren, wie verschieden Handeln 
und Reden ist“. Aber die Worte sind hierin gar zu sehr gepresst, und 
in ἐπεὶ δοκεῖ fehlt die Beziehung auf den angeredeten Chor: daher 
scheint es viel einfacher und natürlicher, statt mit Weil die Ueberliefe- 
rung so gewaltsam zu ändern, den Ausfall eines zweiten von Aegisihos 
gesprochenen Verses anzunehmen, denn da die folgende Antwort des 
Chors, wie man jetzt fast allgemein anerkennt, in Folge von Beschädi- 
gungen des Urcodex ausgefallen ist, so liegt es sehr nahe aus derselben 
Ursache auch den Ausfall eines zweiten dem Aegisthos gehörigen Verses 
abzuleiten. 

Es ist also nach v. 1619 eine Lücke, mindestens von 2 Versen, zu 
statuieren, und Aegisthos beginnt die trochäischen Rhythmen’ mit 2 Zei- 
len. Bemerken wir nun aber dass auf diesen zweizeiligen Eingang regel- 
mässige Stichomythie folgt und dass nach Klytämnestras 9 Zwischenversen 
Aegisthos abermals mit 2 Zeilen einsetzt, worauf wiederum Stichomythie 
folgt bis zum Abschluss des Ganzen durch den Doppelvers der Königin, 
dass ferner des Aegisthos Doppelzeile jedesmal mit ἀλλά beginnt und 
dass der Inhalt der Partie vor v. 1625 mit derjenigen von v. 1634— 42 
unverkennbar correspondiert (dort Zusammenziehung, hier Verteilung und 
letztes Grollen des Gewitters): so kann es für Niemanden, der des Dich- 
ters Streben nach Ebenmass zu würdigen weiss, zweilelhaft sein, dass 
die Partie vor v. 1625 das vollkommen symmetrische Gegenstück zu dem 


" 


COMMENTAR. 469 


nach v. 1633 zwischen Aegisthos und dem Chor erfolgenden 9zeiligen 
Dialog sein soll. Also muss auch die Partie vor v. 1625 ursprünglich 
9 Verse gezählt haben. Nun aber gehört v. 1621 εἶα δή, φίλοι λοχῖται 
κτλ. unzweifelhaft dem Aegisthos, dem auch Ch. 755 λοχῖται zugesellt . 
werden (Naegelsbach wendet zwar dagegen ein dass der Mann nach 
v. 1608 erst mit Agamemnons Schätzen sich Trabanten werben wolle, um 
die Tyrannis zu gewinnen, dass er also jetzt offenbar noch keine Söldner 
habe, aber der Schluss ist nichts weniger als bündig: gewiss erscheint 
doch Aegisthos mit einem Gefolge — wie hätte er sonst den Kampf mit 
den Choreuten aufnehmen können? — und um sich zunächst die Schätze 
des ermordeten Königs und die Herrschaft im Palast zu sichern, musste 
er doch jedenfalls eine kleine Anzahl von Landsknechten bereits in seinem 
Dienste haben). Dann aber gehört v. 1622 εἶα δή. ξίφος πρόκωπον κτλ. 
als unmittelbares Echo auf des Aegisthos εἶα δή unzweifelhaft dem Chor, 
der also nach homerischer Sitte mit Schwertern umgürtet auf der Bühne 
erschienen ist; daran knüpft sich in rascher Folge des Aegisthos Wort 
ἀλλὰ μὴν κἀγὼ πρόκωπος κτλ. und hieran ebenso notwendig des Chors 
δεχομένοις λέγεις ϑανεῖν oe, womit der Kampf zu entbrennen im Be- 
griff ist, als Klytämnestra zwischen die Streitenden tritt. Es hängen 
also v. 1621 — 24 wie Ringe einer Kette zusammen, und es ist weder 
möglich zwischen diesen Versen noch auch nach ihnen eine Lücke zu 
statuieren. Folglich ist die nach v. 1619 erwiesenermassen vorhandene 
Lücke aufeinen Umfang von vier Tetrametern zu setzen. 


Beispielsweise ergänze ich den Ausfall durch folgende Gedanken : 


AIT. ἀλλ᾽ ἐπεὶ δοκεῖς τάδ᾽, ἔρδειν καὶ λέγειν γνώσει τάχα 
ὡς διχοστατεῖ" ξιφουλκός σ᾽ ἐκβαλῶ κομπασμάτων. 


ΧΟ. πῶς σὺ δὴ τλήσει μάχεσϑαε καὶ γέρουσιν ἀνδράσιν; 
AIT. ἡ ξίφος ῥάβδος κρατίστη καὶ γέροντας νουϑετεῖν. 
ΧΟ. ἀλλὰ πῶς ξίφος τινάξει χεὶρ ἄναλκις καὶ κακή; 
AIT. εἶα δή κτλ. . 


v. 1624 ist überliefert τὴν τύχην δ᾽ ἐρούμεϑα, wofür Schütz ἐρώ- 
μεϑα „lasst uns das Glück fragen‘ schreibt. Aber dieser Ausdruck wäre 
in seiner Kürze zu dunkel und er stimmt nicht zu der Siegesgewissheit 
der tapferen Choreuten, er würde j ja den Ausfall des Kampfes als zweifel- 
haft hinstellen. Auch Auratus’ τὴν τύχην δ᾽ αἱρούμεϑα befriedigt nicht, 
dies αἱρούμεϑα wäre völlig tautologisch mit δεχομένοις. Jedenfalls ist δ᾽ 
unrichtig, denn der aufgeregten Stimmung des Chors ziemt hier nur ein 
Asyndeton: dies δ᾽ wird aus einem α entstanden sein, das mit zum Ver- 
bum gehörte. Ferner ist τὴν τύχην, das der Scholiast mit οἰωνόν erklärt, 
„der günstige Zufall‘ dass Aegisthos vom Sterben gesprochen hat, nicht 
„das Glück“. So vermute ich dass der Dichter geschrieben hat τὴν τύχην 
καρπούμεϑα „wir benutzen das Omen“. 


v. 1626 und 27 ist überliefert ἀλλὰ καὶ τάδ᾽ ἐξαμῆσαι πολλὰ δύστη- 
vov ὃ ἔρως (Schütz δύστηνον ϑέρος), πημονῆς δ᾽ ἅλις δ᾽ ὕπαρχε᾽ μη- 


470 COMMENTAR. 


δὲν ἡματώμεϑα (Auratus ὑπάρχει" μηδὲν αἰματώμεϑα). Hermann kehrt 
die Ordnung der beiden Verse um, doch ohne die mindeste Nötigung, 
zumal da sich der von ihm heraufgerufene Vers σώφρονος γνώμης κτλ. 
. vortrefflich an μηδὲν αἱματώμεϑα anschliesst. Freilich ist ἀλλά nach 
dem vorausgegangenen ἄλλα δράσωμεν κακά ebenso übelklingend wie 
sinnwidrig, aber die Unangemessenheit bleibt dieselbe bei der Versumstel- 
lung. Eben ἀλλά ist verdorben: mit explicativem Asyndeton musste nach 
dem Imperativ fortgefahren werden αὐτὰ καὶ τάδ᾽ ἐξαμῆσαι κτλ. „auch 
schon dies an und für sich“. Aber auch im folgenden steckt noch ein 
schwerer Fehler. Wenn Hermann construiert „sed haec quoque satis 
multa sunt ut inde trisiem messem melamus‘“, so ist dadurch zwar 
πολλὰ erklärt, aber die Struktur wäre eine so schwierige dass kein 
Grieche sie verstanden hätte. Richtig und natürlich fasst dagegen Weil 
δύστηνον ϑέρος als Nom. und zwar als Prädikat zu &aunoas „auch dieses 
schon einzuheimsen ist eine traurige Ernte“. Aber dann ist πολλὰ im 
Verhältniss zu αὐτὰ τάδε ein rhetorisches contrarium, das wenigstens 
dadurch hätte gemildert werden müssen dass πολλὰ in einen Zwischen- 
, satz gebracht wäre, etwa so: „auch bloss dieses (das schon zahlreich 
genug ist) einzuheimsen ist eine traurige Ernte“. Kurz ich glaube nicht 
dass πολλὰ haltbar ist, es wird vielleicht zu lesen sein αὐτὰ καὶ τάδ᾽ 
ἐξαμῆσαι σπέρματ᾽ ἀστηνὸν ϑέρος. Wenn für ἀστηνόν (nach Lobeck von 
ἀσταίνω gebildet, wie ἀλυστηνός von ἁλυσταίνω) die nahe liegende Glosse 
δύστηνον (Hesych ἀστηνόν, δύστηνον, χαλεπόν) in den Text gedrungen 
war, 80 musste aus σπέρματα fast unvermeidlich πολλά werden. — 
Blomfields Conjectur und’ ἔϑ᾽ αἱματώμεϑα ist unnötig, denn allerdings 
war, wie Weil sehr fein bemerkt, bereits Blut genug geflossen, aber 
Klytämnestra, die jetzt wieder Weib geworden, vermeidet es von ihres 
Gemahls Ermordung zu sprechen und klammert sich daher nur mit der 
Bitte an Aegisthos „nur ja kein Blutvergiessen !“ 

Den verstümmelten Vers σώφρονος γνώμης δ᾽ ἁμαρτῆτον κρατοῦντα 
hat Hermann mit dem vollsten Recht vor 1629 gesetzt; denn hinter v.1635, 
wo er in den codd. steht, würde er nicht nur keine Steigerung des vor- 
hergehenden enthalten, sondern sich unerträglich matt hinterher schlei- 
chen, zumal wenn man den Schluss des Verses mit λοιδορεῖν oder ὑβρέ- 
σαι suppliert. Trefflich aber steht er der jetzt in ihrer Rache gesättigten 
und wieder milde gewordenen Königin in der von Hermann ihm zuge- 
wiesenen Stelle an: aus dem ‚verdorbenen ἁμαρτῆτον stellt er ἁμαρτεῖν 
τὸν her (vgl. v. 1570, wo für ὀλισϑεῖν die codd. ὀλέσϑη geben), aber die 
Ergänzung des Verses mit αἶσχος μέγα ist zu plump für die bittende Frau, 
ich, iese lieber σώφρονος γνώμης δ᾽ ἁμαρτεῖν τὸν κρατοῦντα πῶς 
πρέπει; 

v. 1629 und 30 geben die codd. στείχετε δ᾽ οἵ γέροντες πρὸς δόμους 
πεπρωμένους τούσδε | πρὶν παϑεῖν ἔρξαντα καιρόν. (Flor. ἔρξαντες). 
Der erste Vers ist vortrefflich emendiert von Franz: στεῖχε καὶ σὺ yol γέ- 
ροντες πρὸς δόμους πεπρωμένους, der zweite aber von Weil, der 
ἔρξαντα als hier ganz ungehörig und in Reminiscenz an v. 1531 beige- 


COMMENTAR. 471 


schrieben ausstösst, dagegen das unentbehrliche τούσδε. das sonst alle 
Herausgeber ohne irgend eine Erklärung beseitigten, „beibehält und so 
schreibt τούσδε πρὶν παϑεῖν ἄκαιρον χρῆν ad’ ὡς ἐπράξαμεν. — 
Auch hier zeigt sich also wieder dass Farn. das echtere ἔρξαντα bewahrt, 
während Flor. aus Conjectur ἔρξαντες schreibt. 

v.1631 lesen wir in den codd. εἰ δέ τοι μόχϑων γένοιτο τῶνδ᾽ ἅλις 

γ᾽ ἐχοίμεϑ᾽ ἄν. Für die letzten verdorbenen Zeichen schreibt Hermann 
unzweifelhaft richtig δεχοίμεϑ᾽ ἄν, aber durch seine Conjectur εἰ δ᾽ ἔτ᾽ 
οὐ μόχϑων γένοιτο τῶνδ᾽ ἅλες bringt er in den Zusammenhang einen 
völlig fremdartigen Gedanken: ‚Sin nondum satis est hisce malis, acci- 
piemus, dei si nos gravis ira infortunio plectet“. Wahrlich, von solcher 
christlichen Ergebung ist die Königin weit entfernt: sie hofft vielmehr 
hier, wie v. 1535 54., dass, wenn auch Agamemnon noch als Opfer des 
Alastor habe fallen müssen, doch jetzt eine Abfindung eintreten könne 
durch Spenden an die Götter u. s. w. Diesen einzig hier passenden Ge- 
danken liest Weil aus dem überlieferten εἰ δέ τοι μόχϑων γένοιτο τῶνδ᾽ 
ἅλιος heraus, indem er übersetzt „Ouibus si daemon contentus alia non 
adiiciat, hanc bonam fortunam ‚post tot tantasque plagas libenter acci- 
piamus“, Aber ἅλες μόχϑων ist ja vorhanden, wie Klytämnestra soeben 
ausdrücklich gesagt hat πημονῆς δ᾽ ἅλις γ᾽ ὑπάρχει: wie könnte sie 
deun hier dasselbe Wort in dem ganz anderen Sinne fassen, dass es hiesse 
„genug in den „Augen der Gottheit‘? Nein, die überlieferte Lesart ist 
nicht haltbar: ἅλες ist aus v. 1626 hier hereingetragen und hat ähnliche 
Zeichen verdrängt, welche den Begriff „Heilmittel“ gaben. Aeschylos 
schrieb vermutlich εἰ δέ τοι μόχϑων γένοιτο διάλυσις. δεχοίμεϑ᾽ ἄν. 
Hesych erklärt διάλυσις durch διάκρισις. φϑορά, διαχωρισμός:: es be- 
zeichnet hier die Abfindung, die Auseinandersetzung mit dem Alastor. War 
διάλυσις verlesen in ἅλις, so musste natürlich des Metrums wegen τῶνδ᾽ 
eingeschoben werden. Das τοί aber wird echt sein: im hypothetischen 
Satze ist es so zu verstehen, dass es logisch zu dem Nachsatz δεχοίμεϑ᾽ 
ἄν gehört, aber im Affekt der Rede sich vordrängt, gleichsam als Paren- 
these im Vordersatz. Ganz ähnlich Sall. Cat. 52, 35 „Postremo si me- 
hercule peccato locus esset, facile paterer vos ipsa re corrigi‘, wozu 
man die Ausleger vergleiche. 

v. 1632 liest Hermann nach Flor. %0A7, in welchem Ausdruck wir 
alle äschylische Plastik vermissen würden; unendlich viel schöner ist das 
von Ven. und Farn. bewahrte χηλῇ. Vgl. Pers. 510 ὦ δυσπόνητε δαῖμον, 
ὡς ἄγαν βαρὺς ποδοῖν ἐνήλλου παντὶ Περσικῷ γένει. Aber sowenig 
χολῇ τὰ πεπληγμένοι stimmt, so wenig trägt δυστυχῶς äschylische Farbe. 
Entweder steckt darin δυσκόπως (oder ein anderes zu πεπληγμένοι pas- 
sendes Adverb) oder es ist verlesen aus διπτυχῶς » welches das doppelte 
Unglück des Hauses, Iphigenias und Agamemnons Ermordung, bezeichnete. 
Vgl. Eur. Tro. 286 διπτύχῳ γλώσσᾳ (doch findet sich neben δέττυχος 
auch διπτυχής). 

v. 1634 ist das überlieferte ἀπανϑέσαι schon aus dem Grunde nicht 
haltbar, weil Aegisth den Spott und die Drohungen des Chors nicht als 


472 COMMENTAR. 


ἄνϑη bezeichnen kann. Aber auch Wakefields. ἀκοντίσαι klingt neben 
dem Objekt γλῶσσαν nicht äschylisch: ganz anders rund und voll ist 
Menand. fr. Mein. -p. 225 γλώσσῃ ματαίους ἐξακοντίσῃ λόγους. In dem 
ersten Verse scheint mir Aegisth sich über den Spott, im zweiten über 
die Drohungen der Greise zu beklagen, und da nun Spitzfindigkeiten der 
Rede bildlich ἄκανϑαι heissen, so glaube ich dass Aeschylos geschrieben 
hat γλῶσσαν ὠδ᾽ ἀκανϑίσαι „dass sie die Zunge so gegen mich sticheln 
lassen“. Vgl. Greg. Naz. τρυγῶν ἀκάνϑας οὐκ ἀκανϑίξω ῥόδα. 

v. 1640 sucht Hermann πρᾶσσε, πιαίνου so zu deuten und zu vertei- 
digen, dass πρᾶσσε nur die einstweilige Vertretung des nachfolgenden 
πιαίνου bilde; dabei verweist er auf ν. 1249, wo ἰοῦσα πράξω, τλήσομαι 
᾿ τὸ κατϑανεῖν überliefert ist. Aber diese Stelle habe ich verbessert in 
λιποῦσ᾽ ἅμαξαν κτλ. Darnach wird πρᾶσσε,, (ΓΟ δ᾽ es nur so“, völlig 
inhaltslos wie es ist, auch au unserer Stelle nicht haltbar sein, zumal da 
gar kein Zusammenhang mit dem vorhergehenden nachzuweisen ist. 
Nachdem Aegisthos spottend von Orestes gesagt hat „o ja, ich weiss 
dass leere Hoffnungen das tägliche Brot der Verbannten sind“, müss der 
Chor notwendig erwidern: „Während dessen (dass Orestes von Hoff- 
nungen lebt, lange wird’s nicht dauern) mäste du dich auf Kosten des 
Rechts, du kannst es ja“. Daher schreib’ ich statt πρᾶσσε, das aus con- , 
jecturierender Entzifferung erloschener Buchstaben hervorgegangen zu 
sein scheint, τέως σὺ πιαίνου κτλ. Die Synizesis von τέως (die sich 
auch bei Homer findet) kann nichts bedenkliches haben, da Aesch. Pers. 
156 auch ϑεοῦ im Tetrameteranfang steht. 

Die ganze Schlussscene gruppiert sich nun so: 

2. 1.1.1.1.1.1.1, 441 z.ı.1.1.1111. 2. 


24 





ὦ 374. 
ἀβλαβής 360. 


Wortregister. 
(Die Zahl hezeichnet die Seite.) 


ἁβρόπηνος (ἀβρότιμος) 317. 


ἀγάλακτος 322. 


ἄγαλμα πλούτου (Ὁ) 324. 


ayn 394. 
ἄγκαϑεν 208. 
ἀγλαοφεγγής 224. 
ἁγνήν 411. 486. 
ἀγῶνα 8387. 
ἄδερκτος 286. 
ἄδιστος 280. 


ᾷδου μητέρα (λήτορα) 405. 


ἄδου πύλαι 414. 
ἀεξιφύλλους 819. 
ἄξοι 842. 
ἀϑλα 827. 
ἄϑωα 411. 
αἴγλη 265. 
αἵματος ξάλη 431. 
aluopgovs 404. 
αἰνεῖν 221. 
αἴρειν 216. 
dato 295. 
ἐν ἀίστοις 286. 
αἰσχύνων 466. 
αἰχμή 290. 
αἰω 252. 
ἀκασκαῖος 323. 
ἄκεσμα 890. 
ἀκάτα (?) 858. 
ἀκμή 227. 
ἀκούει 416. 
ἄκρος 332. 
ἀκρότατον 364. 
ἀλαξών 412. 
ἄλαι βοοτῶν (Ὁ) 248. 


ἀλγεῖν, 6. gen. (Ὁ) 286. 


ἀλλαγάς 335. 
ἀλλόϑρους 898. 


ἄλλος ἄλλοθεν mit Plur. des Verb. 


306. 
ἄλλως 417. 
ἁλούσης 421. 


ἀμηνίτοις (-τως) 867. 
ἄμισϑος 353. 
ἀμφιϑαλής 887. 
ἄμωμος 280. 
ἀναμπλάκητος 269. 
ἀναρσίως 294. 
ἄνατος 399. 451. 
ἄνδικες 434. 
ἀνδρακας 461. 
ἀνδροϑνῆτας 333. 
ἀνδροσφαγ᾽ ἐὸν 375. 
ἀνέκαθεν 209. 
ἀνελεύϑερος 454. 
ἄνϑηρος 6. gen. 303. 
ἄνθος 249. 

ἀνόσια 821. 
ἀνόρμου 315. 
ἀντάδειν 244. 
ἀντήλιος 294, 
ἀντιτέσασθαι 409. 
ἄντιτον 436. 
ἀντολὰς ἐτῶν 209. 
ἄνωϑεν 841. 462. 
ἀξία 811. 
ἀξύστατος (?) 447. 
ἀπαυδᾷ 252. 
ἀπερᾶν 462. 

ἄπεχε 8388. 

Grand ine (?) 472. 
ἁπλῶς 818. 

ἀπὸ γλώσσης 333. 
ἀπομούσως 329. 
ἀποπτύσας 353. 
ἀπόσυτο 327. 
ἄπτερος 257. 
ἄπυρος 218. 

ἄρά 468. 

ἀραῖον 810. 458, 
ἄραρε 418. 

ἄρκυς 379. 447, 
ἀρκύστατος 428. 447. 
ἀρτάνᾳ 814. 
ἀρτεμία 864. 
ἀρχαέων δόμων 305. 





414 


ἀσεβεῖ ϑανάτῳ 460. 451. 
ἀσινεῖ δαίμονι 424. 
ἀσκεύοις 441. 
ἀσπιδηκρότος 8335. 
ἀστηνὸν ϑέρος 470. 
ἀσχαλᾶν 248. 

Arn 325. 455. 

ἄτιμος γ. ἄμωμος. 
ἀτίτης͵ 220. 

ἀτολμήτῳ ϑράσει 274. 
ἀυταῖς μηλοφόνοισιν 322. 
αὐτοῦ adv. 429. 
αὐτοφόνος 374. 
αὐτόχϑονες 268. 

ἀφάς 355. 

ἀχηνία 281. 

ἀχρεῖος 334. 

ἄψη γένους 459. 


βάλλειν = ἀποβάλλειν 242, 


βάλλειν φϑόνῳ 348. 
βάρος 377. 

βαφαὶ χαλκοῦ 807. 
βαφή 350. 

βεβάκει 278. 

βίος = βίοτος 287. 
βίον τείνειν 427. 
βλαβῆναι c. gen. 229. 
βλαστός 889. 
βλέφαρα συμβαλεῖν 212. 
βοᾷς 449. 

βορά 401. 

βοτοῦ μόρον 484. 
βοῦς ἐπὶ γλώσσῃ 213. 
βρεγμοί 802. 

βρέφη 875. 

βριϑυς 392. 
᾿βρυαξεται 451. 


γάγγαμον 211. 

γάνος 80ὅ. 

γαπέδου ῤῥαντήριον 375. 
γάρ in der occupatio 324. 
γέ 346. 347. 360. 
γεγραμμένος ἦσϑα 829. 
γέμος 401. 

γένοιτο c. Inf. 270. 
γενναίως 397. 

γέντα 229. 

γέρας 218. 

γλῶσσαν 868. 

γονὰν ἀραῖον 458, 
γυναικὸς αἰχμή 290. 
γυναιμανεῖς 280. 
γύννις 466. 


δὰ 373. 
ϑαῖσαι 239. 


WORTREGISTER. 


δάκος 335. 
δαμοθϑρόους ἀράς 438. 
δεδμημένης 848. 
δέργμα 353, 

δή 276. 808. 

δῆγμα 389. 
δημάρατος 285. 
δημιοπληϑέα 232. 
“διάλυσις 471. 

δέαυλος 271. 72. 
δέκαι 333. 

Alan und Ἐρινύς 436. 
δικαιωϑείς 277. 
δίλογχος 311. 

δίναις τελεσφόροις 357. 
διπλῆ μαστιξ 311. 
διπτυχῶς 471. 
διχορρόπως 411. 
δνοφερά, 393. 

δοκοῦν ὄντος 328. 
δολιομόρου ἔκ χερός 4860. 
δρᾶν 372 


. δυοὶν mit Plur. des Subst. 429. 


δυσαυγεῖ τύχᾳ 389. 
δυσθϑνήσκουσα 884. 
δύσκοτος 285. 
δυσκύμαντα κακά 312. 
δυύσμαχος 457. 
δυσμενεῖς 596. 
δυσοίξω 411. 
δύσφρον 298. 


ξαρ 326. 
ἔγκληρον πῖαρ 331. 
ἐγρήγορον 270. 
ἔϑρυπτε 462. 
εἰδώλων σκιάς 337. 
εἷλον, 269. 
εἶτ᾽ ἂν 282. 
ἐκ ϑεῶν 363. 
ἐκδυσάμενος 271. 
ἐκϑυμάτων 808. 
ἐκμαρτύρησον 896. ’ 
ἐκπάτιος 216. 
ἐκπράξας 412. 
ἐκτελέων 226. 
ἐκτενεῖς 274. 
ἐκ eiv 363. 
ἑἕλέναυς ἕλανδρος ἑλέπτολις 317. 
ἕλανδρος Οἰξυς 447. 
ἕλκος 811. 
«ξλπίξον 210. 
Ἕλλην fem. 408. 
ἐλπείς Furcht 437. 
ἔμβολα, 348. 

ußola 354. 
ἐμπατεῖν mit Gen. 437. 





WORTREGISTER. 


ἔνδικος 357. 
ἐνέβη 459. 

ἐνηῆ 444. 
ἔνϑεος 899. 
ἔνϑήσειν 408. 
ἐντός 809. 
ἔπαλξις 276. 
ἐπαντέλλειν 213. 
ἐπεγχέας 385. 
ἐπέϑου 488. 
ἐπείπερ καί 884. 
ἔπεισι 408. 


᾿ ἐπέσυτο 260. 


ἐπηνϑίσω 441. 
ἐπικράναι 454. 
ἐπιμαίνεται 486. 
ἐπιρρέπειν 339. 
ἐπισπένδειν 431. 
ἐπίσταμαι 408. 
ἐπίστροφον 277. 
ἐπιτύμβιος οἶκτος 456. 
ἐπολολυξάτω 880. 
ἐποπτεύειν 460. 
ἐπούρισεν 245. 
ἔπραξεν 218. 

ἐπῳδήν 48ῦ. 

ἔρδειν καὶ λέγειν 468. 


ἐρειδομένου, ἐρειπομένου 217. 


ἐρειπίῳ 814. 
ἐρέδματος 441. 
ἐρικύμονα 228. 
£gunvevs 809. 
ἔρος 290. 
ἔρνος 221. 454. 


ἔρχεσθαι von Geschossen 294. 


ἐσάξειν 394. 
ἔστε mit Acc. u. Inf. 326. 
ἐστώ 275. 
ἔσω φρενῶν 870. 
ἕτειος 206. 
εὐθαρσής 848. 
εὐϑνής 440. 
εὐϑοίνως 461. 
εὐθυπορεῖν 365. 
εὔμορτοι 285. 
εὐπειϑής 256. 353. 
δ πίπτειν 218. 
εὖ πρᾶξις 2585. 

πρεπῶς mit Dat. 309. 

υτόκοις 485. 
oa 416. 
EUPNWOS 310. 311. 
εὐφιλόπαις, εὐφίλοικτος 386. 
ἔχειν mit Gen. part. 350. 
χειν πληγήν 272. 
ἕωϑεν 842. 


475 


ξάλη 313. 815. 395. 431. 
ῥῶσι ϑύελλαι 334. 


ἃ νοῦς 808. 

λϑεν von Geschossen 294, 

Alov πρὸς ἀντολάς 395. 
nwev πεπυσμένοι 376. 
ἤξεν 265: 

ηρημένη τέχναις 899. 

σθαι mit Obj. ? 24. 
ηὔξανον 361. 


θᾶκος 294. 

ϑανατηφόρα 392. 

ϑέμιν ὁρκέων 486. 

ϑένει 888. 

ϑερμός 391. 

ϑεσμός 262. 

ϑεσπεσίας ὁδοῦ 388. 
ϑεσπιωδοί 884. 

ϑεσφατηλογεῖ 489. 

ϑηγάνει 458. 

Yıy avsıy πρός τι (Ὁ) 283. 

ϑρασος Arns 326. 

ϑραύσματα 389. 

ϑρηνεῖ 386. 

ϑροιὰ πτώσιμος 381. 

ϑῦμα 380. , 

ϑυμοβόραν 222. 

ϑυοσκνεῖς 221. 

ϑυραῖοι ϑεοί 221. 

ϑυραῖος ὧν 464. 


ἑάπτων 456. 457. 

ἰδέ 375. Ze 

Ivıg 321. 

ἰσάργυφος 350. 

ἰσόψυχον 448. 

ἴστον τριβάς (iororgıßns) 440. 
ἴσχει 353. 

ἴσως 369. 


καί in unwilliger oder verwunderter 
Frage 427 (vgl. v. 263. 1133). 

καὶ μὴν 345. 436. 

κἄτα 366. 

καλά in der Anrede an Artemis 235. 

κάρβανος 370. 371. ' 

καρδία 363. 

καρπούμεϑα τὴν τύχην 469. 

καταρκεῖν 275. 

κατέδοιμι 287. 

κατεψάκαξον 802. 

κάτοκνος 418. 

κάτοπτον πρῶνα 268. 

κάτοπτρον 886. 

καυμάτων 887. 

κεκολληται 458. 49, 








476 


κέκρανται 298. 

κεκτημένη 370. 

κερϑὲν 4584. 

κεροτυπεῖν 312. 

κῆδος 320. 

αλαύσιμος 380. 

κλύειν vom Lesen gebraucht, wie 
wir für „schreiben“ auch ‚‚sa- 
gen‘‘ oder „erzählen‘‘ verwenden 
305. 

κλύξειν 894. 

κοιμᾶν 306. 

κολοσσὸς 281. 

κομέξων 331. 

κονις ἄγγελος 293. 

κόραξ 448 

κόροις 872. 

κόσμῳ 295. 

κουροβόρῳ παρέξει 452. 

κράτος 220. 309. 

κράτος κρατύνεις 448. 

κρίσις (ἐν ϑεῶν κρίσει) 414. 

κροκοβαφὴς σταγῶν 382. 

κρόκου βαφή 253. 

κτήνεα 229. 

κτησίων χρημάτων 366. 

κυκλοῦται 357. 

κυνάγουν 818. 

. κύριον ἔαρ 826. 


λαβρὸν πήδημα 335. 
λακούσῃ 418. 
λάκτισμα δείπνου 468. 
λαμπτηρουχίας 848. 
λάσκοντος 889. 

λάχη 460. 

λέγοιμ᾽ ὧν 336. 
λείξασα 404. 
λευσέμου (?) 380. 
Anpoıs 407. 

λήτορα ἄδου 405. 
λιμοϑνής 412. 

Alva δουλείας 271. 
Aımovavg, 250. 
λιποῦσ᾽' ἅμαξαν 414. 
λέπος 486. 

λοχῖται 469. 
λυμαντὴρ πικρός 438. 


μάξης δουλίας 867. 

μαλϑακόν 466. 

μαρτυρεῖν mit Dat. des Part. 418. 
μάστιξ διπλῆ 811. 

μάται 255. 

μεϑύστερον (Ὁ) 282. 

μελάγκερων ταῦρον 388. 

μελάθρων 451. 


WORTREGISTER. 


μένος 261. 

μέρος ἥματος 301. 

μέτοικοι 216. 

μή in zweifelnder Frage v. 661. 

μή „doch wohl nicht‘ 417. 

μῆκος 208. 

unvıs 320. 

μηχανή 407. 

μηχάνημα 888. 

μηχανωμένη 351. 

un χαρέξεσθαι 262. 

μισητὴς κυνός 402. 

μοῖρα μοῖραν 361—363. Μοῖρα = 
Jiun 455. 

μόλις 422. 

μονόφρουρος 256. 

μόρος 885. 

μυελός 221. 

μύσος 433. 


ναυβάτας 356. 
ναυκληρίας 301. 
ναυστολοῦσα Τύχη 315. 
ναυτίλων σελμάτων 440. 
ψνείρᾳ 449. 

νέμειν 220. 

veoyovog 389. 

vedoovrog 427. 

ψέωμαι 251. 

vniov 300. 

νίκη σταδαία 429. 
ψομίξεται 368. 

νοσσός 237. 

ψοῦς 305. 

ψόῳ 397. 


ξυνάδοντος χρόνου 848. 
ξυνανύτει 881. 

ξυνδίκῳ ᾽Δρᾷ 463. 
ξύνευνος 379. 

ξύνωρος 292. 


ὀγκοῦσϑαι 23. 
ödıog 226. 

οἶδα φίλα 332. 
οἰδανεῖ 283. 
οἶδμα 277. 

Οἰξύς 47. 
οἰκείας βοράς 400. 
οἰκέταις 450. 
οἰμᾷς 888. 

οἴμοι mit Gen. 412. 
olwog 348. 
οἰμώγμασιν 426. 
ὄκνος 365. 
ὀλισϑεῖν 468. 
ὀλολυγμός 306. 


ὀμβροκτύπῳ 818. 


ὁμιλία 886. 
ὁμότοϊχος 864. 
ὄνειδος 451. 
ὄνομα 282. 
ὄντως 317. 332. 
ὀξὺ for 217. 
oma οἵς 282. 
ὅποι δοκεῖ 451, 
ὀργαένει 480, 
ὀργὰς ἱερῶν 219. 
ὁρεγμένα 378. 
Ὀρϑοδαής 860. 


ὁρκέων ἐμῶν ϑέμιν 486. 


ὄρμενον 482, 
ὄρνις 257. 

ὄρνις Ζηνὸς 490. 
ὀρόγκοις 286. 


οὐδέ für οὐ nal? 359. 458. 


οὐ λέγω 840. 


οὐ μεϑυστερονῦ 282. 
οὔπω im Conditionalsatz 316. 


οὔρους 262. 
οὔτε — τέ 454. 


οὔτις — ἀλλά 454. 


οὔτοι 353. 357. 


WORTREGISTER. 477 


πῆμα νόσου 838. 
πημονή 428. 

πῖαρ 331. 

πιπράντος ξεφύρου 318. 
πιστά 256. 

πιτνών 243. 

Πλειάδων δύσις 335. 
πλέον φέρειν 868. 

πλέῳ 416. 

πληγὴν ἔχειν 212. 


- πληϑύνομεν 428. 


πλουτίξειν 411. 
ποιμένος κακοῦ 312. 314. 
πολύδειρος 821. 
πολυεπής 384. 
πολύμνηστος 334. 447. 
ποντίξειν 366. 

πόποι 373. 

πορϑεῖν 269. 

᾽πόρισε 302. 

ποτᾶσϑαι 304. 

πότμος εὐθυπορῶν 365. 
πράσσειν 845. 
πρέποντα 482. 

πρὶν av? 243, 
προβαένων 451. 
προβούλου Aras 276. 


ΜΌΝ 


παγκλέϊστον͵ „allgepriesen‘‘ 350. πρόδουλονῦ 848, 

παιὰν ᾿Ερινύων 811. προῆκεν 261. 

παιάν, παιών 238. προϑύμως 461. 

παίειν 365. πρός mit Gen, 300. 
παιώνιος 897. — mit Acc. 321. 343. 400. 
παλιμμήκης 248. προσαιϑρίξζουσα 260. 
παλιντριβής 286. προσβολή 316. 

παμπορϑὴ 321. προσεικάξειν objektlos 240. 
παναυγές 419. προσῆσϑαι mit Acc.? 334. 336. 396. 
παραπλίνασα 324. πρὸς ἐνδίκοις φρεσίν 357. 
παρανόμους ? 445. πρόσϑεν 233. 

παρὰ στάϑμην 868. προτιμῶν 434. 

παρείς 847. | πρότυπον 233. 

παρέκλυσεν 355. προφήτης 278. 876. 
παρεκόπης 407. προφϑάσασα 868. 

πάρδξις 452. πρυμνήσια 884. 
παρεσκευασμένη 488, πταίειν 846. 


παρήβησενῦ 355. - πτύσωνφ 480. 
παάρηξιοῦ 299. πτώσιμος 381. 
nayva? πάχης 452. πῶ no 356. 


πενϑήμασιν 282. ἐπει ἔς τι 427. 


πείϑοι᾽ ἂν εἰ πείϑοιο 369. ἐγξεις 800. 
πεπλῶώδει 888. 


πέρα 282. org 419. 
Hleyane 20 μωφα δῖ 
περίβαλον 881. πη, 406 
περιβρυής 864. on 891. 
περιοργῶς 251. “ 
πέφανται 214. σάλη 348. 


πέψεται 466. σαρωϑέν 234. 


418 


σέβας 394. 350. 

σεβίξω 328. 

σέβω 466. 

σέλας 277. 

σημαένειν mit Part. 882. 
σκάφος 315. 

σκέπη 852. 

σκήπτων transit. 315. 

σκιά τινος 887. 422. 

σπερ νούς 282, 

onEV ομένα mit Acc. u. Inf. 239. 
σπλάγχνα 357. 

σταδαία vinn 429. 
στάϑμην 868. 

στάλαγμα πλούτου 324. 
Στάσις 380. 

στρόβος 819. 814. 
στρώματα 281. 

στύγος 411. 

συμβαλεῖν 212. 

σύμφυτος 226. 

συντριβής 467. 

σύνωρον 255, 

σφαγαὶ πυρός 431. σφαγάς 462. 
σωτὴρ Ζεύς 430. \ 


τάγαρχος 402. 

ταγοῖν 221. 

τάλαν fem. 377. 

ταμεσικάρδιος 288. 

τέ nicht am Versanfang 278. 

τέ nach Part.? 222. 

τέ verbindet zwei Bezeichnungen 
derselben Person 420. 

τέ nach dem zwei Gliedern gemein- 
samen Begriff 387. 

τέγος. 270, 

τεϑνᾶναι 297. 

τείνειν βίον 421. 

τεκμήρια 427. 

τέλειος 359. 

τέλος 346. 

τελεσσίφρων 320. 

τελεσφοροις δέναις 357. 

τέλλεται 884. 

τερασκόπος 489. 

τέρμα 864. 

τέτρηται 840. 

τεύξεται 403. 

τηρούμενοι 265. 

τί δ᾽ οὔ; 800. 

τιμάορος 419. 

τείνειν 420. 

τίτην 437. 

τλῆναι mit Inf. 367. 


WORTREGISTER. 


τλησικάρδιος ἢ 283. 

τορός 809. 

τριπάχυντον 449. 

τριτάτην ἄτην 425. 

τρύχειν 849. 

τύχαι βίου 286 (Eum, 911.). 
ἐν τύχᾳ 811. 

τύχη 469. 

τυχών mit Gen. 384. 


ὑβρίξεις 465. 
ὕβρις kein persönliches Wesen 325. 
ὑδαρής 329. 

ὑπεραῖρον 271. \ 
ὑπέργηρως 221. 
υπερκόπους ἀλλαγάς 335. 
ὑπερτείνασα 852. 
ὑποβλέμμασι 281. 
ὑποκάων 218. 

ὑστέρω χρόνω 320. 


φάσμα 281. 

φατις 408. 

φέγγος 307. 
φέγγουσαν 265. 
φέρει φέροντα 458. 
φραγμάτων 300. 
φρενοκλοπεὶ 392. 
φρενῶν στύγος 417. 
φύλακας 253. 
pvraiuroı 267. 


χάδοι 301. 
χάξεται 382. 
χαλκοῦ Papas 307. 
χαρίξεσϑαι 262. 
χειμών 394. 
χείρωμα 421. 
χηλῇ 471. 

χϑονοτρεφές 432. 
ζγαῖνα χϑονός 341. 
χλωρός 221, 
χρησμὸς 469. 
χροα 303. 
χρόνοι πλέῳ 415. 
χρόνος „lange Zeit‘ 864. 
χρόνῳ πολλῷ 29. 
χρυσαμοιβὸς σωμάτων 283, 
χρυσόπαστος 327. 


ψῦχος 352. 
ὡς correlativ mit τόσων 340. 


ὡσπερεί 400. 
ὥστε für ὡς 8348. 


Sachregister. 


Abschluss des Gedankens mit einem 
metrischen System 217. 220.; doch 
kann nachträglich ein wichtiges 
Moment hinzugefügt werden 217. 
243. 253, 

Abominative Formel 340, 

Acc. des Objekts von einem Adj. 

abhängig? 374. 

— des Inhalts 425. 435. 

Adj. im Neutrum durch den Artikel 
substantiviert 298. 

Aegisthos’ Schuld 23. Auftreten 43. 
461. 

Agamemnons Schuld 21. Auftreten 
32—34. 

Alastor 17—21. 425. 449, 451. 

Alliteration 315. 

Anakoluth 284. (τὸ μὲν — ua) 339. 

ες 867, 352 (Ὁ) 353 (?). 

Anapäste sind Marschrhythmen 425. 
441 


>- sind in troch. Strophen nicht zu 
dulden 358—359. 

Aorist drückt das Momentane aus: 
im Part. 324. 371. 412. — im Inf. 
429. — im Indic. 401. 

Aposiopesis 292. 301. 468. 

Apollon und Helios identisch 419 sq. 

Areopag 11. 

Argos mit Athen verbündet 11. 

Artikel substantiviert das Part. 269. 
— das Adj. 298. 343. — nicht zu 
dulden beim Subst., wo nicht eine 
bestimmte Hinweisung stattfindet 
276. 308. 311. 347. 

Asyndeton advers. 357. — summa- 
tiv. 328. 384. 411. — explicat. 218. 
304. 367. 371. 387. 419. 428. — 
häufig durch die Abschreiber ver- 
dorben 283. 

Atreus identisch mit Pleisthenes 5. 
— ermordet von Thyestes 5. 

Attraction des Geschlechts des Adj. 
beim Gen. part. ὁ ὕστατος τοῦ 
χρόνου Alb. 

Augment fehlt durch Aphäresis 302. 


Chor besteigt die Bühne 40. 425. — 
Zahl der Choreuten 25. 426. 441. 

Congruenz zwischen Subjekt und 
Prädikat 228. (nicht 246). 

Construction bei Aeschylos nie ver- 
worren 211. 

Cumulation von Adjectiven 280. 


Daktylische Heptapodien 359. 
Dative neben einander 371. 
Dorische Verbalformen 317. 328. 


Ellipse eines aus dem Verbum zu 
entnehmenden Subst. 229. 371. 
426. — Ellipse des Verb. 308. 440. 

Epanaphora 303. 

Erbsünde 14. 459. 

Euripus 248, 


Futur, statt Präs. 213. 


Genitiv abhängig von einem des 


Complements nicht bedürftigen 
Adj. 384. — Gen. part. von einem 
Adj. abhängig 325. (von οὐτωῦ 
849.). — Gen. absol. nach verbis 
sent. und declarandi 337. — Gen, 
definitivus 424. — Gen. bei Inter- 
jectionen 412. 416. 

Gleichnisse rein und klar durchge- 
führt 364—365. 

Glossen in den Text gedrungen 223. 
236. 238. 254. 263. 367—368. 388. 
447. 470. 

— haben das echte Wort verdrängt 
277. 349. 364. 392. 404. 408. 418. 
423. 426—428. 430. 432. 437. 445. 
458. 

Glyconeen im System 317. 321. 


Handschriften des Agam. in ihrem 
Verhältniss zu einander 197—202. 
Helios und Apollon identisch 419. 
Herold Talthybios 30—31. Seine. 
dramatische Bedeutung 292. 
Hervorhebung des Adj. durch die 





480 


Stellung 419. 427. — Hervorhe- 
bung eines Begriffes durch Ueber- 
greifen des Satzes in die nächste 
rhythmische Periode 253. 313. 334. 
404. 418. 419. 421. 438. 461. 
Hiatus in anapäst. Systemen 328, 


Iambische Systeme dulden nicht den 
Spondeus 284. 


Imperfekt nicht zu dulden, wo eine 


Handlung bezeichnet wird 816, 

Infinitiv für den Imperativ 237. 

— ım Ausruf 284. 410. 

— im Wunsch 316. 

Interjektionen stehen ausserhalb.der 
Responsion des Recitativ 421. 

Interpunktion gleichmässig in Stro- 
phe und Gegenstr. 225. 241. 276. © 
326. 380-382. 433. 


Kassandras Visionen 36. Weissa- 
gungen 37. Dramatische Bedeu- 
tung 88, 

Klytämnestras Auf- und Abtreten 
25. 214. Charakter 23—29. Schuld 
22. 


Litotes 262. 332. 350. 


Mase. des Partic. wird nicht mit 
weibl. Subst. verbunden 302. 
Metonymie 261. 326. 


Nom. statt Voc. 234. — Nom. abs. 
nicht zulässig 353. 366. 


Occupatio 324. 

Opt. Aor. I auf -aı 424. 

Opt. mit ἄν in der Frage drückt 
einen Wunsch aus 458. 

Oxymoron 319. 335. 420. 


Parataxis eines logisch untergeord- 
neten Gliedes 390. 435. 

Parenthesevon den Abschreibern als 
selbständiger Satz hintergestellt 
323. 844, 

Parömiacus ist notwendig zum Ab- 
schluss des Gedankens 328. 423. 


SACHREGISTER. 


Partieipien, nicht coordinierte 444, 

Pentapodie, iambische 324. 

Personification des Makistos 261. 

Pleisthenes identisch mit Atreus 5. 

Prägnanz 212. 304. 385. 436. 457. 

Präposition von ihrem Casus ge- 
trennt 268. 

Priapeus 319. 

Pron. demonstr. weist hin auf An- 
führung direkter Rede 273. 284. 
293. 423. 

— Pron. demonstr. in seiner Be- 
griffserweiterung 432. 


Responsion im Gleichklang der Syl- 
ben und in Wiederholung gleicher 
oder ähnlicher Wörter 319. 364. 

' 391. 432. ᾿ 

— genaue Responsion in Dochmien 
880. 393. 

— ungenaue in der Basis logaödi- 
scher Systeme 323. 

Rhythmus im Einklang mit dem Ge- 
danken 320. 


Saronischer Meerbusen 264. 

Schicksalsidee 12. 

Scholien zusammengeflossen 360. 

Staub als Bote eines nahenden Hee- 
res 293. 

Syllaba anceps 356. 


Tmesis. 462; nicht zu statuieren 240 
sq. 365 sq. 

Tonstelle im Verse, vgl. Hervorhe- 
bung. 

Transitive Verba ohne Objekt 241 
(Cic. pro Ligario $ 21 statuerat 
excusare). 

Trochäisch katal. Verse dulden nicht 
syllaba anceps am Schluss der 
Reihen 356. 


Versbrechung 317. 


Wiederholung desselben Verb. 377. 
— desselben Adj. 377. 
Wortspiel 352. 








SID